Wg Amok-Lauf: die armen Lehrer - von wegen
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Eröffnet am: | 20.11.07 01:27 | von: daxcrash200. | Anzahl Beiträge: | 44 |
Neuester Beitrag: | 24.03.09 01:56 | von: daxcrash200. | Leser gesamt: | 6.609 |
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Lehrer unterrichten Kinder und Jugendliche. Sie bringen ihnen Lesen und Schreiben, Rechnen und fremde Sprachen, anständiges Benehmen und Erdkunde, Turnen und andere Dinge bei. Eine klare Sache. Bleibt nur noch eine offene Frage: Wozu taugt der Lehrerberuf?
Es gehört zum Berufsbild des Lehrers, daß er auf diese dumme Frage keine Antwort weiß. Die subjektiv ehrliche Auskunft: "Um mit relativ wenig Aufwand einen relativ sicheren und angenehmen Lebensunterhalt zu verdienen!" ist eine Ausflucht, weil sie sich um den Zweck des Berufs herumdrückt? Mit dem da ein Gehalt zwischen A 12 und A 15 verdient wird. Und die scheinbar so naheliegende Antwort: "Um den Kindern und Jugendlichen etwas Nützliches beizubringen!<< steht nicht ohne Grund in dem Verdacht, eher einen etwas weltfremden Idealismus wiederzugeben als die Sachlage. Einen eindeutigen Nutzen für die Schüler hat das Unterrichten tatsächlich nur im Hinblick auf den Zweck, den überhaupt erst die Schule ihren Besuchern vorgibt und ganz unabhängig von deren Interessen und Vorhaben als Pflicht auferlegt: im Hinblick auf den Schulerfolg, die Versetzung in die nächste Klasse und ein ansehnliches Abgangszeugnis am Ende. Mit dem Nutzen des Unterrichts für dieses Ziel ist es zwar so eine Sache; denn oft machen die Methoden eines Lehrers manchem Schüler bei der Verfolgung dieses schulimmanenten Zwecks mehr Schwierigkeiten, als daß sie ihm helfen. Das ändert aber nichts daran, daß der Schulunterricht im Prinzip Mittel und Zweck in einem ist: Lehrer bringen ihren Schülern die verschiedensten Dinge bei, um in Form von Zensuren ein Urteil darüber zu erstellen, mit welchem Erfolg jeder einzelne ihrem Unterricht beigewohnt hat-eine reichlich zirkuläre Angelegenheit. Schulmeister fordern also den Verstand der Schüler. Der soll sich gewisse Elemente der gesellschaftlich erarbeiteten und benutzten Naturerkenntnis aneignen, Geschichtsereignisse und Vokabeln fremder Sprachen im Gedächtnis behalten, die wichtigsten und beliebtesten ideologischen Abstraktionen, Beweisverfahren und Schlußfolgerungen kennen und frei anwenden können und vieles andere mehr. So machen die Lehrer den Nachwuchs klüger-und nicht nur das. Sie verlangen von ihren Schülern und geben ihnen im Unterricht dauernd Gelegenheit dazu, sich auszuzeichnen oder auch öffentlich zu versagen. Verstand ist gefragt, damit die belehrten Individuen sich bei seiner Betätigung und Vorführung erkennbar unterscheiden. Dieser eigentümliche Verstandesgebrauch ist-bei aller Allgemeinheit des "Stoffs"-ein reines Kunstprodukt der Schule für die Schule, das außerhalb dieses geschlossenen Kreislaufs überhaupt nur in einem Zusammenhang nützlich anzuwenden ist, nämlich als Waffe der privaten und bisweilen auch der öffentlich-demokratischen Angeberei. Die unterschiedlichen Erfolge der einzelnen in dieser Kunst bewertet und verbucht der Lehrer als individuelle Verstandesleistung, die dem einzelnen aber als die Äußerung seines intellektuellen und moralischen Leistungsvermögens zuzurechnen sei. Das so "ermittelte" Vermögen des Schülers wird in Zensuren beziffert und gibt damit den praktischen Leitfaden-und ganz gratis daneben auch noch die ideologische Rechtfertigung-für die Entscheidung her, auf die es in der Schule ankommt: für den jährlichen Beschluß, die Besseren vorrücken zu lassen, den geistig weniger "Vermögenden" dagegen die Last weiterer Ausbildung zu ersparen und auf diese Weise die "ermittelten" geistigen Vermögensunterschiede zu vergrößern. Ein mit den Jahren wachsender Teil jedes Jahrgangs wird so systematisch von der Betätigung des Verstandes überhaupt, einschließlich aller Elemente des Wissens und Sich-Auskennens, an die ein Bürger moderner Kulturnationen kaum anders als durch die Schulpflicht herankommt, ausgeschlossen. Diese Negativität und eigenartige Selbstbezogenheit des Schulunterrichts bleibt dessen Funktionären nicht verborgen. Die Form allerdings, in der sie sich das eingestehen, ist das Dementi-das doch so verräterisch ist wie noch jedes Dementi. Kein Lehrer, der nicht in etlichen Variationen den alten lateinischen Lehrsatz vertritt, als Schüler lerne man, gefälligst, für "das Leben" und nicht etwa bloß für die Schule. Nur: Wer muß das wohl beteuern? Im Unterricht kommen gute Lehrer ihren Schülern mit verschiedenen methodischen Nutzanwendungen besagten Grundsatzes, in welche die Lehrerausbildung sie eingeübt hat. Moderne Pädagogen postulieren einen bruchlosen Zusammenhang zwischen dem Unterrichtszweck und den Bedürfnissen der Schüler-und beweisen mit ihren Bemühungen, diesem Postulat zu entsprechen, doch nur, daß weder die wirklichen bornierten Interessen der lieben Kleinen noch der vernünftige Zweck, die Mittel und Bedingungen der Eigenen Existenz zu beherrschen, und dafür zuerst einmal zu begreifen, mit der Abstraktion des Schulerfolgs zusammenstimmen. -Die Kleinsten möchte