(US)-Aufschwung von Asien abhängig ?
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Eröffnet am: | 27.09.03 09:22 | von: tinti | Anzahl Beiträge: | 5 |
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Die Lokomotive Amerika kommt in Fahrt
Die riesigen Defizite in der Handelsbilanz und im Staatsbudget der USA sorgen für Beschäftigung rund um den Globus. Der künftige Weg zu ausgeglichenen Rechnungen ist voller Risiken für die Weltkonjunktur
Beat Kappeler
Die Vereinigten Staaten werden zur Lokomotive, welche die Weltkonjunktur aus dem Tief zieht. Aber Lokomotiven haben auch Bremsen, und Amerikas Konjunktur hat gleich deren zwei: das Defizit in der Handelsbilanz und das Defizit im Staatsbudget. Wenn dies schief geht, könnte die Weltwirtschaft entgleisen, wenn es gut geht, dampft sie rascher voran.
Die beiden Defizite sind riesig. Der Aussenhandel liegt mit 5% bis 6% des Bruttosozialprodukts im Minus, das Budget mit 3,7%. Vorderhand aber geht alles gut, und zwar dank drei diskreten Herren aus Asien. Die Chefs der Zentralbanken Chinas, Hongkongs und Japans kaufen seit Jahren amerikanische Schuldverschreibungen, hauptsächlich jene des Schatzamtes. Innert Jahresfrist deckten diese drei Käufer 290 Milliarden der 500 Milliarden Dollar im Handelsdefizit der USA.
Arbeit dank Exporten
Damit gibt Asien handfeste Güter gegen Schuldpapiere her, die in den Kellern seiner Notenbanken lagern. Dieser Eifer ist aber nicht selbstlos. Die amerikanischen Behörden fordern immer lauter, China müsse seine Währung aufwerten, denn diese ist seit 1995 im Verhältnis von 8,28 Renminbi-Yuan pro Dollar an die US-Währung gekettet. In diesen Jahren aber steigerte China seine Leistungskraft enorm, um 8% bis 10% jährlich, ohne dass der weiss glühende Wirtschaftsmotor die Preise hochtrieb. Im Gegenteil, während längerer Zeit sanken diese sogar. China wird daher immer konkurrenzfähiger - oder immer unfairer, sagen die Amerikaner. 110 Milliarden ihres Defizits sind auf günstige chinesische Exporte zurückzuführen, weitere 70 Milliarden auf jene Japans.
Soeben warb der amerikanische Finanzminister John Snow auf einer Tour durch Asien reihum für Aufwertungen. Denn die deutliche Abwertung des Dollars seit einem Jahr wirkt nur gegenüber Europa - also gegen Pfund, Euro und Franken - nicht aber gegenüber den an den Dollar gebundenen Währungsräumen Asiens. Europas Handelsüberschuss gegenüber den USA liegt bei 80 Milliarden Dollar, und ohne eine Kursanpassung seitens der Asiaten riskiert die EU, allein von der Umkehr der Handelsströme zu leiden. Dabei garantieren die Exportüberschüsse gegenüber den USA die Beschäftigung von wohl gegen einer Million Arbeiter in der EU, von einem weitere Dutzend Millionen oder mehr in Asien. Die USA spielen hier schon die Rolle einer gewaltigen Lokomotive.
Doch die meisten Experten warnen davor, China zu sehr zu einer Abwertung zu drängen. Wenn seine Währung frei schwankte und die Latte für seine Exporteure deutlich höher läge, würde das stark überschuldete Bank- und Industriesystem erschüttert. Die Firmen könnten ihre hohen Kredite bei den Banken noch schlechter bedienen als heute schon, die zahlreichen illiquiden Banken wären grossen Geldabzügen ausgesetzt. Chinas Wirtschaft würde völlig ausgebremst - kein Wunschbild für die sich anbahnende Erholung der asiatischen Konjunktur. Ausserdem muss China mit seiner billigen Währung heute fehlende Rohstoffe und Anlagen teuer importieren - eine gerechte Retourkutsche für den künstlich verstärkten Boom.
