Lese-Splitter & Denk-Anregungen
Seite 2 von 3 Neuester Beitrag: 19.10.22 20:43 | ||||
Eröffnet am: | 06.06.15 13:01 | von: boersalino | Anzahl Beiträge: | 66 |
Neuester Beitrag: | 19.10.22 20:43 | von: boersalino | Leser gesamt: | 13.459 |
Forum: | Talk | Leser heute: | 2 | |
Bewertet mit: | ||||
Seite: < 1 | | 3 > |
Der Ideologe, unser dritter Spitzbube, ist idealistischer als der Beschauliche und machiavellistischer als der Realist, er setzt auf beide Pferde; er läßt sich von vornherein an dem Punkt nieder, wo sich alle Widersprüche wie von selbst auflösen. Mit Hilfe der Ideologie findet der Engagierte allemal einen Ausweg aus jedem Dilemma; solange er sich im Besitz des Guten wähnt, wird er zwischen den Mitteln und dem Zweck nicht wählen müssen; die Ordnung und die Disziplin, die er einführt, sind weder ein reines Mittel noch ein einfacher Zweck, sondern die Selbstverwaltung des Guten durch das Gute. Die - zwangsläufig - auserwählte Nation, die reine Rasse und die führende Klasse sind Ziel und Weg in einem, und indem sie sich selbst schützen, retten sie die Welt; indem sie diese belagern, erobern sie sich selbst.
[Ebenda S. 164 f.]
Das Bewußtsein, dem Präapokalyptikum anzugehören, haben viele Europäer, seit O. Spengler den Untergang des Abendlandes angesagt hat. Spenglers folgenschweres Werk wollte freilich den Begriff des Untergangs von allem Katastrophischen freihalten. Er dachte den Verfall der abendländischen Kultur in organologischen Kategorien, welche vom Denken Goethes stark beeinflußt waren. Aufstieg und Verfall des Abendlandes folgen dem Stirb und Werde der Natur. Der Untergang des Abendlandes ist nicht das Ende der Geschichte, sondern der Zerfall einer Kultur, der eine andere folgen wird.
[Ulrich H. J. Körtner: Weltangst und Weltende - Eine theologische Interpretation der Apokalyptik. S. 16]
"Wenn ich also auch nicht jeden Tag finde, daß den Menschen so ganz klar gesagt ist, was gut ist und was der Herr von uns fordert, kann ich doch für mich feststellen: Ich habe in meinem Leben Menschen getroffen, ich habe Gedanken gehört, und ich habe Erfahrungen gemacht, die mir zumindest die Hoffnung geben, daß ich besser verstehe, was der Mensch zu hat, die mir aber auch die Fähigkeit geben, immer einmal wieder zu zweifeln, ob das, was ich dann für richtig befunden habe, auch wirklich richtig ist und es immer wieder im Gegenüber zu anderen Menschen zu sehen und nicht selbstherrlich zu werden."
[Deutscher Evangelischer Kirchentag - Hamburg 1995 - Dokumente. S. 776]
ICH habe diese Worte nicht vergessen!!!
[Paul K. Feyerabend - in: Von der Verantwortung des Wissens, hrsgg. v. P. Good, S. 38]
Eins zu eins übertragbar auf eine kleine Schicht autistischer Politiker.
[Raduan Nassar - Ein Glas Wut. S. 32]
[Karl Acham: Rationalitätsansprüche von Wissenssoziologie u. Weltanschauungslehre. In Orth (Hrsg.), Phänomenologische Forschungen 19, Vernunft und Kontingenz - Rationalität und Ethos in der Phänomenologie. Freiburg 1986]
[Józef Tischner: Das Denken aus dem Innern der Metapher. In Orth (Hrsg.), Phänomenologische Forschungen 12, Zur Phänomenologie des philosophischen Textes. Freiburg 1982]
[Adriaan Peperzak: Phänomenologische Notizen zum Unterschied zwischen Literatur und Philosophie. In Orth (Hrsg.), Phänomenologische Forschungen 12, Zur Phänomenologie des philosophischen Textes. Freiburg 1982]
Bedenklich an der Singularitätsdiskussion insgesamt und den mit ihr verbundenen Wertungen ist im übrigen, daß sie dazu tendiert, Rangordnungen des Verbrechens herzustellen, die es ermöglichen, in einer Verbrechensdimension, die ohnehin jede Individualkriminalität weit in den Schatten stellt, das "Schlimme" vom "noch Schlimmeren" und das "noch Sagbare" vom "Unsäglichen" zu unterscheiden. Die Gefahr der Relativierung, die befürchtet wird, wenn der Völkermord an den Juden mit anderen Massentötungen der Geschichte verglichen wird, besteht schließlich nicht nur in diesem Fall, sondern ist eine ganz allgemeine.
