Die Feigheit der Oper in Berlin vor dem Islam!
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Eröffnet am: | 26.09.06 17:43 | von: Knappschaft. | Anzahl Beiträge: | 79 |
Neuester Beitrag: | 14.12.06 09:54 | von: lassmichrein | Leser gesamt: | 6.475 |
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Scharfe Kritik an Opern-Absetzung: "Kniefall vor Terroristen"
Die Absetzung der Mozart-Oper "Idomeneo" an der Deutschen Oper Berlin wegen befürchteter islamistischer Anfeindungen ist auf heftige Kritik in Politik und Kultur gestoßen. Die Bundesregierung warnt vor Selbstzensur in der Kunst. Die CSU spricht von "purer Feigheit".
Foto: Drama Szenenbild aus der abgesetzten Mozart-Opfer "Idomeneo"
Berlin - „Mit der Berliner Opernentscheidung, die einem Kniefall vor
Terroristen gleichkommt, wird die Szene der Radikalen geradezu
ermutigt, weiter vermehrt Druck und Drohung auf die abendländische
Kultur und das Christentum auszuüben“, sagte der kultur- und
medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Börnsen. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach warnte vor „Selbstzensur“. Die Deutsche Oper hatte ihre Entscheidung mit Hinweisen der Berliner Sicherheitsbehörden begründet, wonach Szenen der Inszenierung ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko für das Haus darstellten.
Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte, wenn aus Angst vor islamistischer Gewalt Opern abgesetzt würden, sei die Freiheit der Kunst in Gefahr. „Soweit ist es gekommen, dass die Freiheit der Kunst eingeschränkt wird“, sagte er. „Was wird das nächste sein? Werden wir die Freiheit der Rede oder der Predigt einschränken, nur weil wir Angst haben vor möglichen Anschlägen?“ Er sprach von einem „Prüfstein“ für die Haltung der Muslime zu den Werten der Gesellschaft.
Kulturstaatsminister Neumann warnt vor Selbstzensur
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) warnte ebenfalls vor Selbstzensur in der Kunst. Mit Bezug auf die Opern-Absetzung und die Verschiebung des Sendetermins für den Fernsehfilm „Wut“ in der ARD sagte Neumann, wenn die Sorge vor möglichen Protesten „schon zur Selbstzensur führt, dann gerät die demokratische Kultur der freien Rede in Gefahr“.
Der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, warnte vor „vorauseilendem Gehorsam“. Der Maßstab, „es könnte ja was passieren“, schränke die Kunstfreiheit unzulässig ein. Die Angst vor möglichen Reaktionen müsse schon sehr konkret sein, sagte Staeck.
CSU spricht von "purer Feigheit"
CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, es sei unglaublich, dass die Kulturschaffenden hier vor Gewaltpotenzial zurückwichen und sich damit erpressbar machten. „Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, den hat es so in dieser Form in Deutschland überhaupt noch nicht gegeben.“ Ramsauer warf den Verantwortlichen des Opernhauses vor, nicht aus Respekt vor der
Religion zu handeln. „Sondern das ist die nackte Angst vor
Gewalt. Das ist nichts als pure Feigheit.“
Das Berliner Landeskriminalamt hatte nach Angaben aus Sicherheitskreisen schon im Juli vor islamistischen Anfeindungen bei einer Wiederaufnahme der Mozart-Oper „Idomeneo“ gewarnt. Der Kulturverwaltung des Berliner Senats sei dazu eine so genannte Gefährdungsanalyse übermittelt worden. Ausgelöst worden sei dies durch einen anonymen Hinweis. „Wir haben mitgeteilt, dass es bei der Aufführung zu Störungen kommen könnte“, bestätigte Polizeisprecher Bernhard Schodrowski. Die Polizei habe die Pflicht, die Lage in der Stadt zu bewerten. Die Polizei betonte, eine konkrete Gefährdung für das Opernhaus sei zur Zeit nicht bekannt.
Regisseur Hans Neuenfels betonte, die beanstandete Szene sei keine Kritik am Islam, sondern die individuelle Sicht Idomeneos auf „jede Form von Religionsstiftung und -stifter“. Idomeneo tritt in der Schlussszene mit einem blutigen Sack auf die Bühne. Daraus zieht er die enthaupteten Köpfe von Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed hervor und zeigt sie triumphierend in die Höhe. Es sei ein „Nebengeräusch zum Hauptgeräusch gemacht worden, ohne es in Wirklichkeit zu überprüfen“, sagte Neuenfels. WELT.de
Artikel erschienen am 26.09.2006
btw: Der gute Herr Körting ist jemand, der den Islamisten so weit ins Gedärm kriecht, dass er auch schon mal in einer Moschee auf den Knien rumrutscht.
Die Absage eines Stücks an der Deutschen Oper wegen möglicher muslimischer Anfeindungen geht auf den Innensenator zurück. Er hatte die Intendantin gewarnt. Der Kultursenator wusste von nichts
VON NINA APIN
UND PLUTONIA PLARRE
Bei der Absetzung eines Mozart-Stücks an der Deutschen Oper führte offenbar Innensenator Ehrhart Körting (SPD) Regie. Auf seinen telefonischen Hinweis hin wurden vier Aufführungen des "Idomeneo" in der Inszenierung von Hans Neuenfels gestrichen, sagte gestern Kirsten Harms, die Intendantin der Oper. Harms erklärte, Körting habe ihr nahegelegt, wegen möglicher Verärgerung von Muslimen die Inszenierung entweder zu verändern oder aus dem Spielplan zu streichen. Hintergrund ist ein Gefährdungsanalyse des Landeskriminalamts.
Eine anonyme Anruferin hatte im Juni über die Hotline der Bundespolizei ihre Bedenken vorgetragen. Nach dem Anruf erstellte das Landeskriminalamt eine Analyse, die den "Idomeneo" als "eine Gefährdungslage mit schwer abzuschätzenden Folgen für die öffentliche Ordnung und Sicherheit" einschätzte. Körting bestätigte gestern, dass er dies der Intendantin in einem Telefonat mitgeteilt habe.
"Idomeneo" erzählt die Geschichte des gleichnamigen kretischen Königs, der in der Antike nach seiner Heimkehr vom Trojanischen Krieg gezwungen ist, seinen Sohn zu opfern. Im Epilog der Neuenfels-Inszenierung, die 2003 uraufgeführt wurde, drapiert der Kreter-König die abgeschlagenen Häupter von Jesus, Buddha, Mohammed und Neptun auf vier Stühle - eine Verbildlichung für den Machtverlust der Religionen.
Harms rechtfertigte sich für ihre Entscheidung, statt des Stücks die Oper "Le Nozze di Figaro" zu zeigen. Der Regisseur und sie seien sich einig gewesen, das Stück nicht zu zensieren, sagte Harms auf einer Pressekonferenz. In Verantwortung für ihre Mitarbeiter und das Publikum habe sie sich dann zur Absetzung entschieden. Harms gab an, dabei "auf die Sicherheitsempfehlungen einer Fachbehörde vertraut" zu haben. Innensenator Körting habe ihr gesagt, er liebe die Deutsche Oper sehr, fahre oft daran vorbei und wolle nicht erleben, dass sie nicht mehr da sei. Einblick in das vom LKA angefertigte Gutachten habe sie nie bekommen und dies auch nicht für nötig gehalten. Die Absage hatte für Empörung in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit gesorgt.
Die Polizei dagegen nimmt für sich in Anspruch, keinen Einfluss auf die Absetzung genommen zu haben. "Wir sind keine Geschmackspolizei", sagte ein Sprecher. Seinen Angaben zufolge wird in der Gefährdungsanalyse des LKA darauf verwiesen, Störungen und Aktionen im Zusammenhang mit der Aufführung könnten nicht ausgeschlossen werden. Es gebe aber keine konkreten Hinweise auf geplante Aktionen. Die Deutsche Oper ist mit fast 2.000 Plätzen das größte Theater der Stadt.