Die USA selbst könnten aber am meisten leiden unter einer Abwertung der chinesischen Währung. Denn während sich die Handelsströme nur langsam umkehren würden, hörten die Asiaten sofort auf, amerikanische Schulden zu finanzieren, für sie wäre eine weitere Stützung des Dollarkurses unnötig. Und das wäre das Ende der tiefen Zinsen in den USA, seiner Industrien und seiner Hausbesitzer. Die amerikanische Konjunktur käme knirschend zum Stillstand. Das Haushaltsdefizit aber liefe ungestört weiter auf, würde sich gar noch vergrössern. Einen Vorgeschmack auf dieses Szenario lieferte der Käuferstreik für neue US-Schuldtitel vor zwei Monaten: Die Zinsen kletterten innert Wochen um 1,5%.
Wie vermeidet Amerika dies, und wie hält sich die asiatische und europäische Klientel aus diesem Szenario heraus? Das kurzfristige Rezept heisst Durchstarten: Die Notenbank der USA überschwemmt das Land mit viel Geld zu tiefen Zinsen, die Regierung Bush produziert absichtlich ein hohes Defizit durch Steuersenkungen und Militärausgaben. Sie praktizieren damit nicht Neoliberalismus, sondern reinsten Keynesianismus. Denn in den guten Jahren unter Präsident Clinton wurden Überschüsse erzielt und Schulden massiv abgetragen. Jetzt wird angekurbelt.
Europas linke Regierungen dagegen brachten damals die Defizite nicht weg und haben heute keinerlei Budgetspielraum. Die USA werden so - im besten Fall - rasch wieder kräftig wachsen, mehr Staatseinnahmen generieren und der genesenden Weltwirtschaft mehr Güter liefern können. Die doppelten Defizite würden fallen. China hingegen müsste eines Tages doch noch unter Inflation leiden - seine Preise steigen jetzt schon - und schliesslich seine Währung aufwerten. Um dies hinauszuschieben, wären China und Japan vorderhand noch zwei, drei Jahre lang gezwungen, Amerikas Schulden aufzukaufen. Bei einer Aufwertung würden sie halt einen Buchverlust auf den Dollarguthaben erleiden, der aber niemanden schmerzt.
Das sind natürlich ganz viele Weichen, die immer in die richtige Richtung gestellt sein müssen. Ausserdem dürfte der Euro nicht absacken, obwohl die grossen Euro-Staaten alles tun, um eine unsolide Budgetpolitik zu treiben und das Vertrauen zu erschüttern. Im Hintergrund drohen die Szenarien Crash in Europa, Zinsanstieg in Amerika und Krise in China für einige Jahre weiter.
Kleines Welt-Direktorium
Die notwendigen Weichenstellungen sind aber stark politisiert und in der Hand von wenigen Akteuren: Chinas und Japans Notenbanken sind am Drücker, Amerikas Regierung ist Bittsteller und Erpresser. Denn in einem Wahljahr und vor dem Hintergrund der laufenden WTO-Verhandlungen können die USA mit Protektionismus drohen, wenn die Währungsverhältnisse nicht gefallen. Die Geld- und Budgetpolitik der USA werden nur von wenigen Beamten und Politikern gemacht. Europa hat wenig zu melden. Das Schicksal der Millionen von Arbeitenden, ihrer Firmen und Banken, ja die ganze Weltkonjunktur hängt von den Entscheiden dieser engen Kreise ab.
Fed-Chef Alan Greenspan, die US-Präsidentschaft, die diskreten Greise Chinas und Japans haben aber die letzten fünfzehn Jahre schlecht und recht gestaltet. Immer mehr Währungen wurden austauschbar, die Notenbanken unabhängiger, China trat in die WTO ein, und wenn zwar fehlgeleitete Kredite die Asienkrise 1997/98 brachten und allzu viel Geld die Börsen-Blase auftrieb, kam die Welt doch immer aus diesen Untiefen heraus. Die beiden US-Defizite stellen aber wohl höhere Ansprüche an dieses kleine Welt-Direktorium. Vor allem, wenn der Aufschwung nicht brechen darf
so 'long' tinti
Mit Aktien ist in den nächsten Monaten nicht mehr das schnelle Geld zu verdienen. Das «Rally» dürfte sich verlangsamen. Es drohen auch Gefahren. Von Fritz Pfiffner
Neues Jahreshoch an der Schweizer Börse, der Blue-Chips-Index SMI schloss am Freitag bei 5387,10 Punkten oder 16,6% höher als zu Jahresbeginn. Wie geht es weiter? Ein Teil der Finanzgemeinde ist euphorisch. So haben die von Merrill Lynch weltweit befragten 307 Fonds-Manager nicht die geringsten Bedenken, dass dem Börsenaufschwung bald die Puste ausgehen könnte. Über vier Fünftel glauben, Weltwirtschaft und Unternehmensgewinne würden im nächsten Jahr wieder kräftig wachsen. Die Fonds-Profis erwarten ein Gewinnwachstum pro Aktie von über 10%.
