Kein Happy End für Rot-Grün
Standpunkt: Vom schmählichen Ende des rot-grünen Projekts
Es kam wie es kommen musste: Die Partei war stärker. Die Partei ist immer stärker. Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder im Herbst von Angela Merkel abgelöst wird, geht nicht nur das rot-grüne Projekt schmählich zu Ende, sondern auch der Groß-Versuch, die SPD aus der Regierungsverantwortung heraus zu einer modernen sozialdemokratischen Partei umzuformen.
Chefredakteur Stefan Baron
FORUM
Das rot-grüne Projekt ist am Ende. Damit ist auch der Groß-Versuch gescheitert, die SPD zu einer modernen sozialdemokratischen Partei umzuformen. Was meinen Sie?
Lesen Sie die Beiträge Die Folgen dieses Scheiterns werden das Land länger plagen als die Hinterlassenschaft der rot-grünen Regierung.
Es gebe „keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, nur eine moderne oder unmoderne“, verkündete Schröder vor zehn Jahren, damals noch Ministerpräsident in Hannover und wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Partei. Zwar verlor er deswegen seine Sprecherrolle, doch zugleich begann sein Aufstieg zum „Genossen der Bosse“ und schließlich zum Kanzler. Endlich hatte die SPD nach Karl Schiller und Helmut Schmidt wieder einen Mann, der mit der Wirtschaft konnte. Schmidt, so Schröder, hätten „die Leute so geliebt, weil sie wussten: Der ist zugange mit den Bossen, der holt was raus für uns“.
Daran wollte auch er sich ein Beispiel nehmen: „Ich bin ideologisch nicht festgelegt“, sagte Schröder seinerzeit im Interview mit der WirtschaftsWoche und verwies auf eine „alte Erfahrung der Sozialdemokraten“, die da laute: „Wenn es der Wirtschaft gut geht, fällt für uns am meisten ab.“ Er wolle, dass Deutschland „Hammer“ ist im Prozess der Globalisierung und „nicht Amboss“, er sei für einen „aktivierenden“, nicht „interventionistischen“ Staat, sozialdemokratische Politik müsse sich (wieder) „an den Leistungsträgern orientieren“, das „Gutgemachte, nicht das Gutgemeinte“ sei sein Maßstab.
Das verdiente Unterstützung – auch außerhalb der SPD, auch vonseiten der WirtschaftsWoche, gerade gegen einen Altlinken wie Oskar Lafontaine.
Leider scheute der Aufsteiger jedoch die Mühen der Ebene, die etwa Labour-Chef Tony Blair auf sich genommen hatte. Statt dafür zu kämpfen, seine moderne Auffassung von Sozialdemokratie zunächst in der eigenen Partei mehrheitsfähig zu machen, suchte er lieber den direkten Weg zu Amt und Würden. Ein neues Godesberg für die SPD, so sagte er uns damals, lasse sich nur mit der Richtlinienkompetenz und Autorität eines Kanzlers erreichen.
An diesem Punkt trennten sich unsere Wege. Schröders Argumentation schien uns weder schlüssig noch verantwortbar. Nicht einmal Helmut Schmidt, in der SPD viel besser verankert als er, hatte es schließlich geschafft, seine Partei aus der Regierung heraus zu modernisieren. Und seitdem hatten die Sozialdemokraten nichts dazugelernt: Lafontaine war ihr Anführer geworden. Ein Kanzler Schröder würde zudem – das war absehbar – nur in einer Koalition mit den Grünen regieren können. Vor allem aber: Der Versuch aus der Regierungsverantwortung heraus – ohne entsprechende Vorbereitung der Basis – die SPD modernisieren zu wollen, musste zu schweren Turbulenzen nicht nur für die Sozialdemokraten, sondern für das gesamte Land führen. Ein Kanzler jedoch hat zuerst an sein Land zu denken und Schaden von ihm abzuwenden.
Auch deswegen haben wir 1998 davor gewarnt, sich von dem populären Kandidaten täuschen zu lassen. Leider vergeblich. Schröders Strahlkraft überdeckte den faustischen Pakt, den er mit Lafontaine und seiner Partei geschlossen hatte, Rot-Grün übernahm die Macht. Der Rest ist bekannt.