Regisseur Hans Neuenfels zeigte sich empört über das Vorgehen der Intendantin. Er bezeichnete die Absetzung als "Hysterie" und "vorauseilenden Gehorsam". Sein Anwalt Peter Raue legte Kirsten Harms den Rücktritt nahe.
Im Senat, wo die Absetzung des "Idomeneo" gestern behandelt wurde, geriet der Innensenator heftig unter Beschuss. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte, Körtings Verhalten sei "totaler Quatsch". In einer Presseerklärung bezeichnete er die Entscheidung der Intendantin als falsch. Eine konkrete Gefährdung, die eine Absetzung des Stücks gerechtfertigt hätte, sei in seinen Augen nicht zu erkennen.
Dieser Meinung ist auch Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin der Grünen. Die Intendantin, so forderte sie, sollte ihre Entscheidung zurücknehmen und die Wiederaufnahme der Inszenierung im November ermöglichen. Eine Absetzung gefährde die Freiheit der Kunst.
Kultursenator Thomas Flierl (PDS) stellte sich dagegen demonstrativ hinter Kirsten Harms. Die Intendantin habe "verantwortungsvoll gehandelt". Für Körting, der ihn bis zuletzt nicht über sein Vorgehen informiert hatte, hatte der Kultursenator Kritik übrig: Seine Sicherheitsbedenken seien "weder aktuell noch substantiiert genug", um eine Absetzung zu rechtfertigen, sagte Flierl. Flierl und Harms fordern nun gemeinsam, Konzepte dafür zu entwickeln, wie die Freiheit der Kunst zukünftig gewahrt werden könne.
Lebt die Kunst nicht vom Skandal? Und wenn sich Ignatz Bubi von Rainer Werner Fassbinder in den Arsch gekniffen wurde dann ist das auch eine Art von Kunst.
Wir erinnern uns:
Bubis wird in den Frankfurter Häuserkampf verwickelt: Er gehört zu den Investoren, die für Immobilienprojekte im Frankfurter Westend die Genehmigung der Stadt erwirken, die ursprüngliche Bebauung abzureißen. Bis zu ihrem Abriss vermieten Bubis und seine Partner die Häuser kurzfristig an Studenten. Diese erklären, unterstützt durch Bürgerinitiativen und Politiker, die Häuser für besetzt und weigern sich, sie zum Abriss freizugeben. Bubis gerät ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik und der Medien. Er wird als "skrupelloser Spekulant" dargestellt. Er selbst charakterisiert die Kampagne, die sich vornehmlich gegen jüdische Unternehmer richtet, als "Antisemitismus aus der Richtung der politischen Linken". Erst im Februar 1974 werden die Gebäude schließlich geräumt, Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Polizei folgen. Bubis verliert durch die Ereignisse fast sein gesamtes Vermögen und muss das Projekt im Westend verkaufen.
Während des Konfliktes legt Bubis seine Ämter in der jüdischen Gemeinde nieder.
#52: Natürlich darf man sich mit "zivilen" Mitteln auch für die Absetzung eines Stückes einsetzten. Man darf auch für eine Absetzung demonstrieren. Bei der hier diskutierten Frage geht es allerdings um die Angst vor dem Terror und die daraus resultierende Absetzung. Immerhin hat ein in Deutschland lebender Kofferbomber seine Aktion u. A. mit den Karikaturen begründet. Die Aussagen des Papstes haben zu Verbrennungen deutscher Fahnen geführt. Es geht hier nicht um eine Sitzblockade!
Eben das meine ich mit positiver Sonderbehandlung, die hier stattfindet. Wir reden auch immer über Integrationsschwierigkeiten und von Menschen mit Migrationshintergrund. Man muss aber doch klar sagen, dass es um eine einzige Gruppe geht. Wir reden nicht von den Asiaten, auch nur selten über die russischen Spätaussiedler, die einzige Problemgruppe, die wir dabei im Auge haben, sind die Moslems, und weil es politisch nicht korrekt ist, eine Gruppe beim Namen zu nennen, generalisieren wir das Problem.
Das gilt nun auch für den Fall der Oper. Es ist undenkbar, dass ein Opernstück abgesetzt worden wäre, weil sich irgendeine Religionsgruppe beleidigt fühlt – außer es sind die Moslems. Denn diese Beleidigung geht immer mit einer manifesten physischen Bedrohung Hand in Hand, und der möchte man sich nicht aussetzen. Undenkbar, dass Christen, Buddhisten oder Juden durch die Stadt rasen und Puppen anzünden und Flaggen verbrennen. Bei den Moslems haben wir uns inzwischen daran gewöhnt und halten das sozusagen für einen selbstverständlichen Ausdruck ihrer kulturellen Identität.
http://www.netzeitung.de/voiceofgermany/443097.html
Berliner Mozart-Oper 'Idomeneo' (Probenfoto vom 11.03.2003) (Foto: dpa)
27. September 2006
"Auch Puppen enthaupten ist Zivilisation"
"Kölner Stadt-Anzeiger": Erpressbare KulturDie Absetzung des "Idomeneo" untergräbt einen tragenden Pfeiler der demokratisch-liberalen Kultur. Sie vermittelt den Eindruck, diese Kultur sei erpressbar - in diesem Fall sogar durch lediglich vermutete Gewaltbereitschaft. Selbst, wenn es konkrete Drohungen gäbe, dürfte die Inszenierung nicht abgesetzt werden, sondern müsste - notfalls in einem durch die Polizei geschützten Opernhaus - auf dem Spielplan bleiben. Zurückweichen bringt gar nichts - es ermutigt vielmehr die Feinde einer Lebensform, die gegen zäheste - auch kirchlich-religiöse - Widerstände mühevoll durchgesetzt werden musste. Es ist ein Sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen.
"Der Tagesspiegel": Größter Schaden
Der Kampf der Kulturen, den wir erleben, ist ein spezieller: Es ist der Kampf unserer freiheitlichen, freizügigen Kultur mit sich selbst. Man spürt bereits schmerzhaft die Einschränkung, wenn ein langer Opernabend, in den Orchestermusiker, Sänger, ein Dirigent, ein Regisseur und viele andere ihre Kraft und Kreativität stecken, auf ein Detail reduziert wird. Wenn ein benediktinischer Vortrag auf ein Zitat zusammenschrumpft. Solch ein bigottes Absuchen von Kunstwerken nach Stellen ist der größte Schaden. Auf seine Art zeigt auch Hans Neuenfels in seinem gebrandmarkten "Idomeneo": Die westliche Gesellschaft hat sich radikal des religiösen Diskurses entledigt. Den Unterschied muss man sehen, er ist in diesem Krieg der Köpfe entscheidend: Anderswo werden Menschen enthauptet, in der Oper Puppen. Man nennt es Zivilisation.
"Braunschweiger Zeitung": Nicht nachgeben
Nachgeben kann nicht der richtige Weg sein, der islamistischen Bedrohung zu begegnen. Im Gegenteil: Er öffnet Schleusen für kampfbereite Religionsfanatiker, in ein Gelände vorzudringen, das gar nicht mehr verteidigt wird. Auch wenn uns manche Auswüchse zeitgenössischer Kunst dekadent erscheinen mögen, auch wenn uns die Regie-Idee mit den abgeschlagenen Köpfen zuwider sein mag: Es muss möglich sein. Sonst ist unsere ganze Kultur keinen Pfifferling mehr wert! Ein Staat, der etwa eine NPD-Demonstration mit einem absurden Polizei-Aufgebot schützt, muss auch in der Lage sein, die Kunst- Freiheit zu garantieren. Vielleicht müssen wir künftig durch einen Pulk von Polizisten ins Theater gehen und uns am Eingang durchsuchen lassen: eine schreckliche Vorstellung. Aber die Sache ist es wert!