Andere Super-Optimisten blenden einfach zurück. Im März-Tief dieses Jahres stand der SMI bei 3618 Punkten, das Allzeithoch wurde im Juni 1998 mit 8489 Punkten erreicht. Wer den Börsen-Gipfel im Visier hat, sieht denn auch jetzt noch einen langen steilen Weg nach oben.
Nutzlose Zahlenspiele
Nur taugen solche Zahlenspielereien, solche Vergleiche von Allzeithöchst und Allzeittiefst als Prognose wenig. Denn weder der Kursgipfel noch die Talsohle waren wohl Gleichgewichtswerte: Einmal war die Börse massiv über-, das andere mal wohl krass unterbewertet. In welchem Ausmass, vermag niemand genau zu sagen.
Entscheidend sind gegenwärtig zwei Fragen: Was an Aufschwung, an Gewinnwachstum ist in den heutigen Börsenkursen bereits vorweggenommen? Und wie sind die gegenwärtigen Bewertungen zu beurteilen? Dabei trifft Erwin Heri zweifellos den Nagel auf den Kopf, wenn er warnt, dass «wir an den Finanzmärkten mehr und mehr auch Leute antreffen, die bezüglich ihrer eine ganz spezifische (Verkäufer- und damit Kommissions-)Agenda vertreten».
Dennoch kommt man um Einschätzungen von Experten nicht herum. In einem sind sich die von uns befragten Schweizer Profis einig: Ein erheblicher Teil des Wirtschaftsaufschwungs ist in den Aktienkursen bereits enthalten. «Wir glauben jedoch», sagt Alex Hinder, Chief Investment Officer der Bank Leu, «dass die Marktteilnehmer die Stärke und Breite des Aufschwungs im Moment noch unterschätzen.» Die besseren Konjunkturzahlen würden sich deshalb in den kommenden Monaten in weiter, aber langsamer steigenden Aktienkursen niederschlagen. Auch für Thomas Lips, CIO der AG Private Bank, «ist es mit dem leichten Geld an den Börsen vorbei, das dank dem extremen Stimmungsumschwung in den letzten Monaten verdient werden konnte».
Eher skeptischer beurteilt Konrad Hummler, Teilhaber der Bank Wegelin, vor allem die US-Wirtschaft, habe doch der Arbeitsmarkt bisher überhaupt nicht reagiert. Das zeige, dass die Investitionsnachfrage mit Ausnahme der Kriegswirtschaft noch keine Anzeichen einer Erholung zeige. In der Tat lebt der robuste Konsum von Stimulierungen der Fiskalpolitik, die im nächsten Jahr an Kraft einbüssen werden und nicht von höherer Beschäftigung. «Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in den USA ist zentral für die Finanzmärkte», meint auch Beat Schuhmacher von CS Private Banking.
Niemand spricht von einer neuen Hausse, von einem Bullenmarkt. «Das Bärenmarkt-Rally dürfte einfach länger andauern, als viele erwartet hatten», ist Hinder überzeugt.
Technologie überbewertet
Praktisch gleicher Meinung sind die Experten hinsichtlich Börsenbewertungen. Sie seien unter Berücksichtigung des tiefen Inflations- und Zinsniveaus keineswegs zu hoch - mit einer Ausnahme allerdings. Den Bewertungen der Technologietitel, mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen, die zum Teil an die Internet-Euphorie erinnern, trauen die Anlageprofis nicht. «Der Technologiesektor ist überbewertet», meint Hinder.
Hingegen haben nicht nur in den USA, sondern auch in Europa viele Unternehmen Kosten gesenkt, Kapazitäten angepasst und damit ihre Margen halten oder sogar verbessern können. Entscheidend wird sein, ob und wie stark mit dem Aufschwung die Umsätze in Fahrt kommen. «Da besteht Raum für positive Überraschungen», ist Lips überzeugt.
