Warum Hartz IV besser ist als sein Ruf
Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates
das folgende Gesetz beschlossen:
Inhaltsübersicht
Artikel 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch
Artikel 2 Änderung des Ersten Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 3 Änderung des Dritten Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 4 Änderung des Vierten Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 5 Änderung des Fünften Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 6 Änderung des Sechsten Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 7 Änderung des Siebten Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 8 Änderung des Achten Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 9 Änderung des Neunten Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 10 Änderung des Zehnten Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 11 Änderung des Elften Buches Sozial-
gesetzbuch
Artikel 11a Änderungs des Grundsicherungsgesetzes
Artikel 12 Änderung des Infektionsschutz-
gesetzes
Artikel 13 Änderung des Bundesausbildungs-
förderungsgesetzes
Artikel 14 Änderung des Aufstiegfortbildungs förderungsgesetzes
Artikel 15 Änderung des Gesetzes über den
Abbau der Fehlsubventionierung
im Wohnungswesen
Artikel 16 Änderung des Wohnraumförderungs-
gesetzes
Artikel 17 Änderung des Bundesvertriebenen-
gesetzes
Artikel 17a Änderung des Gesetzes über die Festlegung
eines vorläufigen Wohnortes für
Spätaussiedler
Artikel 17b Änderung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes
Artikel 18 Änderung des Ausländergesetzes
Artikel 19 Änderung des Asylverfahrensgesetzes
Artikel 19a Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes
Artikel 20 Änderung des Mikozensusgesetzes
Artikel 21 Änderung der Zivilprozessordnung
Artikel 22 Änderung des Sozialgerichtsgesetzes
Artikel 23 entfallen
Artikel 24 Änderung des Gerichtsvollzieher-
kostengesetzes
Artikel 25 Änderung des Wohngeldgesetzes
Artikel 26 Änderung des Gesetzes zur Hilfe
für Frauen bei Schwangerschafts-
abbrüchen in besonderen Fällen
Artikel 27 Änderung des Unterhaltssicherungs-
gesetzes
Artikel 28 Änderung des Soldatenversorgungs-
gesetzes
Artikel 28a Änderung des Zivildienstgesetzes
Artikel 29 Änderung des Finanzausgleichsgesetzes
Artikel 30 Änderung des Solidarpaktfortführungs-
gesetzes
Artikel 31 Änderung der Abgabenordnung
Artikel 32 Änderung des Berlinförderungsgesetzes
Artikel 33 Änderung des Einkommensteuer-
gesetzes
Artikel 33a Änderung des Umsatzsteuergesetzes
1999
Artikel 34 Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
Artikel 35 Änderung des Entwicklungshelfer-
Gesetzes
Artikel 35a Änderung der Gewerbeordnung
Artikel 35b Änderung der Wahlordnung für die
Wahlen der Mitglieder der Vollversammlung
der Handwerkskammern
Artikel 36 Änderung des Kündigungsschutz-
gesetzes
Artikel 37 Änderung des Gesetzes über
Bergmannsprämien
Artikel 38 Änderung des Arbeitssicherstellungs-
gesetzes
Artikel 38a Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes
Artikel 39 Änderung des Berufsbildungsförde-
rungsgesetzes
Artikel 40 Änderung des Berufsbildungs-
gesetzes
Artikel 41 Änderung des Vorruhestandsgesetzes
Artikel 42 Änderung des Altersteilzeitgesetzes
Artikel 42a Änderung des Zweiten Gesetzes über die
Krankenversicherung der Landwirte
Artikel 43 Änderung des Beiträge-Rückzahlungs-
gesetzes
Artikel 44 Änderung des Bundesversorgungs-
gesetzes
Artikel 45 Änderung des Bundeserziehungsgeld-
gesetzes
Artikel 46 Änderung des Bundeskindergeld-
gesetzes
Artikel 46a Änderung des Straßenverkehrsgesetzes
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Artikel 47 Änderung der Verordnung über die
Ersatzleistungen an die zum Luftschutzdienst
herangezogenen Personen und
über die Erstattung fortgewährter
Leistungen
Artikel 48 Änderung der Sozialhilfedaten-
abgleichsverordnung
Artikel 48a Änderung der Verordnung zur Bezeichnung
der als Einkommen geltenden
sonstigen Einnahmen nach § 21 Abs. 3
Nr. 4 des Berufsausbildungsförderungsgesetzes
Artikel 49 Ausländergebührenverordnung
Artikel 50 Änderung der Arbeitsaufenthalte-
verordnung
Artikel 51 Änderung der Freizügigkeitsverord-
nung/EG
Artikel 51a Änderung der Beratungshilfevordruckverordnung
Artikel 52 Änderung der Kindesunterhalt-
Vordruckverordnung
Artikel 53 Änderung der Prozesskostenhilfe-
vordruckverordnung
Artikel 54 Änderung der Wohngeldverordnung
Artikel 54a Änderung der Dritten Verordnung über
Ausgleichszahlungen nach dem Lastenausgleichsgesetz
Artikel 55 Änderung der Verordnung über die
Berufsausbildung zum Fachangestellten
für Arbeitsförderung
Artikel 55a Änderung der Zweiundzwanzigsten
Verordnung zur Durchführung des Gesetzes
über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung
Artikel 56 Änderung der Ausgleichsrenten-
verordnung
Artikel 57 Aufhebung der Arbeitslosenhilfe-
Verordnung
Artikel 57a Änderung der Datenerfassungs- und -
übermittlungsverordnung
Artikel 58 Rückkehr zum einheitlichen Verord-
nungsrang
Artikel 59 Neufassung des Wohngeldgesetzes
Artikel 60 Neufassung des Bundeskindergeld-
gesetzes
Artikel 61 Inkrafttreten
Artikel 1
Zweites Buch Sozialgesetzbuch
– Grundsicherung für Arbeitsuchende –
Kapitel 1
Fördern und Fordern
§ 1 Aufgabe und Ziel der Grundsicherung
für Arbeitsuchende
§ 2 Grundsatz des Forderns
§ 3 Leistungsgrundsätze
§ 4 Leistungsarten
§ 5 Verhältnis zu anderen Leistungen
§ 6 Träger der Grundsicherung für Arbeit-
suchende
Kapitel 2
Anspruchsvoraussetzungen
§ 7 Berechtigte
§ 8 Erwerbsfähigkeit
§ 9 Hilfebedürftigkeit
§ 10 Zumutbarkeit
§ 11 Zu berücksichtigendes Einkommen
§ 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
§ 13 Verordnungsermächtigung
Kapitel 3
Leistungen
Abschnitt 1
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
§ 14 Grundsatz des Förderns
§ 15 Eingliederungsvereinbarung
§ 16 Leistungen zur Eingliederung
§ 17 Einrichtungen und Dienste für Leistungen zur
Eingliederung
§ 18 Örtliche Zusammenarbeit
Abschnitt 2
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Unterabschnitt 1
Arbeitslosengeld II
§ 19 Arbeitslosengeld II
§ 20 Regelleistung zur Sicherung des
Lebensunterhalts
§ 21 Leistungen für Mehrbedarfe beim
Lebensunterhalt
§ 22 Leistungen für Unterkunft und Heizung
§ 23 Abweichende Erbringung von Leistungen
§ 24 Befristeter Zuschlag nach Bezug von
Arbeitslosengeld
§ 25 Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit
§ 26 Zuschuss zu Beiträgen bei Befreiung von
der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung
§ 27 Verordnungsermächtigung
Unterabschnitt 2
Sozialgeld
– 3 –
§ 28 Sozialgeld
Unterabschnitt 3
Anreize und Sanktionen
§ 29 Einstiegsgeld
§ 30 Freibeträge bei Erwerbstätigkeit
§ 31 Absenkung und Wegfall des Arbeitslosen-
geldes II
§ 32 Absenkung und Wegfall des Sozialgeldes
Unterabschnitt 4
Verpflichtungen anderer
§ 33 Übergang von Ansprüchen
§ 34 Ersatzansprüche
§ 35 Erbenhaftung
Kapitel 4
Gemeinsame Vorschriften für Leistungen
Abschnitt 1
Zuständigkeit und Verfahren
§ 36 Örtliche Zuständigkeit
§ 37 Antragserfordernis
§ 38 Vertretung der Bedarfsgemeinschaft
§ 39 Sofortige Vollziehbarkeit
§ 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften
§ 41 Berechnung der Leistungen
§ 42 Auszahlung der Geldleistungen
§ 43 Aufrechnung
§ 44 Veränderung von Ansprüchen
Abschnitt 2
Gemeinsame Einigungsstelle
§ 45 Einigungsstelle zur Entscheidung über die
Erwerbsfähigkeit
Kapitel 5
Finanzierung und Aufsicht
§ 46 Finanzierung aus Bundesmitteln
§ 47 Aufsicht
§ 48 Zielvereinbarungen
§ 49 Innenrevision
Kapitel 7
Datenschutz
§ 50 Datenübermittlung an Dritte
§ 51 Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von
Sozialdaten durch nichtöffentliche Stellen
§ 52 Automatisierter Datenabgleich
Kapitel 8
Statistik und Forschung
§ 53 Statistik
§ 54 Eingliederungsbilanz
§ 55 Wirkungsforschung
Kapitel 9
Mitwirkungspflichten
§ 56 Anzeige- und Bescheinigungspflicht bei
Arbeitsunfähigkeit
§ 57 Auskunftspflicht von Arbeitgebern
§ 58 Einkommensbescheinigung
§ 59 Meldepflicht
§ 60 Auskunftspflicht und Mitwirkungspflicht
Dritter
§ 61 Auskunftspflichten bei Leistungen zur
Eingliederung in Arbeit
§ 62 Schadensersatz
Kapitel 10
Bußgeldvorschriften
§ 63 Bußgeldvorschriften
Kapitel 11
Bekämpfung von Leistungsmissbrauch
§ 64 Zuständigkeit
Kapitel 12
Übergangs- und Schlussvorschriften
§ 65 Übergangsvorschriften
§ 66 Verordnungsermächtigung
Artikel 1
Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)
Kapitel 1
Fördern und Fordern
§ 1
Aufgabe und Ziel der Grundsicherung
für Arbeitsuchende
(1) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die
Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft
leben, stärken und dazu beitragen, dass sie
ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung
aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können.
