Das Ende eines Traumes
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 29.03.08 23:26 | ||||
Eröffnet am: | 29.03.08 23:26 | von: nichts | Anzahl Beiträge: | 1 |
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Kaum eine andere Rede des 20. Jahrhunderts hatte eine solche Bedeutung für die Entwicklungen ihrer Zeit, wie Martin Luther Kings Rede am 28. August 1963 in Washington vor dem Lincoln Memorial: »I have a dream« – »Ich habe einen Traum«. Mehr als 250000 Menschen, unter ihnen etwa 60000 Weiße, waren aus Teilen der USA in einem »Marsch nach Washington für Arbeit und Freiheit« in die Hauptstadt gekommen, um ihrer Forderung nach gleichen Bürgerrechten für alle US-Amerikaner, unabhängig von ihrer Hautfarbe, Nachdruck zu verleihen. Und King, der populäre und zu dieser Zeit wohl unbestrittene Führer der schwarzen US-Bürgerrechtsbewegung war es, der dieser Forderung in seiner Rede den angemessen Ausdruck verlieh. Zehn Monate später, am 2. Juli 1964, trat der Civil Rights Act in Kraft, ein Bundesgesetz von Verfassungsrang, das diskriminierende Wahltests für schwarze US-Amerikaner ebenso verbot wie die Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen. Es verpflichtete das Justizministerium zudem, dieses Gesetz auch aktiv durchzusetzen.
An die Spitze gesetzt
Sieben Jahre zuvor war King an zentraler Stelle dabeigewesen, als die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA ihren ersten großen Erfolg feiern konnte: Am 1. Dezember 1955 hatte sich die damals 42 Jahre alte Rosa Parks aus Montgomery im US-Bundesstaat Alabama geweigert, in einem Autobus ihren Sitzplatz für einen Weißen zu räumen und war daraufhin verhaftet worden. Innerhalb weniger Tage entfaltete sich eine bis dahin nie gesehene Solidaritätsbewegung, und King, damals noch ein junger Pfarrer an der Dexter Avenue Baptist Church in Montgomery, übernahm es, den gewaltlosen Widerstand gegen die Gesetze zu organisieren, auf deren Grundlage Rosa Parks verhaftet worden war: 381 Tage lang boykottierten die schwarzen Einwohner von Montgomery die Autobusgesellschaft ihrer Stadt, bis das Oberste Gericht der USA am 21. Dezember 1956 entschied, daß jede Form von Rassentrennung in Autobussen verfassungswidrig sei.
Der Einsatz für die Bürgerrechte der schwarzen US-Amerikaner hatte in der Familie Kings ebenso wie das Wirken in der Baptistenkirche eine lange Tradition. Schon sein Großvater war Prediger gewesen, und sein Vater hatte bereits vor der Geburt seines ältesten Sohnes den Vorsitz der Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) in Atlanta inne.
Martin Luther King wurde am 15. Januar 1929 in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia geboren. Nach dem Abschluß der Schule besuchte er zunächst das Morehouse College in seiner Heimatstadt, der einzigen vergleichbaren Einrichtung im Süden der USA, die Schwarzen offenstand. 1948 ging er nach Chester im US-Bundesstaat Pennsylvania, um Theologie zu studieren. 1955 promovierte er an der Universität von Boston im US-Bundesstaat Massachusetts. King, der sich während seines Studiums nicht nur ausführlich mit den Werken von Plato, John Locke, Jean-Jacques Rousseau und Aristoteles befaßt, sondern auch die Werke von Karl Marx studierte, fühlte sich besonders dem Wirken des großen indischen Patrioten Mahatma Gandhi verbunden, dessen Synthese von konsequent gewaltlosem Widerstand und Sorge für den Nächsten ihm selbst zum Credo wurde.
Etwa ab 1960, King hatte inzwischen seine Pastorenstelle in Montgomery aufgegeben und war in seine Heimatstadt Atlanta zurückgekehrt, widmete er sich nun auch in beruflicher Hinsicht fast ausschließlich der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Zwischen 1957 und 1968 hielt er mehr als 2500 öffentliche Reden, die von mehr als sechs Millionen Menschen gehört wurden. Doch King sah seine Aufgabe nicht nur darin, an die Menschen unterschiedlicher Hautfarbe zu appellieren, er war immer wieder bemüht, Aktionen des zivilen Ungehorsams zu initiieren und zu organisieren, die auf die Lösung konkreter Probleme zielten. Die unbedingte Gewaltlosigkeit war für ihn dabei Mittel, Weg und Ziel.
