Soll/Darf die Türkei EU-(Voll-)Mitglied werden?
;-)
MfG
kiiwii
[100 Euro solltens schon sein,wäre auch was 5628 Postings, 1974 Tage satyr 18.12.04 21:01 zum nächsten Beitrag springenzum vorherigen Beitrag springen
für dich hab ich aus der Bundeswehrkantine.]
MfG
kiiwii
Levantinisches Geschacher
Selten hat ein Premier eines Landes, das um Mitgliedschaft in der EU ersucht, mit solch verbaler Brutalität verhandelt wie Erdogan
von Andreas Middel, Katja Ridderbusch und Martin Halusa
Gegen 15 Uhr sickerten die ersten Nachrichten durch. Die EU und die Türkei hätten sich weitgehend geeinigt, die Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei können dann wie geplant am 3. Oktober 2005 beginnen. Eine Nacht und einen Tag hatten 26 Staats- und Regierungschefs nebst Außenministern beim EU-Gipfel nur ein Thema diskutiert: Was darf die EU der Türkei an Auflagen machen, um Verhandlungen beginnen zu lassen. Und die Debatte verkam nach Einschätzung von Beobachtern zu einem "levantinischen Geschacher", das die bisher gewohnten Brüsseler Pokerrunden weit in den Schatten stellte.
Das Fazit am Ende lautet: Alles ist in der EU verhandelbar, auch völkerrechtliche Selbstverständlichkeiten. Die diplomatische Anerkennung Zyperns durch die Regierung in Ankara wird noch etwas auf sich warten lassen, die EU gibt sich mit der bloßen Ankündigung zufrieden, daß die Türkei in den kommenden Monaten daran arbeiten werde. Von einem Ende der völkerrechtswidrigen Besetzung Nordzyperns durch die Türkei ist nach dem Brüsseler Gipfel überhaupt keine Rede. Die Zypern-Frage beherrschte den Gipfel, doch gelöst ist sie nicht.
In der Nacht auf Freitag hatten die Staats- und Regierungschefs der EU mühsam ihr Verhandlungsangebot an die Türkei und deren Premierminister Recep Tayyip Erdogan formuliert. Auf knapp acht Seiten waren Voraussetzungen, Bedingungen und Willenserklärungen formuliert und ein Zusatz zur Zypern-Frage angehängt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sprach von einer "Entscheidung von ungeheurer Tragweite", Kommissionschef José Manuel Barroso verkündete gar: "Heute abend hat die Europäische Union der Türkei ihre Tür geöffnet." Ankara sollte das Angebot annehmen.
Doch mit der Offerte der EU begannen die eigentlichen Probleme des Türkei-Gipfels der EU. Denn Erdogan dachte nicht im Traum daran, auf das Verhandlungsangebot einzugehen. Trotz starker Vorbehalte vieler EU-Regierungen hatte sich die EU dazu durchgerungen, die Verhandlungen schon im kommenden Jahr beginnen zu lassen. Allerdings hatte sie auch einige Konditionen eingebaut, die mit türkischem Nationalstolz unvereinbar schienen. "Nicht akzeptabel" nannte Erdogan noch in der Nacht die Offerte. "Die EU zieht 600 000 Zyprer 70 Millionen Türken vor", so wird Erdogan zitiert, als er Freitag nacht gegen 2.30 Uhr wutentbrannt das Tagungsgebäude des EU-Gipfels verläßt. Selten hat ein Regierungschef eines Landes, das um Mitgliedschaft in der EU ersucht, mit solcher Chuzpe, aber auch verbaler Brutalität verhandelt. Und er gab damit einen kleinen Vorgeschmack darauf, was die EU im Laufe der langen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erwarten darf.
Auch am Mittag des darauffolgenden Tags blieb Erdogan bei seinem trotzigen Nein und drohte sogar mit seiner Abreise. Genau diese Situation hatte die EU um jeden Preis vermeiden wollen. Fast schon hektisch machte sich der niederländische Ministerpräsident und amtierende Ratsvorsitzende Jan Peter Balkenende daran - unterstützt von den drei Großen der EU, Jacques Chirac, Tony Blair und Gerhard Schröder -, seinen zyprischen Amtskollegen Tassos Papadopoulos zu bearbeiten und gleichzeitig Erdogan zu überzeugen. Denn zwischen diesen beiden entbrannte der eigentliche Streit des Gipfels. Erdogan wollte partout in Brüssel keinen Passus unterschreiben, der indirekt eine Anerkennung Zyperns bedeutet hätte. Das hätte er zu Hause nicht als Erfolg verkaufen können. Papadopoulos dagegen machte die Anerkennung seines Landes, und sei es auch nur die indirekte, zur Vorbedingung für ein zyprisches Ja zur Türkei. Etwas anderes könne er seiner Bevölkerung nicht vermitteln. Für die übrigen EU-Regierungen blieb nur ungläubiges Staunen über solches Geschacher.
"Dies ist kein Fall für einen Psychologen, sondern für den Psychiater", zeigte sich ein Diplomat zwischenzeitlich genervt. "Wir sind genauso weit wie vor dem Gipfel." Bei den hektischen Verhandlungen fiel zwischenzeitlich auch noch die Mikrofonanlage aus und damit die notwendige Simultanübersetzung.
Der EU-Gipfel in Sachen Türkei stand unter keinem guten Stern. Dem deutschen Bundeskanzler schwante wohl schon vor Wochen, daß sich das Treffen in Brüssel an nur dieser einen Frage festhaken könnte. "Ich hoffe, die Zypern-Thematik wird das Treffen nicht überlagern", sagte er kürzlich. Doch genau das war in Brüssel eingetreten. Am Freitag nachmittag waren die Streithähne in Brüssel dann wohl doch etwas erschöpft.
Artikel erschienen am Sam, 18. Dezember 2004
MfG
kiiwii
Jede türkische Stadt hat einen Riessengürtel Slums von zugewanderten
aus Ostanatolien und mehrere Stadtviertel, in denen die Türkei nicht
so glänzt. Aksaray sei ein Beispiel dafür. Frauenschacher und Blutrache
sind ja auch in Deutschland mittlerweile gängige Probleme unseres
Multikultiwesens.