Denn jede Abstufung führt, in welcher Richtung auch immer, zu Abwägungen, bei denen einem Ereignis nur auf Kosten anderer Ereignisse sein volles Gewicht beigemessen wird. Die herausgehobene Einzigartigkeit eines und sei es noch so ungeheuerlichen Verbrechenskomplexes, die nicht durch klare und eindeutige Kriterien, etwa Aussagen über das Ausmaß und den Umfang seiner Auswirkungen, legitimiert werden kann, wird so zwangsläufig mit der Verharmlosung anderer Verbrechen erkauft.
Die Konsequenzen derartiger Abstufungen müssen daher auf jeden Fall mitdiskutiert werden. Diese dürfen beispielsweise nicht zu dem Schluss verleiten, Massenverbrechen in Kriegen seien zu vernachlässigende Verbrechen zweiten Ranges. Der Blick auf die Vielfalt staatlicher Verbrechen muß also wohl ausgehalten werden, ohne daß dadurch das Unrecht der Einzelereignisse gemindert wird.
Überhaupt müssen wir uns fragen, wie es eigentlich dazu kommt, daß wir von dem Hinweis auf andere Verbrechen eine Verharmlosung und Relativierung des ja in seiner kriminellen Größenordnung und Bedeutung feststehenden Völkermordes befürchten.
Offenbar verfangen wir uns allzu leicht in Denkschemata, die das Stigma schwersten Unrechts und größter Verwerflichkeit nur dem Ausnahmeverhalten zuteil werden lassen. [Hervorheb. boers.]
[H. Jäger: Über die Vergleichbarkeit staatlicher Großverbrechen. In: E. Hesse (Hrsg.) Totalitarismus im 20. Jahrhundert - Eine Bilanz der internationalen Forschung (1999), S. 384 ff.]
Vielleicht ist das Böse in dieser unserer Welt unvermeidlich, aber warum hat Gott dann nicht eine andere geschaffen? Einige Theologen vertreten die These, Gott habe keine materielle Welt ohne Schmerz und Leid erschaffen können. Nach dieser Theorie müssen wir uns - wenn wir sinnliche Freuden oder einfach einen Körper haben wollen - mit dem Nachteil von Qual und Pein abfinden. Nach Ansicht des Philosophen Leibniz leben wir in der besten aller Welten, doch für andere Denker ist dieser Gedanke so unsinnig wie die Vorstellung der größten Primzahl. Zu jeder gegebenen Welt kann man sich immer eine bessere vorstellen (etwa eine, in der man Kate Winslet als Nachbarin hat).
[Terry Eagleton - Das Böse. S. 168 f.]
Dieses Resultat erscheint zunächst einmal deshalb bemerkenswert, weil es eine geläufige und ohne großes Nachdenken für selbstverständlich gehaltene Ansicht als Vorurteil entlarvt, die Ansicht nämlch, die auf der Erde herrschenden Bedingungen seien für alle hier existierenden Lebensformen optimal. Aber die Bedeutung des Befundes der amerikanischen Biologen reicht darüber noch weit hinaus. Ihr Experiment erweist sich bei näherer Betrachtung als ein Exempel für die von vielen Zeitgenossen noch immer nicht erkannte Tatsache, daß die Menschen heute erst die Erde wirklich kennenlernen, da sie sich anschicken, sie zu verlassen. Erst die Beschäftigung mit dem, was jenseits der Erde liegt, gibt uns die Möglichkeit, zu begreifen, was und als alltäglich gewohnte Umwelt umgibt.
Dieser Abfall reicherte sich in der Atmosphäre unseres Planeten mehr und mehr an bis zu einem Grad, der die Gefahr heraufbeschwor, daß die Pflanzen in dem von ihnen selbst erzeugten Sauerstoff würden ersticken müssen. Der Versuch der Exobiologen zeigt, wie nahe diese Entwicklung dieser Gefahrengrenze tatsächlich gekommen war.
In dieser kritischen Situation holte die Natur zu einer gewaltigen Anstrengung aus. Sie ließ eine Gattung ganz neuer Lebewesen entstehen, deren Stoffwechsel just so beschaffen war, daß sie Sauerstoff verbrauchten. Während wir gewohnt sind, die Pflanzen einseitig als die Liferanten des von Tieren und Menschen benötigten Sauerstoffs anzusehen, verschafft uns die Weltraumforschung hier eine Perspektive, die uns das gewohnte Bild aus einem ganz anderen Blickwinkel zeigt: Wir stehen unsererseits im Dienste des pflanzlichen Lebens, das in kurzer Zeit erlöschen würde, besorgten wir und die Tiere nicht laufend das Geschäft der Beseitigung des als Abfall der Photosynthese entstehenden Sauerstoffs.