1964 schließlich erhielt King im Alter von gerade 35 Jahren als bisher jüngster Mensch den Friedensnobelpreis. Nach den Worten des Vorsitzenden des Nobelpreiskomitees in Oslo war King der »erste Mensch in der westlichen Welt, der uns zeigte, daß ein Kampf auch ohne Gewalt geführt werden kann. Er war der erste, der in seinem Kampf die Botschaft von der brüderlichen Liebe Wirklichkeit werden ließ. Und er hat diese Botschaft allen Menschen, allen Nationen und allen Rassen gebracht.«
FBI observiert
So verwundert es kaum, daß das Wirken von King sehr schnell das Interesse der US-Bundespolizei FBI erregte. Über Jahre hinweg wurde er rund um die Uhr observiert, seine Telefongespräche wurden abgehört, seine Briefe gelesen. Immer wieder bezahlte das FBI Provokateure, die mit Gewaltattacken seine friedliche Bewegung in der Öffentlichkeit diskreditieren sollten und dabei immer wieder durchaus erfolgreich waren. Spätestens seit dem Marsch auf Washington im August 1963 war der »Fall Martin Luther King« für FBI-Direktor J. Edgar Hoover endgültig zur Chefsache geworden.
Zwischen Ende März und Anfang April 1968 hielt sich King wiederholt in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee auf, um dort unmittelbar bei der Vorbereitung eines »Marsches der armen Menschen« mitzuwirken, in dem es vor allem um die soziale Gleichberechtigung gehen sollte.
Am 4. April 1968, genau um 18.01 Uhr Ortszeit, wurde King durch einen einzigen Schuß getötet, als er auf dem Balkon seines Hotelzimmers in Memphis stand und ein paar Worte mit seinem Chauffeur wechselte, der auf dem Parkplatz auf ihn wartete. FBI-Beamte, die jeden seiner Schritte seit seinem Eintreffen in Memphis überwachten, waren, so die offizielle Darstellung, sofort am Tatort und versuchten noch, Erste Hilfe zu leisten. Bereits wenige Stunden nach dem Mord wurde James Earl Ray von den Polizeibehörden als Täter namhaft gemacht.
Ray, ein Kleinkrimineller ohne gewalttätige Vorgeschichte, war ein Jahr zuvor aus der Haft geflohen. Seine Fingerabdrücke fanden sich auf der Tatwaffe, die er angeblich in einem Raum gegenüber dem Hotel zurückgelassen hatte. Nach zweimonatiger Suche wurde Ray in Großbritannien verhaftet und an die USA ausgeliefert. Er bekannte sich schuldig und wurde zu 99 Jahren Haft verurteilt. Doch von Anfang an gab es ernstzunehmende Zweifel an einer Alleintäterschaft Rays, der unmittelbar nach dem Urteil sein Geständnis widerrief und nun seine Unschuld beteuerte. Doch wiederholte offizielle Untersuchungen kamen – kaum überraschend – stets zu dem Ergebnis, daß es keine Verschwörung gab. Erst 1999 urteilte ein Geschworenengericht in einem Zivilgerichtsverfahren in Memphis, daß es sich bei dem Mord an King um eine Verschwörung zwischen Mitgliedern der Mafia und der US-Regierung handelte. Doch blieb dieses Urteil ohne politische oder weitergehende juristische Folgen.
Am Tag vor seinem Tod hatte King seine letzte öffentliche Rede gehalten: Er habe keine Angst, hatte er unter Hinweis auf ein mögliches Attentat gesagt. Denn er habe durch die Gnade Gottes bereits auf dem Gipfel des Berges gestanden und das Gelobte Land gesehen.
Quellentext. Auszüge aus der Rede von Martin Luther King am 28. August 1963
Heute sage ich euch, meine Freunde, trotz der Schwierigkeiten von heute und morgen habe ich einen Traum. Es ist ein Traum, der tief verwurzelt ist im amerikanischen Traum. Ich habe einen Traum, daß eines Tages diese Nation sich erheben wird und der wahren Bedeutung ihres Credos gemäß leben wird: »Wir halten diese Wahrheit für selbstverständlich: daß alle Menschen gleich erschaffen sind.«
Ich habe einen Traum, daß eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können.
Ich habe einen Traum, daß sich eines Tages selbst der Staat Mississippi, ein Staat, der in der Hitze der Ungerechtigkeit und Unterdrückung verschmachtet, in eine Oase der Gerechtigkeit verwandelt.
Ich habe einen Traum, daß meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird. Ich habe einen Traum heute ...
Ich habe einen Traum, daß eines Tages in Alabama mit seinen bösartigen Rassisten, mit seinem Gouverneur, von dessen Lippen Worte wie »Intervention« und »Annullierung der Rassenintegration« triefen ..., daß eines Tages genau dort in Alabama kleine schwarze Jungen und Mädchen die Hände schütteln mit kleinen weißen Jungen und Mädchen als Brüdern und Schwestern. (...) Das ist unsere Hoffnung. Mit diesem Glauben kehre ich in den Süden zurück.
aus jungewelt.de