Sie soll erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der
Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit
unterstützen und den Lebensunterhalt sichern, soweit
sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Die
Gleichstellung von Männern und Frauen ist als durchgängiges
Prinzip zu verfolgen. Die Leistungen der
Grundsicherung sind insbesondere darauf auszurichten,
– 4 –
dass
1. durch eine Erwerbstätigkeit Hilfebedürftigkeit vermieden
oder beseitigt, die Dauer der Hilfebedürftigkeit
verkürzt oder der Umfang der Hilfebedürftigkeit
verringert wird,
2. die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen erhalten,
verbessert oder wieder hergestellt wird,
3. geschlechtsspezifischen Nachteilen von erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen entgegengewirkt wird,
4. die familienspezifischen Lebensverhältnisse von
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die Kinder erziehen
oder pflegebedürftige Angehörige betreuen, berücksichtigt
werden,
5. behindertenspezifische Nachteile überwunden werden.
(2) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst
Leistungen
1. zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit
insbesondere durch Eingliederung in Arbeit
und
2. zur Sicherung des Lebensunterhalts.
§ 2
Grundsatz des Forderns
(1) Erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen
in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen
alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung
ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Der erwerbsfähige
Hilfebedürftige muss aktiv an allen Maßnahmen
zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere
eine Eingliederungsvereinbarung abschließen.
Wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
in absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat der
erwerbsfähige Hilfebedürftige eine ihm angebotene
zumutbare Arbeitsgelegenheit zu übernehmen.
(2) Erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen
in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen haben
in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen,
ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften
zu bestreiten. Erwerbsfähige Hilfebedürftige müssen
ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts
für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden Personen einsetzen.
§ 3
Leistungsgrundsätze
(1) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können
erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung,
Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit
für die Eingliederung erforderlich sind. Bei
den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sind
1. die Eignung,
2. die individuelle Lebenssituation, insbesondere die
familiäre Situation,
3. die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit
und
4. die Dauerhaftigkeit der Eingliederung
der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu berücksichtigen.
Vorrangig sollen Maßnahmen eingesetzt werden,
die die unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
ermöglichen. Bei der Leistungserbringung sind die
Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu
beachten.
(2) Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 25. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, sind in eine Arbeit,
eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu
vermitteln. Können Hilfebedürftige ohne Berufsabschluss
nicht in eine Ausbildung vermittelt werden, soll
die Agentur für Arbeit darauf hinwirken, dass die vermittelte
Arbeit oder Arbeitsgelegenheit auch zur Verbesserung
ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten
beiträgt.
(3) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
dürfen nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit
nicht anderweitig beseitigt werden kann.
§ 4
Leistungsarten
(1) Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
werden in Form von
1. Dienstleistungen, insbesondere durch Information,
Beratung und umfassende Unterstützung durch einen
persönlichen Ansprechpartner mit dem Ziel der
Eingliederung in Arbeit,
2. Geldleistungen, insbesondere zur Eingliederung der
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit und zur
Sicherung des Lebensunterhalts der erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden Personen, und
3. Sachleistungen
erbracht.
(2) Die Agentur für Arbeit wirkt darauf hin, dass erwerbsfähige
Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen die erforderliche
Beratung und Hilfe anderer Träger, insbesondere
der Kranken- und Rentenversicherung, erhalten.
§ 5
Verhältnis zu anderen Leistungen
(1) Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer,
insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen,
werden durch dieses Buch nicht berührt. Ermessensleistungen
dürfen nicht deshalb versagt werden,
weil dieses Buch entsprechende Leistungen vorsieht.
(2) Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach diesem Buch schließt Leistungen
nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches aus.
Dies gilt nicht für Leistungen nach § 32 Abs. 1 des
Zwölften Buches, soweit sie nicht nach § 23 Abs. 3
dieses Buches zu übernehmen sind sowie nach § 35 des
Zwölften Buches, soweit sie nicht nach § 22 Abs. 5
dieses Buches zu übernehmen sind. Leistungen nach
dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung sind gegenüber
dem Sozialgeld vorrangig.
(3) Stellen Hilfebedürftige trotz Aufforderung einen
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erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen
Trägers nicht, kann die Agentur für Arbeit den Antrag
stellen. Der Ablauf von Fristen, die ohne Verschulden
der Agentur für Arbeit verstrichen sind, wirkt nicht gegen
die Agentur für Arbeit; dies gilt nicht für Verfahrensfristen,
soweit die Agentur für Arbeit das Verfahren
selbst betreibt.
§ 6
Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Die Leistungen nach diesem Buch werden von der
Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) erbracht. Zu
ihrer Unterstützung kann sie Dritte mit der Wahrnehmung
von Aufgaben beauftragen.
Kapitel 2
Anspruchsvoraussetzungen
§ 7
Berechtigte
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen,
die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland haben,
(erwerbsfähige Hilfebedürftige). Ausländer haben ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland und erhalten Leistungen nach diesem
Buch, wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 3 vorliegen;
dies gilt nicht für Leistungsberechtigte nach § 1
des Asylbewerberleistungsgesetzes. Aufenthaltsrechtliche
Bestimmungen bleiben unberührt.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft
leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden
ihnen nur erbracht, wenn dadurch
1. die Hilfebedürftigkeit der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft
beendet oder verringert,
2. Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen beseitigt oder vermindert
werden.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
1. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
2. als Partner der erwerbsfähigen Hilfebdürftigen
a) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b) die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
in eheähnlicher Gemeinschaft lebt,
c) der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
3. die dem Haushalt angehörenden minderjährigen,
unverheirateten Kinder des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
oder seines Partners, soweit sie nicht
aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen
zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen
können.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in
einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder
Rente wegen Alters bezieht.
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60
bis 62 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig
ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts. In besonderen
Härtefällen können Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
als Darlehen geleistet werden.
(6) Absatz 5 findet keine Anwendung auf Auszubildende,
1. die auf Grund von § 2 Abs. 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
keinen Anspruch auf
Ausbildungsförderung oder auf Grund von § 64
Abs. 1 des Dritten Buches keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe
haben oder
2. deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
oder nach § 66
Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches bemisst.
§ 8
Erwerbsfähigkeit
(1) Erwerbsfähig ist, wer gegenwärtig oder voraussichtlich
innerhalb von sechs Monaten nicht wegen
Krankheit oder Behinderung außerstande ist, unter den
üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
(2) Die Agentur für Arbeit stellt fest, ob Hilfebedürftige
erwerbsfähig sind. Teilt der Leistungsträger, der
bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre, die Auffassung
der Agentur für Arbeit nicht, dass der Hilfebedürftige
nicht erwerbsfähig ist, entscheidet die Einigungsstelle
nach § 45. Bis zu deren Entscheidung erbringt
die Agentur für Arbeit Leistungen zur Grundsicherung
für Arbeitsuchende.
(3) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländer nur erwerbstätig
sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung
erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.
§ 9
Hilfebedürftigkeit
(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt,
seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt
der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden
Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Kräften und Mitteln, vor allem nicht
1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder
Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen,
insbesondere von Angehörigen oder von Trägern
anderer Sozialleistungen erhält.
(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben,
sind auch das Einkommen und Vermögen des
Partners zu berücksichtigen. Bei minderjährigen unver-
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heirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil
in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die
Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht
aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen
können, sind auch das Einkommen und Vermögen
der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen.
Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte
Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt
jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des
eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig.
(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein
Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung
des sechsten Lebensjahres betreut.
(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige
Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem
Vermögen nicht möglich ist oder für
den dies eine besondere Härte bedeuten würde; in diesem
Falle sind die Leistungen als Darlehen zu erbringen.
(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft
mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet,
dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies
nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden
kann.
§ 10
Zumutbarkeit
(1) Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist jede Arbeit
zumutbar, es sei denn, dass
1. er zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder
seelisch nicht in der Lage ist,
2. die Ausübung der Arbeit ihm die künftige Ausübung
seiner bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich
erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit
besondere körperliche Anforderungen stellt,
3. die Ausübung der Arbeit die Erziehung seines Kindes
oder des Kindes seines Partners gefährden würde;
die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr
vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet,
soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung
oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften
des Achten Buches oder auf sonstige Weise
sichergestellt ist; die Agentur für Arbeit soll in
Zusammenarbeit mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe
darauf hinwirken, dass Erziehenden vorrangig
ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten
wird,
4. die Ausübung der Arbeit mit der Pflege eines Angehörigen
nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht
auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5. der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger
Grund entgegensteht, insbesondere für die Arbeit
nicht das maßgebliche tarifliche Arbeitsentgelt oder
mangels einer tariflichen Regelung das ortsübliche
Arbeitsentgelt gezahlt wird; § 121 Abs. 2 des Dritten
Buches gilt entsprechend.
(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar,
weil
1. sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit des
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen entspricht, für die
er ausgebildet ist oder die er ausgeübt hat,
2. sie im Hinblick auf die Ausbildung des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen als geringerwertig anzusehen
ist,
3. der Beschäftigungsort vom Wohnort des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen weiter entfernt ist als ein
früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4. die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei
den bisherigen Beschäftigungen des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an
Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.
§ 11
Zu berücksichtigendes Einkommen
(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen
in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen
nach diesem Buch, der Grundrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die
eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes
vorsehen und der Renten oder Beihilfen,
die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden
an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht
werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente
nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der Kinderzuschlag
nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als
Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies
gilt auch für das Kindergeld für minderjährige Kinder,
soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des
Lebensunterhalts benötigt wird.
(2) Vom Einkommen sind abzusetzen
1. auf das Einkommen entrichtete Steuern,
2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich
der Beiträge zur Arbeitsförderung,
3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen
oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge
gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund
und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge
a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der
Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig
sind,
b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
befreit sind, soweit die Beiträge
nicht nach § 26 bezuschusst werden,
4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des
Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag
nach § 86 des Einkommensteuergesetzes
nicht überschreiten,
5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen
notwendigen Ausgaben,
6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach § 30.
(3) Nicht als Einkommen sind zu berücksichtigen
1. Einnahmen, soweit sie als
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a) zweckbestimmte Einnahmen,
b) Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege
einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem
Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so
günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach
diesem Buch nicht gerechtfertigt wären,
2. Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der
nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden.
§ 12
Zu berücksichtigendes Vermögen
(1) Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände
zu berücksichtigen.