Trotzdem propagiert Joschka F noch das Bild von der kulinarischen und
kulturellen Vielfalt, verdrängt jedes Problem und die grünen Lemminge
klatschen. Klar, dass Deutschland sich hier in Lager spaltet, weil jeder
der die Probleme sieht sich vernünftigerweise fragen muss, ob ein Teil
unserer Regierenden vollkommen verblödet ist und uns gegen die Wand fahren
will.
So wird es nie eine sachliche, problemlösende Diskussion und Angstabbau geben.
Gruß Moya
20 % ja
sehr eindeutig - bin total gegen einen Beitritt der Türkei.
was soll uns das bringen, das einzig positive was mir noch einfällt, ein Puffer
zum Mittleren Osten.
Für mich gehört die Türkei einfach nicht mehr zu Europa.
Türken leben jetzt auch schon genug bei uns.
J.R.
Produzenten setzen auf Qualität und schnelle Lieferung
JOACHIM HOFER
HANDELSBLATT, 21.12.2004
ISTANBUL. Viel Zeit bleibt der türkischen Bekleidungsbranche nicht mehr. Am Freitag kommender Woche endet das Welttextilabkommen, das die türkischen Modeproduzenten bislang vor der Billig-Konkurrenz aus China schützte. Trotz der Bedrohung sind die Türken zuversichtlich, sich mit guter Qualität und schneller Lieferung gegen die Offensive der Chinesen zu behaupten. Die Kunden aus Westeuropa sind allerdings weniger optimistisch und gehen davon aus, dass Produktion nach Fernost verlagert wird.
„Wir haben keine Angst vor den Billigwaren der Chinesen, denn wir haben treue Kunden. Denen ist Qualität und Schnelligkeit wichtiger als der Preis“, sagt Ismail Kisacik. Der Chef des Istanbuler Textilkonglomerats Taha Group gibt sich selbstbewusst – wie viele Manager der türkischen Bekleidungsbranche. „Wir machen nicht auf Masse und billig, sondern sind trendig und bieten Qualität“, unterstreicht Süleyman Orakcioglu, Chef des Industrieverbands ITKIB und Gründer des Modeunternehmens Orka Group (Marken: Damant, Tween).
Die Türken waren bislang in einer bequemen Position. Sie hatten über eine Zollunion freien Zugang zu den Märkten der EU, während für Chinas Exporte strenge Quoten galten. Nun fallen diese Beschränkungen weltweit weg – und die Türkei kommt wie viele andere Anbieter unter Druck. Denn China produziert deutlich günstiger als die meisten Länder und besitzt riesige, moderne Fabriken.
Experten gehen deshalb davon aus, dass sich die Branche nächstes Jahr deutlich verändern wird. „Das Geschäft mit einfachen Textilien wird sich nach China verlagern“, unterstreicht Karl-Heinz Mohr, Chef des Starnberger Modefilialisten More & More. „Die sind preislich einfach besser.“
Auch der Sportkonzern Adidas- Salomon lässt immer mehr in Fernost fertigen. „Der Anteil wird sicher noch steigen“, betont Adidas-Managerin Evelyn Ulrich. Viele Firmen hätten dort ihre Maschinen aufgerüstet und das Personal gut ausgebildet. So könnten sie in ähnlicher Qualität liefern wie die türkischen Anbieter.
Allerdings werde der zweitgrößte Sportanbieter weltweit die Türkei deshalb nicht verlassen. Denn einen großen Nachteil hat China: Die Lieferzeiten nach Europa sind lang. Die Kleider sind sechs Wochen auf dem Schiff, bevor sie bei den Kunden in Deutschland ankommen. More & More-Gründer Mohr: „Wer seine Ware schnell haben will, kommt an der Türkei nicht vorbei.“
Für das Land am Bosporus ist die Textilindustrie überlebenswichtig. Mit Hosen, Socken , Pullovern und T-Shirts erwirtschaftet die Türkei ein Drittel aller Exporte. In den vergangenen Jahren lief das Geschäft blendend und wuchs regelmäßig mit zweistelligen Zuwachsraten. Allein in diesem Jahr werden die Exporte von 15 auf über 20 Mrd. Dollar steigen, heißt es beim Istanbuler Textilverband ITKIB. Auch für kommendes Jahr strebe die Branche ein Plus an, unterstreicht Verbandschef Orakcioglu. Allerdings werde das Tempo wahrscheinlich zurück gehen.
Der Modemacher sieht neben der Nähe zu den Kunden in Europa noch einen weiteren Vorteil der Türkei: „Die Arbeitsbedingungen und die Umweltschutzmaßnahmen hier sind viel besser als in China. Das wird immer wichtiger.“ Das bestätigen Großkunden wie der fränkische Sportkonzern Puma. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren eine zehnköpfige Abteilung aufgebaut, die in allen Zulieferfabriken die Umwelt- und Sozialstandards kontrolliert. Dabei schneidet die Türkei alles in allem besser ab als viele Fabriken in Fernost. Rainer Hengstmann, Leiter Umwelt und Soziales von Puma: „Probleme gibt es sicher überall auf der Welt – aber in Asien sind sie in der Regel größer als in der Türkei.“
Um nicht länger als Zulieferer von den großen westlichen Marken abhängig zu sein, bauen die Türken zudem mehr eigene Labels auf. „Mavi Jeans“ etwa hat weltweit Läden eröffnet, darunter auch in Deutschland.
MfG
kiiwii
Wenn dieser Wirtschaftszweig in wegen der Billigkonkurrenz in Bedrängnis gerät (und davon kann Deutschland ein Lied singen), dann dürfte es sich mit dem türkischen Wirtschaftsboom schnell erledigt haben.
J.R.
...ich glaube, festgefahrene Weltbilder wie bei kiiwii/SL/JR beeinflussen zu können, aber bevor durch das demonstrative Gegenseitig-auf-den-Rücken-Klopfen unserer rechts-konservativen Fraktion der Eindruck entsteht, dass dies alles "harte Fakten" seien, hier mal ein paar Gegenpositionen:
- Seitdem die Türkei Ende der 1990er als EU-Kandidat ausgerufen wurde, gibt es kaum noch Nettomigration nach Deutschland.