Kein Thema ist bei den Finanzmarktexperten derzeit die Inflation. Denn das Wirtschaftswachstum führt in den industrialisierten Ländern nicht sehr rasch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. «Die Angebotsseite ist dank dem rasanten Aufbau neuer industrieller Kapazitäten in China sehr elastisch und lässt kaum Raum für Preiserhöhungen», meint Lips.
Längerfristig wird das Inflationsrisiko in den USA höher als in Europa eingeschätzt. Die Europäische Zentralbank dürfte sich wohl an das Inflationsziel von 2% halten und auch in Zukunft eine weniger expansive Politik betreiben als die US-Notenbank.
Dennoch sind die Obligationenzinsen gestiegen und könnten nach Meinung der Marktbeobachter noch weiter moderat klettern, da sie auf dem Hintergrund der Flucht in die Sicherheit zu Beginn des Jahres rekordtiefes Niveau erreicht hatten.
Augenfällig ist, dass allem Optimismus zum Trotz in den Portfolios der Kunden die Aktien derzeit nicht allzu stark über dem Soll liegen. So hat die Bank Leu beim Anlageziel «Ausgewogen» eine minime Übergewichtung der Aktienquote von einem Prozent gegenüber dem Ziel. «Wir haben die Sektorstrategie in Europa dynamischer auf Zykliker (Chemie und Basisgüter) ausgerichtet», sagt Hinder. Die AIG Private Bank spricht ihrerseits von «mittlerer Übergewichtung» der Aktienpositionen, wobei Japan und die Schwellenländer favorisiert werden.
Ein Koloss auf Stellensuche
Die Wirtschaft und die Aktienmärkte in den USA sind auf Erholungskurs. Was fehlt, sind Arbeitsplätze. Von Heike Buchter
Es war der denkbar schlechteste Zeitpunkt. Am 1. Oktober 2001 gründeten Jason Blank und Adam Jaffe ein IT-Unternehmen in Manhattan. Zwei Wochen nach dem Terroranschlag und in der tiefsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die zwei sassen in einem winzigen Büro und hofften auf Aufträge. «Unser erster grösserer Deal war der Aufkauf der Hardware einer Pleite gegangenen Internetfirma», erzählt Jason. Die gebrauchten Computer verkauften sie gewinnbringend weiter. Inzwischen hat die Firma IBS Technology ihren Sitz an der repräsentativen Fifth Avenue, wird in diesem Jahr 3 Mio. $ umsetzen und ist seit drei Monaten profitabel.
Zins- und Job-Ängste
Jasons IBS Technology ist kein Einzelfall. Die Wirtschaft in den USA ist nach drei harten Krisenjahren wieder angesprungen. Das Bruttoinlandprodukt ist im 2. Quartal nach Einschätzung der Analysten um 3,1% gewachsen. Der Löwenanteil des Wachstums geht zwar auf die höheren Verteidigungsausgaben der Regierung zurück, aber der Trend stimmt. Davon ist zumindest Abby Joseph Cohen, Analystin bei Goldman Sachs, überzeugt: «Es gibt genügend Anzeichen dafür, dass sich das Geschäftsklima verbessert hat, gleichzeitig stocken Unternehmen ihre Lagerbestände auf und steigern ihre Investitionen.» Cohen, die trotz der Börsenbaisse der vergangenen Jahre unerschütterlich Aktien empfohlen hat, glaubt an eine Fortsetzung des Rallys, das den S&P-500-Index bis auf 1150 Punkte treiben könnte. Derzeit steht das Börsenbarometer bei 1036 Zählern, dem höchsten Stand seit Juni. Seit Jahresanfang hat der S&P 500 18% zugelegt. Der Dow Jones erreichte diese Woche ein 15-Monate-Hoch, die Nasdaq schaffte es über die 1900 Punkte. Anfang des Jahres notierte die Messlatte der Wachstumswerte bei 1335.