"Sächsische Zeitung": Fragwürdig
Der vorauseilende Gehorsam der Berliner Opern-Absetzung geht um einiges zu weit. Wer die große Errungenschaft der jungen künstlerischen Freiheit aufzugeben bereit ist, noch ehe überhaupt irgendeine konkretere Drohung eingegangen ist, der begeht eine ebenso fragwürdige wie gefährliche Selbstverleugnung. Der rollt allen radikalen Wirrköpfen dieser Welt einen roten Teppich aus. Ausgerechnet wegen einer Szene, die jegliche religiös motivierte Gewalt geißelt, und zwar anhand führender "Köpfe" von griechischer Mythologie, Christentum, Buddhismus und Islam.
"taz": Hasenfüßige Intendanten
Es ist das gute Recht eines Intendanten oder einer Intendantin, ein Theaterstück aus künstlerischen Gründen oder aus Mangel an Resonanz vom Spielplan zu streichen. Auch das gehört zur Kunstfreiheit. Aber wenn als Begründung für die Absetzung eines Stücks die Angst vor gewalttätigen Reaktionen von islamistischer Seite genannt wird, dann müssen die Alarmglocken schrillen. Denn von einer konkreten Gefährdung war nichts bekannt, im Gegenteil. Ein Jahr lang stand das Stück bereits auf dem Spielplan der Deutschen Oper, ohne dass jemand daran Anstoß genommen hätte. Insofern ist das Beispiel aus Berlin symptomatisch: Die größte Gefahr für die Kunst- und Meinungsfreiheit in Deutschland geht nicht von radikalen Islamisten aus. Sondern von hasenfüßigen Intendanten.
"Neue Presse": Sicherheitskonzept fehlte
Die Freiheit der Kunst muss mutig verteidigt werden. Aber von wem eigentlich? In dem konkreten Fall ist die Intendantin über eine ernsthafte Bedrohung informiert worden. Konsequenzen aus dieser Information zu ziehen, haben die Experten dann der gelernten Musikwissenschaftlerin überlassen. Mit dem Ergebnis, dass die sich für die sicherere Variante entschied und nun eine Bande tapferer und selbstgerechter Politiker über sie herfällt. Na, bravo. Etwas Anderes wäre normal gewesen: Wenn der Berliner Innensenator in Zusammenarbeit mit dem LKA ein Konzept entwickelt hätte, das die Sicherheit durch gezielte Maßnahmen für alle gewährleistet. Die Kunst muss verteidigt werden, aber nicht nur von Künstlern.
"Südwest Presse": Einmalig und verwerflich
Diese Selbstzensur ist einmalig und verwerflich. Sie entsteht in einem Klima der Angst. Bald müssen wohl Opernintendanten zusammen mit dem Verfassungsschutz ihre Spielpläne durchforsten. Ein friedlicher Dialog der Religionen und Kulturen sieht jedenfalls anders aus. Aber Theater das muss man schon noch machen dürfen. Und wenn die Staatsgewalt diese Freiheit schützen muss.
"Stuttgarter Zeitung": Versagen bei Behörden
Inszenierungen, die auch religiöse Tabus verletzen, gehören zu den Freiheitsrechten unserer Gesellschaft. Wer dagegen protestieren will, kann das gewaltfrei tun. Alles andere ist Sache der Polizei. Punkt. Die entscheidende Frage in Berlin ist banal: Warum hat man nicht wie am Eingang zu jedem Volksfest oder Fußballstadion für mehr Sicherheit gesorgt? In Berlin werden zahllose öffentliche Einrichtungen bewacht. Bisher war die Oper nicht darunter, aber man hätte das zumindest vorübergehend ändern können. Warum hat man die Opernintendantin so allein gelassen, dass sie am Ende die Notbremse gezogen hat? Das müssten Sicherheitspolitiker wie Wolfgang Schäuble doch wissen, die den Berliner Skandal zum Symbol stilisieren wollen. Dass die Oper abgesetzt wurde, liegt am Versagen derjenigen, die in Berlin für Sicherheit verantwortlich sind.
"Berliner Zeitung": Gefährdung zugenommen
Die Absetzung der Oper ist aus mehreren Gründen gefährlich und töricht. Zunächst werden durch den vorauseilenden Gehorsam der Intendantin mögliche Terroristen erst darauf aufmerksam gemacht, was in ihrem Haus seit der Premiere im März 2003 immer mal wieder zu sehen war: Idomeneo präsentierte neben den abgeschlagenen Köpfen von Poseidon, Jesus und Buddha auch das Haupt Mohammeds. Publikum und Belegschaft der Deutschen Oper werden durch diese plötzliche Publizität viel mehr gefährdet als durch das Stück selbst, an dem kein Muslim bislang handfest Anstoß genommen hat. Gefährlich ist die Hasenfüßigkeit der Intendantin, weil sie für die winzige Minderheit von Muslimen, für die der Terror ein probates Mittel der politischen Auseinandersetzung darstellt, einen großen Triumph bedeutet.
"Thüringer Allgemeine": Nicht hinnehmbar
Man wagt kaum zu sagen, dass sich Schiiten, Sunniten und Aleviten selbst nicht grün sind, weil ein Wortspiel mit dieser Farbe Aggressionen auslösen könnte. Dass in Berlin die Mozart-Oper "Idomeneo" aus Sorge vor Angriffen abgesetzt wurde, ist nicht mehr hinnehmbar. Die Forderung der muslimischen Verbände, einen ähnlich privilegierten Status wie die Kirchen eingeräumt zu bekommen, stößt auf wenig Entgegenkommen. Auch der Klageweg vor Gericht führte nicht viel weiter. Zu wenig weiß man über die Verfassungskonformität. Wozu gehört, sich für die Rechte der Christen in muslimischen Ländern einzusetzen oder die Frau als gleichberechtigt anzuerkennen. Wenn schon der Dialog mit den Gemäßigten in dieser Runde schwer fällt, wie können dann die Radikalen eingebunden werden?
"Hamburger Morgenpost": Ermutigung für Feinde
Die Aufregung über die Absage der Mozart-Oper ist groß. Berechtigt ist sie allemal, gilt es doch, eines unserer höchsten Güter zu verteidigen: die Freiheit der Kunst. Doch sollten sich all jene, die jetzt wortgewaltig über die Intendantin der Deutschen Oper herfallen, einer kritischen Selbstprüfung unterziehen... Die Furcht ist längst Teil unseres Alltags geworden. Sie betrifft Medien, die sich scheuen, Karikaturen zu zeigen. Sie betrifft Politiker, die ihre dänischen Kollegen im Regen stehen ließen, als diese im Karikaturenstreit attackiert wurden. Und sie betrifft Kirchenoberhäupter, die ihr Bedauern für Dinge äußern, die sie nie gesagt haben. Das Dilemma ist doch, dass all jene Politiker, die heute Zivilcourage fordern, kein Rezept haben, wie sie morgen die Opfer islamistischer Gewalt schützen. Der Kleinmut in den westlichen Demokratien er ermutigt die Feinde der Freiheit. (nz)
Manche Leute haben nichts weiter von ihrem
Vermögen, als die Furcht es zu verlieren.
