Einige Logistikhürden beim Bau des A-380
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Eröffnet am: | 02.11.03 16:08 | von: tinti | Anzahl Beiträge: | 2 |
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Eine Maschine für das 21. Jahrhundert
Der Bau des Superjumbos A380 verlangt von Hersteller Airbus eine logistische Meisterleistung. Für den Zusammenbau sammelt ein eigens konstruiertes Schiff die Teile in Europa ein. Von Susanne Ziegert
Das sind die glücklichen Momente im Leben eines Flugzeugingenieurs bei Airbus: Wenn nach vielen Jahren Arbeit ein Prototyp auf dem Rollfeld bei Toulouse beschleunigt und dann endlich zum ersten Mal majestätisch über seine Schöpfer hinweggleitet. Die Ingenieure an ihren Fensterplätzen im angrenzenden Hauptquartier legen den Kopf in den Nacken und halten die Luft an. «Das ist nicht nur ein Beruf, sondern eine Leidenschaft», gesteht der Ingenieur Patrick Tejedor. Fünf Erstflüge hat er miterlebt in 21 Jahren.
Der nächste aber wird das Ereignis sein. Das grösste Verkehrsflugzeug, das jemals gebaut wurde, der Airbus A380, soll im Frühjahr 2005 zum ersten Mal abheben. In Toulouse läuft der Countdown für den Baubeginn des «Superjumbos». Mindestens 555 Fluggäste, verteilt auf zwei Stockwerke, soll die Maschine befördern. Ihre Kabine wird um die Hälfte geräumiger sein als beim Jumbo Jet (Boeing 747) der Konkurrenz. Ein Drittel mehr Sitzplätze werden untergebracht.
Bange Momente
Seit Dezember 2000 tüfteln die Airbus-Ingenieure an der Entwicklung. Patrick Tejedor war gerade drei Monate als Koordinator für Frankreich beim Projekt A380, als die Meldung von der Zerstörung der New Yorker Zwillingstürme per E-Mail eintraf. Es war ein Schock: «Nach und nach wurden die dramatischen Folgen für den Luftverkehr erkennbar.» Eine bange Zeit des Wartens für die Projektmitarbeiter folgte. In einer solchen Zeit das auf elf Milliarden Euro veranschlagte Projekt fortzuführen, erschien mehr als fraglich. Und doch entschied das Management nach gut einer Woche: Der A380 wird fliegen. Die Konstrukteure haben das Flugzeug des 21. Jahrhunderts angekündigt.
Das Flugzeug für die Massen soll nicht mehr Treibstoff verbrauchen als ein Mittelklassewagen. In der Simulation verbrennt er weniger als drei Liter pro Passagier auf einer Strecke von 100 Kilometern. Neue Werkstoffe aus Kohlefaser wurden entwickelt, um etwa 15 Tonnen Gewicht zu sparen. Für ihre Grösse sei die Maschine schlank, versichern die Ingenieure. 240 Tonnen bringt sie aber auf die Waage.
Vergnügliches haben sie sich für die Passagiere ausgedacht. Internet-Zugänge an allen Plätzen, eine Bar und ein Shop sind auf den Entwürfen abgebildet. Welche Errungenschaften der Technik tatsächlich in die Kabine kommen, entscheiden die Airlines. 129 Bestellungen des Flaggschiffs mit einem Listenpreis von 250 Mio. Dollar, sind nach Einschätzung von Vorstandsmitglied Erik Pillet ein «guter Rückenwind».
