Die üblichen Tricks der Bilanzkosmetiker


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Neuester Beitrag: 09.04.02 16:48
Eröffnet am:06.04.02 16:56von: SAHADOOMAnzahl Beiträge:4
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50 Postings, 8710 Tage SAHADOOMDie üblichen Tricks der Bilanzkosmetiker

 
  
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06.04.02 16:56
Von Diane Brady, BusinessWeek Online

5. April 2002 Howard Schilit sagt, seine 13-jährige Tochter hält ihn für „weltfremd“. Da sind die Analysten und Fondsmanager, die sich am 2. April im Princeton Club in New York drängen, allerdings ganz anderer Meinung. Viele, die keine der Eintrittskarten für 45 Dollar mehr ergattern konnten, kommen trotzdem und hoffen, doch noch einen Platz bei dem ausverkauften Seminar des Bilanzgurus über die Aufdeckung von Bilanzierungstricks zu bekommen.

Und das weiß Schilit auch. 3.700 Einzelpersonen und 470 institutionelle Kunden nehmen bereits die Dienste seiner Gesellschaft in Anspruch. Schilits Angaben zufolge sind im Januar doppelt so viele Kunden hinzugekommen als im Vorjahr. Seine Dienste sind auch nicht billig - über die Details schweigt sich Schilit zwar aus, doch die Kosten für institutionelle Anleger liegen bei „mehreren zehntausend Dollar“.

Fachmann bei Aufdeckung von Bilanzmauscheleien

Schilit selbst ist in den Medien mittlerweile als absolute Autorität für Bilanzmauscheleien von Unternehmen allgegenwärtig. Darüber hinaus hat er gerade eine aktualisierte Fassung seines Buchs Financial Shenanigans: How to Detect Accounting Gimmicks and Fraud in Financial Reports aus dem Jahr 1993 veröffentlicht. Unter anderem wurde die neue Fassung durch ein Kapitel über Enron mit dem Titel „Schlimmer geht's nicht“ ergänzt. Schilit bemerkte die Schwindeleien bei Enron auch nicht vor dem großen Zusammenbruch - er war nach eigenen Aussagen zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt - er hat aber bei den Bilanzdebakeln bei Cendant und anderen Unternehmen Alarm geschlagen.

Trotz aller Befürchtungen über unklare Bilanzierungsmethoden und irreführende Zahlen ist es Schilit zufolge relativ einfach, Problembereiche zu erkennen. Für ihn ist der erste Hinweis eine plötzliche Umstellung des Rechnungslegungsverfahrens. Derartige Umstellungen können Tricks sein, mit denen eine Verschlechterung im Kerngeschäft verschleiert werden soll, so Schilit.

Starke Schwankungen machen hellhörig

Das Gleiche gilt für Unternehmen, deren Kennzahlen - wie zum Beispiel Cashflow, Forderungen oder Vermögenswerte - dramatische Schwankungen verzeichnen. Schilits Erfahrung nach bleibt der ungefähre prozentuale Anteil jedes Teilbereichs in der Regel stabil. Wenn sich ein Teil der Gleichung ändert, könnte das ein erstes Anzeichen für Probleme sein - insbesondere wenn sich die Ergebnisse dadurch deutlich verbessern. Schilit formuliert es so: „Wenn Sie gestern noch krank im Bett gelegen haben, werden Sie heute wohl kaum einen Marathon laufen.“

Er erinnert sich daran, wie er vor ein paar Jahren in den Jahresabschlüssen von IBM vergeblich nach Hinweisen auf einen außerordentlichen Gewinn in Höhe von 3,7 Milliarden Dollar fahndete. Der Gewinn tauchte in der Kapitalflussrechnung nirgends auf. Stattdessen hatte „Big Blue“ den Gewinn als Reduzierung der Vertriebs- und Verwaltungskosten verbucht. Damit, so Schilit, wurde den Anlegern der Eindruck vermittelt, dass IBM nicht etwa durch einen großen Kapitalzufluss, sondern durch Effizienzverbesserungen eine deutliche Kostenreduzierung erreicht hatte.

Anleger sollten generell misstrauisch sein

Schilit rät zudem, besonders auf vage formulierte Posten zu achten, mit denen die Unternehmen ihre Zahlen schönen können. Zu Schilits Favoriten zählen hier „im Voraus bezahlte Aufwendungen und sonstige Gegenstände des Umlaufvermögens“, „nicht einnahmenwirksame Umsätze“ oder „nicht fakturierte Forderungen“. Stille Reserven stellen ebenfalls eine praktische geheime Geldquelle dar, die in schlechten Zeiten angezapft werden und eine irreführende Steigerung des Gewinns bewirken kann.

Kurz gesagt: Die Anleger sollten allen Faktoren mit Misstrauen begegnen, mit denen die wahre Gewinnsituation des Unternehmens verschleiert werden kann. Das heißt, dass man einerseits Umstellungen der Rechnungslegung aufgrund von so genannten „strategischen Änderungen“ anzweifeln und andererseits auch verstehen sollte, worin die Unterschiede zwischen den verschiedenen Posten eines Jahresabschlusses bestehen.

Damit sich die Anleger im Dickicht der Bilanzierung besser zurechtfinden, hat Schilit die häufigsten Tricks in sieben Kategorien zusammengefasst:

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6537 Postings, 8342 Tage SchnorrerIm Prinzip richtig, aber das bei Prüfern

 
  
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06.04.02 17:11
durchzubringen, ist das eigentliche Kunststück. Das geht dann in Richtung Dokumentenfälschung und ist kriminell. Das soetwas gemacht wird, möchte ich nicht generell unterstellen, dazu sind die Aufbewahrungspflichten zu lange.

