Mit dem Fahrrad durch Baja California
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Eröffnet am: | 01.05.13 18:59 | von: Aircastle | Anzahl Beiträge: | 6 |
Neuester Beitrag: | 02.05.13 15:34 | von: mod | Leser gesamt: | 2.248 |
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Mit dem Fahrrad 1850 km durch Baja California von Tijuana nach Cabo San Lucas
Eines sei gleich zu Beginn gesagt: Radfahren auf der Mex 1 ist nur etwas für Radbestien und nichts für Radwanderer. Wer an soziale Erlebnisfahrten auf europäischen Radwegen gewohnt ist, sollte die Mex 1 meiden - sie gehört den mexikanischen Trucks und den amerikanischen Home-mobiles, welche besonders im Norden und im Süden oft im Minutentakt vorbeidonnern. 1850 Kilometer mit dem Rennrad die Baja runter zu fahren, bedeutet Radfahren mit hoher Konzen-tration, bedeutet stundenlang mit Tempo 30 zu fahren und bedeutet von 1000 Trucks und Wohnmobilen überholt zu werden.
Die Mex 1 ist etwa ein Meter breiter als zwei sich kreuzende Trucks, da bleibt nicht mehr viel für den Radfahrer. Dieser hat drei Möglichkeiten: Er fährt leicht versetzt in der Strasse und verhindert somit bei Gegenverkehr überholt zu werden. Der Laster, welcher sich meist mit Hupen anmeldet, wird gezwungen abzubremsen, und mit genügend Abstand vorbeizufahren.
Das erfordert aber etwas Mut und ist nicht jedermanns Sache. Oder aber er fährt am Rand, aber links der verankerten Reflektoren und riskiert dabei, auch bei Gegenverkehr überholt zu werden, und dann bleiben oft nur wenig Platz zwischen dem Rad und den 40 vorbei rollenden Tonnen. Oder drittens, er wird zum radfahrerischen Aasfresser und fährt rechts der Reflektoren und begnügt sich mit dem knappen Streifen, der an die Wüste grenzt. Da liegen aber oft auch Sand oder Steine und es bleiben stellenweise nur 10 cm oder noch weniger. Mit dieser Situation ist man während etwa 1000 der 1850 Kilometer konfrontiert.
Das ist aber das einzig Negative. Der Rest ist fantastisch, allem voran die einzigartige
Landschaft der Baja mit den Millionen von Kakteen, gegen 12 Meter hoch und bis ein Meter dick, mit den malerischen Buchten und den endlosen Steppen. Und nicht zuletzt ist es natürlich immer noch eine Herausforderung, die Baja mit dem Rad zu fahren.
Wer die Grenze bei Tijuana überquert und auf der Mex 1 nach Süden fährt, dem fallen auch schnell die weissen Kreuze mit den umgehängten bunten Kunstblumen auf, welche links und rechts der Strasse stehen. Sie stehen einzeln, gelegentlich zu zweit oder zu dritt und in einigen Fällen sind es noch mehr. Sie sind standardisiert - in ihrer Höhe etwa 50 cm - und erinnern stumm an Verkehrsopfer und machen nachdenklich, besonders am Anfang der Reise, wenn Cabo San Lucas noch fast 2000 Kilometer weiter im Süden liegt. Sie halten aber auch ständig an, vorsichtig und konzentriert zu fahren, und prägen einem auch immer wieder erneut ein, auf keinen Fall den Grund für ein weiteres Kreuz zu liefern. Aber Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber.
Der Norden, der bis El Rosario geht, bietet nicht viel, was landschaftliche Schönheiten anbelangt. Von daher gesehen würde man für die erst 400 km besser den äußerst bequemen und klimatisierten Peninsula Bus nehmen, der täglich mehrere Male in beide Richtungen fährt und in allen grösseren Städten hält. Aus radfahrerischer Sicht ist das einzig Erwähnenswerte auf der Fahrt nach Ensenada der Anstieg auf etwa 500 Meter, welchen man nach 100 Kilometer noch zu bewältigen hat. Da kann einem der Jetlag nach den 12 Flugstunden vom Vortag noch einen tüchtigen Strich durch die Rechnung machen. Spätestens hier wird klar, dass die Baja nicht flach ist. Auch wenn es keinen Klausen und keinen Gotthard gibt, und der grösste Berg, der 3100 Meter hohe Pico del Diablo, elegant umfahren wird, so ist die Baja doch derart wellblechig, dass man bis Cabo San Lucas deutlich über 15’000 Höhenmeter in die Beine kriegt.