Die Kurse seien der Wirtschaftsentwicklung vorausgeeilt, warnt dagegen Richard Bernstein von Merrill Lynch. Zwar haben die Unternehmen wieder mehr Gewinne eingefahren in den vergangenen Monaten, aber das Gewinnwachstum hat nach Ansicht Bernsteins den Zenit bereits wieder überschritten. «Dieses Rally haben wir klar verpasst», räumt der Analyst ein, der zu den bekanntesten «Bären» der Wall Street gehört. Das Eingeständnis macht ihm wenig aus, glaubt er doch im Grundsatz richtig zu liegen mit seiner Prognose, dass die Unternehmensgewinne langsamer wachsen würden, als die Bewertungen der Unternehmen in den Börsenkursen implizieren. Seinen Fans empfiehlt er, keinesfalls auf den abgefahrenen Zug aufzuspringen. Überhaupt kann Bernstein keine breite Erholung bei den Unternehmen erkennen. Er bleibt bei seiner Prognose für den S&P 500 von 850 Zählern - das hiesse, dass der Index bis zum Jahresende 17% verlöre.
Keine Wolke am Horizont sieht dagegen Ed Yardeni, Chef-Stratege von Prudential. «Wenn ich nicht irgendetwas Wesentliches übersehen habe, dann sehe ich die Unternehmensgewinne im 3. Quartal sehr gut ausfallen.» Präsident Bushs grosszügiges Steuerpaket von 350 Mrd. $ und das nach wie vor niedrige Zinsniveau seien «enorm stimulierend». Die Aufwärtsbewegung erfasst jetzt seiner Ansicht nach auch die zyklischen Sektoren wie Technologie und Industriewerte.
Ein Fragezeichen setzt die Zinsentwicklung. Obwohl Notenbankchef Alan Greenspan die Leitzinsen auf historisch niedrigem Niveau hält, treibt der schwächere Bondmarkt die Zinsen nach oben. Langfristig könnte auch das auf 450 Mrd. $ angewachsene Defizit des Staatshaushaltes eine zinstreibende Wirkung entfalten. Aber die grösste Sorge der Amerikaner ist die Tatsache, dass die Erholung bisher keine neuen Jobs geschaffen hat. Im Gegenteil: Im August vernichteten die Unternehmen 93 000 Stellen. Alarmierend ist, dass Technologiefirmen weiterhin Stellen abbauen. Im September verkündete Telekomausrüster 3Com, 1000 Mitarbeiter - ein Drittel der Belegschaft - entlassen zu wollen, Sun Microsystems will ebenfalls 1000 Leute feuern. Einen derart massiven Arbeitsplatzabbau gab es noch nie während einer Aufschwungphase.
Voll auf der Kostenbremse
Wie sehr die Unternehmen die Kostenbremse weiter durchgedrückt halten, lässt sich an der sprunghaft gestiegenen Produktivität ablesen: Sie ist im 2. Quartal um spektakuläre 6,8% gestiegen. Das heisst, die Unternehmen produzieren immer mehr mit immer weniger Leuten. Richard Berner, der für Morgan Stanley den US-Aktienmarkt beobachtet, ist überzeugt, dass die Konjunkturkurve stabil nach oben zeigt: «So wie der Ertragseinbruch im 2000 die Rezession hervorgerufen hat, so werden die steigenden Unternehmensgewinne die Investitionen und das Stellenwachstum im 2004 und darüber hinaus ankurbeln.» Erst mal warten viele Unternehmen noch ab, bevor sie das «Wir stellen ein»-Schild an die Tür hängen. Jasons IBS beschäftigt derzeit fünf Angestellte - und dabei bleibt es vorerst. «Jetzt will ich ein halbes Jahr abwarten und das Bankkonto auffüllen. Dann stelle ich wieder ein.»
Sturmschäden und eiskalte Rache
Es war der perfekte Sturm. Er hatte sich über Tage, ja Wochen aufgebaut. Am Mittwoch erreichte er seinen Höhepunkt: Am Abend trat Dick Grasso, Chef der New York Stock Exchange, zurück. Die Tiefausläufer der Gehalts-Affäre und seine ebenso fürstliche Vergütung von (bisher bekannten) 188 Mio. Dollar werden an der Wall Street eine nachhaltigere Wirkung zeigen als «Isabel». Statt der befürchteten Milliardenschäden dürfte der zum tropischen Sturm abgeblasene Hurrikan nur mit rund 500 Mio. Dollar zu Buche schlagen. Wie viel hingegen das durch die Grasso-Affäre lädierte Image die Leitbörse der Welt kosten wird, ist noch immer ungewiss. Wird die 211 Jahre alte Institution künftig in eine separate Aufsicht und einen privatisierten Marktplatz aufgespalten, dürfte es schwer werden, die Vormachtstellung unter den Börsen zu erhalten.