- 75% der Türken leben in Städten und sind nicht ostanatolische Bergbauern, egal was Helmut Schmidt zu diesem Thema behauptet.
- Präzedenzfälle wie Griechenland und Portugal haben gezeigt: nach dem EU-Beitritt gibt es Netto-Migration zurück in das Herkunftsland.
- Die Türkei hat in der schwierigen Lage mit Grenzen zu Staaten wie Syrien, Irak etc. ein stabile politische und und militärische Verhältnisse mit seinen Nachbarn erreicht.
- Die Türkei ist keineswegs USA-hörig, sondern hat im Irakkrieg eher Positionen des "Old Europe" vertreten, ist beispielsweise auch nicht in den Nordirak einmarschiert, obwohl die Möglichkeit bestand.
- Der Türkeibeitritt bietet die Möglichkeit und Notwendigkeit, die verkrusteten EU-Strukturen aufzubrechen. Mit der letzten Beitrittsrunde (Osterweiterung) ist das bestehende Alimentierungssystem einfach nur vergrössert worden.
- Deutschland wird nach der derzeitigen Bevölkerungskinetik noch jahrzehntelang ein Einwanderungsland bleiben (müssen).
- Die Türkei hat eine stark wachsende Volkswirtschaft - und das aus eigener Kraft. In der aktuellen EU gibt es kaum ähnliche Beispiele.
- Die von SL zu Billigware-Produzenten abgestempelte Textilindustrie ist in Wirklichkeit grösstenteils ein Markenhersteller; daneben wachsen sehr stark Auto- und Elektronikindustrie.
Ich behaupte nicht, dass es keine Probleme mehr bestehen bzw. mehr zu lösen gibt, insbesondere die nicht vollkommene Trennung Staat-Kirche, Inflation von über 10%, alle 10 Jahre Militärputsche usw. Aber das Bild, das hier gezeichnet wird und durch endloses Wiederholen zur Wirklichkeit erhoben werden soll, dass ein Land voller Bauerntölpel, die ihre Frauen straffrei umbringen dürfen und nur auf den EU-Beitritt warten, um dann Deutschland zu überrennen und uns auf unsere Kosten mit Moscheen zuzupflastern, ist mir viel zu tendenziös.
Absoluter Neuling bilanz - das Auserwähltheitssyndrom
- love it or leave it -
Dein Weltbild ist so richtig flexibel, ja? Deswegen liest man von dir ja auch viel positive Berichte über FDP, Union, Haider usw. Wer mit dem Zeigefinger auf andere deutet, zeigt mit den anderen Fingern auf sich selbst. Aber diese Weisheit dürfte dir hinreichend bekannt sein. Was du da als Fakten anlieferst ist ja wirklich eine Verhöhnung der Sachlage.
Nur ein paar Punkte herausgegriffen.
- "Seitdem die Türkei Ende der 1990er als EU-Kandidat ausgerufen wurde, gibt es kaum noch Nettomigration nach Deutschland." --> Sollte es zu einem Betritt kommen, würde knapp die Hälfte der Türken gerne in einem anderen EU-Land arbeiten: Rund 20 Prozent (19,8) würden dies am liebsten in Deutschland tun, fast weitere 30 Prozent (28,8) in einem anderen EU-Land. Von denen, die nach Deutschland ziehen wollen, möchten 71 Prozent ihre Familie mitbringen, 29 Prozent würden alleine kommen. (Quelle: http://www.stern.de/politik/deutschland/?id=533676&nv=hp_rt_al)
- "75% der Türken leben in Städten und sind nicht ostanatolische Bergbauern, egal was Helmut Schmidt zu diesem Thema behauptet." --> Durch die Land-Stadt-Wanderung hat sich dort die soziale Struktur verändert, weshalb man heute auch von einer "Anatolisierung" Istanbuls spricht. (Quelle: http://www.lindenmuseum.de/inhalt/tuerkei/binnen.html)
- "Die Türkei hat in der schwierigen Lage mit Grenzen zu Staaten wie Syrien, Irak etc. ein stabile politische und und militärische Verhältnisse mit seinen Nachbarn erreicht." -->
Auch in der AUSSENPOLITIK geht die Türkei mit einigen ungelösten Problemen in den EU-Gipfel. Trotz der erfolgreichen Aussöhnungspolitik der letzten Jahre streiten sich die Türken mit dem Nachbarn GRIECHENLAND um Gebietsansprüche in der Ägäis. Noch kniffliger ist das ZYPERN-PROBLEM: Die Türkei erkennt die zur EU gehörende griechische Inselrepublik bis heute nicht offiziell an. (Quelle: http://www.saar-echo.de/news.php?news_ID=16836)
- Der Türkeibeitritt bietet die Möglichkeit und Notwendigkeit, die verkrusteten EU-Strukturen aufzubrechen. Mit der letzten Beitrittsrunde (Osterweiterung) ist das bestehende Alimentierungssystem einfach nur vergrössert worden. -->
- "Die von SL zu Billigware-Produzenten abgestempelte Textilindustrie ist in Wirklichkeit grösstenteils ein Markenhersteller; daneben wachsen sehr stark Auto- und Elektronikindustrie." --> Die Arbeitslosenenrate liege zwischen 25 und 35 Prozent. Dabei sei die Rate „an sich wenig aussagekräftig", „da die Übergänge zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit landesspezifisch fließend" seien. Das Inflationsziel von 35 Prozent für dieses Jahr wird als „inzwischen realistisch" bezeichnet. Die Türkei sei so hoch verschuldet, dass der Schuldendienst „circa 80 Prozent der Staatseinnahmen" beanspruche. (Quelle:
http://www.wams.de/data/2002/12/08/23461.html) Und dann zu den ach so tollen hochwertigen Textilien einer von unzähligen Berichten: Basmane ist aber nicht nur das Viertel der kleinen Nähwerkstätten, in denen unzählige Menschen auf kleinstem Raum bei Neonlicht die Billigtextilien produzieren, die die Märkte der Türkei und des Balkans dominieren. Wie in den meisten Bahnhofsvierteln türkischer Städte beherbergt es eine unüberschaubare Anzahl kleiner Pensionen und Hotels, überwiegend auf dem einfachsten Niveau wie auch das »Gülistan«, das im Inneren sehr schlicht mit PVC-Belag für die Böden und lediglich einer Dusche und drei Klos für einige Dutzend Gäste ausgestattet ist. (Quelle: http://itinerarium.de/guelistan.htm)
- "Deutschland wird nach der derzeitigen Bevölkerungskinetik noch jahrzehntelang ein Einwanderungsland bleiben (müssen)." --> Mit 4,26 Millionen Arbeitslosen waren im November rund 73.700 Deutsche mehr ohne Job als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg auf 10,3 Prozent. Auch bereinigt um jahreszeitliche Sondereffekte wuchs die Arbeitslosigkeit im November weiter - und zwar um 7.000 auf 4,464 Millionen. (Quelle: http://www.chancenfueralle.de/Arbeit/Arbeitsmarkt/...eigt_weiter.html)
Über den Rest reden wir ein andermal. Mein Eindruck: Die Gegenpositionen von dir sind einfach wahllos zusammengestellte Behauptungen ohne Faktenbeleg. Die Türkei ist extrem armes Land, mit Billigprodukten. Das Land liegt zu ca. 97% (man möge mich mir gegebenenfalls korrigieren) NICHT in Europa. Es ist streng militärisch dominiert, Erdogan gibt eine Wandlung vor die ihm sowieso niemand glaubt. Es droht eine gigantische Auswanderungswelle in die EU, die die Wirtschaft Anatoliens mit zig Mrd.€ jährlich auf Jahrzehnte subventionieren muß. Daß ein weiteres Land ausgerechnet die Verkrustung aufbrechen soll ist ja Humbug. Gerade ein Land, das wie kein anderes EU-Land zuvor alimentiert werden MUß!