Noch ist der neue Typ nur ein buntes Puzzle auf dem Computerbildschirm von Patrick Tejedor. Es sind die farbigen Puzzleteile, die das Vorhaben so schwierig machen. Jede Farbe im Flugzeug-Puzzle steht für eine der 16 Fertigungsstätten, die über vier Länder verteilt sind. Ein Blick in die Firmengeschichte erklärt diese Aufteilung. Airbus entstand 1970 als Konsortium. Die deutsche DASA und die französische Aérospatiale Matra SA hielten jeweils 37,9 Prozent der Anteile, die spanische Construcciones Aeronauticas 4,2 Prozent und die britische BAE Systems 20 Prozent. Damals arbeiteten die unabhängigen nationalen Airbus-Ableger gelegentlich parallel an Entwicklungen, waren nur durch Lieferverträge an die Zentrale gebunden. 2001 realisierten die Partner deshalb eine Verschmelzung zur Aktiengesellschaft nach französischem Recht mit Sitz in Toulouse und Tochtergesellschaften in den vier Ländern. Das Gleichgewicht bei der Verteilung der Arbeitsplätze muss auch nach der Fusion gewahrt werden. Darüber wachen die beteiligten Staaten, die bis zu einem Drittel der Entwicklungskosten mit Darlehen vorfinanzieren.
Die nationalen Airbus-Ableger haben sich als «Kompetenzzentren» auf verschiedene Teile des Flugzeuges spezialisiert. Das eigene Transportflugzeug Beluga verfrachtet fertige Produktionsstücke an die Montageorte. Doch die Teile des A380 sprengen selbst die riesigen Dimensionen des Beluga-Transporters. Das macht das Projekt zur logistischen Herausforderung und aus ökologischer Sicht mehr als fragwürdig.
Das Transportabenteuer beginnt in Hamburg. Ein 150 Meter langes Hochseeschiff, das in China massgeschneidert wurde, legt an der neuen hochmodernen Laderampe an und nimmt den vorderen und hinteren Rumpf des Flugzeuges auf. Die Reise geht von der Elbe durch die Nordsee ins britische Mostyn. Die Tragflächen, der britische Beitrag, werden in die Ladeluke des Schiffes befördert. Am nächsten Ankerplatz vor Nantes rollen das Cockpit und der mittlere Rumpfteil an Bord. Der maritime Schwertransport umrundet die Bretagne und läuft im Hafen von Bordeaux ein. Dort wird das Flugzeug-Puzzle auf Binnenschiffe verladen. Bis zum Flusshafen Langon ist die Garonne schiffbar. Fünf Schwerlast- Transporter übernehmen dort die kostbare Fracht. Die Ladung hat Abmessungen wie ein grösseres Haus: fünfzig Meter Länge, zwölf Meter Höhe und acht Meter Breite. Drei Nächte braucht die Kolonne für die 240 Kilometer lange Fahrtroute.
Vieles wird geopfert
«Dieser Abschnitt ist sehr komplex, etwa 50 Ortschaften liegen auf dem Weg», sorgt sich Patrick Tejedor. Strommasten wurden höher gelegt, Bäume gefällt oder gestutzt, Verkehrsschilder abmontiert.
Einige Häuser mussten weichen, um für den Konvoi des wichtigsten Arbeitgebers in der Region Platz zu machen. Am 3. November sollen fünf Lastwagen die erste Testfahrt unternehmen. Bis April müssen alle Hindernisse aus dem Weg geräumt sein, dann soll die Montage beginnen.
Rechtzeitig vorher muss Patrick Tejedor auch die Ausbildung der Toulouser Mitarbeiter für den Umgang mit neuen Materialien und veränderte Arbeitsprozesse koordinieren. Von 48 500 Mitarbeitern in Europa sind derzeit etwa 7000 mit den Projektvorbereitungen beschäftigt.
Oft sitzen Chef und Mitarbeiter viele Hundert Kilometer entfernt. Bisweilen fällt auch die sprachliche Verständigung schwer. Wenn sich die 20 Mitglieder des Betriebsrates offiziell treffen, dann werden sie von bis zu acht Simultandolmetschern begleitet. Als die Übersetzer eingespart werden sollten, protestierten die Gewerkschafter mit Erfolg. Bei den Verhandlungen käme es schliesslich auf die Nuancen an.