Optimisten hoffen auf die reinigende Kraft starker Winde und auf neue Besen, die gut kehren. Doch statt Besen erhielt die NYSE vorerst andere Haushaltsutensilien: Die fünf Kandidaten für den vakanten Posten, die der arg zerzauste Aufsichtsrat zu fragen wagte, gaben alle einen Korb.
Abgang bei Motorola
Genau andersherum verhielt es sich bei Motorola. Der Aufsichtsrat des Mobiltelefon- und Chipherstellers gab Vorstandschef Christopher Galvin den Abschied. Man habe sich trotz seinen Erfolgen nicht über Geschwindigkeit, Strategie und Fortschritte einigen können, erklärte der Scheidende. Schlicht gesagt: Nach sechs Jahren im Amt bestand offenbar in keinem Punkt Einverständnis mit seinem Arbeitgeber. Gleich massenweise wird bei R. J. Reynolds zurückgetreten: Der zweitgrösste US-Tabakkonzern entlässt 2600 Mitarbeiter, was rund 40 Prozent der Belegschaft entspricht. Damit dem Zigaretten-Hersteller nicht die Puste ausgeht, will er sich künftig auf Luxus-Glimmstengel wie Camel und Salem konzentrieren. Dafür gingen die Anleger zwar nicht meilenweit, aber die Aktien stiegen immerhin 10%.
Auch andere Branchen haben Probleme mit der Fitness. Die Turnschuh-Verkäufe von Nike auf dem US-Markt gingen um 5% zurück - das vierte Quartalsminus in Folge. Nur die Turnschuhträger in Asien und Europa und der schwache Dollar retteten den Sportartikelproduzenten. Immerhin haben sich die Bestellungen erhöht, was mit einem Kursanstieg von 4,5% goutiert wurde. Jetzt muss sich Nike nur noch mit Foot Locker aussöhnen. Erste Anzeichen dafür gibt es: Der Hersteller und die grösste Sportschuhkette planen gemeinsame Schuhmodelle.
Unversöhnlich sind hingegen die hausinternen Fronten bei AOL Time Warner. Die Time-Warner-Seite feiert einen weiteren Sieg: Aus AOL Time Warner wird jetzt wieder Time Warner. Damit ist die Internet-Ära endgültig begraben. Der Name verschwindet von Visitenkarten und Briefkopf sowie vom neuen New Yorker Hauptquartier am Columbus Circle. Die rachedurstigen Time-Warner-Manager, deren Aktienpakete durch die Fusion schwindsüchtig wurden, agieren gründlich: Sogar der Börsenticker lautet bald wieder TWX statt AOL.
Bear Stearns lässt hoffen
Eitel Sonnenschein und allseitiges Schulterklopfen herrschte dagegen bei Bear Stearns. Das Investmenthaus übertraf eigene und fremde Erwartungen, steigerte im dritten Quartal den Umsatz von 1,15 Mrd. Dollar im Vorjahreszeitraum auf 1,49 Mrd. und verdoppelte den Gewinn auf 2,30 Dollar pro Anteil. Selbst die grössten Optimisten hatten nicht mehr als 1,93 Dollar erwartet. Das lässt die Erwartungen für Goldman Sachs, Morgan Stanley und Lehman Brothers rasant steigen - die Brokerhäuser legen ihre jeweiligen Ergebnisse für das dritte Quartal am kommenden Dienstag vor.