Ich hab das schon einmal gefragt: Ist ein Tunnelblick angeboren?
Oder kann man den kaufen?
Und noch was: Bringt der die Haushalte in Ordnung - meine natürlich nicht den schnöden Mammon, sondern psychische Haushalte. Denke da Ich-Verspannungen - etwa mit Blick auf die Sexualität, das Auftreten gegenüber Vorgesetzten oder auch nur Nachbarn oder der eigenen Ehefrau.
Literaturempfehlung: mal Wilhelm Reich lesen.
Von Sinan Ikinci
30. Januar 2004
Laut kürzlich veröffentlichter Zahlen hat die türkische Wirtschaft es geschafft, für 2003 innerhalb der offiziellen Zielvorgaben für die Inflation zu bleiben. Das Staatliche Institut für Statistik (DIE) hat erklärt, dass im Dezember des Jahres die Konsumentenpreise um 0,9 Prozent stiegen und die Inflationsrate über die gesamten letzten zwölf Monate 18,4 Prozent betrug. Die Großhandelspreise stiegen im Dezember um 0,6 Prozent im Vergleich zum November, und um 13,9 Prozent über das ganze Jahr.
Das so genannte wirtschaftliche Stabilisierungsprogramm, das der Türkei vom IWF auferlegt wurde, visiert einen jährlichen Anstieg der Konsumentenpreise von maximal 20 und einen Anstieg der Großhandelspreise von maximal 16,5 Prozent an. Im Jahr 2002 waren die Konsumentenpreise noch um 29,7 Prozent und die Großhandlespreise um 30,8 Prozent angestiegen.
Wie die meisten offiziellen Experten begrüßte der Chefvolkswirt der Türkischen Bank für Industrielle Entwicklung (TSKB), Gündüz Findikcioglu, die sinkende Inflation: "Nach 30 Jahren scheint endlich etwas zu passieren. Es ist schwer zu glauben, sicher. Aber es gibt wirklich eine Veränderung bei der Inflation, einem Fluch, der über die Jahre zu einer Art Erbsünde geworden ist. Sie scheint sich jetzt auf einem erträglichen einstelligen Niveau einzupendeln." (Monatliches Wirtschaftsbulletin der TSKB, Dezember 2003)
Ein Artikel von Mustafa Ünal in der Zeitung Zaman vom 7. Januar mit der Überschrift "Wer von den Rekordzahlen glücklich und unglücklich gemacht wird" erklärt: "Unglaubliche wirtschaftliche Zahlen! Ein 28 Jahre alter Rekord ist gebrochen, die Inflation fällt auf 18,4 Prozent. Man mochte von so etwas kaum träumen, aber es ist wahr geworden. Während das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2001 noch 2.300 $ betrug, sind es heute über 3.300 $." Ünal fügt noch hinzu: "Und die Börsenkurse nähern sich der Marke von 20.000."
Amateurökonomie
Dieses Absinken der Inflationsrate hat viele in der Türkei dazu gebracht, die Wirklichkeit durch rosa Brillengläser zu sehen. Ein Zeitungsartikel in der Dünya weist darauf hin, dass Premierminister Recep Tayyip Erdogan und andere Minister sich brüsteten, "2003 sei zwar ein schwieriges Jahr gewesen, aber trotzdem habe ihre Partei der Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) viel erreicht. Bei jeder Gelegenheit weisen sie auf die Inflationsrate hin und nennen das den wichtigsten Erfolg ihrer Regierung."
In den letzten Wochen hat auch die Istanbuler Börse neue Rekordhöhen erreicht; außerdem sinken die Zinsen. Kurz, die Trends an den Finanzmärkten sind positiv. Andererseits zeigen die fortbestehenden Haushalts- und Handelsbilanzdefizite, wie instabil die Grundlagen der türkischen Wirtschaft in Wirklichkeit immer noch sind.
Zwei positive Entwicklungen haben im Jahr 2003 stattgefunden, die möglicherweise den "rosigen" Blick gefördert haben. Letzten Sommer hat der IWF einen Kredit von 476 Mill. Dollar an die Türkei freigegeben und Schuldenrückzahlungen, die eigentlich 2004 und 2005 fällig gewesen wären, auf 2006 verschoben. Damit hat der IWF natürlich implizit akzeptiert, dass ein solcher Aufschub dringend nötig war. Er hat Spekulationen ein Ende gesetzt, dass die Türkei Schwierigkeiten haben könnte, dieses und nächstes Jahr ihre Schulden zu bezahlen.