ein guter Lehrer am liebsten spielerisch in die "Welt der Zahlen und Buchstaben" einführen, gerade so, als ergäbe das Rechnen und Schreiben sich von selbst aus dem kindlichen Spielbedürfnis, wenn man die dazugehörige Disziplin des Denkens hinter bunten Farben und "lustigen" Figuren versteckt. Das hartnäckig praktizierte Ideal des "kindgemäßen Lernens" verleugnet unverdrossen den durchaus rationellen und unausbleiblichen Gegensatz, in dem die Inanspruchnahme des Verstandes allemal zur Hingegebenheit an Phantasie und Spielzeug steht, und verrät damit, daß die Lehrer hier einen ganz anderen Gegensatz "bewältigen" als den sachlichen zwischen Verstandestätigkeit und Spielerei, der sich von selbst auflöst, sobald das Kind überhaupt den Übergang macht von seinen Launen zum Interesse, vom Spiel der Einbildungskraft zum Nachdenken. Sie wollen die Schulanfänger in die Verfolgung des Unterrichtszwecks hineinbetrügen, sie mit Kindereien zu Schulleistungen verführen, damit sie am Ende garantiert kindgerecht benoten können, inwieweit jedes einzelne Kind mitgemacht und Leistungen erbracht hat. -Von demselben Widerspruch sind die schulmeisterlichen Anstrengungen geprägt, ältere Schüler zu einem selbstzweckhaften Interesse am Unterrichtsstoff zu verleiten. Der Wille, den Jugendlichen die Welt zu erklären, die maßgeblichen gesellschaftlichen Interessen vor allem, die über ihr weiteres Dasein entscheiden, ist da nicht am Werk; so etwas ist schon im Lehrplan nicht vorgesehen, von dem alle Bemühungen um eine "Motivation" der Schüler ausgehen und auf dessen Erfüllung sie hinzielen. Auch wäre da ein Gegensatz zu den Ideologien fällig, die schon Kinder sich hierzulande einleuchten lassen, und nicht Anbiederei. Lehrer dagegen tun ihr Bestes, um ihre Schüler zur Anteilnahme am vorgeschriebenen Stoff zu verlocken. Dafür bemühen sie die dümmsten Bildungsideale: vom unabsehbaren Nutzen einer "musischen Bildung"; von der "Schulung der Denkfähigkeit" ausgerechnet durch Mathematik und Latein, die vor allem außerhalb dieser Fächer zu Erfolgen verhelfen soll; von der Unentbehrlichkeit eines "Geschichtsbewußtseins" für eine gerechte Einstellung zum Weltlauf ... Dabei sind die bestgemeinten Appelle an ein nicht berechnendes Bildungsbedürfnis davon diktiert, daß der Schulunterricht eben nicht mit einem vernünftigen Wissensdurst der Schüler rechnet und noch nicht einmal mit einem verkehrten Bildungsidealismus, sondern daß er auf ein berechnendes Interesse am Schulerfolg zählt. Zum Zwang der Zensuren, der dieses schnöde Verhältnis zum "Stoff' durchsetzt, paßt umgekehrt das Ideal des an und für sich erstrebenswerten "Bildungsguts", das keinem wirklichen Interesse als Mittel dient, ebenso wie der Stolz, mit dem noch jeder Lehrer auf vereinzelte Schülerexemplare verweisen kann, die sich "wirklich interessiert" gezeigt hätten ... Die Basis, auf der Lehrer und Schüler sich wirklich treffen, sind ar #.nde allemal die Zensuren. Die Lehrer bringen die "Sachz zwänge" des Schulerfolgs ins Spiel, um den es schließlich geht, und die Schüler stellen sich drauf ein. Selbst da leisten Lehrer sich allerdings gerne noch ihren pädagogischen Schwindel. Die einen interpretieren das gesamte Notenwesen als ein pädagogisches Verbrechen, das jeden ehrlichen Bildungseifer der Schuljugend von Anfang an kaputt- und ihnen das Leben schwermache-so als wäre es nicht umgekehrt die Geschäftsgrundlage ihres beruflichen Einsatzes. Die anderen, die allermeisten, möchten die Zensuren, ihre zumindest, als hilfreiches Auskunftsmittel für die Schüler über deren individuellen Leistungsstand gewürdigt wissen-so als wäre dieser noch etwas anderes als das in den Zensuren niedergelegte Urteil über sie. So oder so: Daß der Zweck ihrer Tätigkeit sich in der Zuteilung von Schulnoten erfüllt, das wollen Lehrer, bei aller "Illusionslosigkeit", denn doch nicht wahrhaben; das wird kräftig geleugnet-und gerade so eingestanden. Immerhin haben die Lehrer in letzter Instanz die fraglose praktische Bedeutung auf ihrer Seite, die der Schulerfolg fürs Berufsleben besitzt. Dieser Nutzen des Unterrichts "fürs Leben" ist unbestreitbar-hat eben darin aber seinen Haken. Er fällt nämlich keineswegs zusammen mit einer sachlichen Zweckdienlichkeit des bewältigten Unterrichtsstoffs für berufliche Konkurrenz und Karriere. Sicherlich sind Lesen, Schreiben und Rechnen elementare Voraussetzungen fürs Geldverdienen und staatsbürgerliche Pflichterfüllung. Wo das allerdings die einzig nennenswerten überdauernden Bildungsleistungen des Schulunterrichts bleiben, da darf man schon gar nicht mehr fragen, ob der Erwerb dieser großartigen Fertigkeiten sich für die Schulabgänger in ihrem Arbeitsleben jemals lohnt. Aufsässige Schüler fragen das ja bisweilen -und kündigen damit ihre Bereitschaft zu sachgerechter Unterrichtsteilnahme auf; denn sie können sich sicher sein, daß kein Lehrer ihnen einen solchen Vorteil nachweisen kann. Die Lohnarbeit, die mit einem solchen Mindestmaß an Verstandeskultur zu bewältigen ist, ruiniert ihre Leute, übrigens einschließlich aller Verstandeskräfte; Menschen dazu zu "befähigen", kann kein Schulunterricht im Ernst zu seinen Ruhmestaten zählen.
