Die Finanzierung des Bahnprojekts zwischen Stuttgart und Ulm ist verfassungswidrig - zumindest behauptet das jetzt ein Gutachten des ehemaligen Präsidenten der Berliner Humboldt-Universität, Hans Meyer. Der hält die Mitfinanzierung des Sieben-Milliarden-EuroProjekts durch das Land schlicht für verfassungswidrig. Dabei dreht es sich um jene 950 Millionen Euro, die das Land lockermacht, damit die Neubaustrecke genauso schnell fertiggestellt wird wie der Bahnknoten Stuttgart. Artikel 104a des Grundgesetzes schreibe aber vor, dass Bund und Länder gesondert ihre Ausgaben tätigen. Das Schienenprojekt sei aber, trotz seines städtebaulichen Werts für Stuttgart, eine Bundesaufgabe - und deshalb auch vom Bund allein zu bezahlen. Laut Meyer verbietet das Grundgesetz die Kofinanzierung von Bahn- oder Autobahnprojekten, damit sich reiche Bundesländer keine Bundesinvestitionen kaufen können.
Es gibt indes ein Gutachten, das vom Gegenteil ausgeht. Es stammt von Klaus-Peter Dolde, der im Juli 2007 zur Erkenntnis kam, die Neubaustrecke sei eine so genannte "unechte Gemeinschaftsaufgabe" des Bundes und der Länder. Dadurch sei eine Mitfinanzierung erlaubt, auch weil es ein landespolitisches Interesse an der Schnellfahrstrecke gebe. Nein, sagt hingegen Meyer, Doldes Rechtskonstrukt sei "eine nicht sehr intelligente Erfindung", die die Verfassung nicht vorsehe.
Die rechtliche Folge wäre laut Meyer, dass die Bahn sich auf den Bau nicht einlassen dürfe: "Der Schwarze Peter liegt beim Bund". Der müsse damit rechnen, die 950 Millionen Euro nicht zu erhalten und bezahlte Zuschüsse zurückzahlen zu müssen. Dass der Flughafen ebenfalls einen Zuschuss bezahlt, ist laut Meyer erlaubt, weil die Flughafen-GmbH trotz ihrer Eigentümer (Stadt und Land) privatrechtlich organisiert ist.
Die politische Folge wird sein, dass die Grünen im Parlament erneut die Regierung auffordern werden, das Projekt zu stoppen. Eine Klage wurde nicht angekündigt. Zwar gibt es die Möglichkeit der Organklage, allerdings wären dazu 25 Abgeordnete notwendig - die Grünen indes zählen nur 17 Parlamentarier. Mit Stimmen der SPD werden sie nicht rechnen können. Der Vorstoß sei unverständlich und demonstriere vor allem, wie stark die Grünen auf Stuttgart 21 fixiert seien. "Gerade im Rheintal aber zeigt sich, dass das Land nur dann eine menschenwürdigere Planung der Schienenwege erreichen kann, wenn es sich an den Kosten der Bahn beteiligt", sagte SPD-Fraktionsvize Nils Schmid. Dort beteiligt sich das Land an Lärmschutzmaßnahmen, die von Anrainern gefordert werden. Im Übrigen gebe es bereits Beispiele für Bundesinvestitionen, bei denen das Land zuschieße, darunter den Lärmschutz an der A 81 bei Sindelfingen oder die Elektrifizierung der Gäubahn zwischen Singen und Schaffhausen.
Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) hält das Gutachten der Grünen für den "verzweifelten Versuch, das Projekt in Misskredit zu bringen". S 21 werde den Regionalverkehr verbessern und der Wirtschaft Impulse geben. Damit seien Interessen des Landes betroffen.