Außerdem haben die türkische und die amerikanische Regierung im September 2003 ein Finanzabkommen geschlossen - wahrscheinlich als Gegenleistung für Ankaras Unterstützung des Irak-Krieges - und der Türkei 8,5 Mrd. Dollar an Krediten zur Verfügung gestellt. Zweck dieser Vereinbarung war, so Washington, "den anhaltenden wirtschaftlichen Reformprozess der Türkei zu unterstützen".
Diese beiden Ereignisse waren bedeutsam genug, um den generell düsteren Ausblick zu erhellen. Das frische Klima hat allerdings ein recht begrenztes Verfallsdatum. Es wird nicht lange dauern, bis das anwachsende Haushaltsdefizit oder das Außenhandelsdefizit zeigen werden, dass dieser Optimismus weder gerechtfertigt noch haltbar war. Die so genannten Erfolge der türkischen Wirtschaft im Jahr 2003 beruhten hauptsächlich auf einer überbewerteten Türkischen Lira. Das Schuldenmoratorium des IWF und der 8,5 Mrd.-Dollar-Kredit machten diese Überbewertung möglich. Tatsächlich erinnert diese Entwicklung an die Politik der "Desinflation", bei der die türkische Regierung Ende 1999 die Währung an den Wechselkurs gebunden hatte. Dieses Programm war im Februar 2001 unter seinem eigenen Gewicht zusammengebrochen.
Arbeitende Bevölkerung zahlt die Zeche
Für die Arbeiterklasse ist die zeitweilige "Erholung" eine Katastrophe. Zwischen 2000 und 2003 sanken die Reallöhne dramatisch. Laut den Zahlen der DIE sind die Reallöhne der Arbeiter in der verarbeitenden Industrie seit 2001 stetig gefallen. Eine nominelle Anhebung der Löhne um 82,6 Prozent zwischen März 2001 - nach einer verheerenden Finanzkrise - und Juni 2003 ging mit einem Anstieg der Konsumentenpreise um 121,2 Prozent einher.
Am stärksten fielen die Reallöhne im Jahr 2001, als die Konsumentenpreise um 68,5 und die Löhne nur um 31,8 Prozent stiegen. Von diesem drastischen Fall konnten die Reallöhne sich 2002 und 2003 nicht mehr erholen. 2002 wurden die Lohnerhöhungen von ebenso hohen Steigerungen der Konsumentenpreise um 30 Prozent aufgefressen. Im Januar 2003 akzeptierten die türkischen Gewerkschaften eine weitere Vereinbarung, mit der die Reallöhne für 2003-2004 unterminiert wurden. Danach stiegen die Löhne im ersten Halbjahr 2003 lediglich um lächerliche 6-7 Prozent. Im selben Zeitraum erhöhten sich die Konsumentenpreise um weitere 12 Prozent.
Diese Zahlen beweisen, dass die Reallöhne recht dramatisch gesunken sind. Das erklärt auch der jüngste Wirtschaftsbericht der OECD über die Türkei: "Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt nach einen scharfen Anstieg der Produktivität in der Industrie und Arbeitskräfteanpassungen im öffentlichen Sektor weiterhin gering. Die Arbeitslosigkeit außerhalb der Landwirtschaft hat Mitte des Jahres 13 Prozent erreicht. Die Reallöhne sind zurückgegangen und die Desinflation schreitet voran, unterstützt von einer Aufwertung der Währung." Der Bericht erklärt auch, dass die Arbeitsproduktivität angestiegen ist: "Die Jahresinflation ist im Oktober auf 21 Prozent gesunken, von 33 Prozent im Jahr davor. Erleichtert wurde das durch einen moderaten Anstieg in den staatlich festgesetzten Preisen und einem Anstieg der Arbeitsproduktivität."
Ein Bericht des Washingtoner Büros des Verbands der Türkischen Unternehmer und Geschäftsleute (Tüsiad) vom 3. Oktober 2003 mit dem Titel "Türkei: Wieder auf Kurs" führt aus: "Die ursprüngliche reale Abwertung der Währung im Februar 2001 wurde später wieder aufgehoben, und der reale Wechselkurs kehrte im Januar 2002, genau ein Jahr später, auf den Stand vor der Krise zurück. Trotz einiger Schwankungen ging die Aufwertung weiter und die reale Aufwertung zwischen 1995 und Juli 2003 bewegte sich laut Angaben der Zentralbank zwischen 35 Prozent (WPI) und 45 Prozent (CPI). Die negative Auswirkung der erheblichen Aufwertung der Türkischen Lira auf die Konkurrenzfähigkeit nach außen wurde zum großen Teil durch einen scharfen Anstieg der Arbeitsproduktivität und einen Fall der Reallöhne im selben Zeitraum wettgemacht. Die Arbeitsproduktivität in der privaten verarbeitenden Industrie stieg zwischen Februar 2001 und Dezember 2002 um 20 Prozent an und ging mit einem Fall der Nominallöhne in US-Dollar gerechnet einher. Im Ergebnis sank der Stücklohnindex in der privaten verarbeitenden Industrie in US-Dollar um 30 Prozent."
Die Haushalte verarmen nicht nur wegen der sinkenden Reallöhne, sondern auch weil die Arbeitslosigkeit steigt. Nach der bisher schlimmsten Finanzkrise im Februar 2001 verloren Zehntausende ihre Arbeit, während viele von denen, die noch Arbeit hatten, erschöpft und verzweifelt waren. Laut einer Studie des Verbandes der Unternehmer (TISK) hat die Arbeitslosigkeit in der Türkei 16 Prozent erreicht. Selbst laut den offiziellen Statistiken liegt die Rate bei den "gebildeten" Jugendlichen in den Städten bei 30 Prozent.
Einhergehend mit diesen Entwicklungen sind die Ausgaben im öffentlichen Sektor gekürzt worden, während sich die Finanzpolitik der Regierung darauf konzentriert, Haushaltsdefizite auf Kosten der Bevölkerung zu schließen.
Die letzte Studie des türkischen Gewerkschaftsdachverbandes Türk-Is hat gezeigt, dass im November die Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie auf 1.383 Mill. TL und die Hungergrenze auf 485 Mill. TL gestiegen ist. (http://www.turkis.org.tr/kasim2003gida.doc) Dabei verdienen die schlechtbezahltesten Arbeiter im öffentlichen Dienst 420 Mill. TL (240 €) im Monat, und der Mindestlohn, von dem Millionen Arbeiter leben müssen, liegt bei 303 Mill. TL (175 €).