(2) Vom Vermögen sind abzusetzen
1. ein Grundfreibetrag in Höhe von 200 Euro je vollendetem
Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
und seines Partners, mindestens aber jeweils
4 100 Euro; der Grundfreibetrag darf für den
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seinen Partner
jeweils 13 000 Euro nicht übersteigen,
2. Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich
als Altersvorsorge geförderten Vermögens
einschließlich seiner Erträge und der geförderten
laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der
Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig
verwendet,
3. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen,
soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den
Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung
nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten
Ansprüche 200 Euro je vollendetem Lebensjahr
des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines
Partners, höchstens jedoch jeweils 13 000 Euro
nicht übersteigt.
4. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in
Höhe von 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft
lebenden Hilfebedürftigen.
(3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen
1. angemessener Hausrat,
2. ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der
Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
3. vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt
bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem
Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige
oder sein Partner von der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist,
4. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener
Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung,
5. Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen
Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks
von angemessener Größe bestimmt ist, soweit dieses
zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger
Menschen dient oder dienen soll und dieser
Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung
des Vermögens gefährdet würde,
6. Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich
unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen
eine besondere Härte bedeuten würde.
Für die Angemessenheit sind die Lebensumstände während
des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für
Arbeitsuchende maßgebend.
(4) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu
berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt
maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder
erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem
Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs. Wesentliche
Änderungen des Verkehrswertes sind zu berücksichtigen.
§ 13
Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium
der Finanzen ohne Zustimmung des Bundesrates
durch Rechtsverordnung zu bestimmen,
1. welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen
zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im
Einzelnen zu berechnen ist,
2. welche weiteren Vermögensgegenstände nicht als
Vermögen zu berücksichtigen sind und wie der
Wert des Vermögens zu ermitteln ist,
3. welche Pauschbeträge für die von dem Einkommen
abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen sind.
Die Rechtsverordnung nach Nummer 1 ist auch im
Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit
und Soziale Sicherung zu erlassen.
Kapitel 3
Leistungen
Abschnitt 1
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
§ 14
Grundsatz des Förderns
Die Agentur für Arbeit unterstützt erwerbsfähige Hilfebedürftige
umfassend mit dem Ziel der Eingliederung
in Arbeit. Sie soll einen persönlichen Ansprechpartner
für jeden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit
ihm in einer Bedarfsgemeinschaft Lebenden benennen.
Die Agentur für Arbeit erbringt unter Beachtung der
Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit alle
im Einzelfall für die Eingliederung in Arbeit erforderlichen
Leistungen.
§ 15
Eingliederungsvereinbarung
(1) Die Agentur für Arbeit soll mit jedem erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen
Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung).
Die Eingliederungsvereinbarung soll
– 8 –
insbesondere bestimmen,
1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung
in Arbeit erhält,
2. welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige
in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in
Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher
Form er die Bemühungen nachzuweisen hat.
Die Eingliederungsvereinbarung soll für sechs Monate
geschlossen werden. Danach soll eine neue Eingliederungsvereinbarung
abgeschlossen werden. Bei jeder
folgenden Eingliederungsvereinbarung sind die bisher
gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen. Kommt
eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen
die Regelungen nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen.
(2) In der Eingliederungsvereinbarung kann auch vereinbart
werden, welche Leistungen die Personen erhalten,
die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer
Bedarfsgemeinschaft leben.
(3) Wird in der Eingliederungsvereinbarung eine Bildungsmaßnahme
vereinbart, ist auch zu regeln, in welchem
Umfang und unter welchen Voraussetzungen der
erwerbsfähige Hilfebedürftige schadensersatzpflichtig
ist, wenn er die Maßnahme aus einem von ihm zu vertretenden
Grund nicht zu Ende führt.
§ 16
Leistungen zur Eingliederung
(1) Als Leistungen zur Eingliederung kann die Agentur
für Arbeit alle im Dritten Kapitel, im Ersten bis
Siebten Abschnitt des Vierten Kapitels, im Ersten und
Zweiten Abschnitt des Fünften Kapitels sowie die im
Ersten, Fünften und Siebten Abschnitt des Sechsten
Kapitels und die in den §§ 417, 421g , 421i, 421k und
421l des Dritten Buches geregelten Leistungen erbringen.
§ 8 des Dritten Buches ist entsprechend anzuwenden.
§ 41 Abs. 3 Satz 4, § 57 Abs. 4 Satz 1 und 2 des
Dritten Buches sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden,
dass an die Stelle des Arbeitslosengeldes
das Arbeitslosengeld II tritt.
(2) Über die in Absatz 1 genannten Leistungen hinaus
kann die Agentur für Arbeit weitere Leistungen erbringen
oder erbringen lassen, die für die Eingliederung des
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben
erforderlich sind. Dazu gehören insbesondere
1. die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder
oder die häusliche Pflege von Angehörigen,
2. die Schuldnerberatung,
3. die psychosoziale Betreuung,
4. die Suchtberatung,
5. das Einstiegsgeld nach § 29,
6. Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz.
(3) Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit
finden können, sollen Arbeitsgelegenheiten geschaffen
werden. Werden Gelegenheiten für im öffentlichen
Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten nicht
nach Absatz 1 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert,
ist den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich
zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung
für Mehraufwendungen zu zahlen; diese
Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne
des Arbeitsrechts; die Vorschriften über den Arbeitsschutz
und das Bundesurlaubsgesetz sind entsprechend
anzuwenden; für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit
haften erwerbsfähige Hilfebedürftige nur wie
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“
(4) Entfällt die Hilfebedürftigkeit des Erwerbsfähigen
während einer Maßnahme zur Eingliederung nach den
Absätzen 1 bis 3 , kann sie durch Darlehen weiter gefördert
werden, wenn bereits zwei Drittel der Maßnahme
durchgeführt sind und der Erwerbsfähige diese voraussichtlich
erfolgreich abschließen wird.
§ 17
Einrichtungen und Dienste für Leistungen
zur Eingliederung
(1) Zur Erbringung von Leistungen zur Eingliederung
in Arbeit sollen die Agenturen für Arbeit eigene Einrichtungen
und Dienste nicht neu schaffen, soweit geeignete
Einrichtungen und Dienste Dritter vorhanden
sind, ausgebaut oder in Kürze geschaffen werden können.
Die Agenturen für Arbeit sollen Träger der freien
Wohlfahrtspflege in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der
Grundsicherung für Arbeitsuchende angemessen unterstützen.
(2) Wird die Leistung von einem Dritten erbracht und
sind im Dritten Buch keine Anforderungen geregelt,
denen die Leistung entsprechen muss, ist die Agentur
für Arbeit zur Vergütung für die Leistung nur verpflichtet,
wenn mit dem Dritten oder seinem Verband
eine Vereinbarung insbesondere über
1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen,
2. die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen
für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzen
kann, und
3. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der
Leistungen
besteht. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen
der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit
entsprechen.
§ 18
Örtliche Zusammenarbeit
(1) Die Agenturen für Arbeit arbeiten bei der Erbringung
von Leistungen zur Eingliederung in Arbeit unter
Berücksichtigung ihrer Aufgaben nach dem Dritten
Buch mit den Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes,
insbesondere den Gemeinden, den Kreisen und Bezirken,
den Trägern der freien Wohlfahrtspflege, den Vertretern
der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie den
Kammern und berufsständischen Organisationen zusammen,
um die gleichmäßige oder gemeinsame
Durchführung von Maßnahmen zu beraten oder zu sichern
und Leistungsmissbrauch zu verhindern oder
aufzudecken. Die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind
verpflichtet, mit den Agenturen für Arbeit zusammenzuarbeiten.
(2) Die Leistungen nach diesem Buch sind in das re-
– 9 –
gionale Arbeitsmarktmonitoring der Agenturen für Arbeit
nach § 9 Abs. 2 des Dritten Buches einzubeziehen.
(3) Die Agenturen für Arbeit sollen mit Gemeinden,
Kreisen und Bezirken auf deren Verlangen Vereinbarungen
über das Erbringen von Leistungen zur Eingliederung
nach diesem Gesetz mit Ausnahme der Leistungen
nach § 16 Abs. 1 schließen, wenn sie den durch eine
Rechtsverordnung festgelegten Mindestanforderungen
entsprechen.
(4) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
wird ermächtigt, ohne Zustimmung des Bundesrates
durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welchen Anforderungen
eine Vereinbarung nach Absatz 3 mindestens
genügen muss.
Abschnitt 2
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Unterabschnitt 1
Arbeitslosengeld II
§ 19
Arbeitslosengeld II
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld
II
1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich
der angemessenen Kosten für Unterkunft
und Heizung,
2. unter den Voraussetzungen des § 24 einen befristeten
Zuschlag.
Das Arbeitslosengeld II mindert sich um das zu berücksichtigende
Einkommen und Vermögen.
§ 20
Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts
(1) Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts
umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung,
Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens
sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur
Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben.
Nicht umfasst sind die in § 5 Abs. 2 Satz 2 dieses Buches
genannten Leistungen nach dem Zwölften Buch.
(2) Die monatliche Regelleistung beträgt für Personen,
die allein stehend oder allein erziehend sind, in
den alten Bundesländern einschließlich Berlin (Ost)
345 Euro, in den neuen Bundesländern 331 Euro.
(3) Haben zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft
das 18. Lebensjahr vollendet, beträgt die Regelleistung
jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz
2. Die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige
der Bedarfsgemeinschaft beträgt 80 vom Hundert
der Regelleistung nach Absatz 2.
(4) Die Regelleistung nach Absatz 2 wird jeweils zum
1. Juli eines Jahres um den Vomhundertsatz angepasst,
um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen
Rentenversicherung verändert. Für die Neubemessung
der Regelleistung findet § 29 Abs. 3 Satz 5 des Zwölften
Buches entsprechende Anwendung. Das Bundesministerium
für Wirtschaft und Arbeit gibt jeweils spätestens
zum 30. Juni eines Kalenderjahres die Höhe der
Regelleistung nach Absatz 2, die für die folgenden
zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesgesetzblatt bekannt.
(5) Beträge nach den Absätzen 2 und 3, die nicht volle
Euro ergeben, sind bis zu 0,49 Euro abzurunden und
von 0,50 Euro an aufzurunden.
