Lass sie die Kirche mal im Dorf, Herr Schröder
Seite 2 von 2 Neuester Beitrag: 25.10.06 19:49 | ||||
Eröffnet am: | 22.10.06 14:47 | von: sportsstar | Anzahl Beiträge: | 34 |
Neuester Beitrag: | 25.10.06 19:49 | von: romeo 2k6 | Leser gesamt: | 3.903 |
Forum: | Talk | Leser heute: | 6 | |
Bewertet mit: | ||||
Seite: < 1 | > |
um es nochmal deutlich zu sagen: ER haette es wirklich bleiben lassen sollen. es haette jemand machen sollen, der halbwegs was davon versteht und das nicht nur als marketinggag ansieht. dafuer ist das thema zu ernst. aber gerd und seine kumpels machten mit job-floater, ich-ag, agenturen, usw. eine reine showveranstaltung daraus.
mfg
GF
Er ist wieder da
Gerhard Schröder bringt Ende dieser Woche seine Memoiren auf den Markt, der branchenübliche Rummel drumherum (Vorabdrucke, Talkshows) hat gerade eingesetzt, das Buch müßte, wenn alles mit rechten Dingen zugeht, in zwei, drei Wochen an der Spitze der Bestsellerliste angekommen sein. Gegenüber den Memoiren Alfred Bioleks, die auch gerade herausgekommen sind, haben Schröders Memoiren ein uneinholbares institutionelles Prä. Das Vermächtnis einer Kanzlerschaft ist kein Kann-Kind, sondern ein Selbstläufer.
Bei Bio können die Leute sagen: Der Mann hat uns zwanzig Jahre lang genervt, warum soll ich mir das Ganze jetzt noch mal in Buchform antun? So einfach werden sie Schröder nicht abmeiern können. Der Mann ist ein institutionelles Schwergewicht, wie leichtfüßig er bis zum Ende seiner Tage auch herumturnen mag. Bio mag eine Institution gewesen sein, in jeder Hinsicht, kolloquial wie kulinarisch - und doch wäre es für ein Gemeinwesen, das alle Tassen im Schrank hat, schwer genießbar, wollte Bio nun versuchen, sich als ein Filetstück demokratischer Institutionengeschichte schmackhaft zu machen.
Bei Schröder ist's im Zweifel umgekehrt: Er kann tun und lassen, was er will, kann die gebratenen Tauben vom Himmel seiner Kanzlerschaft herunterschreiben, kann mit geschichtsklitterndem Überschuß gern auch mal klecksen und rülpsen - stets bleibt er ein Filetstück demokratischer Institutionengeschichte, um das man festlich hüstelnd zu Tische sitzt. So weit, könnte man meinen, tafelt dieser Memoiren-Schreiber nicht anders als andere Alt-Kanzler, die von ihrem Amtsbonus zehren. Und doch liegen die Dinge bei Schröder anders. Wie bei keinem seiner Vorgänger ist sein Selbstbild davon geprägt, daß er ein Verfassungsorgan repräsentiert - und es gleichzeitig von den Rändern her lustvoll unterläuft, andere Verfassungsorgane mit sich reißend. Wir blättern, wenn wir die Memoiren in Händen halten, durch eine einzigartige Kanzlerschaft, im double bind gehalten zwischen Amtsträger und demolition man.
Um ein vom Autor autorisiertes Bild zu gebrauchen: Schröder sieht sich gleichsam mit Parka und Jeans am Kabinettstisch sitzen, Handfeuerwaffe griffbereit, ein röhrender Auspuff am Dienstwagen, gelegentlich mit einem wilden "Hol's der Teufel, Diktatoren sind auch nur Demokraten" alle Dienstvorschriften über den Haufen rennend. Jedenfalls hat Schröder genau diese Lesart gestern vorgegeben.
Am besten sei das Bild seiner Kanzlerschaft in der Gestalt des Schimanski aufgehoben, sagte er zum Auftakt seines Memoiren-Hypes in einem Interview mit der "Bild am Sonntag". Journalist: "Sollte das Buch einmal verfilmt werden, wer müßte Ihrer Meinung nach die Hauptrolle spielen?" Alt-Kanzler: "(denkt einen Moment nach) ,Ich glaube, Götz George wäre gut.'" Schröders Selbstbild ist gut durchdacht, im Zweifel ein ganzes Leben lang. Wer's nicht glaubt, muß lesen. gey
Text: F.A.Z., 23.10.2006, Nr. 246 / Seite 35
MfG
kiiwii
*fg*
Die wahren Memoiren von Gerhard Schröder - live und exklusiv auf der Wahrheit
Montag, 28. September 1998. Mit schweren Kopfschmerzen aufgewacht. Doris krault mir das Brusthaartoupet und schnurrt: "Mein Bundeskanzlerchen". Verbitte mir das, bin noch nicht gewählt. Sie soll sich lieber nützlich machen und ein Stützbier besorgen. Werfe aus dem Klofenster einen Blick auf das neue Deutschland, sieht aus wie das alte. Gleich wieder hingelegt und eingenickt. Schlechte Träume. August Bebel rief ständig: "Arbeit, Arbeit, Arbeit!" Dann kam Jesus, murmelte etwas von "Chancen und Risiken", nur um mich am Ende um 100 Mark anzupumpen. Warf den barfüßigen Schnorrer hochkant raus mit den Worten: "Komm nach der Steuerreform wieder." Nachmittags in der Fraktion. Zweites Stützbier. Kann vor Schädelweh nicht klar denken. Habe Oskar ein Superministerium, der Knalltüte Scharping das Verteidigungsressort versprochen.