Und die Arbeitskämpfe?
Die Arbeiterbewegung, traumatisiert von der blutigen Unterdrückung der 80er Jahre und der Wirtschaftskrise von 2001, mit durch und durch korrupten Gewerkschaften, verharrt gegenwärtig in Stagnation. Die türkische Arbeiterklasse hat keine Organisation, mit dem sie ihre Rechte verteidigen kann.
Unter den unerträglichen Bedingungen wird sie früher oder später in Kämpfe gehen. Um jedoch dieser krisengeschüttelten Gesellschaft ein Ende zu setzen, braucht sie ihre eigene revolutionäre sozialistische Massenpartei.
zu dem "knick" im verlauf der trl werde ich gesondert berichten.
einige linke gehirnakrobaten wie an oder karlchen, wissen gar nicht wovon sie salbadern.
arme irre......
gruß
grüneagonie
Von Sinan Ikinci
23. April 2003
Eine neuere Studie der Gesellschaft Kum hat gezeigt, dass die ohnehin enormen Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen sozialen Schichten in der Türkei sich verschärfen und zum größten Problem des Landes werden. Das monatliche Einkommen der reichsten Familien der Türkei beträgt über 10,5 Mrd. Türkische Lira (ca. 6.000 €), während die ärmsten Familien versuchen, mit 132 Mio. TL (75 €) zu überleben.
Im Jahr 2001 hat die Türkei die schwerste Wirtschaftskrise ihrer modernen Geschichte erlebt. Das sogenannte "Desinflationsprogramm", das von 2000-2002 im Laufe von drei Jahren umgesetzt werden sollte, stellte sich nach nur einem Jahr als eines der größten Desaster der IWF-Politik heraus.
Seit den letzten zwei Jahren ist die arbeitende Bevölkerung zunehmend erschöpft und verzweifelt. Das Monatseinkommen einer durchschnittlichen Familie mit geringem Einkommen beträgt zwischen 200 Mio. TL (115 €) und 500 Mio. TL (285 €). Zu dieser Einkommenskategorie gehören 48 Prozent der Bevölkerung, deren Anteil am Nationaleinkommen 32,5 Prozent ausmacht.
Nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte im Jahr 2001 wurde ein neues Programm in Angriff genommen, das die niedrigeren Einkommensgruppen noch mehr belastet. In den letzten drei Monaten sind die Preise für Produkte und Dienstleistungen wie Benzin, Gas, Telefonkosten, Elektrizität und andere Grundnahrungsmittel wie Zucker und Tee drastisch gestiegen, während die Lohnerhöhungen der Arbeitnehmer begrenzt wurden.
Die Wirtschaftspolitik der Regierung kann eigentlich nur noch als bloße Schuldenverwaltung bezeichnet werden, ohne jedes Bemühen, die Produktion neu zu beleben. Sie erinnert an die Schuldenverwaltung im hochverschuldeten Osmanischen Reich des späten 19. Jahrhunderts. Diese erlaubte es imperialistischen Interessen, den Einsatz der Haushaltsmittel zu steuern, wobei die Bedienung der Auslandsschulden oberste Priorität hatte. Die heutige Situation wird durch die erdrückende Last der Auslands- und Inlandsverschuldung diktiert, die insgesamt 160 Mrd. Dollar beträgt und das Bruttosozialprodukt des Landes übersteigt.
Der nur geringe Anstieg der Löhne in Verbindung mit der Entlassung von Tausenden Arbeitern hat den Lebensstandard der ärmeren Schichten noch weiter gesenkt, die größtenteils in den Vororten der Großstädte leben. Die Türkei ist jetzt in eine Periode der schnellen Verarmung eingetreten mit allen Begleiterscheinungen wie Diebstählen, Raubüberfällen und Prostitution und bewegt sich auf eine soziale Explosion zu.
Die Türkei belegt Platz fünf auf der Liste der Länder mit der schlimmsten Einkommensverteilung. Trotz der Versprechungen der AKP beinhaltet ihr Programm Maßnahmen, die die Schere der Einkommensverteilung nicht nur nicht ausgleichen, sondern weiter öffnen werden.
Das Programm sieht Kürzungen bei den Bauern und den Gruppen mit geringerem Einkommen vor. Mit der Verringerung der öffentlichen Ausgaben sind auch die Löhne der Arbeiter und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gesunken. Weil auch die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse nur entsprechend der vom IWF diktierten Vorgaben gestiegen sind, hat sich auch die Armut auf dem Lande verschlimmert.
In den letzten Jahren hat die Landbevölkerung das meiste von dem, was sie verbrauchte, selbst produziert, aber das hat sich mittlerweile geändert. Elektrizität und Telefon sind auch auf dem Land wichtige Güter geworden. Die Menschen in den ländlichen Gebieten kaufen ihr Brot von der städtischen Bäckerei. Sie benutzen Benzin statt Holz. Mit anderen Worten hat sich das Land verstädtert und ist in den kapitalistischen Markt einbezogen worden. Heute hat die Türkei eine Landbevölkerung, die Waren auf dem Markt kauft und sich den sogenannten Kräften des Marktes bewusst ist.
Das reale Einkommen der Landbevölkerung ist am Sinken, und dies wiederum löst neue Wellen der Abwanderung in die Städte aus, die damit nicht fertig werden können. Die Vororte der Metropolen wachsen an und mit ihnen enorme Problem in den Städten.
Grundbedürfnisse einer Familie
Die durchschnittlichen Ausgaben einer vierköpfigen Familie für Nahrungsmittel betragen ungefähr 70 bis 80 Mio. TL (40 bis 45 Euro) - für eine ausreichende Ernährung.
Die normalen Mieten in den großen Städten der Türkei (Ankara, Istanbul, Izmir) schwanken je nach Lage und Größe zwischen 200 Mio. TL (115 €) und 900 Mio. TL (510 €).
Die Ausgaben für Kleidung schwanken ebenfalls stark.
Selbst wenn Kinder in eine staatliche Schule gehen, sind noch viele Ausgaben nötig, etwa für Lesebücher, Lehrbücher und Schuluniformen.