Wieder geschieht etwas sehr Erstaunliches: In eben dem Augenblick - in den Proportionen geologischer Epochen -, in dem der systematische [systemische - würde man heute sagen (boers.)] Fehler sich auszuwirken beginnt, erscheint wieder eine neue Lebensform und entfaltete eine Aktivität, deren Auswirkungen die Dinge wie beiläufig wieder ins Lot bringen. Homo faber tritt auf und bohrt tiefe Schächte in die Erdrinde, um den dort begrabenen Kohlenstoff wieder an die Erdoberfläche zu befördern und durch Verbrennung dem Kreislauf erneut zuzuführen.
Manchmal wüßte man wirklich gern, wer das Ganze eigentlich programmiert.
[Hoimar v. Ditfurth - Zusammenhänge (1974). In: Zusammenhänge - Gedanken zu einem naturwiss. Weltbild, S. 18 ff.]
Das Recht zur Vermutung, daß die Welt sich in Form eines Buches 'matriziert' hat, nehme ich aus dem Negativen: als was sonst? Ich sagte schon - die Welt stand unter dem Zwang, sich abzuprägen. Sie wird also den relativ einfachen Weg gewählt haben - besser gesagt: Der Drang wird sich dort Bahn gebrochen haben, wo es am leichtesten war. In welcher Form läßt sich Erkenntnis leichter und einfacher auf relativ kleinem Raum darlegen als in einem Buch? Denken - Sprache - Schrift - Buch ... das sind die Stationen der Matrix Welt. Es muß also - es hat also ein Buch gegeben, in dem alle Erkenntnis der Welt enthalten war. Es gibt das Buch noch. (Einzige Einschränkung, wie gesagt: Es wird es erst geben; das konzediere ich; dann müssen wir natürlich scheitern. Ich glaube es aber nicht, denn wir stehen ja wohl eher am Ende der Welt als am Anfang, und die Welt wird mit ihrer Matrixbildung nicht so säumig gewesen sein.)
[Herbert Rosendorfer - Großes Solo für Anton. S. 184 f.]
Was veranlasst gewählte Regierungen in demokratischen Ländern zu Bombardierungen, zur Anwendung von Folter, zu schweren Menschenrechtsverletzungen, zur Errichtung eines "Imperiums der Barbarei (vgl. Clark/Foster 2005)? Die Notwendigkeit, einen "Krieg gegen den Terror" führen zu müssen, kann weder eine Antwort noch Rechtfertigung sein.
[Elmar Altvater: Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen - Eine radikale Kapitalismuskritik. S. 141]
Die Argumente des Dreierbündnisses sind überschaubar
Mit dem Gutachten gerät die Bundesregierung unter Druck. Noch am Mittwoch hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) bei einer geheimen Sitzung des Auswärtigen Ausschusses betont, dass die Mission sehr wohl vom Völkerrecht gedeckt sei. Maas bezog sich auf die Resolution Nummer 2118 des Sicherheitsrats. Diese forderte vom Assad-Regime, kein Giftgas einzusetzen und alle Bestände zu vernichten.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/...on-usa-und-co-a-1204004.html
Kein Weg aus der Krise ist auch der Postmodernismus. Denn der "Postmodernismus" proklamiert zwar ein Ende der Moderne, hat aber als Alternative nur "radikalen Pluralismus" oder Relativismus anzubieten: Wahrheit, Gerechtigkeit, Menschlichkeit im Plural, so, unter Berufung auf J.-F. Lyotard, Wolfgang Welsch [J.-F. Lyotard, La condition postmoderne, Paris 1979 / W. Welsch, Unsere postmoderne Moderne, Weinheim 1988]. Was hier aber als "Postmoderne" beschrieben wird, sind im Grunde Kennzeichen einer schon um die Jahrhundertwende beobachtbaren desintegrierten Spätmoderne. Denn sollen etwa Beliebigkeit, Buntheit, die Mischung von allem und jedem, soll die Anarchie der Denkrichtungen und Stile, das ästhetisch-literarische Collageprinzip, das methodologische "Anything goes", das moralische "Alles was Spaß macht", soll dieses oder ähnliches die Dilemmata der Moderne überwinden können?
Hier wird doch aus der Not des mangelnden Konsensus die Tugend der Beliebigkeit gemacht. Aber die Moderne in ihren Widersprüchen wird auf diese Weise nicht wirklich überwunden, sondern nur noch einmal in überdrehter Form wiederholt. Zumindest insofern trifft die konservative Kritik an der Moderne auch die "postmodern" getarnten Spätmodernen. Wie eine totalitäre Einheit ohne Vielfalt, so ist auch eine relativistische Vielfalt ohne Einheit kaum der Weg in eine bessere Zukunft.
[Hans Küng, Das Christentum, S. 877]
Fettdruck nach Original