Heute, nach sieben Jahren, ergeht es Schröder ähnlich wie einst Schmidt. Und die SPD hat, wie die Heuschrecken-Debatte zeigt, immer noch nichts dazugelernt. „Diese Partei“, so soll der Kanzler laut „Spiegel“ resigniert gemurmelt haben, als er von dem politischen Meuchelmord an Heide Simonis erfuhr, „ist nicht regierungsfähig.“
Gewiss, es schmerzt, sich getäuscht zu haben – aber manchmal schmerzt es noch mehr, Recht zu behalten.
Wer aber eine bestimmte Parteimeinung pauschal als Propaganda abtut - und somit eine Abqualifizierung suggeriert - der ist nicht neutral... dieser ist Parteigänger, auch wenn er den Neutralisten stets vorne weg zu schieben scheint.
Wer siegen konnte, der sollte auch verlieren können, wenn es soweit ist. Das ist Demokratie. Gott sei Dank.
Fischkopp
Mein Kommentar ist, wie nicht schwer zu erkennen absolut neutral und mein Urteil über solches Geblubber ist, gleich welcher Couleur es auch entstammt immer dasselbe.
Dass du auf Texte abfährst, die ganz offensichtlich eher das schlichte Gemüt ansprechen sollen, bestätigt lediglich meine Einschätzung.
Und das gilt ganz unabhängig von der jeweiligen politischen Richtung, die dabei vertreten wird.
Und ich wiederhole mich gerne - das Forum dient nicht dazu, ellenlange, unkommentierte Texte von Politikern einzustellen. Das ist kein Diskussionsbeitrag sondern schlicht Parteienwerbung.
PS Darf ich dich BeMi nennen?
Never argue with an idiot -- they drag you down to their level, then beat you with experience.
"Phantasielos, zahm und außer Puste"
Grafik: Robert Misik]
Falls im Herbst ein Regierungswechsel kommt, würde das mehr bedeuten als das Scheitern einer Regierung. Eine ganze linke Politikergeneration stünde vor einem Scherbenhaufen, sagt der Wiener Publizist Robert Misik. tagesschau.de befragte ihn über die rot-grüne Identitätskrise und ihre Wurzeln.
tagesschau.de: Wie schlecht geht es den linken Parteien in Deutschland?
Robert Misik: Sie sind in einer schweren Orientierungskrise. Nehmen wir die SPD: Der durchschnittliche Sozialdemokrat weiß eigentlich nicht mehr, wofür er steht. Sind jetzt hohe Steuern gut oder niedrige Steuern? Soll das soziale Netz eng- oder weitmaschig geknüpft sein? Diese Identitätsprobleme sind bei Links-Parteien in ganz Europa vorhanden, aber in Deutschland besonders stark ausgeprägt.
tagesschau.de: Und woran liegt das?
[Bildunterschrift: Ende Mai 2005: Rot-Grün in der Krise. ]
Misik: Vielleicht daran, dass die SPD sich so sehr vom neoliberalen Einheitsdenken hat bestimmen lassen. Da wurde versucht, sich nach Art der New Labour in Großbritannien zu reformieren. Allerdings gibt es hier einen wichtigen Unterschied: Tony Blair hat seine Partei reformiert und erneuert, als er noch in der Opposition war. Gerhard Schröder hat das erst getan, als er schon an der Regierung war. Das gipfelte im Bruch mit Oskar Lafontaine, der jetzt als prominenter Ex-SPDler linke Wählerstimmen einsammeln wird - und sicher nicht für die SPD.
tagesschau.de: Waren die Sozialdemokraten denn 1998 so schlecht auf die Macht vorbereitet?
Misik: Ja und Nein. Die Ablösung der Kohl-Regierung haben viele damals wie eine Befreiung von den dicken, gutgescheitelten Strebern erlebt. Sie wurden ersetzt durch Leute mit etwas moderneren Biografien. Und in der ersten Legislaturperiode hat die Regierung Schröder wichtige gesellschaftliche Reformen angepackt. Die Stichworte sind Homoehe, Zuwanderung, Staatsbürgeschaftsgesetz, Verbraucherschutz. Die sozialen Reformen sind allerdings in den ersten vier Schröder-Jahren liegengeblieben. Und als es dann um die Durchsetzung der Hartz-Reformen ging, kam Rot-Grün in Atemnot. Das ist die Krise, die wir momentan erleben.