Während Bear-Stearns-CFO Sam Molinaro die Aufwärtsentwicklung alles andere als verhehlte, gab sich Alan Greenspan recht pessimistisch hinsichtlich der Wirtschaftslage. Analysten vermuten darin reinen Zweckpessimismus: Der Notenbankchef wolle mit der Miesmacherei die Investoren zum Kaufen von Bonds animieren. Sollte dort nämlich die Nachfrage weiter nachlassen, dann fallen die Kurse. Das wiederum führt bei Bonds zu steigenden Renditen - und dies kommt letztlich Greenspans Niedrigzinspolitik in die Quere. Jens Korte, New York
Es riecht nach Aufschwung
Die Wirtschaft ist wieder erwacht, die Indikatoren weisen nach oben, Optimismus prägt die Stimmung. Die neue Hoffnung hat einen Namen: China
Die Börse zieht an, die UBS revidiert nächste Woche ihre Prognose nach oben, die wichtigen Indikatoren zeigen aufwärts: 2004 soll neuer Schwung die Wirtschaft beleben. Am meisten Dynamik entfaltet China.
Daniel Hug
Das wirtschaftliche Jammertal ist durchschritten, die Wirtschaft atmet wieder frische Luft. Wer mit Firmenvertretern spricht, stellt einen Stimmungswechsel fest: Neu erwachter Optimismus hat die depressive Stimmung verdrängt, die noch vor drei Monaten die Wahrnehmung prägte.
Der Schweizer Börsenindex SMI ist seit dem Tiefstand im März um nicht weniger als 50% emporgeschossen - und hat dabei die «Widerstandslinien» der Chart-Theoretiker gleich mehrfach übersprungen. Seit Jahresbeginn hat sich der Wert der grossen Schweizer Unternehmen um 17% vermehrt. Die Börse ist der Markt der Zukunftserwartungen - und sie sind eindeutig positiv, vielleicht bereits wieder überschwänglich.
Die exportorientierte Industrie verzeichne spürbar mehr Aufträge, sagt UBS-Ökonom Thomas Kägi. Nächste Woche wird die UBS ihre revidierte Konjunkturprognose vorlegen. «Für die Jahre 2004 und 2005 sind wir deutlich optimistischer», stellt Kägi schon heute in Aussicht. Bisher hat die Grossbank das Schweizer Wirtschaftswachstum für das nächste Jahr auf 1,4% geschätzt. Allerdings wird man im laufenden Jahr mit einem Minus rechnen müssen, weil der Aufschwung zu spät spürbar wird. «Es dauert noch eine Weile, bis sich die anziehende Auslandnachfrage hierzulande niederschlägt», meint auch CS-Chefökonom Alois Bischofberger.
«Unser Barometer zeigt seit Mai nach oben», sagt Bernd Schips von der Konjunkturforschungsstelle (KOF): «Die Unternehmen schätzen ihre Lage optimistischer ein als im Frühjahr.»
Noch deutlicher ist die Einschätzung von Jim O'Neill, dem Chefvolkswirt von Goldman Sachs: «Das Bild, das sich uns heute präsentiert, stimmt uns optimistischer als alles, was wir seit 1999 gesehen haben», sagte er im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag». Japans Wirtschaft sei im zweiten Quartal annualisiert um 3,9% gewachsen; die US-Wirtschaft werde - getrieben von Steuersenkungen und tiefen Zinsen - im dritten und vierten Quartal Zuwachsraten gegen 5% ausweisen. Aber auch in Europa werde der Aufschwung einsetzen, «und das wird auch der Schweiz helfen», sagt O'Neill.
Der Motor der US-Wirtschaft werde aber nächstes Jahr wieder etwas langsamer drehen: Zu drückend sind die Schulden des Staates, zu hoch ist das Leistungsbilanzdefizit, das rund 5% des Bruttoinlandprodukts erreicht. «Es fliesst nicht genügend Kapital in die USA, um dies auszugleichen, befürchtet der Goldman-Sachs-Ökonom.
Dafür fliesst das Geld in Strömen Richtung Osten, nach China. «Dieses Riesenland wächst so stark, dass es für die südostasiatischen Länder heute die Lokomotive spielt», sagt O'Neill. Selbst Japan liefere heute 15% seiner Exporte nach China - und 20% an die USA. Diese Lücke schliesse sich aber rasch. Die Dynamik von Chinas Nachfrage sei ein wichtiger Grund, warum es Japan heute besser gehe. «Wir leben in einer wichtigen Umwälzungsphase der Weltwirtschaft: Asien kann nachhaltig wachsen, selbst wenn das US-Wachstum sich als nicht dauerhaft erweisen sollte», analysiert O'Neill. Asien sei immer weniger auf die USA angewiesen.