Höhere Schulbildung ist da von höherem Nutzen; das steht außer Frage. Allerdings steht das eben deswegen außer Frage, weil es auch da nicht auf die sachliche Zweckdienlichkeit des Unterrichts fürs berufliche Wirken ankommt, sondern weil bessere Schulerfolge als formelle Einstiegsbedingungen für bessere Berufslaufbahnen festgelegt sind. Kein Personalchef fragt je nach Literaturkenntnissen oder Kunstverstand, nach Schulkenntnissen in Fremdsprachen oder Physik, nach Geschichtsbewußtsein oder mathematischen Kurvendiskussionen, also nach den Künsten, Fertigkeiten und Wissensbrocken, deren gute schulische Benotung andererseits unerläßliche Einstellungsvoraussetzung ist. Und selbst wenn ein Personalbeamter doch vielleicht einmal an solchem Stoff die Selbstdarstellung eines Bewerbers auf die Probe stellt: Der so erreichbare Beruf fordert weder Bildbeschreibungen noch Besinnungsaufsätze, geschweige denn dilettantische Chemie-Experimente oder Gesangskünste. Es bleibt den privaten Bildungsideologien der Schulmeister sowie dem Erfindungsreichtum der "empirischen" pädagogischen "Forschung" überlassen, tiefere inhaltliche Entsprechungen zwischen bewältigten Unterrichtsstoffen und beruflichem Fortkommen zu "ermitteln", und nach Geschmack darf jeder sich darüber wundern oder daran freuen, daß manches später anerkannte Genie in seiner Schulzeit als Versager durchgelaufen ist und Musterschüler in beruflicher Mittelmäßigkeit versacken.
Lehrer liegen demnach gar nicht so falsch, wenn sie bisweilen von dem Verdacht beschlichen werden, sie seien Funktionäre einer selbstzweckhaften, vom normalen "gesellschaftlichen Leben" ziemlich gründlich abgetrennten "Welt für sich". Doch haben sie auch damit nicht recht; schon gar nicht, wenn sie diese Abtrennung als günstige pädagogische Bedingung und "Freiraum" schätzen oder umgekehrt nach mehr "Lebens-" und "Praxisnähe" seufzen. Ihr Job wirft seinen Nutzen für "das Leben" genau dadurch ab, daß er nach schulinternen, sonst nirgends gültigen Maßstäben mehr oder weniger erfolgreiche sowie erfolglose Absolventen herstellt und damit jedem Individuum seinen höchstpersönlichen Einstieg in die Welt des Geldverdienens verpaßt, die sich als weitgefächerte Hierarchie höchst unterschiedlicher Chancen darstellt. Dieses "Leben" bedienen die Schulmeister mit einem Menschenmaterial, das getrennt davon und gerade so sehr passend und zweckmäßig hierarchisiert ist. Sie vergleichen die Individuen nach einem neutralen, unanfechtbar gerechten Kriterium jenseits aller Härten des Berufslebens und der ökonomischen Konkurrenz: nach dem Maßstab der "intellektuellen Leistungsfähigkeit"; und gerade so organisieren sie den Nachschub für sämtliche Arbeiten und Posten, die in einer modernen Klassengesellschaft anfallen.
Daß dieses Kriterium der intellektuellen Leistungsfähigkeit eine in sich widersprüchliche Fiktion ist, stört niemanden. Daß es so nur in der und für die Schule gilt, ist gut und nicht schlecht; denn das garantiert gerade den Schein, da würde einzig und allein das Individuum nach seiner geistigen Ausstattung und Einsatzbereitschaft gewürdigt. Daß eine spezielle Brauchbarkeit für spezielle Berufe dabei höchstens zufällig herausschaut, ist kein Mangel; denn entweder erzwingt die Arbeit selbst das Nötige, oder die "fachliche Qualifikation" erfolgt nach Beendigung der allgemeinen Schulpflicht. Sache des Schulunterrichts ist es, ausgerechnet mit den ihrer Natur nach nicht-exklusiven "Gütern" der Allgemeinbildung das praktische Bedürfnis der demokratischen Klassengesellschaft nach einer Hierarchisierung ihres Menschenmaterials zu erfüllen und zugleich den Schein zu erzeugen, genau so würde jedem einzelnen seine höchstpersönliche Chance für eine ihm gemäße Selbstverwirklichung eröffnet.
Diesem Schein sind sämtliche kritischen Bedenken verpflichtet, die einem Lehrer bei der treuen Erfüllung seiner Berufspflichten unweigerlich einmal durch den Kopf gehen. An Umständen und Bedingungen, die das Ideal einer grundgerechten Sortierung des Nachwuchses in der Praxis beeinträchtigen, herrscht ja kein Mangel; und es liegt in der Natur der Sache, daß in dieser Hinsicht jede Errungenschaft ihre zwei Seiten hat, so daß das "Problem" garantiert erhalten bleibt. Die einen stören sich am "Bildungsvorsprung", den die Kinder beflissener "Mittelschicht-Eltern" schon ins erste Schuljahr mitbringen, sowie am Nachhilfeunterricht und den guten Beziehungen zum Lehrkörper, mit denen "bessere" Familien dem Schulerfolg ihrer Sprößlinge Beine machen. Sie fordern "Chancengleichheit" und zu diesem Zweck eine Extraförderung von "Unterschicht"-Kindern, was wiederum die Gegenseite als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kritisiert. Die befürchtet außerdem sowieso eine Nivellierung der schulischen Leistungen nach unten, mißversteht absichtsvoll "Chancengleichheit" als ,,Gleichmacherei und plädiert für mehr Hierarchie-"nicht zuletzt" im Interesse der Schulversager, deren Individualität mit ganz wenig Unterricht viel besser zu entsprechen wäre. Und so weiter. "Reaktionäre" wie "fortschrittliche" Zweifel an der Gerechtigkeit der tatsächlichen Sortierungspraxis der Schule beruhen auf dem Schein, um nichts als gerechte Kindgemäßheit wäre es dem Schulwesen zu tun, und bemühen sich konstruktiv um dessen Glaubwürdigkeit.