§ 21
Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt
(1) Leistungen für Mehrbedarfe umfassen Bedarfe
nach den Absätzen 2 bis 5, die nicht durch die Regelleistung
abgedeckt sind.
(2) Werdende Mütter, die erwerbsfähig und hilfebedürftig
sind, erhalten nach der 12. Schwangerschaftswoche
einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach
§ 20 maßgebenden Regelleistung.
(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen
Kindern zusammen leben und allein für deren
Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf
anzuerkennen
1. in Höhe von 36 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2
maßgebenden Regelleistung, wenn sie mit einem
Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei
Kindern unter sechzehn Jahren zusammen leben,
oder
2. in Höhe von 12 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2
maßgebenden Regelleistung für jedes Kind, wenn
sich dadurch ein höherer Vomhundertsatz als nach
der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe
von 60 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden
Regelleistung.
(4) Erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des
Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung
eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Hilfe zur
Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit erbracht
werden, erhalten einen Mehrbedarf von 35 vom
Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung.
Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten
Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit,
vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet
werden.
(5) Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen
Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung
bedürfen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener
Höhe.
(6) Die Summe des insgesamt gezahlten Mehrbedarfs
darf die Höhe der für erwerbsfähige Hilfebedürftige
maßgebenden Regelleistung nicht übersteigen.
§ 22
Leistungen für Unterkunft und Heizung
(1) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit
diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für
die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles
angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf
des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft
so lange zu berücksichtigen, wie es dem
allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsge-
– 10 –
meinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist,
durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder
auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der
Regel jedoch längstens für sechs Monate.
(2) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft
soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung
der Agentur für Arbeit zu den Aufwendungen
für die neue Unterkunft einholen. Die Agentur für
Arbeit ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der
Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die
neue Unterkunft angemessen sind.
(3) Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen
und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung
durch die Agentur für Arbeit übernommen werden.
Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der
Umzug durch die Agentur für Arbeit veranlasst oder
aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die
Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen
Zeitraum nicht gefunden werden kann.
(4) Die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen
von der Agentur für Arbeit an den Vermieter oder andere
Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die
zweckentsprechende Verwendung durch den Hilfebedürftigen
nicht sichergestellt ist.
(5) Mietschulden können als Darlehen übernommen
werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten
droht und hierdurch die Aufnahme einer konkret in
Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert würde.
§ 23
Abweichende Erbringung von Leistungen
(1) Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen
umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf
zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch
das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere
Weise gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit
bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung
oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen
ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen
wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur
für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt.
Das Darlehen wird durch monatliche Aufrechnung in
Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft
lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden
Regelleistung getilgt.
(2) Solange sich der Hilfebedürftige, insbesondere bei
Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen
Verhaltens, als ungeeignet erweist, mit
der Regelleistung nach § 20 seinen Bedarf zu decken,
kann die Regelleistung in voller Höhe oder anteilig in
Form von Sachleistungen erbracht werden.
(3) Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung
bei Schwangerschaft und Geburt sind nicht von der Regelleistung
umfasst. Sie werden gesondert erbracht. Die
Leistungen nach Satz 1 werden auch erbracht, wenn
Hilfebedürftige keine Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten
für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf
nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln
nicht voll decken können. In diesem Falle kann das
Einkommen berücksichtigt werden, das Hilfebedürftige
innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten
nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die
Leistung entschieden worden ist.
§ 24
Befristeter Zuschlag nach Bezug
von Arbeitslosengeld
(1) Soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld
II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende
des Bezugs von Arbeitslosengeld bezieht, erhält er in
diesem Zeitraum einen monatlichen Zuschlag. Nach
Ablauf des ersten Jahres wird der Zuschlag um 50 vom
Hundert vermindert.
(2) Der Zuschlag beträgt zwei Drittel des Unterschiedsbetrages
zwischen
1. dem von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuletzt
bezogenen Arbeitslosengeld und dem nach
dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld und
2. dem an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und
die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen
zu zahlenden Arbeitslosengeld II nach
§ 19 Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 oder Sozialgeld nach
§ 28.
(3) Der Zuschlag ist im ersten Jahr
1. bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auf höchstens
160 Euro,
2. bei Partnern auf insgesamt höchstens 320 Euro und
3. für die mit dem Zuschlagsberechtigten in Bedarfsgemeinschaft
zusammenlebenden minderjährigen
Kinder auf höchstens 60 Euro pro Kind
begrenzt.
§ 25
Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit
Erkrankt ein Bezieher von Arbeitslosengeld II und
hat er dem Grunde nach Anspruch auf Krankengeld, so
wird Arbeitslosengeld II bis zur Dauer von sechs Wochen
weiter gezahlt.. Die Eingliederungsleistungen für
den Erwerbsfähigen und die Ansprüche der Mitglieder
der Bedarfsgemeinschaft werden durch den Bezug von
Krankengeld nicht berührt.
§ 26
Zuschuss zu Beiträgen bei Befreiung von der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung
Bezieher von Arbeitslosengeld II, die von der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung
befreit sind (§ 6 Abs. 1b, § 231 Abs. 1 und 2 des Sechsten
Buches), erhalten einen Zuschuss zu den Beiträgen,
die für die Dauer des Leistungsbezugs freiwillig an die
gesetzliche Rentenversicherung, eine berufsständische
Versorgungseinrichtung oder für eine private Alterssicherung
gezahlt werden. Der Zuschuss ist auf die Höhe
des Betrages begrenzt, der ohne die Befreiung von der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
zu zahlen wäre.
§ 27
– 11 –
Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium
der Finanzen und dem Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung ohne Zustimmung
des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen,
1. welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung
angemessen sind und unter welchen Voraussetzungen
die Kosten für Unterkunft und Heizung pauschaliert
werden können,
2. bis zu welcher Höhe Umzugskosten übernommen
werden.
Unterabschnitt 2
Sozialgeld
§ 28
Sozialgeld
(1) Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben,
erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf
Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
haben oder diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nicht ausreichen. Das Sozialgeld umfasst
die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 ergebenden Leistungen.
Hierbei gelten ergänzend folgende Maßgaben:
1. Die Regelleistung beträgt bis zur Vollendung des
14. Lebensjahres 60 vom Hundert und im 15. Lebensjahr
80 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2
maßgebenden Regelleistung.
2. Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 4 werden
auch gezahlt, wenn Eingliederungshilfe nach §
49 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Zwölften Buches erbracht
wird.
3. § 21 Abs. 4 Satz 2 gilt auch nach Beendigung der in
§ 49 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Zwölften Buches genannten
Maßnahmen.“
(2) Das Sozialgeld mindert sich um das zu berücksichtigende
Einkommen und Vermögen.
Unterabschnitt 3
Anreize und Sanktionen
§ 29
Einstiegsgeld
(1) Zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit kann
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die arbeitslos sind,
bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld
erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den
allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld
wird als Zuschuss zum Arbeitslosengeld II
erbracht.
(2) Das Einstiegsgeld wird, soweit für diesen Zeitraum
eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24
Monate erbracht. Bei der Bemessung der Höhe des Einstiegsgeldes
soll die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit
sowie die Größe der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt
werden, in der der erwerbsfähige Hilfebedürftige
lebt.
(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium
der Finanzen ohne Zustimmung des Bundesrates
durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie das
Einstiegsgeld zu bemessen ist. Bei der Bemessung ist
neben der Berücksichtigung der in Absatz 2 Satz 2 genannten
Kriterien auch ein Bezug zu der für den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen jeweils maßgebenden
Regelleistung herzustellen.
§ 30
Freibeträge bei Erwerbstätigkeit
Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig
sind, ist von dem um die Absetzbeträge nach § 11
Abs. 2 Nr. 1 bis 5 bereinigten Einkommen aus Erwerbstätigkeit
ein Betrag in Höhe von 20 vom Hundert
der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden Regelleistung zuzüglich
15 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden
bereinigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit, jedoch
nicht mehr als ein Betrag in Höhe von
1. 45 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden
Regelleistung bei einem Alleinstehenden,
2. 50 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden
Regelleistung bei einer Bedarfsgemeinschaft mit
zwei Personen,
3. 60 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden
Regelleistung bei einer Bedarfsgemeinschaft mit
drei Personen,
4. 70 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden
Regelleistung bei einer Bedarfsgemeinschaft mit
vier Personen,
5. 80 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden
Regelleistung bei einer Bedarfsgemeinschaft mit
fünf und mehr Personen,
abzusetzen.
§ 31
Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengeldes II
(1) Das Arbeitslosengeld II wird unter Wegfall des
Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom
Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn
1. der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung
über die Rechtsfolgen weigert,
a) eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung
abzuschließen,
b) in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte
Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem
Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen,
c) eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit
aufzunehmen oder fortzuführen,
oder
d) zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 aus-
– 12 –
zuführen,
2. der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung
über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme
zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass
für den Abbruch gegeben hat.
Dies gilt nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige
einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
(2) Kommt der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz
schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer
Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich bei ihr zu
melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen
Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach und
weist er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten
nach, wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des
Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 10 vom
Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt.
(3) Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Absatz 1
oder Absatz 2 wird das Arbeitslosengeld II zusätzlich
um jeweils den Vomhundertsatz der nach § 20 maßgebenden
Regelleistung gemindert, um den es in der ersten
Stufe nach Absatz 1 gemindert wurde. Hierbei können
auch die Leistungen nach den §§ 21 bis 23 betroffen
sein. Bei einer Minderung der Regelleistung um
mehr als 30 vom Hundert kann die Agentur für Arbeit
in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen
oder geldwerte Leistungen erbringen. Die Agentur für
Arbeit soll Leistungen nach Satz 3 erbringen, wenn der
Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft
lebt. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige
ist vorher über die Rechtsfolgen nach den Sätzen 1
bis 4 zu belehren
(4) Die Absätze 1 und 3 gelten entsprechend
1. bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der
nach Vollendung des 18. Lebensjahres sein Einkommen
oder Vermögen in der Absicht vermindert
hat, die Voraussetzungen für die Gewährung oder
Erhöhung des Arbeitslosengeldes II herbeizuführen,
2. bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der
trotz Belehrung über die Rechtsfolgen sein unwirtschaftliches
Verhalten fortsetzt,
3. bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
a) dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder
erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit den
Eintritt einer Sperrzeit oder das Erlöschen des
Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten
Buches festgestellt hat oder
b) der die in dem Dritten Buch genannten Voraussetzungen
für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt,
die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs
auf Arbeitslosengeld begründen.