Mehr als 1,5 Mrd. TL (850 €) sind pro Monat notwendig, damit eine durchschnittliche vierköpfige Familie ein anständiges Leben führen kann.
Die Armutsgrenze für eine vierköpfige türkische Familie ist laut einer Studie des größten türkischen Gewerkschaftsdachverbandes (Türk-Is) im Februar auf 1,3 Mrd. TL (740 €) gestiegen. [1]
Die Mindestausgaben der Familie einer solchen Größe für Nahrungsmittel, d.h. die Hungergrenze, sind in diesem Monat laut der Studie auf 421 Mio. TL (240 €) angewachsen.
Die Armutsgrenze umfasst die Mindestausgaben für Nahrung und andere Grundausgaben. Die Zahlen zeigen, dass das zum Überleben notwendige Realeinkommen höher geworden ist. Die Armut in der Türkei hat nach zwei aufeinanderfolgenden Wirtschaftskrisen im Jahr 2000 und 2001 stark zugenommen.
Die Gesundheitsversorgung ist das Hauptproblem der arbeitenden Bevölkerung. Durch die begrenzte Anzahl von staatlichen Krankenhäusern und das geschwächte Sozialsystem haben Millionen von Menschen keine ausreichende Gesundheitsversorgung.
Laut der Informationen von Türk-Is leben mehr als 10 Millionen Menschen in der Türkei unterhalb der Hungergrenze.
In der Türkei entwickelt sich jetzt eine Art von Armut, die früher unbekannt war. Bisher war sie dort eher versteckt. Es gab auch vor der Krise von 2001 schon Armut, aber die Solidarität der Familie, der Religionsgemeinschaft oder der Leute aus derselben Stadt verdeckte sie in einem bestimmten Maß. Anders gesagt kümmerten und halfen sich die Leute in schwierigen Zeiten gegenseitig.
Diese Beziehungen können nun nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Wirtschaftskrise hat die Tünche über der Armut abbröckeln lassen. Die Armut hat alle diese Beziehungen enorm beeinträchtigt und die Zukunft unsicher gemacht. Die Gesellschaft hat einen allgemeinen Zustand der Armut erreicht. Niemand hat noch die Kraft, jemand anderem zu helfen. Mit anderen Worten ist die Türkei nun in einer Phase, wo das wahre Gesicht der Armut sichtbar wird.
gruß
grüneagonie
"75% der Türken leben in Städten und sind nicht ostanatolische Bergbauern, egal was Helmut Schmidt zu diesem Thema behauptet."
Der Urbanisierungsgrad in der Türkei liegt laut einer Studie des Osteuropa-Instituts München bei 35%. Das ist tatsächlich der höchste Urbanisierungsgrad in Europa. Umgekehrt ist aber ein Drittel der Beövlkerung in der Landwirtschaft beschäftigt. Im übrigen hat SL Recht, wenn er auf die massive Zuwanderung aus den ländlichen Regionen in die Städte hinweist. Istambul beispielsweise hatte 1961 erst 1,3 Millionen Einwohner. Heute sind es etwa 13 Millionen. Jährlich kommen 400.000 aus verschiedenen Regionen der Türkei hinzu. Kein Wunder, ist doch der Anteil landlosert bzw. armer Bauern wegen des Realteilungsprinzips in der Erbfolge allein zwischen 1950 und 1980 von 14% auf 32,5% gestiegen. Das Gros der Einwohner der immer als westlich gepriesenen Stadt Istambul kommt aus Anatolien.
"Präzedenzfälle wie Griechenland und Portugal haben gezeigt: nach dem EU-Beitritt gibt es Netto-Migration zurück in das Herkunftsland."
Griechenland und Portuagl sind eben keine Präsedenzfälle für einen möglichen EU-Beitritt der Türkei. Erstens ist die Bevölkerungsentwicklung in der Türkei weit dynamischer als das seinerzeit in Portugel und Griechenland der Fall war. Diese Entwicklung wird auch wegen der demographischen Struktur der Türkei (50% der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre, ein Wert, den sonst nur Entwicklungsländer in Asien und Afrika erreichen) bis mindestens 2050 anhalten.
Und zweitens leben in Deutschland bereits heute rund 3 Millionen Türken bzw. Menschen türkischer Abstammung. Das erleichtert Arbeitssuchenden aus der Türkei die Zuwanderung nach Deutschalnd ganz erheblich, weil es für sie sehr viel einfacher ist, sich in einer praktisch vollständigen türkischen Infrastruktur in deutschen Großstädten bzw. angeleitet durch bereits hier lebende Familienangehörige bzw. Bekannte zurecht zu finden. Die Hemmschwelle zur Migration ist deshalb vergleichsweise gering. Bei Portugiesen und Griechen war das nicht der Fall.
"Die Türkei hat in der schwierigen Lage mit Grenzen zu Staaten wie Syrien, Irak etc. ein stabile politische und und militärische Verhältnisse mit seinen Nachbarn erreicht."
Tatsache ist, daß es sich um schwierige Nachbarn handelt und die ganzen an die Türkei grenzenden Regionen höchst instabil sind. Diese Regionen hätte die EU nach einem Beitritt der Türkei in unmittelbarer Nachbarschaft.
"Die Türkei ist keineswegs USA-hörig, sondern hat im Irakkrieg eher Positionen des "Old Europe" vertreten, ist beispielsweise auch nicht in den Nordirak einmarschiert, obwohl die Möglichkeit bestand."
Die Türkei ist deshalb nicht in den Nordirak einmarschiert, weil Ankara dem Druck aus Washington nachgegeben hatte und nicht, weil man damit europäischen Positionen gerecht werden wollte. Die Absicht, Truppen in das irakische Kurdengebiet zu entsenden, war jedenfalls vorhanden.
"Der Türkeibeitritt bietet die Möglichkeit und Notwendigkeit, die verkrusteten EU-Strukturen aufzubrechen. Mit der letzten Beitrittsrunde (Osterweiterung) ist das bestehende Alimentierungssystem einfach nur vergrössert worden."