[Bildunterschrift: So können Sozialdemokraten aussehen: Tony Blair gewinnt im Mai 2005 wieder einmal eine Wahl.]
tagesschau.de: Ist das Timing von Arbeits- und Sozial-Reformen der einzige Unterschied zwischen Neuer Mitte - also SPD - und der britischen New Labour?
Misik: In Großbritannien fordert der Staat ebenso viel von den Arbeitslosen wie in Deutschland: Sie müssen jeden Job annehmen, den man ihnen anbietet. Aber - und das ist der Unterschied zu Deutschland - den Arbeitslosen werden auch garantiert Jobangebote gemacht. Und es gibt in Großbritannien wirklich ambitionierte Programme, die zum Beispiel allein erziehenden Müttern gezielte Hilfestellungen geben, damit sie einen Job finden und auch annehmen können. Das wäre auch in Deutschland klassische sozialdemokratische Politik gewesen - aber es findet nicht statt.
tagesschau.de: Wir reden hier die ganze Zeit von der SPD. Haben die Grünen nicht auch Fehler gemacht?
Misik: Die Grünen saßen zwar in der Regierung, aber die SPD hat die einschlägigen Ministerien besetzt.
tagesschau.de: Wenn Merkel im Herbst Kanzlerin würde, was bedeutete das für die Generation der 68er?
Misik: Sie steht vor einem großen Scheitern. Diese Generation ist durch ihr ganzes Leben mit einem Überschuss an politischer Phantasie gegangen. Und sie war kaum an der Macht, da war sie eigentlich phantasielos und seltsam zahm, wollte nur noch "manches besser aber nicht alles anders" machen. Vor allem darum steht sie nach nur sieben Jahren vor der Abwahl.
tagesschau.de: Wer wächst bei SPD und Grünen nach?
[Bildunterschrift: Parteichef Reinhard Bütikofer: Nennen Sie weitere grüne Nachwuchspolitiker!]
Misik: Da sind noch nicht viele Köpfe sichtbar. Andrea Nahles oder der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Siegmar Gabriel bei der SPD vielleicht. Gabriel hat das Wahlverlieren schon am eigenen Leib erlebt und überwinden können. Bei den Grünen sieht es noch trister aus. Außer Reinhard Bütikofer kennt man kaum einen der jüngeren Grünen-Politiker.
tagesschau.de: Schauen wir mal auf den anderen Teil der Links-Parteien - PDS und WASG. Die beiden werden sich vermutlich für die Bundestagswahl lose zusammenschließen. Was für einen Effekt erwarten Sie davon?
Misik: Ein solches Bündnis wäre sicher sinnvoll. Aus folgenden Gründen: Rot-Grün ist angesteckt vom neoliberalen Virus. Menschen werden immer stärker als Kostenfaktoren auf zwei Beinen gesehen, alles ist nur Ware und Wirtschaft. Es gibt parteienübergreifend diese Einheitsrhetorik in der politischen Klasse, die nach niedrigen Steuern, weniger sozialer Sicherung und dergleichen verlangt. Andere Meinungen gibt es im deutschen Bundestag dazu kaum noch. Es gibt aber genügend Leute, die das nicht wollen und die nichts zu wählen haben. Sie gehen dann vielleicht nicht zur Wahl oder wählen aus Protest die NPD. Wenn es da eine klare bundesweite Alternative gäbe, wäre das sehr sinnvoll, weil es Leute in den politischen Prozess zurückholt, die sich sonst nicht mehr angesprochen fühlen.
tagesschau.de: Und was bedeutet das in Zahlen?
Misik: Sieben oder acht Prozent wären für eine solche Gruppierung allemal drin.
tagesschau.de: Und wie sieht das dann aus, wenn die assoziierten Linken sich beispielsweise bei "Sabine Christiansen" präsentieren?
[Bildunterschrift: Gut situierte Partei sucht ungebundene und spontane Linke. Spätere Heirat nicht ausgeschlossen - wenn die Mitgift stimmt.]
Misik: Ich denke, dass das wenig Sex-Appeal haben wird. Viele der westdeutschen Extremlinken sind seit 30 Jahren und länger eingerichtet in ihren sehr speziellen Zusammenhängen. Sie haben häufig das Image von sozialen Verlierern. Die PDS dagegen ist eine disziplinierte, straff organisierte, regional starke Partei. Weil die PDS ahnt, dass sie mit den westdeutschen Extremlinken nur ein reines Zweckbündnis eingehen kann, ziert sie sich und versucht alles, um bloß nicht Ja sagen zu müssen. Die PDS stellt Minister, Bürgermeister, sie hat Geld. Und die Braut, mit der sie sich vermählen soll, hat eigentlich nichts außer Wählern. Der Anreiz ist also gering, formal schon zusammenzugehen.
tagesschau.de: Was wird in dieser Lage aus Oskar Lafontaine?
