In Japan droht ein zweites Tschernobyl-
Japan bittet die Europäische Union, bis auf weiteres keine Experten, keine Ausrüstung und keine Hilfsteams mehr ins Land zu schicken. Nach Angaben eines Sprechers der EU-Kommission begründet Tokio dies mit der Schwierigkeit, die Helfer in das Katastrophengebiet zu bringen. Experten der EU-Behörden für Katastrophenhilfe stünden bereit, um mögliche Hilfe in die Wege zu leiten. Sie warteten nun zunächst ab.
Quelle : http://apps.n-tv.de/Spezial/...mplett-ohne-Wasser-article2810866.html
Grüße Babybeule
Vor allem....wohin mit diesen Menschen?
Unfassbar das Ganze.....
Wenn das Wunder nicht geschieht ..........
Die stellen so viele Fragen, aber so eine wichtige Frage ist natürlich nicht dabei. Das müsste man eigentlich direkt beantworten können, wenn man vom Fach ist.
+++ 12.52 Techniker füllen Meerwasser in Fukushima-Reaktor +++
Techniker im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Eins unternehmen einen neuen Versuch zur Kühlung des Reaktorblocks 2 und leiten bereits 30 Zentimeter Meerwasser ein. Die Brennstäbe in Reaktor 2 lagen zuvor nach Angaben der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo komplett trocken. Die Stäbe können damit nicht mehr gekühlt werden und die Gefahr einer Kernschmelze steigt erheblich.
Quelle : http://apps.n-tv.de/Spezial/...mplett-ohne-Wasser-article2810866.html
Grüße Babybeule
+++ 12.57 Betreiber schließt Kernschmelze nicht aus +++
Der japanische Kraftwerksbetreiber Tepco schließt eine Kernschmelze in einem dritten Reaktor des Atomkraftwerks Fukushima 1 nicht aus. Das berichtet die Nachrichtenagentur Jiji. Der Kühlwasserstand um die Brennstäbe in Reaktor 2 sei dramatisch gesunken.
Quelle : http://www.n-tv.de/Spezial/...n-Fukushima-Reaktor-article2810866.html
Grüße Babybeule
in den Griff bekommen haben.
Ist doch jetzt nur noch die Frage, hält die Hülle oder nicht.
Den Leuten, die da jetzt noch kämpfen, können sie, wenn es gelingt, ein Helden-Denkmal bauen. Dass die noch lange leben, ist kaum anzunehmen...
Eine japanische Provinzstadt ist das Zentrum der wachsenden Anti-Akw-Bewegung in Japan. Mit Mafia-Methoden und kostspieligen Werbekampagnen versucht die Atomindustrie, den standhaften Bürgermeister kleinzukriegen.
Die Demarkationslinie im Kampf um Japans Atomprogramm verläuft genau entlang der Hauptstraße von Maki. Hier, in dieser verschlafenen Kleinstadt von rund 30.000 Seelen, stehen sich Atomlobby und Akw-Gegner Auge in Auge gegenüber. Auf der einen Straßenseite sitzt Takaaki Sasaguchi in seinem geräumigen Büro im ersten Stock des Bürgermeisteramtes. Sasaguchi ist der erste Atomkraftgegner Japans, der wegen seines Widerstandes gegen ein neues Akw zum Bürgermeister gewählt worden ist. Aus seinem Fenster aber blickt er auf eine meterhohe Plakatwand auf der anderen Straßenseite, die ihm von den Befürwortern der Kernkraft direkt vor die Nase gesetzt worden ist. „Kernkraftwerke schützen unsere unersetzbare Erde“, steht dort zum Verdruß des Bürgermeisters in riesigen Schriftzeichen.