Rivarol
Die Berliner Premiere
Eine Frau, eine Entscheidung: Eine Oper wird abgesetzt aus Angst vor Islamisten – wo fängt Selbstzensur an, wo hört sie auf?Von Frank Jansen, Axel Vornbäumen, Christine Lemke-Matwey und Christoph von Marschall
Wolfgang Schäuble schaut ungläubig. Es wird einige Sekunden dauern, ehe er jene Worte finden wird, aus denen anderntags die Schlagzeilen gemacht werden. „Also, wenn das wirklich wahr ist …“ Wieder dehnen sich die Augenblicke. Man kann förmlich sehen, wie es im Kopf des Bundesinnenministers arbeitet. Dann wird er deutlich: „Das ist verrückt. Wenn das wirklich stimmt, dann ist die Deutsche Oper verrückt geworden.“
Es ist Montagabend, und eigentlich ist Berlin weit weg. Wolfgang Schäuble sitzt in Washington im Saal Plaza des noblen Ritz-Carlton-Hotels. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat zum Dinner mit Vortrag „Deutschland: Ein Jahr nach der Wahl“ eingeladen. Knapp 50 Gäste sitzen an sechs weiß gedeckten Tischen. Der Minister hat gerade launige Bemerkungen gemacht, was für ein friedliches Fest die Fußballweltmeisterschaft war und wie falsch die Bedenkenträger mit all ihren Befürchtungen gelegen hatten: Land im Belagerungszustand, Fremdenfeindlichkeit, Ansteigen der Prostitution.
Doch eigentlich ist er längst mittendrin im Meta-Thema: Eigentlich redet er vom Sicherheitsbedürfnis der modernen Gesellschaft.
Den ganzen Tag über hat er mit Vertretern der Bush-Regierung über Terrorabwehr gesprochen, auch über den amerikanischen Umgang mit Gefangenen. Und nun auch noch das: Kunst und Konflikt. Und ausgerechnet am Beispiel von „Idomeneo“. Schäuble, ein Opern-Fan, hat die Inszenierung von Hans Neuenfels vor Jahren in Berlin selbst gesehen. Und er, der Christ, hat sich nicht gestört am geköpften Jesus, an Neuenfels’ fundamentaler Religionskritik, die den Buddhismus und den Islam mit einschließt. So viel Freiheit der Kunst kann er ertragen. So viel Respekt vor der Kunst erwartet er auch von anderen. Es ist eine Frage von Grundsätzen, von Werten. Nun muss er dazu Stellung nehmen, abends in Washington. Ja, so global ist die Welt geworden.
Die Nachricht von der Absetzung „Idomeneos“ ist seit Stunden in der Öffentlichkeit, in Deutschland ist es bereits zwei Uhr, Dienstagmorgen. Und doch wird der Minister in den USA von der Frage des Tagesspiegel-Korrespondenten überrascht. Für einen Moment spürt man seine Fassungslosigkeit. Wie konnte man ihm eine so wichtige Neuigkeit vorenthalten, ausgerechnet so kurz vor dem Islamgipfel am Mittwoch? Es hängt doch so vieles mit so vielem zusammen.
Dann aber bringt er sich auf Linie: Grundfalsch sei das Zurückweichen, einfach „inakzeptabel“. Deutschland habe allen Grund zu Selbstvertrauen, dass es mit solchen Bedrohungen fertig wird. Langsam tastet sich der Minister auf sicheres Gelände vor, dann empfiehlt er mit den Worten des Politologen Herfried Münkler „heroische Gelassenheit“.
Nur, mit der Gelassenheit ist das so einfach nicht mehr. Die Meldungen von der Spielplanänderung gehen über den Atlantik, und die Kritik daran kommt wieder zurück. Schäuble ist nun Taktgeber. Wieder hat die Wertediskussion Deutschland eingeholt. Wie frei ist die Kunst? Wie viele Scheren sind in unseren Köpfen? Es sind brisante Fragen.
Denn als die Intendantin der Deutschen Oper Kirsten Harms am Dienstagnachmittag mit gut 24-stündiger Verspätung ihre Entscheidung begründet, haben sich längst die Schleusen geöffnet. Ein Sturm der Kritik ist über die Deutsche Oper hinweggefegt. Harms, die bereits im August in ihrem Urlaub telefonisch von Berlins Innensenator Ehrhart Körting auf eine vermeintliche Gefahrenlage aufmerksam gemacht wurde, wenn die Neuenfels-Inszenierung auf dem Spielplan stünde, kann zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr gröbste Aufräumarbeiten erledigen.
Tags zuvor hätte man es in ihrem Haus noch am liebsten gesehen, wenn möglichst stillschweigend über die Spielplanänderung hinweggegangen worden wäre. Statt Mozarts „Idomeneo“ dann eben ab Mitte November Verdis „La Traviata“. Harmloser ist das, aber auch schön.
Nur, es kam ganz anders. Und nun sitzt die Intendantin vor der Presse und muss mit vibrierender Stimme ihr Seelenleben preisgeben: ihr Verantwortungsgefühl für die Mitarbeiter ihres Hauses, das sie gespürt habe, als Körting lapidar gesagt habe, er, Körting, fahre öfter an der Deutsche Oper vorbei – und er möchte „nicht erleben, dass sie nicht mehr da steht“.
Doch längst haben sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nur die Fachleute vor den Mikrofonen versammelt. Es ist, als ob man nach all den wägenden Worten in der Vergangenheit zu Toleranz und gegenseitigem Verständnis nun die Zeit gekommen sieht, mal kräftig auf den Tisch zu hauen. Vor „Selbstzensur“ warnt Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach, vor einer Art interkultureller Appeasementpolitik aus falsch verstandener Sorge, in islamischen Ländern heiligen Zorn hervorrufen zu können. Als „Kniefall vor Terroristen“ bewertet Wolfgang Börnsen, kulturpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, die Entscheidung. Und für Peter Ramsauer, CSU-Landesgruppenchef in Berlin, zeugt die Absage nicht von „Respekt vor der Religion, sondern von nackter Angst vor Gewalt“.
Starker Tobak, ausgestoßen im Minutentakt.
Als Harms um zehn nach drei dann erscheint, blass, genervt, hoch konzentriert, merkt man, dass all das Spuren hinterlassen hat. „Was empört Sie eigentlich?“, wirft sie nach einer knappen Viertelstunde empört in die Runde. Ihr Rücktritt stünde selbstverständlich nicht zur Debatte. Mit Hans Neuenfels sei sie sich schnell darüber einig gewesen, an der Inszenierung keinerlei Veränderungen vorzunehmen, und die brennende Frage nach der „Freiheit der Kunst“, die würde sie selber auch gerne stellen – den Berliner Sicherheitsbehörden, der Gesellschaft, dem Feuilleton. Im Übrigen sei während der Abendprobe am Montag im Pressebüro ein Anruf der Polizei eingegangen: Durch das hohe und ausgesprochen heftige Medienecho auf den Vorgang sei „die Gefahr“ für die Deutsche Oper deutlich gestiegen.
Die Gefahr für gezielte Randale in einzelnen Vorstellungen? Die Gefahr für islamistischen Terror, für Bombenanschläge gar? Harms zuckt mit den Achseln, sie sei keine Sicherheitsexpertin, über weitere Details habe keinerlei Aufklärung stattgefunden. Aber ein bisschen verwunderlich scheint es die 48-Jährige schon zu finden, dass ihre Spielplanänderung als republikweiter kultureller Präzedenzfall gehandelt wird. Alle Schuld den Medien?
Als gegen Ende dann eine britische Journalistin höflich darum bittet, man möge ihr die einschlägigen Szenen aus „Idomeneo“ kurz beschreiben, wird Kirsten Harms sogar rabiat: „Sie kennen die Aufführung nicht? Was wollen Sie dann überhaupt hier?“ Die Polizei, schiebt der Pressesprecher reichlich kleinlaut nach, habe ihnen nahe gelegt, über die abgeschlagenen Köpfe der drei Religionsstifter Jesus, Buddha und Mohammed möglichst kein Wort mehr zu verlieren.