(5) Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15.
Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet
haben, wird das Arbeitslosengeld II unter den in
Absatz 1 und 4 genannten Voraussetzungen auf die
Leistungen nach § 22 beschränkt; die nach § 22 Abs. 1
angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sollen
von der Agentur für Arbeit an den Vermieter oder
andere Empfangsberechtigte gezahlt werden. Die Agentur
für Arbeit soll Leistungen nach Absatz 3 Satz 3
an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erbringen. Der
erwerbsfähige Hilfebedürftige ist vorher über die
Rechtsfolgen nach den Sätzen 1 und 2 zu belehren.
(6) Absenkung und Wegfall treten mit Wirkung des
Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des
Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall
der Leistung feststellt, folgt. Absenkung und Wegfall
dauern drei Monate. Während der Absenkung oder des
Wegfalls der Leistung besteht kein Anspruch auf ergänzende
Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften
des Zwölften Buches. Über die Rechtsfolgen
nach Satz 1 bis 3 ist der erwerbsfähige Hilfebedürftige
vorher zu belehren.
§ 32
Absenkung und Wegfall des Sozialgeldes
§ 31 Abs. 1 bis 3 sowie Abs. 6 gilt entsprechend für
Bezieher von Sozialgeld, wenn bei diesen Personen die
in § 31 Abs. 2 oder Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 genannten
Voraussetzungen vorliegen.
Unterabschnitt 4
Verpflichtungen anderer
§ 33
Übergang von Ansprüchen
(1) Haben Empfänger von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts einen Anspruch gegen einen Anderen,
der nicht Leistungsträger ist, kann die Agentur
für Arbeit durch schriftliche Anzeige an den Anderen
bewirken, dass der Anspruch bis zur Höhe der erbrachten
Leistungen auf die Agentur für Arbeit übergeht.
Der Übergang des Anspruchs darf nur bewirkt werden,
soweit bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht
worden wären. Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen,
dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet
oder gepfändet werden kann.
(2) Der Übergang eines Unterhaltsanspruchs nach
bürgerlichem Recht darf nicht bewirkt werden, wenn
die unterhaltsberechtigte Person
1. mit dem Verpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft
lebt,
2. mit dem Verpflichteten verwandt ist und den Unterhaltsanspruch
nicht geltend macht;
dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche
a) minderjähriger Hilfebedürftiger,
b) von Hilfebedürftigen, die das 25. Lebensjahr
noch nicht vollendet und die Erstausbildung
noch nicht abgeschlossen haben
gegen ihre Eltern,
3. in einem Kindschaftsverhältnis zum Verpflichteten
steht und schwanger ist oder,
4. ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten
Lebensjahres betreut.
Der Übergang darf nur bewirkt werden, soweit das
Einkommen und Vermögen der unterhaltsverpflichteten
Person das nach den §§ 11 und 12 zu berücksichtigende
– 13 –
Einkommen und Vermögen übersteigt. Die Agentur für
Arbeit kann den Übergang eines Unterhaltsanspruchs
für die Vergangenheit nur unter den Voraussetzungen
des § 1613 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bewirken.
Sie kann bis zur Höhe der bisherigen Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts auch auf zukünftige
Leistungen klagen, wenn die Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts voraussichtlich noch längere Zeit
erbracht werden müssen.
(3) Die schriftliche Anzeige an den Anderen bewirkt,
dass der Anspruch für die Zeit übergeht, für die dem
Hilfebedürftigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
ohne Unterbrechung erbracht werden; als
Unterbrechung gilt ein Zeitraum von mehr als zwei
Monaten.
(4) Die §§ 115 und 116 des Zehnten Buches gehen
der Regelung des Absatzes 1 vor.
§ 34
Ersatzansprüche
(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich
oder grob fahrlässig
1. die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit
oder die Hilfebedürftigkeit von Personen, die mit
ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, oder
2. die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
an sich oder an Personen, die mit
ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben,
ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz
der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Von
der Geltendmachung des Ersatzanspruches ist abzusehen,
soweit sie den Ersatzpflichtigen künftig von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach diesem
Buch oder von Leistungen nach dem Zwölften Buch
abhängig machen würde.
(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung
zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie
ist auf den Nachlasswert im Zeitpunkt des Erbfalles begrenzt.
(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf
des Jahres, in dem die Leistung erbracht worden
ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs
über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn
und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß;
der Erhebung der Klage steht der Erlass eines
Leistungsbescheides gleich.
§ 35
Erbenhaftung
(1) Der Erbe eines Empfängers von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts ist der Agentur für Arbeit
zum Ersatz der Leistungen verpflichtet, soweit diese
innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erbracht
worden sind und 1 700 Euro übersteigen. Die
Ersatzpflicht ist auf den Nachlasswert im Zeitpunkt des
Erbfalles begrenzt.
(2) Der Ersatzanspruch ist nicht geltend zu machen,
1. soweit der Wert des Nachlasses unter 15 500 Euro
liegt, wenn der Erbe der Partner des Leistungsempfängers
war oder mit diesem verwandt war und
nicht nur vorübergehend bis zum Tode des Leistungsempfängers
mit diesem in häuslicher Gemeinschaft
gelebt und ihn gepflegt hat,
2. soweit die Inanspruchnahme des Erben nach der
Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Härte
bedeuten würde.
(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach dem
Tod des Leistungsempfängers. § 34 Abs. 3 Satz 2 gilt
sinngemäß.
Kapitel 4
Gemeinsame Vorschriften für Leistungen
Abschnitt 1
Zuständigkeit und Verfahren
§ 36
Örtliche Zuständigkeit
Für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
zur Eingliederung in Arbeit ist die Agentur für
Arbeit zuständig, in deren Bezirk der erwerbsfähige
Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
§ 37
Antragserfordernis
(1) Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
werden auf Antrag erbracht.
(2) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht.
Treten die Anspruchsvoraussetzungen an einem
Tag ein, an dem die zuständige Agentur für Arbeit
nicht geöffnet ist, wirkt ein unverzüglich gestellter Antrag
auf diesen Tag zurück.
§ 38
Vertretung der Bedarfsgemeinschaft
Soweit Anhaltspunkte nicht entgegenstehen, wird vermutet,
dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt
ist, Leistungen nach diesem Buch auch für die
mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen
zu beantragen und entgegenzunehmen. Leben mehrere
erwerbsfähige Hilfebedürftige in einer Bedarfsgemeinschaft,
gilt diese Vermutung zugunsten desjenigen,
der die Leistungen beantragt.
§ 39
Sofortige Vollziehbarkeit
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen
Verwaltungsakt, der
1. über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
entscheidet oder
2. den Übergang eines Anspruchs bewirkt,
haben keine aufschiebende Wirkung.
§ 40
– 14 –
Anwendung von Verfahrensvorschriften
(1) Die Vorschriften des Dritten Buches über
1. die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330
Abs. 1, 2, 3 Satz 1 und 4),
2. die vorläufige Zahlungseinstellung (§ 331) und
3. die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten-
und Pflegeversicherung (§ 335 Abs. 1, 2 und 5)
sind entsprechend anwendbar.
(2) Abweichend von § 50 des Zehnten Buches sind
56 vom Hundert der bei der Leistung nach § 19 Satz 1
Nr. 1 und Satz 2 sowie § 28 berücksichtigten Kosten
für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizungs-
und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten.
Satz 1 gilt nicht im Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 des
Zehnten Buches.
§ 41
Berechnung der Leistungen
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
besteht für jeden Kalendertag. Der Monat
wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen
nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig
erbracht. Die Leistungen sollen jeweils für sechs
Monate bewilligt und monatlich im Voraus erbracht
werden.
§ 42
Auszahlung der Geldleistungen
Geldleistungen nach diesem Buch werden auf das im
Antrag angegebene inländische Konto bei einem Geldinstitut
überwiesen. Werden sie an den Wohnsitz oder
gewöhnlichen Aufenthalt des Berechtigten übermittelt,
sind die dadurch veranlassten Kosten abzuziehen. Dies
gilt nicht, wenn der Berechtigte nachweist, dass ihm die
Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne
eigenes Verschulden nicht möglich ist.
§ 43
Aufrechnung
Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
können bis zu einem Betrag in Höhe von 30 vom Hundert
der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung
mit Ansprüchen der Agentur für Arbeit aufgerechnet
werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung
oder auf Schadensersatz handelt, die der Hilfebedürftige
durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige
oder unvollständige Angaben veranlasst hat. Die
Aufrechnungsmöglichkeit ist auf drei Jahre beschränkt.
§ 44
Veränderung von Ansprüchen
Die Agentur für Arbeit darf Ansprüche erlassen,
wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles
unbillig wäre.
Abschnitt 2
Gemeinsame Einigungsstelle
§ 45
Einigungsstelle zur Entscheidung über die
Erwerbsfähigkeit
(1) Bei Streitigkeiten über die Erwerbsfähigkeit eines
Hilfebedürftigen entscheidet eine gemeinsame Einigungsstelle
der Agentur für Arbeit und des Leistungsträgers,
der bei voller Erwerbsminderung für den Hilfebedürftigen
zuständig wäre. Ihr gehören ein Vorsitzender
und jeweils ein Vertreter der Agentur für Arbeit
und des Trägers der anderen Leistung an. Der Vorsitzende
wird von beiden Trägern gemeinsam bestimmt.
Einigen sich die Träger nicht auf einen Vorsitzenden,
ist Vorsitzender für jeweils sechs Monate abwechselnd
ein Mitglied der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit
und der Leiter des Trägers der anderen Leistung.
(2) Die gemeinsame Einigungsstelle soll eine einvernehmliche
Entscheidung anstreben. Sie zieht im notwendigen
Umfang Sachverständige hinzu und entscheidet
mit der Mehrheit der Mitglieder. Die Sachverständigen
erhalten Entschädigungen nach dem Gesetz
über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen.
Die Aufwendungen trägt der Bund.
(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium
der Finanzen und dem Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung ohne Zustimmung
des Bundesrates durch Rechtsverordnung Grundsätze
zum Verfahren für die Arbeit der gemeinsamen Einigungsstelle
zu bestimmen.