„Die Atomlobby hat viel Geld und gibt Unsummen für solche Werbekampagnen aus“, sagt Bürgermeister Sasaguchi. In der Tat sind die Werbetafeln in Maki ein Zeichen dafür, daß Japans Atomindustrie immer noch von einer strahlenden Zukunft träumt. Japan hat derzeit 52 Atomkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 45 Gigawatt am Netz. Sie produzieren rund ein Drittel der Elektrizität in Japan. Und obwohl der Trend in anderen Industrieländern in Richtung Ausstieg geht, setzt die japanische Regierung weiterhin auf einen Ausbau ihres Atomprogrammes. Bis zum Jahr 2010, so das 1994 verabschiedete Langzeitprogramm, soll die Gesamtkapazität bis auf 70 Gigawatt erhöht werden.
Im vergangenen Dezember, während des Klimagipfels in Kyoto, nutzte die Atomlobby die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, um erneut ihre ehrgeizigen Ziele zu propagieren. Falls Japan eine Reduktion seiner Kohlendioxid-Emissionen um auch nur 2,5 Prozent erreichen wolle, dann müßten bis zum Jahr 2010 20 weitere Kernkraftwerke her, ließ das mächtige Industrie- und Handelsministerium MITI verlauten. Schließlich emittierten Atomkraftwerke kein CO2 und seien daher „sauber“.
Doch den Befürwortern des Atomstroms weht auch in Japan zunehmend der Wind ins Gesicht. „Selbst MITI hat erkannt, daß der Langzeitplan zum Ausbau der Kernenergie absolut unmöglich geworden ist“, sagt Jinzaburo Tagaki vom Citizens Nuclear Information Center (CNIC) in Tokyo. Der Nuklearchemiker Tagaki, dem für seine Aufklärungsarbeit über die Gefahren der Atomenergie der alternative Nobelpreis verliehen worden ist, nennt auch gleich den Grund für die unfreiwillige Tempodrosselung: „Lokale Bürgerbewegungen in Japan sind heute sehr gut organisiert und sehr ausdauernd. Sie haben die meisten Konstruktionspläne für neue Standorte erfolgreich verhindert. Der Erfolg der Atomkraftgegner beim Referendum in Maki im August 1996 ist eine gute Beschreibung unserer gegenwärtigen Situation.“
Im kleinen, von Pro-Kernkraftplakaten umstellten Bürgermeisteramt von Maki schlägt heute das wahre Herz der japanischen Anti-Akw-Bewegung. Der vom Aktivisten zum Bürgermeister gewandelte Takaaki Sasaguchi ist durch seinen zähen und erfolgreichen Kampf gegen einen neuen Reaktor zur Symbolfigur des Widerstands geworden. Nicht, daß ihm diese Rolle in den Schoß gefallen wäre. Als Leiter eines Bürgerkomitees gegen den geplanten Neubau eines Akw in Machi hat er erfahren müssen, daß Politik in Japan oft mit Mafia-Methoden gemacht wird. „Erst haben sie mir die Reifen meines Autos zerstochen“, sagt Sasaguchi. „Dann habe ich anonyme Drohungen am Telefon erhalten. Einmal habe ich einen Brief geöffnet und eine Rasierklinge fiel heraus. Und zum Schluß haben sie mein Auto vor meiner Haustür in Brand gesetzt.“ Da Sasaguchi privat eine kleine Sake-Brauerei betreibt, organi-sierten die Atomkraft-Befürworter auch gleich noch einen Kaufboykott, um den Aktivisten finanziell zu ruinieren.
Doch all das hat nichts genutzt. Heute empfängt Sasaguchi in seinem Bürgermeisterbüro Akw-Gegner und Organisatoren von Bürgerinitiativen aus ganz Japan, die sich bei ihm Rat holen. Denn Sasaguchi und sein Komitee hatten mit dem ersten Referendum in der japanischen Geschichte die mächtige Atom-industrie erstmals in ihre Schranken verwiesen. „Der Bau eines Atomkraftwerkes in Maki ist ein Jahrhundertereignis und beeinflußt künftige Generationen. Vor der Entscheidung über so ein Schlüsselprojekt, dachten wir, sollte die Stimme der Bürger gehört werden. Ist das nicht die Bedeutung von Demokratie?“, fragt Sasaguchi. Die Bürger stimmten mit rund 90 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen das neue Akw – und seither hat es in mehreren japanischen Provinzstädten ähnliche Bewegungen gegeben.