Auch für Schweizer Manager ist das Land, das immer noch wie eine Wirtschaftsdiktatur geführt wird, der neue Leitstern. Am Anfang des 21. Jahrhunderts entfacht die Hoffnung auf den gigantischen Markt mit seinen 1,3 Milliarden Konsumenten eine ähnliche Begeisterung wie die Internet-Euphorie Ende der 1990er Jahre. «Wir setzen stark auf den chinesischen Markt», sagt Michel Nieto, Chef der Uhrenfirma Baume & Mercier. Ab April 2004 wird die Uhrenmarke der Richemont-Gruppe ein Distributionsnetz aufbauen - und massiv investieren. China, so Nieto, werde für seine Marke nach den USA zum zweitwichtigsten Markt. Auch der Marktführer Swatch Group wächst im Reich der Mitte mit hohen zweistelligen Zuwachsraten, genauso wie Carl F. Bucherer. «An der Ostküste Chinas geht wirklich die Post ab», sagt Thomas Morf, CEO von Carl F. Bucherer. Trotz Sars-Krise haben die Uhrenexporte im laufenden Jahr um 158% zugenommen. Ein Teil davon sind aber Umlagerungen, da Hongkong als Drehscheibe an Bedeutung verliert.
Nicht nur die Uhrenindustrie, auch Grosskonzerne wie Novartis, Swiss Re oder ABB setzen auf China. In jüngster Zeit richten auch immer mehr mittelgrosse Firmen ihren Blick nach China. Kommt man in der Diskussion auf den Milliardenmarkt zu sprechen, wie jüngst an einem von der Bank Leu organisierten Investoren-Tag, beginnen bei vielen Unternehmern die Augen zu leuchten. Sogar bei vermeintlich konservativen Firmen ist eine gewisse Goldgräberstimmung zu verspüren.
Die Schweizer gehören denn auch zu den Grossinvestoren. So besitzt etwa der Industriekonzern Georg Fischer mehrere Fabriken vor Ort und beschäftigt über 1000 Mitarbeiter im Reich der Mitte. «Die Nachfrage nach unseren Produkten ist enorm», sagt Georg-Fischer-Chef Kurt Stirnemann. Schon heute produziere der Konzern in China fast so viele Maschinen wie in der Schweiz. Weil sich die Grossen der Autoindustrie in China niedergelassen haben, bleibt den Zulieferern oft gar nichts anderes übrig, als dort ebenfalls einen Standort aufzubauen.
Auch die Hersteller von Textilmaschinen wie Rieter und Saurer folgen dem Lockruf des Ostens: «China hat eine viel höhere Dynamik als Europa oder die USA», sagt Saurer-Chef Heinrich Fischer. Im vergangenen Jahr hat der Umsatz der Gruppe in den asiatischen Ländern massiv zugenommen, während die Verkäufe in Europa stagnierten. Selbst vergleichsweise kleine Firmen, wie der Hörgerätehersteller Phonak, überlegen sich, ob sie eine Fabrik in China eröffnen sollen.
Die Exportzahlen sprechen eine klare Sprache: Das Volumen hat sich in drei Jahren verdoppelt. Nur ist der Anteil von China an den gesamten Schweizer Ausfuhren mit 1,7% noch bescheiden. Tatsächlich ist er aber einiges höher, weil immer noch viele Exporte über die Drehscheibe Hongkong abgewickelt werden. China, Japan und die Tigerstaaten sind heute für die Schweiz schon wichtiger als die USA.
Wenn sich nun auch der grosse Nachbar der Schweiz erholt, kann man eigentlich zuversichtlich sein: In Deutschland ist der Ifo-Geschäftsklima-Index im August zum vierten Mal in Folge deutlich gestiegen.
Und vielleicht noch ein letztes Zeichen, das die konjunkturelle Trendwende bestätigt: Die Beratungsfirma McKinsey sucht wieder Personal - und schaltet Stelleninserate. «Wir wollen in diesem Jahr 20 bis 40 Consultants einstellen», sagt ein Sprecher von McKinsey Schweiz. Die Vordenker des Managements bearbeiten nach den vorwiegend auf Kostensenkungen ausgerichteten Aufträgen wieder vermehrt Projekte, die im Zusammenhang mit Investitionen stehen.
Mitarbeit: Chanchal Biswas, Roman Oberholzer