Auch Innensenator Körting benötigt am Dienstag ungewöhnlich viel Zeit, sich öffentlich zu äußern. Am Nachmittag wird klar, warum. Körting stellt sich indirekt gegen Schäuble. Anstatt die Absetzung zu kritisieren, äußert er Verständnis. Nachdem eine anonyme Anruferin im Juni der Bundespolizei ihre Bedenken gegen die Aufführung vorgetragen habe – Sicherheitskräfte gehen mittlerweile davon aus, der Anruf sei aus der Oper selbst gekommen – seien die möglichen Gefährdungen vom Landeskriminalamt analysiert worden. Die Behörde habe festgestellt, „dass die Aufführung eine Gefährdungslage mit schwer abzuschätzenden Folgen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit sich bringen könnte“, sagt Körting. Der Innensenator verteidigt sich gegen Panikmache „in einer durch den Karikaturenstreit hoch emotionalisierten Atmosphäre“. Es sei die Aufgabe der Sicherheitsbehörden, „auf eventuelle Gefährdungen hinzuweisen“.
In welchem Zwiespalt Polizei und Verfassungsschutz stecken, zeigen die Äußerungen eines Sicherheitsexperten. „Als zorniger Bundesbürger sage ich, die Absetzung der Oper ist vorauseilende Panik, einfach lächerlich“, der Mann holt Luft. „Aber als besorgter Experte kann ich nur feststellen: Es ist berechtigt.“ Dann zählt er die Szenarien auf, die durchgespielt werden. Islamisten mischen sich ins Publikum der Oper und stören die Aufführung. Vor der Oper demonstrieren Muslime. „Oder es gibt einen Anschlag“, sagt der Experte. „Irgendein islamistischer Sektierer aus Berlin oder einer, der aus dem Ausland geschickt wurde, greift Mitarbeiter oder Besucher an. So wie es bei Theo van Gogh in Holland war. Oder es kommt ein Attentäter und sprengt sich in die Luft.“
Der Fall van Gogh ist der bislang härteste Anschlag von Islamisten auf die Freiheit der Kunst. Ein Fanatiker hatte den Filmemacher am 2. November 2004 in Amsterdam ermordet. Deutsche Sicherheitsexperten können sich mühelos vorstellen, dass der blutige Anschlag von Amsterdam in Berlin wiederholt wird. <!-- TABLE Anfang -->
Lasst das besser sein, das Zeug macht depressiv.
Ich verstehe eure ganze Diskussion hier nicht.
Wozu müssen in einer Oper Köpfe rollen ?
Noch dazu von religiösen Personen. Das hat doch nichts mit Oper und Kultur zu tun.
Seit wann bestimmen unbekannte Fellachen und Muselmänner über das Berliner Kulturprogramm?
Ich verstehe das nicht mehr.
Das Ganze, was da abläuft, ist doch nicht der Rede wert.
Diskutieren wir doch besser darüber, welches Klopapier in der Deutschen Oper in Berlin benutzt werden soll und wer die Latrine reinigen darf.
HEUTE IN DEN FEUILLETONS
"Erstens feige, zweitens grotesk"
Die "FAZ" fordert, dass die Deutsche Oper die abgesetzte "Idomeneo"-Inszenierung täglich bringt - mit anschließenden Diskussionen. In der "SZ" befürchtet Hans Neuenfels "ungeheure Auswirkungen" für die Kunst. Die "Berliner Zeitung" spottet über "die deutsche Kultur", die "für ihren staatlich bezahlten Mut weltbekannt" ist.
Berliner Zeitung, 27.09.2006Am Ende von Hans Neuenfels' drei Jahre alter "Idomeneo"-Inszenierung präsentiert der Held der Oper die abgeschlagenen Köpfe Buddhas, Jesu, Poseidons und, äh naja, eben Mohammeds. Kirsten Harms, Chefin der Deutschen Oper, hat die Wiederaufnahme der Inszenierung für den November abgesagt. Der Grund: Das Landeskriminalamt war nach einem anonymen Hinweis zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aufführung "ein Sicherheitsrisiko von unkalkulierbarem Ausmaß" bedeuten könnte. Konkrete Drohungen gab es nicht, sondern nur den Anruf einer ängstlichen Opernzuschauerin bei der Berliner Polizei. Harms wollte die Neuenfels-Inszenierung in aller Stille begraben. Erst durch Nachfragen und die Meldung eines Journalisten von epd kam die Sache ans Licht. Soweit die Sachlage.
Die Politiker kritisierten die Entscheidung gestern mit geradezu verdächtig einhelliger Empörung (soviel Mut war uns bei der Karikaturen-Affäre weder in Politik noch in Medien aufgefallen). Und heute sind die Zeitungen voll mit Reaktionen auf die Absetzung der Inszenierung.
Die Berliner Zeitung macht das Thema zum Aufmacher der Titelseite und zum Tagesthema. Kulturchef Harald Jähner gießt eine Ladung Spott über "die deutsche Kultur", die "für ihren staatlich bezahlten Mut weltbekannt (ist). So viel Kunstblut wie auf unseren Bühnen fließt nirgendwo sonst auf der Welt. Es wird sich das Zeug gleich literweise über den Kopf geschüttet, es wird nackt geschissen, masturbiert und ejakuliert, und wenn einem gar nichts mehr einfällt, um ein paar Leute zum wütenden Herausrennen zu bewegen, wird neben der Orgie ein Kreuz aufgestellt, damit wenigstens der örtliche Bischof von seinen Gemeinden zum Abfassen eines Protestbriefs gedrängt wird. Dann stellt sich die geballte Geistesmacht der Republik vor die in ihrer Freiheit bedrohte Kunst und jagt dem armen Bischof einen gehörigen Schrecken ein... Wie wenig Mut zu solchen Skandalen unter den Bedingungen unserer desensibilisierten Öffentlichkeit tatsächlich gehört, stellt eindrucksvoll die Deutsche Oper unter Beweis: gar kein Mut. Denn sobald sich auch nur in der Fantasie ein anders gestricktes Publikum abzeichnet, eines, das am Bühnengeschehen ernsthaft Anstoß nehmen könnte, wird die Aufführung aus dem Programm genommen."
Der Tagesspiegel liefert einen ausführlichen Bericht über die Hintergründe der Entscheidung und Kommentare: "Seltsam" findet es Rüdiger Schaper, "wie die Welten sich annähern. In Diktaturen mühen sich Autoren und Regisseure in kleinen Schritten um offenere Formen, während hierzulande dieses höchste Gut der Kunst- und Meinungsfreiheit zumindest nicht mehr so ganz selbstverständlich erscheint." Hans Neuenfels zeige in seinem "Idomeneo": "Die westliche Gesellschaft hat sich radikal des religiösen Diskurses entledigt. Den Unterschied muss man sehen, er ist in diesem Krieg der Köpfe entscheidend: Anderswo werden Menschen enthauptet, in der Oper Puppen. Man nennt es Zivilisation."
Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting hält alles Reden bei der heute beginnenden Islamkonferenz für vergebens, "wenn wir nicht eine gemeinsame Grundlage haben". Dazu gehört für ihn, dass "ich die (religiöse) Position des anderen auch dort akzeptieren muss, wo sie meiner eigenen entgegensteht. Das Wesen des Glaubens besteht ja gerade darin, dass der jeweils andere Glaube Irrglaube oder Unglaube ist: Der Islam leugnet wesentliche Grundsätze unseres christlichen Glaubens... Für den Islam sind Christen Nichtrechtgläubige. Das gilt umgekehrt genauso. Für Christen ist Mohammed kein heiliger Prophet, für Christen sind Muslime Nichtrechtgläubige. Man kann nur an das eine oder an das andere glauben."