„Nicht nur in Maki, auch in den Präfekturen Kyushu, Yamaguchi und Wakayama sind die örtlichen Bürgerbewegungen stark“, sagt Baku Nishio vom CNIC. „Es wird zunehmend schwieriger für die Atomindustrie, neue Atomkraftwerke in Japan zu bauen.“ Den Versuch, mit dem CO2-Argument für 20 neue Reaktoren zu werben, hält er daher für einen schlechten Witz. „In mehreren großen Firmen sind Ingenieure und Designer aus dem Akw-Geschäft abgezogen und für den Bau von Kohlekraftwerken umgeschult worden – bei Mitsubishi waren das bis jetzt rund 200 Experten, bei Toshiba 100 und bei Hitachi 50“, sagt Nishio. Dennoch wäre es wohl verfrüht, aufgrund dieses Trends das Ende der japanischen Atomindustrie vorherzusagen. „Im privaten Sektor der Atomindustrie allein sind 60.540 Japaner beschäftigt“, sagt Nishio. Alte Reaktoren könnten durch neue ersetzt oder an bereits existierenden Standorten zusätzliche Reaktoren gebaut werden.
Unbestreitbar ist hingegen, daß Japans Betreibergesellschaft Donen (Gesellschaft für Reaktoren- und nukleare Brennstoffentwicklung) derzeit die schwerste Krise seit ihrer Gründung im Jahr 1967 durchmacht. Eine ganze Serie von Unfällen, gefolgt von Vertuschungsaktionen, hat das Vertrauen der Japaner in die Sicherheit der Kernenergie nachhaltig erschüttert. Der Schnelle Brüter in Monju mußte im Dezember 1996 nach einem großen Leck im Kühlsystem abgeschaltet werden – und ist bis heute nicht wieder am Netz. Donen mußte später zugeben, daß es unmittelbar nach dem Unfall nicht korrekt gehandelt und versucht hatte, Video-Bilder von dem Störfall zu verheimlichen. Ein Donen-Mitarbeiter beging Selbstmord.
Im März ’97 dann sahen die entsetzten Japaner im Fernsehen, wie Arbeiter in klobigen Schutzanzügen durch die verstrahlten Ruinen eines Teils der Wiederaufarbeitungsanlage in Tokaimura wateten. Eine Explosion hatte 37 Arbeiter mit zum Glück nur geringen Dosen verstrahlt. Donen mußte erneut zugeben, in einem Bericht über die Sicherheitsvorkehrungen gelogen zu haben. „Donen hat es wieder getan“, lautete eine der Schlagzeilen am Zeitungskiosk. Im April 1997 wurden nochmals elf Arbeiter im Reaktor Fugen durch radioaktives Tritium gefährlichen Strahlenmengen ausgesetzt. Nun soll Donen aufgelöst werden.
„Donen wird für immer verschwinden“, sagt Baku Nishio. „Doch sie wollen eine neue Betreibergesellschaft gründen. Dort werden die alten Donen-Mitarbeiter arbeiten.“ Und trotz der Unfälle hält die Regierung weiterhin an ihrem Plutoniumprogramm fest.
Die Japaner aber haben begonnen, die Kosten der zivilen Nutzung der Atomkraft stärker als bisher zu hinterfragen. „Sie können hier in Maki jeden Bürger auf der Stra&Mac223;e ansprechen, und er wird Ihnen drei Stunden lang über die Gefahren der Atomkraft erzählen können“, sagt Bürgermeister Sasaguchi. „Wir hier in Maki haben das Problem eingehend studiert. Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß Japan keine Atomkraft braucht.“
Von HENRIK BORK
Japans AKW Die 52 japanischen Atomkraftwerke decken derzeit rund ein Drittel des Energiebedarfs des 120 Millionen Einwohner zählenden Landes. Jetzt steigen High-Tech-Unternehmen wie Sharp und Sanyo, aber auch der Autoriese Toyota verstärkt in die Solarindustrie ein.