Im Alltag tauschen sich die Kollegen grenzüberschreitend auf Englisch über die Fortschritte aus. In Hamburg sind die ersten Rumpfteile schon zur Abholung bereit. In Toulouse hat ein Kran gerade die Dachkonstruktion auf die künftige Montagehalle gesetzt. Die Bürostadt des Flugzeugherstellers wurde um ein 50 Hektaren grosses Gelände erweitert. Vier Flugzeuge sollen später monatlich in der Halle zusammengesetzt werden. Nach der Montage ist ein Jahr für die Tests vorgesehen, bevor 2006 die Auslieferung beginnt. Zuvor soll der A380 aber beim Jungfernflug seine Flugfähigkeit unter Beweis stellen. Dann wird wieder kein Fensterplatz frei sein. «Ein sehr emotionaler Augenblick» für Patrick Tejedor und seine Kollegen. Sie werden sich umarmen, und so manchem gestandenen Ingenieur wird eine Träne im Augenwinkel stehen.
Airbus will Boeing auf dem Weltmarkt überflügeln
Mit dem neuen Grossraumflugzeug Airbus A380 heizen die europäischen Flugzeugbauer den Kampf gegen ihren Konkurrenten Boeing kräftig an. «Ein volleres Bestellbuch haben wir schon», erklärt Airbus-Vorstand Erik Pillet. 250 Maschinen stehen im Orderbuch. Bei Boeing gingen 170 Bestellungen ein. 300 Airbus-Flugzeuge sollen bis Ende dieses Jahres ausgeliefert werden, bei Boeing nur 280. Vor dem Anschlag auf das Word Trade Center übergaben die Amerikaner noch 520 Flugzeuge im Jahr. 1995 lag ihr Marktanteil nach Bestellungen noch bei 80 Prozent, in diesem Jahr erreichen sie nur noch 40 Prozent.
Obwohl Airbus im Vorjahr höhere Stückzahlen verkaufen konnte, erzielte Boeing mit 24,6 Mrd. Euro einen höheren Umsatz. Die Airbus-Maschinen erzielten 19,4 Mrd. Euro. Wegen des höheren Anteils von Grossflugzeugen haben die Amerikaner die Cockpit-Nase beim Umsatz also weiter vorn. Der Airbus-Superjumbo soll das ändern. An der Idee hatte bis 1996 eine gemeinsame Projektgruppe von Boeing und Airbus gegrübelt. Die Amerikaner schätzten den Markt als zu klein ein und gaben das Projekt 3XX auf. Sie prognostizierten nur 500 verkaufbare Maschinen. Bei Airbus erwartet man das Dreifache. Deshalb führten die Europäer die Entwicklung allein weiter. Sie gehen von wachsenden Passagierzahlen zwischen den Hubs aus. «Die Zahl der Slots ist begrenzt, ausserdem liegen die Kosten pro Passagier in der A380 um 15 bis 20 Prozent niedriger», argumentiert Pillet.
Doch der Airbus A380 passt mit seinen Dimensionen längst nicht auf jeden Flughafen. In Zürich wäre zwar die längste Piste lang genug, und am neu gebauten Dock E könnte das Flugzeug auch andocken. Fraglich ist jedoch, ob genügend Passagiere für den Massentransporter in Zürich aufzutreiben wären.
Die Strategen von Boeing erwarten ein stärkeres Wachstum bei den Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, den Direktflügen zwischen etwas kleineren Flughäfen. «Passagiere bevorzugen direkte Verbindungen, deshalb werden die Airlines das auch stärker anbieten», erwartet Sprecher Heinrich Grossbongardt. Die Entwickler von Boeing arbeiten deshalb an einem Langstreckenflugzeug mit 200 bis 250 Sitzen, der Boeing 7E7. Im Dezember soll die Entscheidung für das Vorhaben fallen. Marktstudien gehen von einem Bedarf von 4000 Maschinen aus - genügend, um wieder Terrain zu gewinnen. S. Ziegert