"Dass die Oper von Störungen unterbrochen wird, danach kann sie sich nur sehnen", meint Christoph Schlingensief und erinnert an einen Regieeinfall zu seinem Bayreuther "Parsifal": "Im zweiten Akt fragt Kundry Parsifal: Hast du überhaupt eine Ahnung, was in mir vorgeht, was ich ertragen muss? Du kümmerst dich nur um deine Sachen. So stelle ich mir ein Streitgespräch zwischen Jesus und Gott vor oder zwischen Liebenden. Kundry trägt eine schwarze Burka, im dritten Akt nimmt sie Parsifal seine Gewänder ab, und er streift ihre Burka ab. Das ist vielleicht Kitsch, aber darum geht es: dass Menschen ihres Auftrags entkleidet werden und einander als Menschen begegnen. Religion wird immer wichtiger, weil wir Relikte brauchen, Relikte vom Metaphysischen: einen Splitter vom Kreuz oder auch nur den Bierdeckel, auf dem Kardinal Ratzinger mal seinen Humpen abgestellt hat. Die Welt schreit nach Außerirdischen, nach dem Mehr an Bedeutung, das nicht greifbar ist. Das verteidigen wir, darum streiten wir jetzt."
In der Zeit online ärgert sich Klaus Harpprecht über die seiner Ansicht nach recht billige Kritik an Kirsten Harms. "Die Chefin des Opernhauses, ist eine kluge und, wie ihre Karriere beweist, in der Regel auch mutige Frau. Es wäre billig, über die Arme herzuziehen, die ohne Zweifel dem Gebot ihrer Verantwortung folgte, gewiss schweren Herzens. Die empörten Schlagzeilen der Bild-Zeitung, die zu Recht so genannt werden, deckten die ganze Seite des Blattes, wenn ein Bömbchen auch nur in 100 Meter Entfernung vom Schauplatz hochgegangen wäre, von einer ernsten Katastrophe nicht zu reden. Kein Kommentator, der nicht über die Dame herfallen würde: Die Heuchelpotenz des Berufsstandes der Journalisten kennt keine Grenzen. Und dennoch war die Absage grundverkehrt."
Necla Kelek, die an der Islamkonferenz teilnimmt, fordert im Interview eine klare Abgrenzung moderater Muslime von Fundamentalisten und eine klare Festlegung von Regeln, die alle einhalten müssen: "Ja, zum Beispiel das Verbot von Kopftüchern und Koran-Unterricht schon in der Grundschulen. Alle Kinder müssen gleich behandelt werden, deutsche wie muslimische. Und es sollte ein Recht auf Kindheit geben. Das wäre für mich ein wunderbares Resultat. Dass auch muslimische Kinder endlich Kind sein dürfen, und dass es eine strikte Einhaltung der körperlichen Unversehrtheit gibt. Also keine Beschneidungen, keine körperlichen Züchtigungen. Wenn die Kinder in die Pubertät kommen, kann man ja dann sehen, in welcher Weise man ihnen Islam-Unterricht gibt. Auch da hat Innenminister Schäuble Gott sei dank klare Vorstellungen: Er muss auf Deutsch sein, er muss von hier ausgebildeten und vom deutschen Staate kontrollierten Lehrern gegeben werden."
Die Absetzung der Mozart-Oper "Idomeneo" ist der taz heute die Titelseite wert. Zu Recht sei daraus nun ein Politikum geworden, findet Daniel Bax in seinem Kommentar auf Seite 1. "Für die Kunstfreiheit ist der Vorgang fatal. Denn irgendwer wird sich immer finden, der sich durch so ein Stück gestört fühlt. Das aber kann und darf nicht der Maßstab sein... Die größte Gefahr für die Kunst- und Meinungsfreiheit in Deutschland geht nicht von radikalen Islamisten aus. Sondern von hasenfüßigen Intendanten, die sich von ihrer Angst den Spielplan diktieren lassen."
Auf den Tagesthemenseiten erklärt Niklaus Hablützel, worum es in Mozarts Oper überhaupt geht und wie die inkriminierte Szene mit den abgeschlagenen Köpfen zu verstehen ist. Gesammelt sind außerdem Reaktionen auf die Absetzung. So stellt unter anderem Zeit-Herausgeber Michael Naumann, fest: "Die Absetzung ist erstens feige, zweitens grotesk und drittens schade für die Abonnenten."
Auf den Kulturseiten heute nur Besprechungen. Saskia Draxler stellt eine Ausstellung mit Werken der 1993 verstorbenen Künstlerin Anna Oppermann in der Berliner Galerie Kienzle & Gmeiner vor. Jan Distelmeyer sieht in Oliver Stones Film "World Trade Center" "auf eine gewisse Weise das direkte Gegenstück" von Michael Moores "Fahrenheit 9/11". Und Christine Wahl lobt Jan Jochymskis "großartige" Inszenierung von "Orpheus, Illegal" des ukrainischen Autors Juri Andruchowytsch in der Neuen Szene des Schauspiels Leipzig.
Und hier Tom.
Zur Absetzung der "Idomeneo"-Inszenierung vom Spielplan der Deutschen Oper in Berlin schreibt Harry Nutt auf der Hintergrundseite: "Es spricht einiges dafür, dass an der Berliner Bismarckstraße in vorauseilendem Gehorsam gehandelt wurde. Die heftigen Reaktionen auf die Regensburger Vorlesung von Papst Benedikt XVI. dürfte Kirsten Harms in ihrer Einschätzung bestärkt haben, dass religionskritische Anspielungen derzeit im buchstäblichen Sinn enorme Sprengkraft bergen, und seien sie auch noch so gut in historischen Kontext eingebettet und durch hermeneutische Kniffe abgesichert. Von übereilter Reaktion und unbedachter Handlung kann man dennoch nicht sprechen. Wohl aber von mangelnder Beratung."
Knut Pries findet in seinem Kommentar: "Da singt der Chor der billig Ermannten und Empörten. Wer jetzt die Intendantin schilt, macht es sich zu einfach. Frau Harms hat nicht kopflos kapituliert, sondern in ihrer Not eine rationale Entscheidung gefällt, im Sinne der Fürsorglichkeit für Schutzbefohlene beiderseits des Vorhangs. Wenn von berufener Stelle eine Bedrohung vermeldet wird, ist es nicht Sache eines Opernensembles, die Kunst mit den Mitteln der Arie zu verteidigen."
Auf den Kulturseiten erklärt Georg-Friedrich Kühn, was Hans Neuenfels mit seinem Epilog der abgeschlagenen Köpfe wollte. Außerdem informiert die FR über ein Gespräch mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der gegenüber der Zeitung betont habe, "dass man bestimmten politischen oder religiösen Kräften durch solche Fälle von Selbstzensur keinen Auftrieb geben dürfe. Neumann sagte ausdrücklich, dass es ihm nicht um die Oper oder um deren Inszenierung gehe. Er legte Wert auf die Feststellung, dass die Kunst über eine eigene Verantwortung verfüge."
Im Interview kommt der als "Islamkritiker" apostrophierte Orientalist Hans-Peter Raddatz naturgemäß zu einer recht negativen Einschätzung der Angelegenheit. "Der sogenannte 'Dialog mit dem Islam' hat sich zu einer sanften Diktatur entwickelt, die die deutsche Bevölkerung zwingt, ihre eigenen Rechtsgrundlagen durch die Brille islamischer Forderungen zu sehen." Das werde nun langsam, aber spät erkannt. "Der Meinungsdruck hat eine historisch korrekte Analyse, eine realistische Auseinandersetzung mit dem Islam verhindert. Hier wirkt eine ungute Mischung aus traditioneller Orientophilie und neuen Blütenträumen des alten deutschen Links- und Rechtsradikalismus nach. Zudem glaubt man, durch die Verbindung von Islam und Anti-Amerikanismus eine eigene Position gegen die USA aufbauen zu können - eine groteske Verkennung der Realität."