Misik: Für mich ist die Frage, ob ihm eine "PDS mit offener Liste" reichen wird, um als eine ihrer Gallionsfiguren zu fungieren. Ich denke, dass es Lafontaine reicht.
Robert Misik, Jahrgang 1966, arbeitet als freier Journalist für die "tageszeitung" (Berlin) und den "Falter" (Wien) und schreibt unter anderem über die europäische Sozialdemokratie. Sein jüngstes Buch "Genial dagegen - Kritisches Denken von Marx bis Moore" ist im Aufbau-Verlag Berlin erschienen.
Die Fragen stellte Christian
Müntefering räumt Autoritätsverlust ein
SPD-Chef Franz Müntefering hat seine Partei öffentlich zu mehr Disziplin aufgefordert. Gleichzeitig gestand er ein, dass er sich nur noch schlecht durchsetzen kann. Anlass der Selbstkritik: die Angriffe auf Bundespräsident Horst Köhler.
In den ARD-"Tagesthemen" sagte der SPD-Chef am Mittwochabend auf die Frage, warum er die Angriffe aus seiner Partei auf Köhler nicht verhindert habe: "Das ist auch eine Frage der Autorität. Das bestreite ich gar nicht." In diesen Zeiten nach der Neuwahl-Ankündigung sitze er "nicht oben drüber". "Ich sitze mitten im Getümmel", sagte der Parteichef.
Die Kritik an Köhler wegen angeblicher Indiskretionen begründete Müntefering mit der Unsicherheit vor der geplanten Bundestagswahl. "Da gibt es sicher ein Stück Nervosität in der Partei." Im ZDF mahnte der SPD-Chef seine Parteigenossen: "Die Attacken sind nicht in Ordnung, und ich erwarte, dass das eingestellt wird." Die ganze Partei müsse sich jetzt auf den Wahlkampf konzentrieren.
In der SPD-Spitze wächst die Furcht, dass Köhler die Neuwahl-Strategie des Kanzlers durchkreuzen könnte. Das Verhältnis zwischen den beiden gilt als belastet, weil Köhler von den Neuwahl-Plänen Schröders erst aus dem Fernsehen erfuhr. Der Sprecher von Kanzler Gerhard Schröder, Béla Anda, versuchte am Mittwoch zu beschwichtigen. Das Staatsoberhaupt habe selbstverständlich das Recht, souverän über die Auflösung des Parlaments zu entscheiden, sagte er.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Bundeskanzler und dem Staatsoberhaupt sei gut und vertrauensvoll. Schröder habe hohen Respekt vor Köhlers Arbeit und seiner Person. Der Kanzler teile nicht den Verdacht, dass das Bundespräsidialamt für Indiskretionen über die Neuwahl-Strategie Schröders verantwortlich sei. Er wies damit entsprechende Behauptungen von linken SPD-Abgeordneten zurück.
Zweifel an vertrauensvoller Zusammenarbeit
Die Kritik an Köhler aus der SPD riss aber dennoch nicht ab. Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner forderte Köhler zur politischen Neutralität im Wahlkampf auf. "Ich erwarte von ihm, dass er nicht in den Wahlkampf eingreift," sagte Kastner, die auch Mitglied des SPD-Vorstandes ist, der Financial Times Deutschland. Der Präsident habe in der Vergangenheit bereits seine politische Gesinnung gezeigt, die der Opposition von CDU/CSU näher stünde als den politischen Werten der Regierungsparteien.
In der SPD herrsche ohnehin Unmut wegen des Bundespräsidenten. Auf Widerstand sei vor allem Köhlers Rede Mitte März gestoßen, indem dieser "die Ordnung der Freiheit" ausgerufen hatte. "Er hat in dieser Rede nicht einmal das Wort soziale Gerechtigkeit erwähnt. Auch die Arbeitnehmer sind nicht einmal darin vorgekommen", monierte Kastner. Sie erwarte eine ausgewogene Vertretung aller Interessen in Deutschland.