Das bißchen Wissen, das der Schulunterricht für die Hierarchisierung der Jugend mit heranzieht, könnten die Kinder sich zweifellos besser ohne Schulmeister aneignen, die es ausgerechnet auf Unterscheidung der schulpflichtigen Einzelpersönchen abgesehen haben. Um aber jeden neuen Jahrgang in der Falle des Lernens für den Lernerfolg zu fangen, ihn bedarfsgerecht zu sortieren und das als Bildungsangebot zwecks Ermittlung des individuellen Denk-Leistungsvermögens durchzuexerzieren, dafür braucht es akademisch geschultes hauptamtliches Personal: Funktionäre, die lieber nicht so genau wissen wollen, wozu es sie eigentlich gibt.
pöbeln? ich versuche alle mitdiskutanten auf den text und argumente zu nageln, damit man AN DER SACHE bleibt
nur? ist ja wohl offensichtlich daneben..
deswegen den thread aufgemacht? das muß Deine Denkwelt sein.
ich versuche ja permanent auf den inhalt zu gehen
und muß permanent feststellen, daß Du z.B. einfach nicht zur kenntnis nimmst, was ich geschrieben habe:
Was soll diese Diskussion mit den Noten, was soll daran nicht gut sein? Warum sollen die durch hirnloses und seitenlanges Gebrabbel ersetzt werden?
Wo bitteschön habe ich vom Ersetzen von Noten geredet WOOO
ich habe auf deren Zweck hingewiesen...
Im Fussball spielt man auch zb. 1:0 da gibt es auch Noten, so wie überall.
wie überall? Was ist das denn für ein Argument, nur weil etwas weit verbreitet ist soll es auch schon in Ordnung sein???
eine ziemlich untertänige Geisteshaltung spricht da aus Dir
hier ist noch mal was zum hören:
Lautsprecher an:
http://doku.argudiss.de/stream.php?id=150
Das mit der Quelle sollte ja selbsterklärend sein
Noten - schulpädagogisch bedacht
Das Thema „Leistungsmessung“ in der Schule wäre an sich ja eine Erklärung durchaus wert. Dass es in Sachen Ausbildung des Nachwuchses um die Erbringung von Leistung geht, d.h. sachgerechte Anstrengung pro Zeit, versteht sich ja durchaus nicht von selbst. Vielmehr ist die Forderung, sich einen bestimmten Stoff in festgelegter Zeit anzueignen (oder gar nicht) und ihn in limitiertem Zeitrahmen auf Anforderung zu reproduzieren, eine dem Wissen und seiner Vermittlung völlig fremde, gegensätzliche Auflage. Dann geht es offensichtlich darum, den in den verschiedenen Fächern präsentierten Unterrichtsstoff zur Kenntnis zu nehmen, um in Prüfungen regelmäßig messen zu lassen, in welchem Verhältnis die eigene Leistung zu den gestellten Anforderungen steht, und welchen Platz man dabei im Verhältnis zu seinen Mitkonkurrenten einnimmt. Bei der so mit den Noten hergestellten Leistungshierarchie der Schüler wird dann am Ende jedes Schuljahres aus einer (zu) schlechten Bewertung der schlichte Schluss gezogen, Schüler deswegen von weiterer Ausbildung auszuschließen: Weil einer etwas (noch) nicht kann, könne er es offensichtlich nicht können. Dies der Rassismus, der mittels Noten eingerichteten Selektion: Ein negativer Befund über die erbrachte Leistung gilt als Beweis dafür, dass so etwas wie eine natürliche Unfähigkeit, eben „schlechte Begabung“ vorliege. (Die durch die Leistungsmessung produzierte Hierarchie der Schüler schließt dann - entsprechend den Stufen des etablierten Bildungswesens - nicht nur jeweils von weiterer Bildung, sondern auch von den höheren Stufen der institutionalisierten beruflichen Hierarchie aus.)
Noten dienen also dazu, mittels des am Wissen durchgeführten Leistungsvergleichs eine Auslese an den Schülern durchzuführen, die auf die Herstellung von Unterschieden dringt, um die Zöglinge danach auf eine festgelegte Hierarchie zu sortieren.
Ein klassischer Schulpädagoge wie Hartwig Schröder (Leistungsmessung und Schülerbeurteilung) sieht die Sache etwas anders: Für ihn sind Noten von Anfang an eine Gegebenheit, für die schon irgendwie allein die Tatsache spricht, dass der Lehrer „verpflichtet“ ist, „seine Schüler zu benoten“. Deswegen sind sie für ihn kein Anlass, sich für die Klärung des Zwecks der Noten zu interessieren, sondern er stellt seine Besprechung unter die Fragestellung, ob dieses selbstverständlich unterstellte Verfahren auch „verantwortlich“, „als pädagogischer Akt“ und damit „begründet“, d. h. legitimiert erfolgt.