Aber es gibt schon kreative Ansätze, Beispiel aus dem realen Leben:

Ein Vorstand wollte unbedingt den Gewinn der Firma um mehrere zweistellige Millionen durch eine Rückstellung drücken (Grund: Auflösung im nächsten Jahr gewinnerhöhend, und seine Bonusregelung war so gestaltet, daß er 50% davon bekam durch diese Luftnummer): er hat einen drohenden Rechtsstreit erfunden und den mit allen möglichen Konsequenzen plausibel nachvollziehbar dargestellt. War schlüssig.

Was er nicht wußte: die Firma, die ihn angeblich verklagen wollte, wurde von uns auch geprüft: dort lag nichts, aber auch gar nichts vor. Eine reine Erfindung.

Leider darf man solche Infos nicht verwerten und wir mußten ihn gewähren lassen.

Im nächsten Jahr hat er seinen 20 mio Bonus eingestrichen, wurde sofort entlassen (die Luftnummer war ex-post durchschaubar) mit weiteren Millionen an Abfindung.


PS: den Vorstandsvertrag mit dieser Bonusregelung habe ich mir kopiert. Echt genial.


Nur mal so erzählt, zum Schmunzeln (oder Weinen).  

6537 Postings, 8342 Tage SchnorrerJo, do leggst mi doch fädd ... wie das bayerische

 
  
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09.04.02 15:56
Urgestein zu sagen pflegt in Augenblicken höchster emotionaler Verwirrung. Oder anders ausgedrückt: warum wundert mich das nicht, was im folgenden kommt?


Schwere Vorwürfe gegen Deutsche Bank

Die geschädigten Anleger des bankrotten US-Energiehändlers Enron wollen jetzt auch neun Banken in ihre Schadenersatzklage mit einbeziehen. Die Institute - darunter auch die Deutsche Bank - sollen den Enron-Managern geholfen haben, durch Insidergeschäfte rund 1,2 Milliarden Dollar beiseite zu schaffen.



Banken als Helfer des Enron-Managements: Enron-Zentrale in Houston


New York - Mit der erweiterten Anklageschrift sei noch im Laufe des Tages zu rechnen, berichtete das "Wall Street Journal". Zu den in die Anklageschrift einbezogenen Banken gehöre auch die Deutsche Bank. Bisher müssen sich nur führende Mitarbeiter von Enron und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen vor Gericht verantworten.
Nach Darstellung der Wirtschaftszeitung wird neben der Deutschen Bank auch Anklage gegen Merrill Lynch, Credit Suisse First Boston, Citigroup Inc., JP Morgan Chase & Co., Canadian Imperial Bank of Commerce, Bank of America, Barclays Bank PLC und Lehman Brothers Holdings erhoben.

Den Mitarbeitern der Finanzinstitute werde vorgeworfen, das Enron-Management bei der Täuschung der Aktionäre unterstützt zu haben. Mehr als ein Dutzend frühere und gegenwärtige Mitarbeiter des zahlungsunfähigen US-Energiehandelsunternehmens werden beschuldigt, sich durch Insiderhandel um rund 1,2 Milliarden US-Dollar bereichert zu haben.

Mit der Erweiterung der Sammelklage hofften die Geschädigten offenbar, ihre Chancen auf Wiedergutmachung ihrer Verluste zu erhöhen, schreibt das "Wall Street Journal". Von der Erweiterung seien auch 24 Andersen-Partnerfirmen betroffen, einschließlich der Andersen-Niederlassungen in Brasilien, den Cayman-Inseln, Puerto Rico, Indien und Großbritannien.






 

50 Postings, 8710 Tage SAHADOOMunglaublich - oder?

 
  
    #4
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09.04.02 16:48
naja wer Niederlassungen auf den Cayman-Inseln unterhält .............
Aber wiedereinmal zeigt sich, dass alles ein ziemlich abgekarpertes Spiel ist. Die Banken nehmen ihre Kernkompetenz wahr und helfen allen bei den viel Geld sitzt oder fließt selbiges zu sichern und Provisionen und Dienstleistungsentgelte abzugreifen und Einfluß auf wirtschaftliche und politische Entscheidungen auszuüben. Wer kann schon vom Girokonto leben? In Sachen Holzmann, Kirch oder Bankgesellschaft Berlin dürfte ähnliches vorfallen wenn gleich man das wohl nicht erfahren wird. Ganz zu schweigen von der sogenannten Deutschland AG die ja wie bekannt schon lange nicht mehr nur Deutschland betrifft. Aufgrund der Verflechtungen und Überkreuzbeteiligungen dürften Bilanzschönfärberei sowie zweifelhafte Bilanzprüfungen diverser Wirtschaftsprüfer zur Tagesordnung gehören. Auch ein Grund warum ich nicht in Dax Werte investieren werde, obwohl ja die Hälfte aller Mdax Werte ebenso dazu zu zählen ist. Was lob ich mir da die kleinen Familienbetriebe in denen wenigstens ein großer Teil der Aktien vom Gründer gehalten wird und die Buchführung noch so derartig konservativ gestaltet wird, als müsste man einige Kriegsjahre ohne Kredite überstehen. Von US GAAP ist dort nichts zu hören und warum auch?  

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