Heute stehen wir am Abgrund, und morgen ?
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Eröffnet am: | 19.10.01 08:55 | von: Der Rächer | Anzahl Beiträge: | 2 |
Neuester Beitrag: | 19.10.01 10:28 | von: vega2000 | Leser gesamt: | 1.275 |
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Konjunktur in Europa bricht ein
Von Claus Hulverscheidt, Berlin, und Norbert Häring, Frankfurt
Nach den USA und Japan steht mit der Euro-Zone auch der dritte große Wirtschaftsblock der Welt am Rande einer Rezession. Die Europäische Zentralbank deutete weitere Zinssenkungen an.
Die EU-Kommission nahm am Donnerstag ihre Wachstumsprognosen für 2001 und 2002 auf je 1,5 Prozent zurück und erklärte, selbst ein zeitweiser Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sei nicht ausgeschlossen. Auch Bundesfinanzminister Hans Eichel räumte ein, dass das deutsche BIP weder in diesem noch im nächsten Jahr nennenswert zulegen werde. Die Europäische Zentralbank (EZB) deutete für den Fall einer weiteren Verschlechterung der Wirtschaftslage die Bereitschaft zu Zinssenkungen an.
Laut EU-Kommission haben die Terroranschläge in New York und Washington die globalen Konjunkturaussichten weiter eingetrübt. Allerdings sei das Wirtschaftswachstum bereits vor dem 11. September "praktisch zum Stillstand" gekommen. In ihrer Frühjahrsprognose hatte die Kommission noch Wachstumsraten von 2,8 und 2,9 Prozent für die zwölf Euro-Länder vorausgesagt.
Ähnlich pessimistisch ist auch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie geht in einer vorläufigen Prognose für 2002 wie die EU-Kommission von 1,5 Prozent Zuwachs aus. Die Wirtschaftsleistung der USA werde demnach statt um 3,1 nur um 1,3 Prozent zunehmen.
Wachstum unter ein Prozent
Eichel sagte, das deutsche BIP werde 2001 wohl gerade einmal um dreiviertel Prozent steigen. Das wäre nicht einmal halb so viel wie noch im Frühjahr geschätzt. Schuld daran sei unter anderem der US-Konjunktureinbruch. Auch 2002 werde sich die Bundesrepublik mit einem Plus von "einem bis anderthalb Prozent" begnügen müssen. Bislang hatte die Regierung Wachstumsraten von zwei Prozent in diesem und zweieinviertel Prozent im nächsten Jahr prognostiziert.
Zum gleichen Ergebnis wie der Finanzminister kommt das neue Gemeinschaftsgutachten der sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute, das am Dienstag veröffentlicht werden soll. Nach Informationen der Financial Times Deutschland rechnen die Institute für 2001 nur noch mit einem BIP-Anstieg von 0,7 bis 0,8 Prozent. Für 2002 sagen sie ein Plus von 1,0 bis 1,5 Prozent voraus. Die Prognosen können allerdings bis zur Vorlage des Gutachtens noch leicht verändert oder präzisiert werden.
In den USA räumte erstmals ein hoher Regierungsvertreter ein, dass das Land in einer Rezession steckt. Der Wirtschaftsberater von Präsident George W. Bush, Lawrence Lindsey, erklärte, die Wirtschaftsleistung werde nach dem dritten auch im vierten Quartal schrumpfen. "Einige würden sagen, wir befinden uns in einer Rezession", sagte er. Die offiziellen Prognosen der US-Regierung für dieses und nächstes Jahr lauten 1,7 und 3,2 Prozent.
Eichel gegen Konjunkturprogramm
Japans Ministerpräsident Junichiro Koizumi sagte, in seinem Land sei eine Rezession "unvermeidbar". Tokio setze auf weitreichende Strukturreformen, um die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Dabei sei "ein vorübergehendes negatives Wachstum unvermeidlich, auch wenn es nicht das ist, was wir wollen".
Anders als die USA und Japan lehnt die Bundesregierung ein staatlich finanziertes Ausgabenprogramm zur Ankurbelung der Konjunktur nach wie vor ab. Auf die Frage, ob die deutsche Wirtschaft die Hilfe der Regierung brauche, sagte Finanzminister Eichel schlicht: "Nein!" Er gab sich zuversichtlich, dass die Bundesrepublik "die Talsohle in diesem Winter durchschreiten" werde.
Eichel schloss allerdings erstmals nicht mehr aus, dass der Bund wegen der Konjunkturflaute 2002 mehr neue Schulden wird aufnehmen müssen als geplant. "Die Finanzplanung muss überarbeitet werden", sagte er. Dennoch halte er "eisern an dem Ziel fest", im Jahr 2006 den ersten Haushalt ohne Nettokreditaufnahme seit den 60er Jahren vorzulegen.
Heftige Gegenwehr der EZB müsste Eichel bei einer vorübergehenden Anhebung der Neuverschuldung wohl nicht befürchten: "Es ist normal, dass sich eine wirtschaftliche Verlangsamung nachteilig auf die Haushaltspositionen der Mitgliedsländer auswirkt", heißt es im jüngsten Monatsbericht der Frankfurter Notenbank. In den vergangenen Monaten hatte die EZB noch darauf gedrängt, dass diese Länder konjunkturbedingte Einnahmeausfälle und Mehrausgaben durch eine restriktivere Haushaltspolitik teilweise ausgleichen.
EU-Komission droht mit Rüge
Mit ihrer jetzt sehr viel kompromissbereiteren Haltung will die Notenbank offenbar auf die europäischen Regierungen zugehen. Diese hatten die EZB in den vergangenen Tagen kritisiert, weil die erhoffte Zinssenkung in der letzten Woche ausgeblieben war.
Dagegen drohte die Europäische Kommission am Donnerstag Deutschland, Frankreich und Italien mit einer förmlichen Rüge, sollten sie die vereinbarten Defizitziele nicht einhalten. "Wenn die Haushalte aus dem Lot laufen, ist meine Antwort klar", sagte Kommissionspräsident Romano Prodi nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Zur Konjunkturentwicklung heißt es in dem Monatsbericht, es bestehe zwar die Aussicht, dass sich die europäische Wirtschaft nach Verarbeitung der Terroranschläge in den USA im Laufe des nächsten Jahres wieder erholt. "Dennoch müssen die Abwärtsrisiken für die derzeitigen Aussichten beobachtet werden." Bankvolkswirte werteten diese Aussage als Signal, dass die EZB zu weiteren Leitzinssenkungen bereit ist.