Kapitel 5
Finanzierung und Aufsicht
§ 46
Finanzierung aus Bundesmitteln
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende. Er erstattet der Bundesagentur
hierfür die Verwaltungskosten.
(2) Die Bundesagentur erstattet dem Bund jeweils
zum 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November
einen Aussteuerungsbetrag, der dem Zwölffachen
der durchschnittlichen monatlichen Aufwendungen für
Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Beiträge zur Sozialversicherung
im vorangegangenen Kalendervierteljahr
für eine Bedarfsgemeinschaft, vervielfältigt mit der
Zahl der Personen, die im vorangegangenen Kalendervierteljahr
innerhalb von drei Monaten nach dem Bezug
von Arbeitslosengeld einen Anspruch auf Arbeitslosengeld
II erworben haben, entspricht.
(3) Für das Jahr 2004 erstattet die Bundesagentur dem
Bund, abweichend von Absatz 2, einen Aussteuerungsbetrag,
der dem Zwölffachen der durchschnittlichen
monatlichen Aufwendungen für Arbeitslosengeld II,
Sozialgeld und Beiträge zur Sozialversicherung für eine
Bedarfsgemeinschaft im zweiten Halbjahr 2004, vervielfältigt
mit der Anzahl der Personen, die im zweiten
Halbjahr 2004 innerhalb von drei Monaten nach dem
Bezug von Arbeitslosengeld einen Anspruch auf Arbeitslosengeld
II erworben haben, entspricht. Die Bundesagentur
leistet zum 15. September 2004 eine Abschlagszahlung
auf den Aussteuerungsbetrag in Höhe
– 15 –
von drei Milliarden einhundert Millionen Euro; der Betrag
nach Satz 1 wird zum 15. Februar 2005 abgerechnet.
§ 47
Aufsicht
(1) Soweit die Bundesagentur Leistungen nach diesem
Buch erbringt, führt das Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit die Rechtsaufsicht und die Fachaufsicht.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit kann der Bundesagentur Weisungen erteilen und
sie an seine Auffassung binden.
(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des
Bundesrates die Wahrnehmung von Aufgaben nach
Absatz 1 auf eine Bundesoberbehörde übertragen.
§ 48
Zielvereinbarungen
Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der
Finanzen soll das Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit mit der Bundesagentur Vereinbarungen zur
Erreichung der Ziele nach diesem Buch abschließen.
Die Vereinbarungen können
1. erforderliche Genehmigungen oder Zustimmungen
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit
ersetzen,
2. die Selbstbewirtschaftung von Haushaltsmitteln für
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie für
Verwaltungskosten zulassen.
§ 49
Innenrevision
(1) Die Bundesagentur stellt durch organisatorische
Maßnahmen sicher, dass in allen Dienststellen durch
eigenes, nicht der Dienststelle angehörendes Personal
geprüft wird, ob Leistungen nach diesem Buch unter
Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen nicht hätten
erbracht werden dürfen oder zweckmäßiger oder wirtschaftlicher
hätten eingesetzt werden können. Mit der
Durchführung der Prüfungen können Dritte beauftragt
werden.
(2) Das Prüfpersonal der Bundesagentur ist für die
Zeit seiner Prüftätigkeit fachlich unmittelbar der Leitung
der Dienststelle unterstellt, in der es beschäftigt
ist.
(3) Der Vorstand legt die Berichte nach Absatz 1 unverzüglich
dem Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit vor.
Kapitel 7
Datenschutz
§ 50
Datenübermittlung an Dritte
(1) Die Bundesagentur darf Dritten, die mit der Erfüllung
von Aufgaben nach diesem Buch beauftragt sind,
Sozia
Hab das nicht gemacht; dafür waren andere zuständig.
Denke nur, man sollte immer die Quellen studieren.
finde ich neckisch. So klar, so deutlich.
Und ich dachte bisher, in unserer Bundesregierung wäre nur der Finanzminister kreativ.
Oder haben die in dem Gesetzestitel einfach nur ein "d" vergessen?
Sucht mal, wo!
Dem Volk auf's Maul geschaut
Hallo Allerseits,
spiegelt die Stimmung in der Bevölkerung die wirkliche aktuelle wirtschaftliche Lage richtig wider?
Nein!
Die Stimmung läuft der realen Entwicklung VORAUS!
So schaut's aus (ich zitiere aus Gesprächen in einer Kneipe in Frankfurt/Ostend vom Wochenende):
"... also, wenn ich den Schröder in die Hände kriege ..... ich hab' ja so eine Wut auf den ...." (Rentnerin 66 J.)
"Aufhängen! Alle!" und später
"Die Gewerkschaften, die Gewerkschaften sind schuld." (Rentner 64 J.)
Älterer Mann: "Was soll denn die Jungend in zwanzig, dreißig Jahren machen?"
Anderer Mann: "Nach solchen Zeiten (so schlecht wie jetzt, Z.) kommt immer Krieg, wie früher."
"Wir brauchen so einen wie den Hitler wieder" (ältere Frau)
"Die Leute hier sind doch alle stier." (andere ältere Frau, 'stier' Frankfurter Ausdruck für 'die Leute haben kein Geld')
usw. usf., viele nicht zitierfähige Gespräche.
Die Stimmung, die in den Bevölkerungsschichten mit extrem geringen Einkommen herrscht, ist erschreckend schlecht und von einer auch von mir nicht erwarteten Radikalität geprägt.
Bemerkenswert ist die zunehmende Verortung der Ursachen des Übels bei den Politikern ( neben den üblichen Verdächtigen: Reiche und Konzerne ). Über Billiglöhne und ausländische Konkurrenz hat sich niemand beschwert, vielmehr darüber, daß es einfach keine Arbeit mehr gibt.
Wer hier also von "... Untergangsfetischisten" spricht, hat von der Stimmung, die so im Volke herrscht, anscheinend nicht die Bohne einer Ahnung.
Schaut dem Volk auf's Maul und Ihr werdet sehen, was da im anrollen ist!
Grüße
Gestern war ( auf Planetopia? ) ein Bericht über Leute mit mehreren Jobs dran.
U.a. ein Importeur bzw. Hersteller von Kunstpflanzen, der nebenher noch Turmspringunterricht und Mitfahrstunden in seinem flachen Flitzer anbietet.
Oder ein Bistrobetreiber, der neben seinem Dienst in der Küche noch als Türsteher und Bodyguard arbeitet.
Oder der Hilfsarbeiter, der tags bei Umzugsfirmen mitschleppt und abends Pizza ausfährt.
Oder die leute ganz unten, wie ein Ex-Barman, der jetzt frühg ab 4.00 am Arbeitslosigkeitsamt wartet, ob er einen Tagelöhnerjob am Bau kriegt, für 50 Euro BAT (bar auf Tatze).
Oder die Moderatorin, die noch castet und photographiert etc.
Das wird wohl der Blick in die Zukunft von vielen sein, daß ein Job das Auskommen nicht mehr sichert.
Und über solchen Schwachfug wie eine 30 oder 35 Stunden Arbeitswoche wird man sich dereinst erinnern wie an die Lichttürme aus Flakscheinwerfern und Leni Riefenstahls Wochenschauberichte über die Olympiade 36, selber 45 in den rauchenden Bombentrümmern hockend. Sinngemäß.
Was sagte der Barman gestern? Jetzt ist ihm erst bewußt, wie - vergleichsweise - einfach er früher das Geld verdiente, und wie verdammt hart es heute geworden ist.
Wie gesagt, ich fürchte, das wird uns ausnahmslos alle genauso treffen. Wenn auch auf unterschiedlichen Heftigkeits-Niveaus, aber vom Grundsatz her gleich ------> mehr arbeiten, bzw., viel mehr, um nicht mal das zu haben, was einem früher zu wenig war.
Was zu einer noch höheren Wertschätzung des wenigen Geldes führen muß, das man hat.
Also zu noch mehr Konsumeinbruch. Einwärtsspirale.
...
Noch was zu den Demofritzen: Freilich können die sich - mit Recht! - bei den Politikern darüber beklagen, daß niemand ihnen mehr vor Ort Arbeitsplätze geben will/kann.
Aufgrund der unsinnig gewordenen Rahmenbedingungen nach 25 Jahren Irrfahrt durch das Tal der geisteskranken Bürokraten.
Aber genau das kommt nicht vor, wird nicht geschehen!
Wie Du schreibst, geht es statt auf die Rahmengebenden gegen die davon betroffenen Arbeitgeber.
Und das bewirkt abermals den Exitus derer, die es gerade noch rechtzeitig merken, bevor die Lawine heranrollt.
Beste Grüße
K
Gruß BarCode
Par.
185
Beleidigung
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Par.
186
Üble Nachrede
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Par.
187
Verleumdung
Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Für den Anfang könnte das reichen, oder?
Ansonsten: Stets zu Diensten.
Diese Tage versucht die immer mehr Macht verlierende Meinungsindustrie, allen voran die BILD HartzIV schön zu rechnen. Da werden Fallbeispiele rausgezogen, und ausgerechnet, daß HartzIV dem arbeitslosen Bürger mehr Geld bringt.
Ich frage mich, für wie blöd werden die Bürger gehalten ?
Da wird der Bürger gezwungen, sein Vermögen aufzuschlüsseln. Nirgendwo wird gefragt, wie lang jemand eingezahlt hat, ob 3 oder 30 Jahre, scheiss egal. Der wo am meisten einzahlt, der Mittelstand, und der Besserverdiener, die bekommen sowieso weniger als vorher. Die wo wenig verdienen, bekommen unerheblich mehr, so das faktisch wie im Sozialismus jeder die gleiche Armut verordnet bekommt. Die geistige Armut der maßgeblichen Politiker wird allerdings nicht berücksichtigt.
Eine Versicherung bedeutet, gewisse Einzahlungen, gewisse Leistungen. So funktioniert es überall. Warum nicht bei der Arbeitslosenversicherung ? Nein der Staat muss "Böhse Onkelz" spielen, und selbst eingreifen. Der wo was hat, gut gewirtschaftet hat, dem wird das Geld genommen, der wo nichts hat, wird auch nicht mehr gegeben, was folgt daraus: Kaufkraftverlust und der weitere Weg in die Wirtschaftskrise.
Nein, uns kanns recht sein. Der Wähler wird die Quittung für HartzIV schon erteilen.
es ist an der Zeit, offen und ehrlich miteinander zu reden. Jetzt, wo Ihr auf den neuen Montagsdemos darüber jammert, nicht mehr ohne zu arbeiten einen hohen Lebensstandard halten zu können, ist der beste Moment dafür.