Wer so nur noch auf der Suche nach dem Ausmaß und dem Grad ist, mit dem er zustimmen darf, wird sich die Erfüllung dieses tiefen Wunsches kaum nehmen lassen: Sich getrennt von der inhaltlichen Bestimmung der Noten nur noch mit dem „Wie“ und der moralischen Haltung dabei zu beschäftigen, damit man sie als „begründet“ erklären kann, verdankt sich der Suche nach guten Gründen für die Leistungsmessung jenseits dessen, was sie ist. Und deren Auffinden hängt damit einzig vom eigenen Gutdünken ab. „Als pädagogischer Akt“ sollen sie begriffen werden - das wird sich bei den Noten ja wohl noch machen lassen; man fragt sich ja umgekehrt, als was sonst sie erfolgen könnten oder sollten. Schröder hält dies jedoch keineswegs für eine unsinnige Verdopplung: die pädagogische Maßnahme solle auch als solche erfolgen, sondern für ein Kriterium, von dem die „Güte“ der Noten abhänge. Ganz abstrakt gibt er damit Zeugnis von seinem unwissenschaftlichen Idealismus, der unter „pädagogisch“ nicht das verstehen will, was in der Erziehung passiert, sondern ein höheres Ideal davon, das er der existierenden Notengebung als ihr eigentliches Wesen und Anliegen unterstellen will - sonst ließe es sich nicht daran messen.
Noten sind gut für Notenprobleme
Dass auf diese Weise kein richtiges Urteil mehr über die Leistungsmessung abfällt, aber jede Menge Verklärung und Legitimation, zeigt sich an den verschiedenen Wirkungen und Leistungen, die die Schulpädagogik den Noten zuschreibt, und mit denen sie sie als „pädagogisch begründet“ sehen will. Ihre Besprechung folgt dabei durchweg dem Schema, die „Notengebung“ für angebliche Funktionen zur Lösung von Problemen zu beglückwünschen, die es allenfalls wegen der Noten und durch sie gibt.
Dazu drei Beispiele:
1. „Motivation“:
„Leistungen, von denen der Schüler weiß, dass sie zur Kenntnis genommen und qualifiziert werden, widmet er größere Aufmerksamkeit und nimmt er ernster …“
Daran ist nichts wahr. Erstens: Wenn die Schüler die „Leistungsmessung“ in der Schule ernst nehmen, dann nicht deswegen, weil ihre Leistungen „zur Kenntnis genommen“ werden, und auch nicht, weil sie „qualifiziert“ werden, sondern wegen der an die Benotung geknüpften, weitreichenden Konsequenzen in Sachen Ausschluss von den höheren Stufen der Berufshierarchie.
Zweitens ist das eine grobe Verwechslung von „Kenntnisnahme“ bzw. Qualifizierung einerseits mit Notengebung andererseits. In letzterer ist ja gerade jedes bestimmte (Nicht-)Wissen ausgelöscht, sind die unterschiedlichsten Fehler recht gewaltsam gleichgesetzt: Den Fehlern wird eine Ziffer (Note) zugeordnet, womit endgültig jeder Bezug zum Inhalt der jeweiligen Denkanstrengung getilgt ist.
Drittens aber und vor allem gibt‘s den Ruf nach „Motivation“, d.h. den Wunsch, die Schüler zum Mitmachen zu bewegen, trotz ihres Unwillens oder Desinteresses, nur wegen des im Schulsystem institutionalisierten Gegensatzes gegen die Schüler, sich im Leistungsvergleich und für diesen bewähren zu müssen. Bei Schröder sollen umgekehrt ausgerechnet die Noten die Beseitigung und Lösung dieses „Problems“ sein!
2. „Information“:
„Die grundlegendste Bedeutung von Schulnoten ist ihre Informationsfunktion. Sie informieren den Schüler und seine Eltern, inwieweit die Leistungen des Schülers den Anforderungen der Schule entsprechen.“
Ein schönes Kompliment an die Noten: Wofür ist eine Schulnote gut? Dass man erfährt, was man für eine Note hat! Über mehr als über sich selbst „informiert“ sie tatsächlich nicht, eben darüber, wie die erbrachte Leistung bewertet wird, und welchen Platz man dabei im Vergleich einnimmt. Das in der Schule aufgemachte Verhältnis der erbrachten und bewerteten Leistung zu den gestellten Anforderungen gibt‘s gar nicht getrennt und unabhängig von den Noten. Diese sind eben Instrument der Schule zur Durchführung der Auslese; nicht Information für den Schüler, sondern Zwang und Drohung: Wenn der Vergleich negativ ausfällt, ist Schluss mit dem weiteren Vergleichen. Als Leistung der Notengebung kann man dies nur dann honorieren, wenn man unterstellt, dass es das Interesse an ihr quasi naturwüchsig, unabhängig vom institutionalisierten Leistungsvergleich gäbe. Wenn es nicht um die Bewährung am festgelegten Maßstab ginge, wäre dieser Wunsch aber ziemlich unsinnig und die „Information“ gar keine; etwas anderes als dessen bewertetes Resultat teilt sie ja gar nicht mit. Und nur wegen der damit verbundenen praktischen Konsequenzen stößt die Note auf Interesse - an ihr.