Kastner untermauert damit die Kritik des Sprechers der parlamentarischen Linken, Michael Müller, am Bundespräsidenten. Müller hatte Köhler vorgeworfen, gezielt Informationen aus vertraulichen Gesprächen zu verbreiten. Dadurch habe der Bundespräsident die vertrauensvolle Zusammenarbeit gefährdet.
Der "Spiegel" hatte unter Berufung auf einen Teilnehmer eines Gesprächs zwischen Kanzler und Präsident berichtet, Schröder habe ein erhöhtes Erpressungspotenzial in den eigenen Reihen als Grund für sein Streben nach vorgezogenen Wahlen genannt.
Auch der ebenfalls zum linken Flügel zählende SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler kritisierte den Bundespräsidenten. "Herr Köhler ist leider parteipolitisch nicht so zurückhaltend wie alle seine Vorgänger", sagte er Reuters TV. Er warf dem Präsidialamt vor, aus parteipolitisch motivierten Gründen Unsicherheit zu verbreiten.
Für weitere Verunsicherung sorgten am Mittwoch Berichte wonach der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck Nachfolger von Parteichef Franz Müntefering werden sollen. Beck sagte, dass seien Spekulationen ohne jeden Hintergrund. Dementiert wurden auch Berichte, wonach die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) mit einem eigenen Kandidaten Schröder als Spitzenkandidaten für die Wahl verhindern wolle. "Das ist alles Blödsinn", sagte AfA-Chef Ottmar Schreiner.
Bereits am Dienstag hatten Gerüchte um einen Rücktritt des Kanzlers die SPD in Aufregung versetzt. Schröder selbst und die SPD-Spitze wiesen die Spekulationen als "erstunken und erlogen" zurück.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dossier: Grüne schreiben SPD im Wahlkampf ab
Die Grünen werden entgegen erster Ankündigungen ohne feste Koalitionsaussage zu Gunsten der SPD in den Bundestagswahlkampf ziehen. Zielgruppe sind auch rot-grüne Wechselwähler.
"Wenn man ehrlich ist, wird die SPD nach heutigem Stand am Wahlabend nicht genügend in die Waagschale werfen können, um Rot-Grün fortzusetzen", sagte am Mittwoch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, der Financial Times Deutschland: "Die Grünen werden auch gebraucht, wenn sie in der Opposition landen." Deshalb werde die Partei einen "sehr eigenständigen, grünen" Wahlkampf machen.
Der kleine Koalitionspartner war am 22. Mai von der Neuwahlankündigung von SPD-Parteichef Franz Müntefering überrascht worden. Spontan beschlossen sie am nächsten Tag, für eine Neuauflage der Koalition zu werben.
"Da kämpft jeder für sich"
Göring-Eckardt sagte, die Grünen wollten nicht die Erfolge der Bundesregierung bei den Sozialreformen, in der Einwanderungs- und Gesellschaftspolitik und in der Ökologie dementieren. "Offenbar hat die SPD Schwierigkeiten in den eigenen Reihen. Darauf stellen wir uns ein", sagte Göring-Eckardt. Zielgruppe für den grünen Wahlkampf seien auch rot-grüne Wechselwähler. "Da kämpft jeder für sich." Die Grünen seien eine linke Partei. Sie würden aber eine andere Rolle spielen als eine SPD, die sich wieder den Traditionen der 80er Jahre zuwendet.
Göring-Eckardt ließ keinen Zweifel, dass die Grünen die Neuwahl unterstützen: "Der Kanzler hat sie angekündigt, und die Mehrheit der Menschen will sie haben. Keiner sollte da jetzt Theater machen." Wie der Weg dahin geebnet werde, sei aber keine Frage an die Grünen: "Der Kanzler hat gesagt, er kennt den Weg dahin. Das ist jetzt seine Angelegenheit."
Hauptgegner seien für die Grünen die Union und die FDP, die einen sehr elitären Begriff von Freiheit verträten. "Bei Schwarz-Gelb ist Freiheit nur für die da, die es sich leisten können. Natürlich ist es schön, dass die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen von der CDU mit zwei Haushaltshilfen sieben Kinder großziehen kann. Wir wollen, dass sich das jede Familie leisten kann, auch wenn sie nur kleine Einkommen hat."
Eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene schloss Göring-Eckardt, die eigentlich als Anhängerin solcher Gedankenspiele gilt, aus: "Mit den Forderungen der Merkel-CDU gibt es nicht einmal Berührungspunkte."
Schwerpunkt Arbeitsmarktpolitik
Einen besonderen Schwerpunkt wollen die Grünen im Wahlkampf auf die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen legen. "Über einen reinen Kostenwettbewerb kann Deutschland nicht gewinnen. Wir brauchen neue Produkte und Dienstleistungen." Am Beispiel der Autoindustrie zeige sich, dass es gefährlich sei, die Augen vor der immer größer werdenden Schere zwischen explodierender Ressourcen-Nachfrage und dem sinkenden Angebot zu verschließen.
"Wir sollten nicht alte schwere Dinger bauen, die viel verbrauchen und irgendwann nicht mehr gekauft werden. Die Deutschen sollen neue, spritsparende Techniken anbieten, die auch von China massenhaft gekauft werden können, ohne automatisch zum ökologischen Kollaps zu führen." Es seien längst Techniken entwickelt, um Autos mit nachwachsenden Rohstoffen zu bauen und auch zu betreiben. "Ein reines Umwelt-Bashing, wie Union und FDP es jetzt ankündigen, wird nur dazu führen, dass solche wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht genutzt werden."
Senkung der Lohnnebenkosten
Ein zweiter Schwerpunkt werde die Schaffung von mehr Dienstleistungen sein. Zu diesem Zweck arbeite die Partei an Konzepten, die Lohnnebenkosten für untere Lohngruppen zu senken. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Stopfen von Haushaltslöchern lehnte Göring-Eckardt ab, weil dadurch der Reformdruck abnehme.
Als "verächtlich" bezeichnete die Grüne die Forderung von SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, junge Arbeitslose sollten vor einer Förderung nachweisen, dass sie arbeitswillig seien. "Wir dürfen nicht bestimmte Gruppen von vornherein ausschließen." Sollte es wider Erwarten im Herbst eine Neuauflage von Rot-Grün geben, könne es kein Weiter-so geben, sagte Göring-Eckardt: "Wir werden nicht noch einmal eine China-Politik zulassen, die den Menschenrechten und der Nachhaltigkeit widerspricht
Jung-Genossen fordern Kurswechsel
Auf dem Bundeskongress der Jungen Sozialisten hat der Vorsitzende Björn Bohning einen Generationenwechsel in der SPD gefordert. Bundeskanzler Schröder warf er vor, das zentrale Problem Arbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommen zu haben. Auch grüne Politiker äußerten Kritik an Schröders Kurs.
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APJuso-Vorsitzender Björn Böhning mit Franz Müntefering: "Neue Köpfe" nötig |
Auch gegen den auf dem Parteitag anwesenden SPD-Chef Franz Müntefering wetterte Bohning: Über die "aufgeregten Kommentare" in der von Franz Müntefering angestoßenen Kapitalismusdebatte habe er sich gewundert, sagte Böhning. Der SPD-Parteichef habe "mit seinem Hinweis auf kapitalistische Auswüchse die richtige Richtung vorgegeben". Allerdings müssten dem Taten folgen. Dazu gehöre die Beschränkung von Spekulationsgeschäften und die Einführung der so genannten Tobin-Steuer.
Böhning bekräftigte die Forderung der Jusos nach einer Ausbildungsplatzabgabe und die strikte Ablehnung von Studiengebühren. Nach Ansicht des Juso-Vorsitzenden habe die SPD mit der Ankündigung einer vorgezogenen Bundestagsneuwahl einen "äußerst riskanten Weg" gewählt. Es dürfe nicht sein, dass die SPD bei den geplanten Neuwahlen "auch noch diese Chance versemmelt".
Kritik an den Plänen einer vorgezogenen Neuwahl regte sich auch in den Reihen der Grünen. Seine Partei beurteile die Neuwahlen generell skeptisch, sagte Grünen-Wahlkampfmanager Fritz Kuhn. "Man hätte die Flinte nicht so einfach hinschmeißen dürfen" kritisierte der Heidelberger Bundestagsabgeordnete. Die rot-grüne Bundesregierung hätte stattdessen zeigen sollen, dass sie in den nächsten Jahren die sozial gerechte Modernisierung Deutschlands voranbringen wolle. "Dann hätte es durchaus Sinn gemacht, bis zum Herbst 2006 weiterzumachen", sagte Kuhn.