Wut auf Donen - Japans Akw-Krise „Ich bin so wütend auf Donen, daß ich den Namen nicht mehr hören kann“, fauchte Premierminister Ryuntaro Hashimoto nach einer Serie von Unfällen und skandalösen Vertuschungsversuchen der Reaktor-Betreibergesellschaft Donen. Und sein Kabinettschef fügte hinzu: „Wir haben über vierzig Jahre zuviel Vertrauen in die Atomindustrie gesetzt.“ Auch das Mißtrauen der Bevölkerung wächst: Mehrere Referenden zum Bau neuer Reaktoren – wie in der Provinzstadt Maki – endeten mit einem klaren Nein der Bevölkerung.
Die verlängerung hat sie mit denen Durchgezogen, warum sollte sie jetzt plötzlich auf den energiepolitischen Mittelstand hören? Da gibts keine Posten und Millionenspenden abzugreifen.
Reichen Minuten ohne Kühlung, damit das Material erweicht und herabfällt, bzw. sich vermengt, oder sind es Stunden, etc..?
Wahrscheinlich nimmt der Prozess ohne Kühlung nicht linear sondern exponentiell zu. Je heißer, desto schneller die weitere Erwärmung.
Tief sitzender Schock
Von Wagner, Wieland
Zahlreiche Störfälle und das Unglück von Tokaimura erschüttern das Vertrauen der Japaner in ihre Atomwirtschaft. Die Kernkraftgegner, noch zersplittert, formieren sich.
An kalten Herbsttagen bereut es Takaaki Sasaguchi, Bürgermeister von Maki, fast schon, dass er sich mit der Atomlobby angelegt hat. Mühsam wirft er den Gasofen an: Die Heizung seines Amtszimmers ist seit längerem kaputt, und Sasaguchis Gegner im Gemeinderat verweigern Geld für eine Reparatur. Damit rächen sie sich dafür, dass der Bürgermeister den Bau eines Kernkraftwerks in dem 30 000-Einwohner-Ort an der japanischen Westküste blockiert.
Doch der widerspenstige Bürgermeister lässt sich nicht einschüchtern. Seit Nippons bislang schwerstem Atomunfall in der Uranverarbeitungsanlage von Tokaimura, bei dem Ende September mindestens 96 Menschen verstrahlt wurden, erhält der Rebell aus ganz Japan zustimmende Post.
Vor drei Jahren setzte Sasaguchi als erster Ortschef Japans einen Bürgerentscheid gegen den geplanten Meiler durch. Damit die Regierung das öffentliche, aber nicht bindende Votum nicht unterläuft, verkaufte er Teile des vorgesehenen Baugrundstücks an Atomkraftgegner.
* Nach dem Unfall in Tokaimura.
Seit der Katastrophe von Tokaimura wächst der Unmut über Nippons ehrgeiziges Atomprogramm. Zwar hält die Regierung an ihrem Plan fest, bis 2010 zusätzlich zu den 52 aktiven Atommeilern weitere 20 Anlagen zu bauen. Aber immer neue Enthüllungen über den schlampigen Umgang mit der riskanten Technik erschüttern Japans Energiekonsens.
Der Schock sitzt tief. In Tokaimura hatten drei Arbeiter eine unkontrollierte nukleare Kettenreaktion ausgelöst, als sie per Hand 16 Kilogramm Uran - statt erlaubter 2,4 Kilogramm - in einen Behälter füllten. Mehr als 310 000 Japaner wurden aufgefordert, ihre Häuser nicht zu verlassen. Erst nach 20 Stunden bekamen die Betreiber den Unfall notdürftig unter Kontrolle.
Vor einem Monat lieferte die Regierung dann selbst den Beweis dafür, dass die Havarie von Tokaimura mehr als ein unglücklicher Zufall war. Hastig hatte das Arbeitsministerium Inspektionen anberaumt. Das erschreckende Ergebnis: Von 17 Firmen zur Herstellung von Nuklearbrennstoff verstieß jede zweite gegen gesetzliche Sicherheitsbestimmungen.