Dienstag, 29. September 1998. Male mit Joschka Kabinettslisten. Komme mir vor wie Herberger 1962. Zu viele Luschen im Kader. Auf links Trittin und Wieczorek-Zeul, zwei Totalausfälle, im Mittelfeld ächzt das hüftsteife Duo Riester und Münte. Abends meldet sich wenigstens das sozialdemokratische Fußballbollwerk Werder Bremen in Europa zurück. Ein 0:2 im Hinspiel gegen Brant Bergen wird mit 4:0 zu Hause umgebogen. Vor dem Einschlafen erster Geschlechtsverkehr nach dem Wahlsieg, etwas enttäuschend. Anscheinend nicht für Doris. Abends gibt's lecker Currywurst.
Mittwoch, 30. September 1998. Antrittsbesuch in Paris. Chirac fährt mächtig auf: Eier mit Trüffeln, Lamm mit Spinat, Schampus satt und sauteurer Burgunder. 1.800 Mark pro Flasche, raunt der Dolmetscher. Vertrinke im Namen Deutschlands glatte 7.000 Öcken. Chirac süffelt Bier, verträgt aber nix. Nach dem dritten Glas soll ich Jacques zu ihm sagen. Meinetwegen. Später vor die Presse. "Sagt doch einfach ,Bürger Schröder' zu mir", eröffne ich die Fragestunde. Als ich hernach auch noch Rilke zitierend durch den Élysée-Palast wandle, sind die Medienfritzen hin und weg. Deutsche Lebensart auf diesem Niveau kannten die Froschfresser bisher nur vom Altbesatzer Ernst Jünger. In Deutschland brodelt die Gerüchteküche. Der designierte Wirtschaftsminister Jost Stollmann ist spurlos verschwunden, einige sagen in Richtung Mittelmeer, andere wollen ihn am Kaiber-Pass gesehen haben. Die meisten halten ihn für tot. Bodo "Danton" Hombach, seit gestern Richelieu im Kanzleramt, lächelt und schweigt.
Montag, 5. Oktober 1998. Lasse im Garten des Bonner Kanzleramtes die Stützstrümpfe des Kohl-Kabinetts verbrennen und ordere neue Dienstkleidung. 18 Brioni-Anzüge, acht Chanel-Kostüme und 26 Paar Regierungsstiefel aus dem Innenschenkel-Leder ungarischer Jungstuten. Außerdem 20 Kisten kubanische Cohibas, die gesammelten Tony-Blair-Papiere und vier Jahre Aufschwung. Dann spreche ich das erste Machtwort: "Mein Wort gilt!" Das zweite lautet: "Wir kriegen das hin." "Hinkriegen" wird während meiner Amtszeit eines meiner Lieblingsworte bleiben. Neben "Prost", "Basta!", "Innovationsgeschwindigkeit", "Uneingeschränkte Solidarität" und "Krieg ist doof", versteht sich.
Sonnabend, 10. Oktober 1998. Bild meldet: "Machtkampf in der SPD - Oskar holt die Keule raus". Leider nicht die Nationalelf. Die Jungs verlieren durch Olli-Kahn-Patzer 1:0 gegen eine Elf der Bundesliga-Gastarbeiter. Otto Schilly lässt sofort eine Pressemitteilung verteilen: "Das Boot ist voll", und plädiert für eine Verschärfung der Abschiebepraxis. Oskar, Röstel und Schlauch protestieren und plädieren im Gegenzug für eine Erweiterung der EU bis ans Kap Hoorn. Damit ist die Debatte vorerst beendet, bis der Spiegel am …
Montag, 12. Oktober 1998 … unkt: "Krise global - kippt der Börsenkrach die Weltwirtschaft". Noch am selben Tag kursiert in Oskars Umfeld ein Ukas, der binnen zwölf Monaten nichts weniger als das sofortige Ende der Globalisierung, die Vergesellschaftung des Großkapitals, die Inhaftierung des amtierenden deutschen Kanzlers, die Erschießung sämtlicher IWF- und Weltbank-Direktoren, die Besetzung von RTL durch Juso-Brigaden nebst der mindestens 99 Jahre garantierten Teilnahme des 1. FC Saarbrücken am Spielbetrieb der ersten Bundesliga projektiert. Der Putsch (Deckname: Liebknecht) ist gut vorbereitet. Am
Donnerstag, 17. Dezember 1998 wird der Seeheimer Kreis unter dem Vorwand in die Südsee geflogen, der König von Tonga biete gegen den Dumpingpreis von 3.000 Litern Andechser Weizenbier den Anschluss seines Inselparadieses an die Berliner Republik, während ich meinen Verpflichtungen rheinabwärts bei "Wetten, dass …?" nachkommen muss. Der Umsturz fliegt aber auf, als ich am …