Lasst es mich kurz und knackig auf den Punkt bringen, Herrschaften: die Fettlebe auf Kosten der Allgemeinheit ist ein für allemal vorbei! Jetzt gilt wieder der alte und seit Jahrtausendenden bewährte Grundsatz: "Wer arbeitet, hat was vom Leben, wer nicht arbeitet, guckt zu, wie es anderen besser geht."
Was denkt Ihr Euch eigentlich, wie es in diesem Land voller Pharisäer und uneinsichtiger Schmarotzer weitergehen soll? Seht Euch doch mal um in Euren Reihen.
Kürzlich sah ich einen TV-Bericht über einen betroffenen Kollegen von Euch. Kaufmann, seit 3 Jahren arbeitslos, verheiratet, Bezieher von Arbeitslosenhilfe, kleines Kind. Aber wer macht Erziehungsurlaub? Natürlich seine Frau, die noch Arbeit hat! Die Arbeitslosenhilfe reicht schließlich dicke, die Krankenkasse zahlt ja und er ist immer noch der Mann im Haus. Und solche Knallchargen sollen weiterhin bis in alle Ewigkeit durchgefüttert werden?
Während nebenan eine alleinerziehende Mutter für weniger Geld an der Kasse sitzt und abends putzt, um ihre Kinder durchzubringen?
Nicht mit mir, liebe Ex-Wähler.
Ja, ich weiß. Unter Euch sind viele chancenlose Dauerarbeitslose, die aus verschiedenen Gründen auch in hundert Jahren keinen neuen Job bekommen werden. Zu Eurer Info: Um Euch loszuwerden, gab es früher regelmäßig Kriege, in denen Ihr dezimiert wurdet. Wie bitte? Das hört Ihr nicht gerne?
Dann sage ich Euch mal, was ich nicht gerne sehe: wohlgenährte arbeitslose Demonstranten mit Hüftspeck und tadellosen Klamotten, die Unterstützung bis in alle Ewigkeit wollen.
In Indien würdet ihr mit dem Becher in der Hand am Straßenrand sitzen und neben der Bushaltestelle schlafen.
Hier lebt Ihr in einem Land, dass Euch mit Sozialhilfe über Wasser hält. Und das bedeutet: billiges Bier bei Aldi und Lidl, 24 Stunden TV-Programm, eine Gratiskrankenversorgung vom Feinsten, Kleider- und Mietzuschuss, öffentliche Büchereien und die Freiheit, per Montagsdemo darüber zu jammern, wie schlecht es Euch angeblich geht.
Fällt langsam der Groschen? Ihr tragt null und nichts zum allgemeinen Wohlstand bei, wollt aber leben, als ginge es jeden Morgen zur Arbeit. Von den Schwarzarbeitern unter Euch ganz zu schweigen.
Schluss damit. Haltet die Klappe und lasst mich in Ruhe. An diesem Gesetz wird nichts mehr geändert und damit hat es sich.
Tut mir aber noch bitte einen Gefallen: bitte wählt künftig die PDS. Dann wird der Laden nämlich so schnell herunter gewirtschaftet, dass dann endlich richtige Reformen kommen werden.
Und die gucke ich mir dann am Fernseher an.
Euer Kanzler.
K
Aus der FTD vom 16.8.2004 www.ftd.de/schuette
Kolumne: Vier Gründe für Hartz IV
Von Christian Schütte
Eine heikle Rede, die der Kanzler vielleicht einmal halten wollte, aber dann irgendwie vergaß.
Die Hinweise verdichten sich, dass am Kommunikationsgau der Regierung in Sachen Hartz IV nur die übereifrigen Reinigungskräfte schuld sind: Spaziergänger haben am Berliner Spreebogen einen Abfallsack mit entsorgten Papieren aus dem Kanzleramt gefunden, die der FTD exklusiv vorliegen. Wir können leider nicht alles ausbreiten, was in dieser Tüte steckte, aber eines dürfen wir der Öffentlichkeit nicht vorenthalten: den Rohentwurf einer Rede, die bislang nirgendwo gehalten wurde.
Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge des Manuskripts, auch wenn dessen Echtheit alles andere als erwiesen ist. Hier die ehrliche Begründung von Hartz IV, die Gerhard Schröder vielleicht einmal geben wollte - aber aus bislang ungeklärter Ursache nie gegeben hat:
Dateiname 4MalHartz4.2004.doc
"Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
es ist wahr: Wir haben uns auf den Weg gemacht, Anfang 2005 die Arbeitslosenhilfe abzuschaffen. Wir werden Langzeitarbeitslose nur noch im Fall von nachgewiesener Bedürftigkeit unterstützen. Und wir werden von ihnen verlangen, dass sie jede legale Arbeit annehmen, die ihnen angeboten wird. Es wird Grenzen des Zumutbaren geben, aber die werden sehr viel strenger sein als bisher.
Das ist, auf den Punkt gebracht, die Reform, die Sie unter dem Namen Hartz IV kennen.
Viele von Ihnen fragen sich nun: Warum machen die das? Warum knapsen die denen etwas ab, die doch wirklich nicht viel haben?
Ich könnte dazu großspurig sagen: Das hat damit zu tun, dass wir heute in einer globalisierten Welt leben. Dass es deshalb auch bei uns keine Tabus mehr geben darf. Und dass es auch überhaupt keine Alternative mehr gibt.
Sie würden das, meine Damen und Herren, aber ziemlich oberflächlich finden. Mit Recht.
Ehrlich gesagt: Wir können lange darüber streiten, warum unsere Arbeitslosigkeit so hoch ist. Ich selbst weiß die Patentlösung jedenfalls nicht. Eine Zeit lang habe ich gedacht, ich könnte das Problem aus der Welt schaffen, indem ich Wirtschaft und Gewerkschaften zu mir einlade und ein ,Bündnis für Arbeit‘ vermittle. Das hat leider nicht geklappt. Inzwischen ist die Lage so dramatisch, dass ich beschlossen habe, für den Rest meiner Amtszeit dem Rat einiger Ökonomen zu folgen. Ich hoffe, dass es wirkt.
Hier, meine Damen und Herren, sind unsere vier wirklichen Gründe für Hartz IV:
Erstens, natürlich: das Geld. Wir wollen künftig mehr investieren und die Defizite senken. Dazu sparen wir jetzt bei Sozialausgaben.
Ehrlich gesagt sind diese Einsparungen aber nicht das Wichtigste. Sparen könnten wir auch anderswo, bei Subventionen etwa. Wir könnten auch auf Steuersenkungen verzichten, um die Kasse zu füllen. Wir machen Hartz IV nicht, um den Haushalt zu sanieren. Wir wollen den Arbeitsmarkt umkrempeln! Dafür geben wir sogar viel neues Geld aus.
Der zweite Grund für Hartz IV ist schon wichtiger: Wir wollen erzwingen, dass Arbeitslose jede, ich betone: jede Suchanstrengung unternehmen, um schnell einen Job zu finden. Um sie dabei zu fördern, rüsten wir die Arbeitsvermittlung stark auf. Je kürzer Menschen arbeitslos sind, desto besser.
Viele sagen mir, dass die Arbeitslosen sich doch schon heute bemühen. Und dass es keine Jobs gibt. Das stimmt, zumindest in den allermeisten Fällen. Aber wir machen Hartz IV, weil wir glauben, dass es eben doch noch andere Fälle gibt: Arbeitslose, die erst einmal durchschnaufen oder ihre Wohnung renovieren, ehe sie sich wieder um einen Job bemühen. Die wollen wir fordern. Konsequent.
(Hinweis für den Redner: Buh-Rufe wahrscheinlich. Gegenhalten!)
Weniger Lohn
Die große, noch unbeantwortete Frage bleibt natürlich, wie wir neue Arbeitsplätze schaffen. Ich habe mich für Folgendes entschieden: Wir wollen und werden die effektiven Löhne in Deutschland senken! Wir haben das in der Agenda 2010 begonnen, indem wir mehr Eigenleistung bei Rente und Gesundheit verlangen. Das alles belastet die Beschäftigten, aber es entlastet Arbeitgeber.
Das Hartz-IV-Paket schließt direkt daran an: Unser dritter Grund für diese Reform ist, dass Arbeitslose künftig auch Jobs für deutlich weniger Geld annehmen sollen. Ihre Lohnerwartungen werden sinken.
Das wird dann, hoffentlich, noch weitere Folgen für den gesamten Arbeitsmarkt haben. Der vierte und langfristig vielleicht wichtigste Grund für Hartz IV betrifft nämlich die Tarifpolitik. Den Gewerkschaften geben wir das klare Signal, dass hohe Lohnforderungen künftig für ihre Mitglieder sehr riskant sind. Der Verlust des Arbeitsplatzes wird für die Beschäftigten schließlich noch schmerzlicher sein als bisher. Dem Kollegen Jürgen Peters von der IG Metall sage ich deshalb, ..."
Hier bricht die ungehaltene Kanzlerrede leider ab. Angeheftet findet sich bloß noch ein leicht zerknitterter Vermerk aus der SPD-Parteizentrale: "Wenn wir das wirklich so machen, dann können wir die Konsumnachfrage erst einmal vergessen. Dieses Risiko müssen wir vielleicht eingehen. Aber wenn wir das wirklich so sagen, dann gehen unsere Leute erst recht auf die Straße. Der Text gehört deshalb SOFORT in den PAPIERKORB!"
Vermutlich lag dieser Zettel obenauf, als die Putzfrau ins Kanzlerbüro kam. Das würde jedenfalls erklären, wieso die Rede am Spreeufer und nicht im Bundestag gelandet ist.
© 2004 Financial Times Deutschland
wenn dieser ach so "linke" kanzler nur den leisesten plan hätte, von deutscher geschichte.
dann würde er wissen, was aus sozialen unruhen in mitteldeutschland immer geworden ist.