Jahrelang kontrollierten die Behörden nur halbherzig die Nuklearanlagen, die häufig auch noch in Wohngebieten liegen. Erst durch Presseberichte kam ans Licht, dass einige Atombetriebe obdachlose Tagelöhner als Putzkolonnen anheuerten - offenbar teilweise unter Missachtung der zugelassenen Strahlenbelastung. Mit dem Versprechen guter Bezahlung verfrachteten sie die Ahnungslosen aus Tokio mit Bussen nach Tokaimura.
Mitte November debattierte Japans Parlament über einen Gesetzentwurf, der Lücken im Sicherheitsnetz schließen soll. Doch wachsende Zweifel am Sinn der Kernenergie lassen sich damit kaum ausräumen. Eine Serie von Störfällen und fahrlässigen Pannen in Nuklearbetrieben und Kernkraftwerken bringt Japans Atomwirtschaft in Verruf:
* Im Dezember 1995 wurde der Schnelle Brüter "Monju" abgeschaltet, als über eine halbe Tonne des leicht entzündlichen Kühlmittels Natrium aus einer Rohrleitung leckte.
* 1997 wurden in einer Wiederaufarbeitungsanlage in Tokaimura 37 Arbeiter verstrahlt.
* Allein von April 1998 bis März dieses Jahres ereigneten sich in japanischen Atomanlagen 52 Störfälle - 14 davon waren meldepflichtig.
Häufig vertuschen die Betreiber das wahre Ausmaß der Pannen. In "Monju" manipulierten sie Videoaufnahmen, beim Tokaimura-Unfall von 1997 fälschten sie Zeitangaben. Während im Juli dieses Jahres Kühlwasser im Kernkraftwerk Tsuruga aus den Rohren leckte, führten die Betreiber unbekümmert noch 90 Besucher durchs Werk.
Rund 70 Prozent der Japaner zweifeln inzwischen an der Sicherheit ihrer Kernkraftwerke. Und hilflose Beschwichtigungsversuche der Regierung schüren das Misstrauen noch. Wenige Tage nach dem jüngsten Unfall eilte Premier Keizo Obuchi nach Tokaimura, um vor laufenden Kameras tapfer ein Menü aus Sushi, süßen Kartoffeln, Melonen und Reis - allesamt Produkte der Unglücksregion - zu verspeisen. "Lecker, lecker", befand er lächelnd und schlürfte dann noch rasch ein Glas heimischer Milch.
Dabei lassen sich die langfristigen Folgen der Gamma- und Neutronen-Strahlung auf die Opfer von Tokaimura noch nicht absehen. In Tokio kämpfen Ärzte nach wie vor um das Leben eines der schwer verstrahlten Nukleararbeiter. Als Professor Satoschi Kimura von der Uniklinik Tokio die Gene seines Patienten im Mikroskop untersuchte, war er entsetzt: "Die DNS war in kleinste Teile zerhackt."
So naiv wie Mitte der fünfziger Jahre dürften sich Japaner kaum mehr für die Atomkraft begeistern lassen. Damals schworen Parteien, Industrie und Presse die Nation mit einer gezielten Kampagne auf die strahlende Energie ein. Mit Hilfe von "Pluto", einer lustigen Comic-Figur, bemühten sie sich, ihre Landsleute von der so genannten "Atom-Allergie" - ausgelöst durch die Bombenabwürfe auf Hiroschima und Nagasaki - zu kurieren.
Die Atomlobby appellierte vor allem an die traumatische Angst der rohstoffarmen Industrienation, von der Energiezufuhr abgeschnitten zu werden. Noch heute rechtfertigen viele Japaner den Überraschungsangriff auf Pearl Harbor 1941 damit, dass das Kaiserreich durch das Öl- und Rohstoff-Embargo der USA in die Ecke gedrängt worden sei. Ab 1973 bestärkte der Ölschock die Japaner in ihrem Kurs: Ungerührt durch die ausländischen Atomunfälle in Three Mile Island und Tschernobyl, bauten die Japaner gut ein Zehntel aller Atomkraftwerke der Welt in ihrem erdbebengefährdeten Inselland.