Der Standard, 27.09.2006Birgit Baumann sieht die Kunstfreiheit in Deutschland nicht nur in der Oper auf dem Rückzug vor dem Islam. "Daher kann man diese Aktion nicht einfach als besonders originellen Beitrag zum Mozartjahr 2006 verbuchen, sondern als äußerst bedenklichen Dammbruch. Noch nie hat es in der deutschen Kunst und Kultur einen derart vorauseilenden Gehorsam gegeben. Im Gegenteil: Viele Aktionen - man denke an die umstrittene RAF-Ausstellung im Vorjahr - haben orkanartigem Gegenwind getrotzt. Kunst darf, ja sie muss sogar provozieren. Da dies zunehmend infrage gestellt wird, wenn der Islam ins Spiel kommt, zeigt auch eine Entscheidung der ARD. Ursprünglich hat sie für den heutigen Mittwoch den Film 'Wut' ins Hauptabendprogramm gesetzt. Doch nach Protesten gegen den Streifen, in dem ein brutaler türkischer Drogenhändler eine deutsche Akademikerfamilie traktiert, wurde 'Wut' hurtig auf übermorgen in das Spätabendprogramm verlegt.
Weitere Zeitungen, 27.09.2006Selten macht eine deutsche Operninszenierung weltweit Schlagzeilen. Kirsten Harms hat es mit der Absetzung von Hans Neuenfels "Idomeneo"-Inszenierung auf die Seite 1 der New York Times geschafft. In Judy Dempseys Bericht dazu heißt es: "Einige Kritiker der Entscheidung sagen, sie enthülle die Schwäche von Berlins großzügig subventionierten Kulturinstitutionen. 'Da sie vom deutschen Staat subventioniert werden, gibt es hohes Maß an künstlerischer Unabhängigkeit, aber auch einen Mangel an Verantwortlichkeit und intellektueller Strenge', sagt Gary Smith, Direktor der American Academy in Berlin."
Süddeutsche Zeitung, 27.09.2006"Wenn die Schere im Kopf schon bei diffusester Faktenlage von selbst zuschnappt, kann das ungeheure Auswirkungen haben für die Kunst", sagt Regisseur Hans Neuenfels im Interview mit Christine Dössel über die Absetzung seiner "Idomeneo"-Inszenierung. "Es sind vier Köpfe, das ist ganz wichtig - der von Mohammed ist nur einer davon. Es sind die Häupter von großen, weltberühmten Religionsstiftern, darunter auch Poseidon, dem Gott der Griechen, der von Idomeneo den Opfertod seines Sohnes verlangt. Es geht um die subjektive Sicht des Idomeneo, der am Ende den Fanatismus keiner Religion mehr mitmacht und sich aus allen Bindungen löst. Mit einer tiefen, intensiven Erschütterung von dramatischer Kraft hat sich dieser Idomeneo von seiner Religion, von seiner Weltanschauung getrennt und zu seiner ureigenen Substanz gefunden. Die Inszenierung richtet sich weder gegen den Islam noch gegen eine andere Religion, sondern ist ein Diskurs über Religionsstiftung."
Zum gleichen Thema erläutert auf der Tagesthemenseite Jörg Königsdorf, weshalb die mit der Absetzung eigentlich beabsichtigte Verhinderung islamistischer Aktionen nun umso mehr erwartet werden könne. "In Indien und Iran werden vermutlich schon die ersten Mozart-Puppen zur Verbrennung vorbereitet. Schließlich dürfte der Komponist aus islamischer Sicht ohnehin als problematisch gelten: In seiner 'Entführung aus dem Serail' kommen die Muslime ja auch nicht so gut weg." Und Hans Leyendecker wundert sich an gleicher Stelle, warum in Berlin die Warnung, von denen es offenbar unzählige gibt, ernst genommen wurde.
Weitere Themen im Feuilleton: Martin Mosebach schreibt sein indisches Tagebuch fort. Helmut Schödel resümiert das Eröffnungswochenende beim Steirischen Herbst in Graz. Jörg Königsdorf erzählt vom ersten internationalen Klavierwettbewerb für Amateure in Berlin, bei dem der jüngste Teilnehmer 36, der älteste 83 war. Eric-Oliver Mader informiert über den 36. Rechtshistorikertag in Halle. Rainer Gansera gratuliert der Film- und Fernsehakademie Berlin zum 40. Geburtstag. Jens Malte Fischer würdigt in einem Nachruf den amerikanischen Bariton Thomas Stewart. Und Stephan Opitz unternimmt einen Streifzug durch die Göteborger Buchmesse.
Georg Klein hat sich am Oldenburgischen Staatstheater Staatstheater die Einrichtung von Goethes "Wahlverwandtschaften" für die Bühne angesehen: "Wo Goethe gut ist, kommt er zu Ehren. Wo er feig ausweicht oder gar lügt, erzählt das vorzügliche Ensemble den ganzen schönen und traurigen Rest der Wahrheit mit Bewegung, Mimik und dem Farbenreichtum der menschlichen Stimme."
Besprochen werden Oliver Stones Film "World Trade Center", eine Ausstellung der Architekturprojekte des Guggenheim-Museums in der Bonner Bundeskunsthalle, Inszenierungen der Aischylos-"Orestie" und Alban Bergs "Wozzeck" am Theater Ulm, Konzerte des Trios e.s.t. ("öder Popjazz") und des Trios Töykeät von Lenni-Kalle Taipale ("mit purer Physis geklotzt"), und Walter Kempowskis Roman "Alles umsonst" über die Flucht aus Ostpreußen im Frühjahr 1945 (mehr dazu in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).
Nachdem die Sache in den Sand gesetzt scheint, fordert Eleonore Büning in ihrem Leitartikel auf Seite 1 des politischen Teils wenigstens von jetzt ab mutige Schritte: "Die Deutsche Oper könnte ihren 'Idomeneo', statt ihn für immer in den Fundus zu bannen, gleich morgen wieder aufführen. Am besten als Serie, zu günstigen Sonderpreisen, die es jeder Schulklasse ermöglichen, das Stück zu sehen. Und vor oder nach jeder Vorstellung sollte dann jeder seine Einwände vorbringen dürfen, in einem öffentlichen Diskurs, damit nicht nur die Musikkultur, sondern auch die politische Kultur vorangebracht wird."
Im Feuilleton werden Szenenfotos mit den diversen Köpfen gezeigt. Mehrere Redakteure haben den Hergang der Affäre rekonstruiert und einige Stimmen gesammelt, zum Beispiel Monika Maron (mehr): "Die Entscheidung von Kirsten Harms ist eine Aufforderung an die Muslime, die Selbstverständlichkeiten unserer Kultur nach möglichen Kränkungen abzusuchen und sie einer islamischen Zensur zu unterwerfen. Wenn Frau Harms Mozart und Neuenfels davor nicht schützen will, sollte sie zurücktreten."
Ivan Nagel verteidigt Neuenfels' stummes Schlussbild, in dem ein verrückter Idomeneo die in effigie abgeschlagenen Köpfe präsentiert: "Und die Religion? Sie lässt sich nicht nur einspannen - sie scheint fast geschaffen, um Krieg zu erfinden und Schuld aufzubürden. Die falschen Götter stehen im Bund mit den Eroberer- und Mördervätern. Wie befreien sich die Jungen, die Troerin Ilia, der Grieche Idamante von ihnen? Wie werden sich unsere Kinder von ihnen befreien? Es ist schlimmer als feig, diese Fragen, diese Inszenierung vom Spielplan abzusetzen."