3. „Auslese“:
„Die Schulnoten bestimmen entscheidend sowohl das Vorrücken in den Jahrgangs- und Leistungsklassen der einzelnen Schulstufen, als auch das Überwechseln von einer Schulart in die andere …“ (Stimmt!) „Dabei wird ungeprüft vorausgesetzt, dass ein Schüler, der seither den Anforderungen entsprach, auch den neuen Anforderungen gerecht wird.“
Genaugenommen ist es in der Schule mit der Auslese so, dass aus als unzureichend bewerteten Ergebnissen der „Schluss“ gezogen wird, den betreffenden Schüler von den weiteren Stufen der Ausbildung auszuschließen. So bestätigt sich der pädagogische Rassismus, für den ein vorliegendes Nicht-Können am Ende eines Schuljahres ein klarer Beweis dafür ist, dass das so bleiben muss, weil einer das „offensichtlich“ nicht können kann: minderbemittelt! Und diesen ziemlich schwachsinnigen Rückschluss möchte Schröder und mit ihm die gesamte Pädagogik gerne nicht so vorschnell und „ungeprüft“ ziehen lassen. An welche „Prüfung“ hätte man denn da gedacht, damit die bisherigen Noten mit ausreichender Sicherheit auf die zukünftigen „Leistungen“ schließen lassen? Vielleicht noch eine „Leistungsmessung“ mehr pro Schuljahr? Während die Schule mit ihrer Selektion per eingerichtetem Leistungsvergleich an ihrem Schülermaterial entsprechende Unterschiede (genauer: eine Hierarchie) praktisch herstellt, betrachtet ein Schulpädagoge die Welt lieber umgekehrt, als ginge es darum, unabhängig von der Schule existierende Differenzen an den Zöglingen möglichst genau zu messen, festzustellen. Das Ideal der gerechten, überprüften Selektion meldet da - ganz methodisch - leichte Zweifel an der Sicherheit und Ausgewiesenheit dieses Verfahrens an, dessen ganzen Widerspruch man dabei teilt: Der Wunsch nach objektivem Rassismus.
Von da aus sind die Noten einerseits unglaublich wichtig und andererseits gleichzeitig etwas problematisch: Können sie tatsächlich die ihnen zugeschriebene ideale Funktion erfüllen? Dazu von der Schulpädagogik ein klares: Jein! Man kennt nämlich durchaus auch „Mängel der Notengebung“, die sich weitgehend im Vorwurf der „Scheinobjektivität“ zusammenfassen und die sich v. a. subjektiven „Störfaktoren“ wie Vorurteilen des Lehrers etc. verdanken sollen.
Nun gibt es an den Noten ja einiges zu kritisieren, den Vorwurf mangelnder Objektivität sollte man ihnen jedoch nicht machen. Erstens sind nämlich die Noten prinzipiell immer ziemlich „objektiv“ in dem Sinn, als durch sie eine sehr handfeste und mit Konsequenzen rechtsgültige Beurteilung und Einordnung praktiziert wird. Zweitens teilt die Kritik der Schulpädagogik den Zweck der Notengebung, die Herstellung einer Hierarchie über Leistungsvergleich und will die Durchführung gleichzeitig an einem Maßstab bemäkeln, dem eine Note nie entsprechen kann: Sie soll ganz ausschließlich die einzelne Leistung für sich erfassen, wo eine Note aus nichts als dem Verhältnis zur Bewertung der Leistungen der anderen sich ergibt. Oder welcher Note entsprechen denn „ganz objektiv“ und für sich z. B. 7 Fehler im Diktat? Weil also diese Warnung vor „Störfaktoren“ etc. gerade keine Kritik an der Vergabe von Noten an sich ist, sondern diese umgekehrt möglichst perfekt und optimal erfolgen lassen will, interessiert ein Schulpädagoge sich nach langen Ausführungen über die diversen angeblichen Störeffekte am Ende für seine eigenen Einwände selbst nicht weiter. Da zeigt sich dann in herzerfrischend offener Art ein affirmativer Realismus und der bringt das schlagendste Argument für die Noten: Sie sind nun mal in „unserem Schulsystem so verankert“, und „deswegen wird es wohl noch lange Zeugnisnoten und ihre entsprechenden Konsequenzen geben“. Da wollte pädagogische Verantwortung nicht abseits stehen.
Zitate aus: Schröder, Leistungsmessung und Schülerbeurteilung
Aber wo nimmst du nur immer diese Perlen der Kritik her?
Sorry, spätestens bei "Weil einer etwas (noch) nicht kann, könne er es offensichtlich nicht können. Dies der Rassismus, der mittels Noten eingerichteten Selektion: Ein negativer Befund über die erbrachte Leistung gilt als Beweis dafür, dass so etwas wie eine natürliche Unfähigkeit, eben „schlechte Begabung“ vorliege." wars vorbei mit dem Lesen. Dümmlicher Schwachfug, vom falsch eingesetzten Rassismusbegriff mal ganz zu schweigen. Es geht auch nicht um "Begabung". Noten sollen keine Hierarchie innerhalb der Klasse erzeugen, sie dienen einem anderen Zweck.
Es gibt genug Kritik am Notensystem, da muss man nicht einen solchen Schund anführen.
Gruß
Talisker
Meine Meinung zu #1, #28 und der genannten Internetpräsenz ist nach wie vor: Hier zeigen sich die Ritter der Schwafelrunde in nie gekannter Höchstform. Lässt man die Wortsuppe auf dem Feuer, um sie auf die Substanz zu reduzieren, bleibt ein fast leerer Topf übrig.
kein inhalt widerlegt,
lediglich eine differenz zu deiner geisteswelt festgehalten
bring doch mal ein arguement gegen das dort angeführte - dann kann man dadrüber streiten
übrigens "Ritter der Schwafelrunde"
daß dir allein schon die geistige theoretische befassung mit dingen zuviel ist...
nun denn das ist eben kein geistiges strammstehen kein schon per gefühl vorhandenes dafürsein...
das war schon mal einem politiker in den 30-ern sehr verdächtig
Nur soviel: Dass Schulnoten als Leistungsmessung zu einer Hierarchisierung der Schüler führen, ist eigentlich eine triviale Erkenntnis, die man -wie Du siehst- durchaus auch in einem Satz formulieren kann.
Ich halte das insofern für angebracht, als die Schüler ja schließlich ihr gesamtes Post-Schul-Leben ebenfalls in Hierarchien verbringen werden.