Kuhn macht die SPD für das Durcheinander in der Debatte um vorgezogene Bundestagswahlen verantwortlich. "Wir haben in keiner Weise zu diesen Neuwahlen beigetragen", sagte Kuhn dem "Mannheimer Morgen". Das sei eine Idee von Bundeskanzler Gerhard Schröder gewesen. Die Grünen stünden dennoch geschlossen hinter dem Kanzler.
Kuhn beklagte zudem ein "Gerechtigkeitsdefizit" in Deutschland und mahnte Korrekturen an der Arbeitsmarktreform Hartz IV an. Das Altersvermögen der Empfänger von Arbeitslosengeld II dürfe nicht so schnell für die Lebenshaltung in Anspruch werden, wie das bisher vorgesehen sei. "Sie können jemandem nicht sagen: Spare für dein Alter, wenn du aber unverschuldet arbeitslos wirst, dann musst du es hergeben", sagte Kuhn. Hier müsse es Korrekturen geben.
Und wie wir wieder zunehmend sehen, tritt dies auch wieder bei ihren Anhängern zu Tage. Vorbei ist es mit der neuen politischen Mitte in Deutschland, die Rotgrün immer so vollmundig verkündet hat. Da gibt Göring-Eckardt in Pos. 51 ganz offen zu, daß die Grünen nun doch eine linke Partei sind und der Juso-Vorsitzende Böhning unterstreicht deutlich wohin der Weg der SPD nach der Schröder-Äera gehen wird. An der Ausrichtung des neuen Linksbündnisses aus SED-light und WASA-Knäckebrot bestand ohnehin nie Zweifel.
Im Nachhinein darf man sicherlich fragen, weshalb Rotgrün so auf eine Bildungsreform gedrängt hat. Es es nun wegen oder trotz des eigenen Ignorierens der heute gelehrten politischen und wirtschaftlichen Lehrinhalte und wissenschaftlichen Erkenntnisse?
Wacht auf, verdammte dieser Erde, die stets man noch zum Hungern zwingt!
Das Recht wie Glut im Kraterherde nun mit Macht zum Durchbruch dringt.
Reinen Tisch macht mit dem Bedränger! Heer der Sklaven, wache auf!
Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger, alles zu werden, störmt zuhauf.
Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!
Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.
Es rettet uns kein hö´hres Wesen, kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun.
Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!
Leeres Wort: des Armen Rechte! Leeres Wort: des Reichen Pflicht!
Unmündig nennt man uns und Knechte, duldet die Schmach nun länger nicht!
Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!
Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.
In Stadt und Land, ihr Arbeitsleute, wir sind die stärkste der Partei´n.
Die Müßiggnger schiebt beiseite! Diese Welt wird unser sein;
unser Blut sei nicht mehr der Raben und der nächt´gen Geier Fraß!
Erst wenn wir sie vertrieben haben, dan scheint die Sonn' ohn' Unterlaß
Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!
Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.
Rot-Grün macht arm Debatte im Bundestag | Andreas Storm |
Debatte über den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung - Massenarbeitslosigkeit und Kinder sind Armutsrisiko - Spaltung der Gesellschaft Der Bundestag hat am Donnerstag über den 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung debattiert. "Dieser Bericht offenbart das absolute Scheitern der Regierung in der Armutsbekämpfung. Das Armutsrisiko hat unter Rot-Grün zu- und nicht abgenommen", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Zöller fest. Der Abstand zwischen arm und reich hat zugenommen: Indikatoren hierfür sind eine Millionen Kinder, die von Sozialhilfe leben müssen. Auch die Überschuldung privater Haushalte hat um über 13 Prozent zugenommen, rechnete Zöller vor. Eine Reihe von Fehlentscheidungen der rot-grünen Koalition hätte zu dieser Entwicklung geführt. Zöller nannte beispielhaft die Öko-Steuer, die Familien und Rentner besonders belastet, den Vertrauensverlust in der Rentenversicherung, die falsche Förderung der privaten Altersvorsorge oder die Streichung des Haushaltsfreibetrages für Alleinerziehende. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gesundheit und Soziale Sicherung, Andreas Storm, bezeichnete es als einen "gesellschaftlichen Skandal", dass Kinder das größte Armutsrisiko in Deutschland seien. Insbesondere Alleinerziehende sind mit 36 Prozent besonders von Armut betroffen. Es sei eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen, Kinder und ihre Eltern aus der Armutsfalle herauszuholen. |
Haushalt:
Nach uns die Sintflut
Der Kassensturz zeigt: Die Lage der Staatsfinanzen ist katastrophal. Union und FDP können für 2006 keine Nettoentlastung versprechen. Für diesen Termin hatten sich die Unterhändler von Bundesfinanzminister Hans Eichel gut gerüstet. Eine Nacht der langen Messer wollten sie zelebrieren, wenn von Donnerstagabend dieser Woche an in Brüssel über den neuen Finanzrahmen der EU verhandelt wird. Mit Rücksicht auf den dramatischen Zustand des Bundeshaushalts wollten sie hart bleiben und keinesfalls mehr als ein Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) als künftigen EU-Beitrag herausrücken.
