Dem Neuen Markt droht die Bedeutungslosigkeit
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Eröffnet am: | 19.02.02 10:12 | von: burakiye | Anzahl Beiträge: | 1 |
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Dem Neuen Markt droht die Bedeutungslosigkeit
Fall unter 1000 Punkte berührt kaum jemanden – Fondsmanager kehren dem deutschen Wachstumssegment den Rücken
Wachstumswerte bewegen sich weiter am Abgrund Montage: DWO
Von Holger Zschäpitz und Thomas Exner
Berlin – Stell dir vor, der Neue Markt stürzt unter die 1000-Punkte-Marke, und keiner guckt hin. Der gestrige Einbruch sowohl des marktbreiten Nemax-All-Share als auch des Leitindex Nemax-50 in die Dreistelligkeit sorgte für wenig Aufsehen bei den Marktteilnehmern. In den Internet-Diskussionsforen von „Wallstreet-Online“ etwa – gewöhnlich ein guter Indikator für das Interesse bei Kleinanlegern – vermochten gerade einmal vier Nutzer ihrem Ärger über den miserablen Punktestand Luft machen. Und selbst Neuer-Markt-Fondsmanager riss die neue Hiobsbotschaft nicht vom Hocker.
„Es herrscht Gleichgültigkeit bis Frustration bei den Anlegern“, sagt Reiner Pfeifferlings, Fondsmanager bei der Postbank. „Alle hofften auf bessere Zeiten.“ Ähnliches war auch von der Konkurrenz zu hören. „Derzeit erleben wir eine Hängepartie am deutschen Wachstumssegment“, sagt Ralf Walter, Fondsmanager des Adig Neuer Markt P. Das Geschäft ruhe weit gehend. Es gebe kaum Zu- oder Abflüsse von den Anlegern. „Man kann auch sagen, der Neue Markt ist momentan tot.“
Auch wenn kaum einer Notiz von der Dreistelligkeit des deutschen Wachstumssegments nahm, immer mehr Profis kehren dem Neuen Marktes den Rücken. Dem Deutschen Investment Trust DIT ist das Anlageuniversum Neuer Markt inzwischen zu eng geworden. Der DIT-Spezial wird geschlossen, Anlegern wird der Wechsel in einen europäischen Wachstumsfonds nahe gelegt. In sämtlichen Fonds der Deka-Gruppe befinden sich mit Qiagen, Pfeiffer Vacuum, Nordex, Medion und Constantin Film lediglich fünf Neue-Markt-Werte. Dabei verwaltet die Gesellschaft insgesamt 133,4 Mrd. Euro und ist hinter der DWS und Union Investment die Nummer drei in Deutschland. „Wir lassen die Finger vom Segment“, sagt Armin Ingerl, Fondsmanager der Deka. Im aktuellen Umfeld sei am deutschen Wachstumssegment einfach kein Blumentopf zu gewinnen. Viele Unternehmen steckten in einer regelrechten Liquiditätsklemme, einem Credit Crunch. Denn am Ende eines Konjunkturzyklus hielten sich einerseits die Banken mit Krediten zurück, andererseits gebe es auch an der Börse keine Mittel mehr für bedürftige Firmen. „Keine Bankkredite, kein Börsenkapital: am Neuen Markt könnten noch bis zu 100 weitere Firmen sterben“, warnt Ingerl.
Tatsächlich brauchen viele Unternehmen dringend eine Bluttransfusion in Form frischen Geldes. Allein im vergangenen Jahr verbrannten die 320 Nemax-Unternehmen insgesamt über 760 Mio. Euro. Nur die defizitären Gesellschaften vernichteten 5,56 Mrd. Euro. „Die Gefahr, auf einen Pleitier zu setzen, ist da ziemlich groß“, sagt Postbank-Manager Pfeifferling. Selbst gute Produkte einer Firma seien kein Garant fürs Überleben.
Investieren wird da auch für die Profis zum Spießrutenlauf. Ohnehin gibt es immer weniger Titel am Neuen Markt, die für die Fondsmanager noch interessant sind. So weisen mittlerweile nur noch 57 der 320 Neuer-Markt-Unternehmen noch die für institutionelle Anleger kritische Größe von 150 Mio. Euro oder mehr aus. Fast genauso viele Werte sind auf ein Häufchen Elend von zehn Mio. oder weniger Börsenwert zusammengefallen.
Und auch unter den großen ehemaligen Qualitätswerten lauern Tretminen. Gestern etwa rasierte eine saftige Gewinnwarnung bei D. Logistics den Kurs um 40 Prozent. Schlechte Zahlen beim Aixtron-Kunden IQE vom vergangenen Freitag vernichteten auch bei Aixtron selbst Millionen an Marktkapitalisierung. „Die Nachrichten sind momentan nicht gerade zum Totlachen“, sagt Peter Ott, Fondsmanager bei UBS. Er erwartet eine Fortsetzung der Kursabschläge am Neuen Markt bis auf 800 Punkte.
Zwar rechnen alle Profis mit einer kräftigen Erholung des Marktes im zweiten Halbjahr. Unisono hoffen sie auf ein Anspringen der Konjunktur und damit der Unternehmensgewinne. Doch wer letzten Endes die Kursrallye starten soll, steht in den Sternen. Keiner der Fondsprofis kann über nennenswerte Zuflüsse von den Anlegern berichten. „Neuer-Markt-Fonds sind keine Zugpferde mehr“, heißt es etwa bei Adig Investments. „Anleger gehen in wertorientierte Fondsprodukte und zeigen Wachstumsaktien die kalte Schulter“, sagt Gerhard Grebe von Julius Bär.
DIE WELT