Vor allem in bevölkerungsarmen Gebieten an der Westküste pflasterten Konzerne einst idyllische Strände mit Reaktoren voll. Die meist überalterten Gemeinden begrüßten die Atommeiler als Segen, denn
* Bei der Stimmabgabe für das Referendum über das geplante Kernkraftwerk in Maki am 4. August 1996.
die Strombosse spendierten ihnen neue Rathäuser, Altersheime und Straßen.
Im Filz von Beamten, Bürgermeistern und Betreibern existiert in Japan praktisch keine unabhängige Atomaufsicht. So entsandte das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (Miti) pensionierte Beamte auf lukrative Jobs in Atomfirmen. Auch Toshiki Takagi, bis Ende Juni Präsident der Unfall-Firma JCO in Tokaimura, stieg einst als "Himmelsbote" ("Amakudari") vom Miti herab. Dagegen zersplittert der Protest gegen die Kernkraft auf lokaler Ebene; eine landesweit organisierte Anti-Atombewegung fehlt in Japan fast völlig.
Über 35 Prozent seines Stroms bezieht Japan aus der Kernspaltung. Gleichzeitig hat die Industrienation nach Schätzung von Greenpeace einen Plutoniumberg von 30 Tonnen angehäuft - genug für beinahe 4000 Atomwaffen. Den Stoff wollten die Japaner eigentlich in Schnellen Brütern verbrennen, einer unwirtschaftlichen und riskanten Technik, die sonst in der Welt kaum noch jemand verfolgt.
Weil aber die Entwicklung der Schnellen Brüter seit dem "Monju"-Unfall stockt, will Tokio den Bombenstoff jetzt in Gestalt von Plutonium-Uran-Mischoxid-Brennelementen (Mox) in konventionellen Meilern verfeuern.
Die Katastrophe von Tokaimura verzögerte diese Pläne weiter: Als erste widerrief die Präfektur Niigata ihre Zustimmung, Mox vom kommenden Jahr an im Kernkraftwerk Kashiwazaki verbrennen zu lassen. Aus Rücksicht auf Ängste der Bevölkerung wurde der Plan um ein Jahr aufgeschoben. Damit wankt ein zentraler Pfeiler des japanischen Nuklearprogramms.
Der Bau neuer Meiler scheint erst recht kaum noch durchsetzbar. Die Stromkonzerne suchen nach Auswegen: Sie wollen die Lebensdauer älterer Reaktoren, die ursprünglich nach 30 Jahren abgeschaltet werden sollten, durch Instandhaltungsmaßnahmen auf 60 Jahre verdoppeln.
Auch die Suche nach Alternativen zur Kernenergie hat begonnen. Die Stromerzeugung durch Atomenergie sei "tot", urteilt das einflussreiche Magazin "Sentaku". Und Energieexperte Haruki Tsuchiya aus Tokio rechnet vor, dass Japan seinen Energieverbrauch durch neue Techniken und vermehrten Einsatz von Sonnen- und Wasserenergie bis zum Jahr 2010 um 14 Prozent drosseln könne.
Zwar fördert Tokio erneuerbare Energien im Zuge des so genannten "Sonnenschein"-Programms. Doch dabei handele es sich nur um ein Feigenblatt für Nippons einseitige Nuklearpolitik, kritisierte Tadahiro Katsuta vom "Citizens'' Nuclear Information Center" in Tokio. "Bis zum Jahr 2010", rechnet er optimistisch vor, "könnte Japan den Atomausstieg schaffen."
Bislang fehlt Japans Atomgegnern indes eine mächtige politische Partei, die ihre Ausstiegs-Visionen unterstützt. Im Ort Maki richtet sich Bürgermeister Sasaguchi daher auf einen langen Kampf ein: "Erst wenn die Regierung uns von der Liste der geplanten Nuklearstandorte streicht, können wir aufatmen." WIELAND WAGNER
* Nach dem Unfall in Tokaimura. * Bei der Stimmabgabe für das Referendum über das geplante Kernkraftwerk in Maki am 4. August 1996.
hier werden auch Fragen über Restzerfallwärme, -dauer, Bildung kritischer Masse bei Kernschmelze,... besprochen
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