Die etwas grösseren Ortschaften San Vicente und Colonia Guerrero sind klein und staubig, und um dort zu leben, muss man wohl auch dort geboren sein. Auch in diesen Ortschaften gilt wie überall längs der Mex1: Die 10 Meter links und rechts der Strasse gehören der Regierung. Auf diesem Grund darf weder gebaut noch darf er kommerziell genutzt werden - auch nicht für ein Strassen Bistro. Die 10-Meter Streifen müssen bleiben wie sie sind: staubig, ungeteert und für jedermann zugänglich.
Und immer wieder Trucks - und immer wieder die weissen Kreuze mit ihren Kunstblumen.
El Rosario, this is where the real Baja begins, wie es im Moon steht, d a s Baja Handbuch schlechthin. Das einzige Hotel des Dorfes, das „Hotel Mamaespinoza“, hat einem Bekanntheits-grad, der weit über die Halbinsel reicht. Es wurde von der heute fast 100-jährigen Mutter der jetzigen Besitzerin in den 30-er Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet. Mama Espinoza – eine Legende. Kaum einer, der daran vorbeifährt. Wer nicht dort schläft, der isst zumindest die Spezialität des Hauses - Langusten. El Rosario ist aber auch das Tor zum besten, und schönsten Abschnitt der ganzen Peninsula, zum Nationalpark - der Wüste von Central Baja California. Ab hier gibt es nur noch kleine Ortschaften, und das nächste Hotel kann 100 km oder mehr entfernt sein, man tut gut daran, sich danach zu erkundigen, besonders wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist. Ab hier beginnen die einzigartigen Kakteenlandschaften, das was die Baja ausmacht, und für das, was sie berühmt ist und von vielen, vor allem Amerikanern, besucht wird. Die nächsten 300 km sind praktisch unbewohnt, und man wird entschädigt für die harten Stunden auf der Strasse im Kampf gegen die 40-Tonnen Trucks, ein Kampf, der ungleicher nicht sein könnte –Ein Kampf Sumo gegen Maus. Wer hier übers Wochenende fährt, der hat die Strasse ausnahmsweise fast ganz für sich, die Trucks fahren am Sonntag nicht - das war unser Glück.
Die Fahrt durch diese Zentrale Wüste nach Catavina und anderntags Rosarito war eine Prachtsfahrt vom Allerfeinsten, um die zu geniessen, man erst mal hierher fahren muss. Es waren 300 km mit kaum Verkehr, mit Tausenden von Kakteen der XXL Grösse, und einer Steinlandschaft wie auf den Seychellen, nur ohne Wasser. Das Beste, das die Baja zu bieten hat - ihr Schönstes und ihr Intimstes ! Ein Oscar dem Architekten !
Inmitten dieses National Parks liegt Catavina, das besteht aus zwei Hotels, einem kleinen Laden mit Lebensmittel, und einem Haus für die Hotelangestellten, mehr nicht - wie es sich für einen National Park gehört - auch in Mexico. Dass die Temperaturen im Hochsommer hier
tödlich sein sollen, so der Moon, ist eine andere Sache, wir sind Mitte Februar hier, und da ist es tagsüber ideale 25 Grad, am Morgen hingegen nur etwa deren 4, wie gesagt, wir sind in der Wüste und auf etwa 800 Meter über Meer.
Von Rosarito über Guerrero Negro nach San Ignacio zeigt die Baja, dass sie auch flach sein kann, und sie bedient uns zudem noch mit einem leichten Rückwind, so quasi als kleine Entschädigung für den starken Truckverkehr im Norden und später im Süden. Da lässt es sich schon mal mit 40 kmh fahren und sich auf den Triathlonlenker legen, um richtig Druck auf die
Pedalen zu geben. Auch sind hier die die weissen Kreuze mit ihren Kunstblumen seltener - schließlich ist die Strasse schnurgerade, und man hat Sicht auf 10 Kilometer und mehr. Hier zeigen sich auch die Trucks von ihrer grosszügigen Seite und machen beim Ueberholen einen grossen Bogen –schon fast kollegial.
