Das Solarunternehmen Conergy gilt als Pleitekandidat. Trotzdem schoss der Kurs seit Wochen in die Höhe. Seit Ende März hat sich der Wert der Aktie verfünffacht. Am Montag kletterte er zeitweise um mehr als 30 Prozent auf 1,90 Euro. Am Abend dann der Schock: Conergy legte überraschend Zahlen vor, die schlechter ausfielen als erwartet.
FRANKFURT. Der Verluste schreibende Hamburger Solarkonzern Conergy erwartet nach einem schwachen Jahresstart einen Umsatzrückgang 2009. Wie das Unternehmen am Montagabend bekanntgab, brachen die Erlöse im ersten Quartal um 70 Prozent auf 65 Mio. Euro ein. „Dementsprechend geht der Vorstand nicht davon aus, dass das Umsatzniveau von 2008 in diesem Jahr gehalten werden kann“, hieß es in der Pflichtmitteilung. 2008 hatte Conergy den Umsatz noch um 40 Prozent gesteigert.
Belastet unter anderem durch hohe Kosten für die Sanierung schrieb das Unternehmen, das 2007 vor der Pleite stand, aber tiefrote Zahlen. Der Verlust fiel im vergangenen Jahr wegen zusätzlicher Abschreibungen sogar noch deutlich höher aus als Anfang März angegeben. So liegt der Fehlbetrag im fortgeführten Geschäft mit 254 (Vorjahr: minus 213) Mio. Euro um 55 Mio. über dem vorläufig errechneten Wert. Hintergrund ist ein Streit mit dem US-Konzern MEMC über einen Vertrag zur Waferlieferung. Conergy strebt eine Neuverhandlung des Vertrages an, hat sich mit dem Lieferanten noch nicht geeinigt.
„Der Vorstand hat daher in dem heute festgestellten Jahresabschluss bereits die geleisteten Anzahlung aus Vorsichtsgründen abgewertet. Zusätzlich wurden die erwarteten Kosten eines Rechtsstreits als Aufwand berücksichtigt“, erläuterte die Hamburger Firma. Sie will notfalls den Vertrag gerichtlich anfechten. Wegen der Verhandlungen mit MEMC hatte Conergy die Veröffentlichung des Jahresabschlusses verschoben.
Derzeit belastet vor allem ein großer Unsicherheitsfaktor: Die noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen mit MEMC, einem wichtigen Lieferanten aus den USA. Conergy kämpft um günstigere Konditionen. Der Ausgang hat massive Auswirkungen auf die Bilanz. Der Aufsichtsrat hat den Vorstand nun ermächtigt, den Liefervertrag mit MEMC gerichtlich anzugreifen. Zwar gebe es zwischen den Parteien ein gemeinsames Verständnis über die Aufhebung des bestehenden Liefervertrages zugunsten einer neuen Vereinbarung. Eine Einigung stehe aber noch aus, heißt es bei Conergy.
Rally ohne Grund
Die meisten Analysten raten, die Aktie zu verkaufen. Sie sehen sich durch die am Abend vorgelegten Geschäftszahlen bestätigt. Eine Erklärung für die vorherige Rally haben sie nicht parat - zumindest will sich kein Experte zitieren lassen. Umso wilder wird am Markt über die Gründe für die Kursausschläge spekuliert.
So machten Übernahmegerüchte die Runde. Eine Schweizer Beteiligungsgesellschaft namens Good Energies habe Interesse, hieß es Ende März. Dabei hatte ein Vorstand der Investmentfirma lediglich gesagt, Solarprojekte seien eine "exzellente Anlage". Kein Wort von Conergy. Andere Interessenten, von denen zwischenzeitlich immer wieder die Rede war, hat es womöglich nie gegeben. Experten jedenfalls trauen den Gerüchten nicht. Mittlerweile liegt der Börsenwert des Konzerns bei rund 650 Mio. Euro. Kein Investor würde einen solchen Batzen für einen Pleitekandidaten auf den Tisch legen. Denn für den gleichen Preis bekommt er ein profitables Solar-Unternehmen.
Als wahrscheinlichste Erklärung für die Kursrally nennen Experten folgendes Szenario: Eine Reihe von Spekulanten soll auf fallende Kurse bei Conergy gewettet haben. Als die Aktie stieg, hätten sie ihre Wetten auflösen und Conergy-Aktien zurückkaufen müssen - um nicht noch größere Verluste einzufahren. Ein solches Szenario nennt man Short Squeeze. Der Aktienkurs schießt dadurch erst recht in die Höhe.
In diesem Punkt erinnert der Fall Conergy an den rätselhaften Kurssprung der VW-Aktie im vergangenen Herbst. Damals teilte Porsche überraschend mit, dass man sich einen großen Teil der VW-Aktien gesichert habe. Daraufhin stieg die Aktie und machte die Rechnung derer zunichte, die auf einen fallenden Kurs gesetzt hatten. Sie mussten sich VW-Papiere um jeden Preis besorgen, was den VW-Kurs bis auf 1 000 Euro trieb.
Ganz so turbulent geht es bei Conergy nicht zu. Trotzdem gibt es eine Parallele. Die Zahl der am Markt verfügbaren Aktien ist wie bei VW begrenzt. Drei Investoren halten einen großen Teil der Conergy-Aktien - die Commerzbank etwa 37 Prozent, die Athos Service GmbH und Leemaster Ltd. zwischen 14 und 15 Prozent. Im Streubesitz sind nur 25 Prozent der Anteile. Das führt schnell zu Engpässen, wenn sich viele Marktteilnehmer gleichzeitig mit Papieren eindecken wollen; beste Voraussetzungen für einen Short Squeeze.
Am Dienstag weiter abwärts
Was auch immer die Rally ausgelöst hat, fundamentale Gründe sind es nicht. Die Aktie ist völlig überbewertet. Andere Solarunternehmen sind an der Börse niedriger bewertet, schreiben aber Gewinne. Anleger sollten deshalb lieber die Finger von Conergy lassen. Im nachbörslichen Handel rauschte der Kurs am Montag bereits um 20 Prozent nach unten. Am Dienstag gab die Aktie nach Handelsstart weiter nach und fiel um 33 Prozent bis auf 1,10 Euro