Genau das Gegenteil ist richtig. Mit einer Aufnahme der Türkei wird es noch sehr viel schwieriger werden, weitreichende Konsense innerhalb der EU zu erzielen. Das gilt vor allem dann, wenn es um Verteilungsfragen geht. Mit einer Türkei-Aufnahme hätte die Faktion der Nehmerländer eine satte Mehrheit in den Entscheidungsgremien. Auch im Vorfeld der Aufnahme ist mit den viel beschworenen Reformen, die dann auch die Kosten des Türkei-Beitritts senken würden, kaum zu rechnen. Schließlich zählt die EU schon heute 25 und demnächst 27 Staaten. Und die meisten davon wären von Einschnitten etwa bei den Agrarsubventionen genauso betroffen wie Ankara auch. Eine Zustimmung zu einschneidenden Reformen ist deshalb nicht zu erwarten. Deshalb wird die Aufnahme der Türkei sehr teuer.
"Deutschland wird nach der derzeitigen Bevölkerungskinetik noch jahrzehntelang ein Einwanderungsland bleiben (müssen)."
Wieso denn das? Der Hinweis auf die demographische Entwicklung in Deutschland als Begründung für weitere Zuwanderung ist untauglich, wie ich bereits an anderer Stelle hier im Board geschrieben habe. Zuwanderung würde nur benötigt, wenn ein entsprechender Bedarf auf dem Arbeitsmarkt bestünde. Prognosen über den mittel- oder gar langfristigen Personalbedarf deutscher Unternehmen sind aber reine Kaffeesatzleserei. Arbeitsmarktprognosen sind nicht einmal für einen kurzen Zeitraum möglich, das hat die jüngere Vergangenheit immer wieder gezeigt. Hier aber geht es um mehrere Jahrzehnte. Aufgrund des rasanten technischen Fortschritts und dem Wettbewerbsdruck im Zuge der Globalisierung, die Unternehmen zwingt, ihre Kosten zu senken, wird sich die Rationalisierung massiv verstärken. Es werden deshalb in Zukunft eher weniger Arbeitskräfte benötigt. Die Wirtschaftsjournalisten Hans-Peter Martin und Harald Schumann stellten in Ihrem Buch "Die Globalisierungsfalle" schon Mitte der 90er Jahre die These auf, daß in wenigen Jahrzehnten 20% der erwerbsfähigen Personen in den Industriestaaten ausreichen werden, um alle benötigten Güter und Dienstleistungen zu produzieren. Nicht mehr, sondern weniger Zuwanderung wäre also richtig. Mit einem Türkei-Beitritt würde aber genau das Gegenteil erreicht.
Außerdem: Die türkischen Zuwanderer, die in den letzten Jahrzehnten nach Deutschland kamen, stammten zu 99% aus den rückständigen Regionen Ostanatolien. Das waren arme Bauern und Landarbeiter ohne Ausbildung. Auch nach einem Türkei-Beitritt würden die türkischen Zuwanderer zum allergrößten Teil keine oder bestenfalls eine geringe Qualifikation haben. Doch diese Menschen können in der Arbeitsmarkt einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft nicht integriert werden, die vor allem hochqualifizierte Kräfte benötigt. Auch deshalb bringt uns neuerliche Migration aus der Türkei nichts.
"Die Türkei hat eine stark wachsende Volkswirtschaft - und das aus eigener Kraft. In der aktuellen EU gibt es kaum ähnliche Beispiele."
Der aktuelle Wirtschaftsboom, verursacht durch die Beitrittsperspektive, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Türkei wirtschaftlich weit von europäischen Standards entfernt ist. Denn die aktuellen Zuwanchsraten spielen sich auf einem sehr niedrigen Niveau ab. Noch vor 3 Jahren hatte die Türkei ein Minuswachstum von 8% zu verzeichnen. Insgesamt erreicht die Türkei derzeit nur 22% der Wirtschaftskraft der EU-Staaten, und das bei einem enormen regionalen Gefälle. In Ostanatolien etwa beträgt der Wert nur 9%. Selbst wenn die Türkei durchschnittliche Wachstumsratenvon 5% p.a. erwirtschaften würde, dauerte es 40 Jahre, bis das Land 75% des Einkommensniveaus der 15 EU-Kernstaaten erreicht hätte. Wegen der enormen Wachstumsschwankungen ist es aber ohnehin zweifelhaft, daß die Türkei dauerhaft die erforderlichen 5% erreicht.
Wirklich dynamisch ist vor allem das Bevölkerungswachstum in der Türkei. Bis zum Jahre 2050 wird die Einwohnerzahl des Landes von heute 70 Millionen auf dann 100 Millionen emporgeschnellt sein. Für diese Menschen werden auch bei günstiger wirtschaftlicher Entwicklung nicht genügend Arbeitsplätze in der Türkei vorhanden sein. Deshalb ist mit erheblicher Zuwanderung nach Europa in einer Größenordnung von 5-15 Millionen zu rechnen. Zielland wird vor allem Deutschland sein, so auch die Meinung der EU-Kommission.
"Die von SL zu Billigware-Produzenten abgestempelte Textilindustrie ist in Wirklichkeit grösstenteils ein Markenhersteller; daneben wachsen sehr stark Auto- und Elektronikindustrie."
Tatsache ist, daß die türkischen Exporte zu 40% Textilprodukte sind und hier dürfte es zukünftig wegen des Auslaufens des Welttextilabkommens und der Billigkonkurrenz in Asien eng werden für die Türkei. Dier türkische Autoindustrie ist auf dem ohnehin gesättigten europäischen Markt ebenso wettbewerbsfähig wie die dortige Elektronikbranche.
Es gibt übrigens in der Türkei selbst kritische Stimmen die befürchten, daß ein Beitritt der Türkei zur EU das Land wirtschaftlich ruinieren könnte. Da ist durchaus was dran.
J.R.
ID Status: gesperrt
Hier der Link: http://www.wsws.org/de/aktuell/asien/turkei.shtml
Ciao!
Ist das klar und deutlich genug? Ich werde auf diese Kommentare von dir und anderen in Zukunft nicht mehr antworten. Und da du ja bekennender SPDler bist: Ich würde an deiner Stelle mal abwarten was da an Leuten alles bei RWE und Co. auf der Gehaltsliste stand und steht. Das wird noch einiges zum Vorschein bringen.