Doch aus der Sparrunde wird nichts. Ausgerechnet Bundeskanzler Gerhard Schröder ist der Truppe seines Finanzministers in den Rücken gefallen. „Nationale Egoismen dürfen nicht im Vordergrund stehen“, versprach der Kanzler dem EU-Ratsvorsitzenden Jean-Claude Juncker nach dem Desaster um die EU-Verfassung und lenkte im Finanzpoker ein.
Schröders großzügige Geste an Europa, nun doch maximal 1,056 Prozent des BIPs in die Brüsseler Kasse zu leiten, reißt in den nächsten Jahren das Loch im Bundeshaushalt noch weiter auf. Auf bis zu 30 Milliarden Euro jährlich könnte der EU-Beitrag nun bis 2013 steigen, rund acht Milliarden Euro mehr als bisher. Wie das finanziert werden kann, weiß heute noch keiner. Aber dass es Gerhard Schröder ist, der sich als Regierungschef darüber den Kopf zerbrechen muss, ist denkbar unwahrscheinlich.
„Nach uns die Sintflut“ heißt das Motto, mit dem die rot-grüne Koalition ihr finanzpolitisches Restprogramm abwickelt. Noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik hat eine Regierung einen derartigen Scherbenhaufen hinterlassen. Auf 905 Milliarden Euro werden die Schulden des Bundes zum Jahresende angewachsen sein. Schon seit 2002 verstößt Eichels Etat Jahr für Jahr gegen den EU-Stabilitätspakt und gegen Artikel 115 des Grundgesetzes, der die zulässige Höhe der Neuverschuldung auf die Summer der Investitionen begrenzt. Das aktuelle Defizit schnellt voraussichtlich auf knapp 40 Milliarden Euro hoch, das strukturelle Defizit erreicht mit 62,5 Milliarden Euro Rekordhöhe. „Die Lage ist dramatisch“, sagt Eichel. Das ist schamlos geschönt.
Für den früheren Studienrat aus Kassel kommt Schröders Ankündigung vorgezogener Neuwahlen einer Erlösung gleich. Die Arbeit an dem Etat für 2006 hat er weit gehend eingestellt, das Kabinett in Auflösung soll am 29. Juni nur noch Eckwerte zur Kenntnis nehmen. Und einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr will Eichel auch nicht mehr vorlegen – soll sich doch um die Endabrechnung kümmern, wer will.
Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, hat sich in scharfer Form gegen die Einführung einer Reichensteuer ausgesprochen. "Das ist reine Symbolpolitik ohne ökonomischen Sinn", sagte er der Tageszeitung "Die Welt" (Montag). Die von Grünen und SPD geplante so genannte Millionärssteuer hätte zudem nur "einen bescheidenen fiskalischen Effekt,
zumal schon jetzt die oberen zehn Prozent der Steuerzahler über 50 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens generieren".
Mit einer zusätzlichen steuerlichen Belastung für absolute Spitzenverdiener wollte sich am Sonntagnachmittag eventuell auch das SPD-Präsidium in seiner ersten Sitzung zum Wahlkampfkonzept befassen. Wie aus der SPD verlautete, gebe es dabei aber gesetzestechnische Probleme, die noch nicht gelöst seien. Der Entwurf des Wahlprogramms wird dem Präsidium von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Parteichef Franz Müntefering vorgelegt. Endgültig beschlossen wird das Programm am 4. Juli im Parteivorstand.
MfG
kiiwii
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