San Ignacio - eine Oase mit Tausenden von Dattelpalmen und einem See. Hätte man es nicht schon im Voraus aus dem Reiseführer gewusst, die Ueberraschung hätte grösser nicht sein können. Ein idyllischer Fleck, den man mit dem Fahrrad besonders gut besichtigen kann. Dass der Grundwasserspiegel auf der Baja nicht besonders tief liegt, war uns bekannt, schließlich pumpen die Besitzer der Ranchos, das sind Kleinsthäuser, die am Rand der Mex 1 stehen, und in dem einzelne Familien davon leben, was ihr kleines Strassenbistro mit vier Tischen abwirft, das Wasser mit Windmühlen direkt aus dem Boden. Wasser, das angeblich von bester Qualität sei und viel Mineralien aufweise. Strom wird aus Sonnenenergie erzeugt, und das Gas für den
Kochherd stammt aus einer Propangasflasche. Das Menu, welche diese Rancheros ihren Gästen anbieten, kostet gerade mal 3 Dollar. Typisch sind Burros und Tacos - wer die Baja bereist, darf nur ganz im Süden wählerisch sein - dort wird es dann wieder amerikanisch – aber davon später.
Die Fahrt über Santa Rosalia und Mulegé nach Loreto ist ein ständiges Auf und Ab. Während mehreren Kilometer hat man sogar einen Blick auf den Golfo de California. Das Meer sieht man sonst nur selten, denn die Mex1 verläuft im Wesentlichen im Landesinneren. Diesbezüglich lassen übrigens unsere beiden Karten an Genauigkeit stark zu wünschen übrig. Auf der Ostseite der Peninsula liegen auch die Buchten der amerikanischen Homemobiles. Dahin ziehen sich ihre Besitzer im Winter zurück, wie bei uns die Störche nach Afrika. Anonyme Buchten - idyllisch und unberührt. Die Baja ist in diesem Abschnitt noch dünner besiedelt als anderswo. Auf der südlichen Hälfte der Baja leben schätzungsweise 300’000 Einwohner- die Hälfte davon in La Paz. Santa Rosalia kann man durchfahren, wenn man als Radfahrer nicht gerade wieder mal die Wasser-flaschen füllen muss, dafür sind Mulegé und Loreto Städte, die anzuschauen sich lohnt. Mulegé ist wieder eine Oase, wenn auch deutlich kleiner als San Ignacio, und Loreto ist die einzige Stadt neben La Paz, welche eine Strandpromenade hat.
Von Loreto nach CD Constitucion führt die Strasse über einen veritablen Pass von 800 Meter, den wir in diesem Format nicht erwartet hätten. Mittlerweile haben wir etwa 1200 Kilometer in den Beinen und da können solche Anstiege schon mal ans Eingemachte gehen. Dafür lässt dann die Ebene von Magdalena ein Tempo zu, das nie unter 30 fällt. Das ist auch nötig, denn von CD Constitucion nach La Paz sind es 220 km ohne eine Ortschaft dazwischen. Auf die ersten 100 flachen Kilometer folgen 120 km Wellblech, die uns alles abverlangen. Acht Stunden reine Fahrzeit bei hohen 35 Grad ist auch für besser trainierte kein Klacks. Aber schließlich ist La Paz mal das erste Ziel - da wird abgeklatscht. Der Rest nach Cabo San Lucas ist Zugabe, das werden Kurzetappen und könnten sogar als Vergnügungsfahrten eingestuft werden, wenn die Trucks nicht wären. Aber die sind da - mehr denn je - dumpf, brummig, protzig – wie Bullen.
Zwischen La Paz und Cabo San Lucas liegt nur noch Todos Santos, das Ascona
der Baja. Es ist der Ort der Kunstmaler und der Galerien.
Und dann der südlichste Punkt der Baja - Cabo San Lucas- mit den Luxusjachten, dem Ballermann Strand, den Hiltons und den Sheratons und den angeblich schönsten Golfplätzen der Welt. Hier haben wir denn auch das Ende unserer 3-wöchigen Reise durch Baja California erreicht. Während der ganzen Reise haben wir nur drei weitere Radfahrer getroffen. Auch die Motorräder sind verschwunden, kaum einen haben wir zu Gesicht bekommen.
Die Zeiten, in denen man die Mex 1 auf zwei Rädern befahren hat, scheinen endgültig vorbei zu sein, was aber bleibt, ist die Faszination der Baja.
im März 2006
http://www.youtube.com/watch?v=W0fBadYZfxw