Dass diese Art der Leistungsbeurteilung optimal ist, behaupte ich nicht. Da mag es bessere Alternativen geben. Möge der Autor von #1 doch mal eine vorschlagen. Aber diesmal prägnant und platzsparend formuliert, wenn ich bitten darf :-)
Es ist ihr Zweck (was Du mit dem "angebracht"-Satz ja auch irgendwie zugestehst).
Und das ist doch ein absoluter Hammer/ ein Skandal: Man wird von weiterem Wissen ausgeschlossen, sowie man zeitlich nicht so fix irgendwelchen Stoff reproduzieren kann.
Darüberhinaus ist es so, daß insbesondere Pädagogen das selten gerne so direkt (wie Du) sagen. da muß eine ganze Theorie her, daß die Noten auch der Natur/ dem Wesen der jeweiligen Schüler entsprächen (das ist der hinweis mit dem Rassismus (die äußere Anforderung an Schüler als deren Natur ausgegeben). Das ist übel und ekelhaft.
Leistungsbeurteilung: Macht an der Ideologie, man entspräche dem Schüler, weiter.
Noten haben nicht diesen Zweck, sonst würde man ja nach der beurteilung gezielt da rangehen wo es mit dem Wissen hapert...
Alternativen sind in einer Gesellschaft, die den genannten Zweck organisiert, nicht nötig, da muß schon mehr überdacht werden.
Ich bin wertvoll
Die Sache mit dem Selbstbewusstsein / Von Freerk Huisken
Was immer noch über den Amoklauf von Winnenden gerätselt wird: Ein Zufall ist es vermutlich nicht, dass der junge Mann - wie dies auch bei Robert S. und Sebastian B. der Fall war - seine ehemalige Schule aufsuchte, und seine Waffen nicht etwa in einer Fußgängerzone oder im Kaufhaus zum Einsatz brachte. Er suchte diese Schule offensichtlich auf, um mit einem Massaker Rache zu nehmen - für Erfahrungen, die sich ihm als seelische Beschädigungen darstellten. Mit dem Wort "School Shooting" zollt bereits ein Begriff diesem Zusammenhang Anerkennung.
Schüler und Ehemalige treten dabei - wie auch in Erfurt und Emstetten - als Rächer in Erscheinung, wenn sie demonstrativ und rücksichtslos gegenüber dem eigenen und fremden Leben beweisen wollen, dass der erfahrene und nicht selten auch praktisch an ihnen vollzogene Befund, sie seien (Schul-)Verlierer, mit ihrem Selbstbefund nicht übereinstimmt. Sie selbst halten sich vielmehr für "coole Typen", für Gewinner, höchst wertvolle Personen "mit viel Potential", die in der Lage sind, Macht auszuüben, sogar Macht über Leben und Tod. An Selbstbewusstsein mangelt es ihnen also nicht. Sie leiden vielmehr an der Differenz zwischen dem hohen Urteil, das sie sich über sich selbst zugelegt haben, und einer "entwürdigenden" Einordnung im Ranking in der Schule. Und zwar so sehr, dass das Verlangen nach einer öffentlichen Korrektur dieser Differenz von ihnen vollständig Besitz ergriffen hat. Sie haben dieses Anliegen zur Frage ihrer Ehre gemacht und exekutieren es so, wie es sich für Ehrfragen ziemt: mit Blut.
Diese jungen Menschen sind also keine defekten Monster, die ihre Mordgelüste eine Zeit lang hinter der Fassade des "unauffälligen, ruhigen Jungen" verstecken. Es sind Lehrlinge eines pädagogisch und politisch intendierten Curriculums, mit dem sie in Schule und Gesellschaft von Kindesbeinen an traktiert werden. Was haben sie nicht schon alles gelernt: Was die Schule mit ihnen anstellt, wenn diese per Lernleistungskonkurrenz die Mehrheit des Nachwuchses früh von weiterführenden Bildungswegen ausschließt, geht selbstverständlich allein auf ihr Konto. Dann sind sie es, die sich nicht angestrengt haben, dann fehlt es ihnen an Lern- oder Leistungswillen, vielleicht sogar an Begabung - wie die wohlfeilste aller pädagogischen Ausreden lautet, mit der Lehrer den Grund für ihre Entscheidung über ein Schülerschicksal in dessen Natur verlegen. Diese Verschiebung enthält bereits die nächste Lektion: Ein schulischer Misserfolg wird zum Urteil über die komplette Schülerperson ausgebaut. Der Schüler hat dann nicht etwa nur versagt, sondern ist ein - vielleicht sogar geborener - Versager.
Es darf nicht verwundern, dass sich eine Anzahl junger Menschen beiderlei Geschlechts findet, die sich diesen im Schulsystem vergegenständlichten Fehlschluss zu eigen machen, sich selbst entweder als Versager oder umgekehrt als Sieger fühlen und entsprechend aufführen. Sie huldigen einem Kult des Selbstbewusstseins, der es inzwischen bis zum Erziehungsziel gebracht hat. Diesen Rang hat das Selbstbewusstsein erhalten, weil seine Anpassungsleistung geschätzt wird: Zur Bewältigung der unvermeidlichen "Schicksalsschläge", vom Sitzenbleiben bis zur Hartz-IV-Karriere, braucht es eben nicht Einsicht in die Gründe gescheiterter Anliegen, sondern Selbstbewusstsein: ein Trugbild, eine idealistische Konstruktion der eigenen Persönlichkeit, in der sie im Unterschied zu der tatsächlich an ihr vollzogenen gesellschaftlichen Einordnung ins "Sozialgefüge" immer gut weg kommt.