Weitere Artikel: In der Leitglosse erzählt Paul Ingendaay, dass die Branche der Bars in Spanien ebenso expandiert wie die Rettungsringe der immer mehr verfettenden Jugendlichen. Rüdiger Soldt wirft die knifflige Frage auf, wem die mittelalterlichen Handschriften gehören, mit deren Verkauf das Haus Baden ihr Schloss restaurieren will - dem Haus Baden oder dem Land Baden-Württemberg? Christian Geyer und Regina Mönch sinnieren über Wolfgang Schäubles heute beginnende Islamkonferenz, die nun von den akuteren Geschehnissen um die Deutsche Oper in den Hintergrund gedrängt ist. Irene Bazinger nimmt die ersten Inszenierungen im nagelneuen Potsdamer Hans-Otto-Theater unter die Lupe (Spielplan). Tilman Spreckelsen schreibt zum Tod des Kinderbuchautors Dimiter Inkiow.
Besprochen werden ein Frankfurter Konzert des sich nun endlich manifestiert habenden Popsängers Peter Licht ("Da steht ein kleiner, eher unscheinbarer junger Mann mit Schlaumeierbrille und Wandergitarre am Mikro"), ein riesiges Fotobuch des Fotografen Gilles Peress über den Mauerfall, das nach dem Willen des Fotografen möglichst im Bonner "Haus der Geschichte" dauerhaft ausgestellt werden soll.
Auf der Medienseite gratuliert Jan Freitag dem Ratesender 9Live zum Fünften. Michael Reufsteck empfiehlt die heute auf Vox startende Serie "Boston Legal". Gemeldet wird, dass in der Frankfurter Rundschau weitere 200 Stellen (darunter 120 per Entlassung) gestrichen werden sollen. Frank Pergande berichet, dass der verwunschene Park Rehse in Brandenburg, in dem die Nazis einst eine Ärzteschule unterhielten, von einer alternativen Lebensgemeinschaft erworben wurde. Und Eva-Maria Magel porträtiert den Nachfolger des Bischofs Tutu in Südafrika, Njongonkulu Ndungane.
Die Schweiz hat der "Idomeneo"-Orkan noch nicht erreicht. Der Schriftsteller David Albahari in einem Text über die Herren der Worte denkt ganz allgemein über Schriftsteller als Herren der Worte nach: "Ist das Schreiben nicht der schlimmste aller Kerker? Und ist der Schriftsteller, gleich, was er erzählt und wie er sich darstellt, nicht eigentlich ein verkappter Kerkermeister?... Ein echter Schriftsteller, sagte meine Frau weiter, hat keine Angst vor dem Kerker, so wie er auch die Macht des Wortes nicht fürchtet. Der eine schwingt die Faust, der andere haut mit einem Satz um sich."
Weiteres: "Banausen in Baden" sieht Joachim Güntner am Werk, nachdem sich der Ministerpräsident und der Erbprinz von Baden darauf geeinigt haben, "die einzigartige Handschriftensammlung der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe zu verscherbeln". Besprochen werden Hans Werner Henzes Oper "L'Upupa" an der Staatsoper in Hamburg, Oliver Stones 9/11-Film "World Trade Center" ("Hermit wird sich Mr. Stone die Gunst der Mächtigen in Hollywood zurückgekauft haben", läster Andreas Maurer), Adam Lindemanns Kunstsammler-Fibel "Collecting Contemporary" und Tomek Tryznas moderner Ritterroman "Zauberer" (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).
Wer sonst soll denn wohl bewerten, was Kunst ist und was nicht? Ein Gremium vielleicht? Sowas wie die Reichsschrifttumskammer?
Lebende Personen hätten auch mehr Effect. Und vor allem diesen Neuenfels dazu - diesen Saubär!
Meine Oper wird wahrscheinlich nie gespielt, denn sie darf NIE verändert werden. Bildliche Kulissen, zeitechte Kostüme usw.
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Mozart tut mir leid. Schade um ihn! Was will er auch in Berlin?
Da g'langt scho Soizburg.
Deutsche Kultur wo bist du geblieben? - stöhnt - Kritiker.
Ende eines Kulturskandals
Szene aus der Oper „Idomeneo“ |
Das Mozart-Jahr geht zu Ende – und kurz vor Schluss dreht Berlin einmal richtig auf. Mit der Wiederaufnahme von Mozarts „Idomeneo“ an der Deutschen Oper am Montag soll der Kulturskandal des Jahres in Würde beendet werden.
Bekenntnis zur Kunstfreiheit
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und viele andere Prominente haben sich für die Vorführung angekündigt und wollen unter Polizeischutz ein Bekenntnis zur Kunstfreiheit ablegen. Sie werden fast drei Stunden auf den Höhepunkt warten müssen, auf jenen Moment also, wenn die Musik längst verklungen ist und König Idomeneo die abgeschlagenen Häupter von Buddha, Mohammed, Jesus und Poseidon auf vier Stühle legt.
Die Szene, die Regisseur Hans Neuenfels an seine Inszenierung vor drei Jahren hängte, hatte bei der Premiere die Gemüter kaum erregt. Doch als Opern-Intendantin Kirsten Harms im September die Produktion wegen des Schlussbildes und angeblicher islamistischer Bedrohungen über Nacht vom Spielplan nahm, sorgte sie weltweit für Schlagzeilen. Die Furcht vor einem Kulturkampf, wie ihn Nachbarland Dänemark beim Streit um die Mohammed-Karikaturen erlebt hatte, machte nun auch in Deutschland die Runde.
Dabei war Harms´ Warnung nicht viel mehr als ein Sturm im Wasserglas. Die Absetzung erwies sich als voreilig, ausgelöst durch Missverständnisse und unbegründete Furcht. Zwar hatte schon im Juli das Landeskriminalamt Berlin in einer „Gefährdungsanalyse“ vor einer Bedrohung für das Opernhaus gewarnt. Fundamentalisten drohten wegen Beleidigung des Propheten mit einem Racheakt gegen das Haus. Auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) riet der Intendantin zur Absetzung.
Kulturpolitisches Problemkind
Doch weder die Sicherheitsbehörden noch Körting konnten Beweise für ihre Warnungen vorweisen. Zweifel an den Lageberichten der Polizei wurden laut. Es regte sich der Protest gegen den vermeintlichen Kniefall vor Terror und Intoleranz in Politik und Kunst. Innenminister Schäuble lud die Mitglieder der damals tagenden Islam-Konferenz zur Aufführung ein. Erst nach einer langwierigen Debatte und massivem Druck nahm Harms die Inszenierung für diesen Montag und den 29. Dezember wieder auf den Spielplan. Für die Wiederaufnahme haben sich auch dutzende Journalisten aus aller Welt angekündigt.
Solche Schlagzeilen kommen der Intendantin höchst ungelegen. Das 2000-Plätze-Haus kämpft seit Jahren mit niedriger Auslastung und schlechten Kritiken. Harms, die vor zwei Jahren von Kiel an die Spree wechselte und vorzugsweise ganz in Weiß auftritt, hat bei der Auswahl der Regisseure und mit eigenen Inszenierungen bisher kein glückliches Händchen bewiesen.
Mit der eigenmächtigen „Idomeneo“-Absetzung verschärfte sich die Stimmung gegen Harms. Sie ist gute Munition für jene, die Berlin mit drei Opernhäusern überfordert sehen. Mittlerweile gilt die einst international hochgerühmte Deutsche Oper als kulturpolitisches Problemkind – mit oder ohne „Idomeneo“, dem von Göttern und Propheten enttäuschten König von Kreta. (cw/dpa)