Samstag, 11. März 1999 während der Partie Borussia Dortmund gegen Schalke 04 neben Borussen-Manager Michael Meier sitze. Meier will wissen, ob das mit dem 1. FC Saarbrücken wirklich so im Regierungsprogramm steht. Ich handele sofort und zwinge Oskar zur Demission. Kurz darauf findet Knalltüte Scharping einen rumänischen Hufeisenplan, ich muss Belgrad bombardieren lassen. Es herrscht Sodom und Gomorrha. Und erst 100 Tage herum. Das kann ja noch heiter werden …
MICHAEL QUASTHOFF
taz vom 23.10.2006, S. 20, 170 Z. (Kommentar), MICHAEL QUASTHOFF
http://www.taz.de/pt/2006/10/23/a0196.1/text
Der Altkanzler und die Zeitung mit den großen Buchstaben
Zahlreiche Buchhandlungen haben mit dem Verkauf der Memoiren Gerhard Schröders begonnen, einen Tag vor dem offiziellen Start. 120.000 Exemplare der ersten Auflage von 160.000 Stück sind ausgeliefert. Die "Bild"-Zeitung hat ihren Beitrag zum Schröder-Erfolg geleistet. Szenen einer wechselvollen Beziehung.
<!-- If a picture exists for the article display it here --> Der Altkanzler (l.) und ein Bild, von einem "Bild"-Leser gemaltFoto: dpa<!-- /image -->
In diesen Tagen zeigt ein Werbespot den Altkanzler an seinem Schreibtisch, in der „Bild“-Zeitung blätternd: „Jetzt, wo ich endlich Zeit habe, Zeitung zu lesen, fällt mir auf: Da steht nichts Ordentliches drin“, sagt er – und fügt hinzu: „Das muss sich ändern.“
Es folgen die eingeblendeten Worte: „Schröders Memoiren – jetzt in ,Bild’“. Schröders Memoiren sind auf dem Markt, sein Porträt in der Galerie des Bundeskanzleramtes aber fehlt. „Bild“ rief daher kürzlich ihre Leser auf, Schröder zu malen. Gut 60 Porträts – vom Ölgemälde bis zum türkischen Wandteppich – werden derzeit in Berlin ausgestellt. Gestern führte „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann Schröder durch die Ausstellung.
Schröder und die „Bild“-Zeitung – eine wechselvolle Geschichte. Bereits 1996 veröffentlichten die „Bild“-Redakteure Béla Anda und Rolf Kleine eine Biografie Schröders. Wohlwollend begleitete „Bild“ dessen Weg zur Kanzlerschaft. Nach der Wahl 1998 machte Schröder Béla Anda zu seinem Vize-Regierungssprecher; 2002 rückte Anda gar zum Regierungssprecher auf. Allein „,Bild’, ,BamS’ und Glotze“ reichten zum Regieren, meinte Schröder damals. Diesen Satz dürfte er schon bald bereut haben.
Das Wohlwollen der „Bild“-Zeitung Schröder gegenüber ließ in den folgenden Jahren nach. Mehrfach klagte Schröder über „Kampagnen-Journalismus“ von Zeitungen des Verlages Axel Springer, zu dem auch WELT.de gehört. Im Wahlkampf 2002 rief Schröder bei einer Kundgebung: „Bild lügt nie, und die Erde ist eine Scheibe.“ Wenig später attackierte Oskar Lafontaine in seiner „Bild“-Kolumne Schröders Politik („Es ist so, als wäre Heinrich Brüning wiederauferstanden“). Prompt reagierte Doris Schröder-Köpf, einst selbst „Bild“-Redakteurin: „Die Äußerungen sind eine Beleidigung für Lafontaines Nachfolger im Parteivorsitz und eine Beleidigung aller Mitglieder der SPD. Es reicht!“ Im Wahlkampf 2005 fühlte sich Schröder von sämtlichen Medien schlecht behandelt.
Gestern, nach dem mehrminütigen Besuch der Ausstellung mit seinen Konterfeis, fragte Schröder in die Runde: „Woll’n wir ’nen Kaffee trinken gehen?“ Mit dabei: Kai Diekmann, „Bild“-Kolumnist Hugo Müller-Vogg, „Bild“-Büroleiter Rolf Kleine und sein Biograf Béla Anda.
Artikel erschienen am 25.10.2006
<!-- do not display in prinversion --><!-- more articles -->- weitere Artikel zum Thema:
- Biografie-->So ist der neue Schröder
Wird vermutlich der Bestseller des Jahres - verständlich mit so Reißern wie:
"Als Doris die Agenda 2010 erfand"
lool
greetz
sports*