Daran soll der kleine und große Mensch festhalten, wenn "das Leben" ihn wieder einmal wenig freundlich behandelt hat. Natürlich leistet dieses Verfahren, sich mit einer ebenso abstrakten wie leeren Persönlichkeitspflege über das schlechte Zeugnis oder die aufgekündigte Lehrstelle hinweg zu trösten, jene Kompensation nicht, die die Psychologie des Selbstbewusstseins verspricht. Wie auch? Über Sieg und Niederlage in der Bildungs- und Berufskarriere entscheiden eben nicht "der Kopf" und nicht die optimistische Einstellung zu sich selbst, sondern jene gesellschaftlichen Kräfte, die Verfahren, Vorgaben und Zwecke der Konkurrenz in Schule und Arbeitsleben in der Hand haben.
Dass vom gestärkten Selbstbewusstsein Wunderdinge erwartet werden, sich seiner Aufmöbelung inzwischen gut besuchte, teure Trainings-Workshop annehmen, erklärt sich aus einer Fehldeutung der "Siegermentalität". Stellen die Erfolgreichen ihr berstendes Selbstbewusstsein zur Schau, dann reißt schon einmal eine Verwechslung von Grund und Folge ein, und das hochgefahrene Selbstbewusstsein wird zum Grund für den Erfolg erklärt.
An der Entwicklung und Stärkung dieses psychologischen Selbstbetruges arbeiten Lehrer, wenn sie zum Beispiel beim Sechser-Diktat die adrette Handschrift des Schülers loben oder dem Hauptschulaspiranten, dem sie wegen fehlender "theoretischer Begabung" die Berufsperspektive Hartz-IV eröffnet haben, "praktische Begabung" attestieren.
Erziehung zur "Frustrationstoleranz" heißt es neuerdings, wenn der Schüler darauf gedrillt wird, mit dem "Frust", den ihm Schule, Familie und Straße bereiten, tolerant umzugehen, ihn also zu dulden. Und zu den fast schon gemeinen Höhepunkten dieser Erziehung zählt die Aufforderungen an Schüler, sich den Satz "Ich bin wertvoll" hinter die Ohren und ins Heft zu schreiben und ihn schon bei der Morgentoilette dem eigenen Spiegelbild zuzurufen.
Es gibt allerdings nicht wenige Schüler und Schulklassen, die den Selbstbewusstseinskult unter sich zu einer Form der Anerkennungskonkurrenz ausgestaltet und sie über die andere Konkurrenz, die Lernkonkurrenz, gestülpt haben. In der Konkurrenz der Anerkennung füllen sie die leeren Selbstbefunde von sich als "wertvollem Menschen" mit Inhalten, die von allen Formen der Angeberei, über Mobbing und absurde Mutproben bis hin zu Gewaltexzessen reichen. Dass sich an Konkurrenz, jener Veranstaltung, in der es immer viele Verlierer und wenige Sieger gibt, alles entscheidet, haben sie gelernt, sich zu eigen gemacht und mit Inhalten ausstaffiert, die zwar schulisch weniger Bedeutung haben, aber sonst hoch im Kurs stehen: Schönheit und Körperkraft, Trinkfestigkeit, Klamotten- und Führerkult. So erstellen sie ihr eigenes Ranking, erheben "Klassenkameraden" zu "coolen Typen", denen sie nacheifern, und schließen andere aus.
Diese anderen müssen dann versuchen, ihre Portion Anerkennung dadurch zu erhalten, dass sie den unter ihnen herrschenden Standard an physischen und geistigen Rohheiten überbieten. Vielfach gehen Schülerinnen und Schüler in dieser Konkurrenz auf, leben in dieser durch Chats, Blogs und You Tube angereicherten Trugwelt und stellen damit das Verhältnis zwischen jenen Konkurrenzveranstaltungen, in denen sich wirklich etwas für Schule und Beruf entscheidet, und ihrem eigenen Anerkennungskult auf den Kopf.
Es kann nicht ausbleiben, dass Schüler so oder so aus der Rolle fallen, Schüler, die all dies gelernt haben und zugleich tagtäglich erfahren, wie wenig ihre Erfolge auf dem Nebenschauplatz der Anerkennungskonkurrenz dann auf den Hauptschauplätzen zählen. Wer sich den Spruch "Ich bin wertvoll" tatsächlich zu Herzen nimmt, aber in keiner Ecke seines kleinen und ohnmächtigen Lebens Material zu dessen Bestätigung sammeln kann, dem es folglich immer schwerer fällt, mit dem Glauben an die psychologische Idealkonstruktion von sich selbst die realen Anforderungen wunschgemäß zu bewältigen, gibt dem Spruch dann schon einmal die selbstzweiflerische bis selbstzerstörerische Wendung: "Bin ich wirklich wertvoll?" Welche Verlaufsformen dieser Selbstzweifel annehmen kann, muss nicht ausgemalt werden.
Die umgekehrte Entscheidung trifft jener Anhänger der realitätsentrückten Selbstsicht, der aus derselben Erfahrung heraus den Beschluss fasst, "es denen einmal ordentlich zu zeigen, dass ich wertvoll bin!" "Denen", das sind die vorgesetzten Erwachsenen, die ihn zu "seinem Besten" traktieren. Von Selbstzweifel ist hier keine Spur. Im Gegenteil. Es offenbart sich dann, ganz der Logik des Selbstbewusstseins folgend, dass Tötung und Selbsttötung nahe beieinander liegen können. Es gleicht deswegen der Installierung von Tretminen, wenn ein ums andere Mal gefordert wird, die Schule müsse den Schülern, "die es etwas schwerer haben", Gelegenheiten zum Auftanken ihres Selbstbewusstseins bieten. Den Gedanken, eine Schule, die es den Schülern so schwer macht, einmal prinzipiell auf den Prüfstand zu stellen, wird abgewiesen. Dann soll man sich aber nicht wundern, wenn demnächst erneut junge Menschen, deren Kopf randvoll ist mit unbewältigten Lebens- und Anerkennungsproblemen, meinen, der Welt mit Gewalt Beweise ihres "Potentials" abliefern zu müssen.