Aufstände und Putschversuche
Im Frühjahr 1920 musste die Weimarer Republik ihre erste große Existenzkrise überstehen, die durch einen Rechtsputsch ausgelöst wurde. Geplant hatte ihn die Verschwörergruppe "Nationale Vereinigung", die eine Militärdiktatur anstrebte. Zu ihr zählten Ludendorff, General Walther Freiherr von Lüttwitz, dem die mitteldeutschen und ostelbischen Reichswehrverbände sowie sämtliche Freikorps unterstanden, Hauptmann Waldemar Pabst, der die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts zu verantworten hatte, Traugott von Jagow, der letzte kaiserliche Polizeipräsident von Berlin, und Wolfgang Kapp, ostpreußischer Generallandschaftsdirektor, Mitbegründer der "Deutschen Vaterlandspartei", jetzt Mitglied der DNVP.
Ausgelöst wurden die Putschvorbereitungen durch die Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrages, der am 10. Januar 1920 in Kraft getreten war. Danach mussten bis zum 31. März 1920 das Heer auf 100000, die Marine auf 15000 Mann verkleinert werden. Wenngleich die Siegermächte eine stufenweise Truppenreduzierung und eine Fristverlängerung bis zum Jahresende akzeptierten, standen rund 300000 Reichswehrangehörige und Freikorpsleute vor der Entlassung.
Die meisten klammerten sich an das Militär, das ihnen Halt gab. Insbesondere die ohnehin demokratie- und republikfeindlichen Freikorps fühlten sich von der Weimarer Regierung verraten, denn in ihrem Auftrag hatten sie - anstelle des nicht mehr kampfwilligen Ostheeres, das in den ersten Monaten nach Kriegsende unaufhaltsam nach Hause geströmt war - im Baltikum gegen die Rote Armee, im östlichen deutschen Grenzgebiet gegen polnische Freiwilligenverbände gekämpft und sich 1919 im Reich an der Niederschlagung der Frühjahrsunruhen beteiligt. Zu den ersten Verbänden, deren Auflösung Noske am 29. Februar 1920 verfügte, gehörte die 6000 Mann starke, in Döberitz stationierte und von dem Korvettenkapitän Hermann Ehrhardt geführte Marinebrigade II.
Kapp-Lüttwitz-Putsch
Am 10. März verlangte General von Lüttwitz in einem Gespräch mit Reichspräsident Ebert und Reichswehrminister Noske in ultimativer Form die Beibehaltung der Freikorps, seine - Lüttwitz' - Ernennung zum Oberbefehlshaber der Reichswehr sowie die Neuwahl des Reichstages und des Reichspräsidenten. Statt Lüttwitz sofort seines Kommandos zu entheben, forderte Noske ihn lediglich auf, in den Ruhestand zu treten. Als er den General am nächsten Tag beurlaubte, hatten Lüttwitz und Ehrhardt den Putsch bereits beschlossen und entsprechende Befehle gegeben. Die Marinebrigade traf ihre Vorbereitungen; am 12. März marschierte sie spätabends die 25 Kilometer lange Strecke von Döberitz nach Berlin, um die Regierung zu stürzen.
Währenddessen trommelte Noske die Reichswehrführung zusammen, um über Gegenmaßnahmen zu beraten. Mit Ausnahme des preußischen Kriegsministers und Chefs der Heeresleitung, General Walther Reinhardt, lehnten die versammelten Generäle den Einsatz regierungstreuer Truppen gegen die Putschisten ab - im Raum Berlin stünden nicht genügend Soldaten zur Verfügung, und "Reichswehrtruppen (würden) niemals auf andere Reichswehrtruppen schießen" - so insbesondere der General Hans von Seeckt.
Das grenzte an offenen Ungehorsam - offenkundig wollte die Reichswehr die parlamentarisch-demokratische Republik, auf deren Verfassung sie vereidigt war, nicht verteidigen. Der Regierung blieb nur die Flucht nach Stuttgart. Inzwischen besetzte die Brigade Ehrhardt, unterstützt von einem Reichswehrbataillon, das Berliner Regierungsviertel. Kapp rief sich selbst zum Reichskanzler aus und ernannte von Lüttwitz zum Oberbefehlshaber der Reichswehr.
Infolge der Verweigerungshaltung der Reichswehr konnten nur starke gesellschaftliche Kräfte die Republik noch retten. Der Pressechef der Reichskanzlei, Ulrich Rauscher, veröffentlichte daher im Namen Eberts einen Aufruf, der geradezu revolutionäres Vokabular enthielt: "Kein Proletarier darf der Militärdiktatur helfen! Generalstreik auf der ganzen Linie! Proletarier, vereinigt euch! Nieder mit der Gegenrevolution!" Wieweit Rauscher eigenmächtig handelte, ist umstritten; jedenfalls tat der Generalstreikaufruf seine Wirkung. Gewerkschaften und SPD befolgten ihn sofort, die KPD nur widerwillig und erst einen Tag später - sie hatte an der Verteidigung der ihr verhassten "Noske-Demokratie" an sich kein Interesse. Vielerorts kam es zu bewaffneten Kämpfen mit Kapp-Lüttwitz-Anhängern.
Zum Glück für die Republik war der Putsch schlecht vorbereitet. Die Unternehmer lehnten ihn überwiegend ab, der größte Teil der Reichswehr blieb zumindest politisch neutral, und die Berliner Ministerialbeamten, die nicht eingeweiht waren und Kapp für unfähig hielten, blieben einfach zu Hause. Wirklichen Rückhalt besaßen die Putschisten nur bei den Großagrariern, Offizieren und Landräten östlich der Elbe. Schließlich mussten Kapp und Lüttwitz einsehen, dass sie ohne Geld und Personal in ungeheizten Amtsräumen ohne Telefon, Strom und fließendes Wasser nicht regieren konnten. Am 17. März 1920 brach der Putsch landesweit zusammen. Lüttwitz floh nach Ungarn, Kapp nach Schweden, Ehrhardt tauchte in Bayern unter.
Tags darauf zeigte sich, dass die Streikenden nicht einfach für die Wiederherstellung der Verhältnisse vor dem Putsch in den Ausstand getreten waren. Der "Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund" (ADGB), die ihm angeschlossene "Arbeitsgemeinschaft für Angestellte" (AfA-Bund) und der (vor allem die untere Beamtenschaft repräsentierende) "Deutsche Beamtenbund" beschlossen, den Generalstreik fortzusetzen, bis die Demokratie durch wirksame Maßnahmen gesichert sei. In einem Neun-Punkte-Programm forderten sie:
* "Umgestaltung" von Reichsregierung und Landesregierungen sowie "Neuregelung" der Wirtschafts- und Sozialgesetzgebung,
* Bestrafung aller Putschisten,
* Rücktritt des Reichswehrministers Noske und des preußischen Innenministers Heine (denen die Unzuverlässigkeit von Militär und Polizei angelastet wurde),
* Entfernung "reaktionärer Personen" aus allen Betrieben,
* Demokratisierung der Verwaltung unter Mitwirkung der Arbeitnehmerorganisationen,
* Verbesserte Sozialgesetze,
* Sozialisierung des Bergbaus und der Energiewirtschaft,
* Enteignung von Großgrundbesitzern, "die Lebensmittel nicht abführen oder ihre Betriebe nicht rationell bewirtschaften",
* Auflösung aller "konterrevolutionären, militärischen Formationen".
Dieser Versuch, mit Hilfe einer gemeinsamen Regierung der Gewerkschaften, der MSPD und der USPD Versäumnisse der Revolution von 1918/19 nachzuholen, ließ sich nicht verwirklichen. DDP und Zentrum lehnten eine Regierungsbeteiligung der Gewerkschaften ab; die USPD blieb bei ihrer Fundamentalopposition. Zudem war der profilierteste Gewerkschaftsführer, der ADGB-Vorsitzende Carl Legien, nicht bereit, das Amt des Reichskanzlers zu übernehmen. So kam es nur zu einer neuen Weimarer Koalitionsregierung unter Hermann Müller (MSPD). Reichswehrminister Noske, dessen Politik der Härte gegenüber dem Links- und Rechtsradikalismus an den Generälen gescheitert war, wurde von Otto Geßler (DDP) abgelöst; in Preußen musste unter anderem Innenminister Heine gehen. Aus Solidarität mit Noske trat der republiktreue Chef der Heeresleitung, General Reinhardt, zurück. Zum Nachfolger machte Geßler ausgerechnet den fähigen, aber politisch unzuverlässigen General von Seeckt, unter dessen Amtsführung sich die Reichswehr in den folgenden Jahren erst recht zu einer Art "Staat im Staate" entwickelte.
Aufstand der "Roten Ruhrarmee"
Noch während des Kapp-Lüttwitz-Putsches entstand der Republik neben der Gefahr von rechts eine Gefahr von links. In den größeren Orten des Ruhrgebietes übernahmen spontan gebildete lokale "Vollzugsräte" die politische Macht. Sie wurden meist von der USPD dominiert, aber auch die KPD war vertreten. Die Vollzugsräte organisierten bewaffnete, politisch bunt zusammengewürfelte Arbeiterwehren, denen es in erbitterten Kämpfen gelang, einmarschierende Freikorps zum Rückzug zu zwingen. Ein Teil dieser Arbeiterwehren formierte sich zu einer etwa 50000 Mann starken, revolutionären "Roten Ruhrarmee", die bis Ende März das gesamte Ruhrgebiet unter ihre Kontrolle brachte und sich dabei örtlich auch gegen die MSPD stellte. Unterstützung erhielt sie durch den neuerlichen Streik von mehr als 300000 Bergarbeitern (rund 75 Prozent der Belegschaften). Damit erweiterte sich der linksradikale Widerstand gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch zu einem Kampf für die Wiederbelebung und Vollendung der sozialen Revolution und des Rätesystems. Diese so genannte Märzrevolution - die größte bewaffnete Arbeiteraktion, die es in Deutschland je gab - nährte, wie schon die Münchner Räterepublik, die Angst des Bürgertums vor dem "Bolschewismus". Denn durch das Fehlen einer einheitlichen, anerkannten Führung kam es örtlich immer wieder zu Ausschreitungen gegen tatsächliche oder vermeintliche Kapp-Lüttwitz-Anhänger.
Die Reichsregierung versuchte vergeblich, durch die Zusage politischer Reformen und einer Amnestie die Selbstauflösung der Roten Ruhrarmee zu erreichen. Schließlich erhielten Reichswehrtruppen unter dem Kommando des Generals von Watter am 2. April 1920 "volle Freiheit des Handelns, zu tun, was die Lage gebietet", das heißt die Rote Ruhrarmee mit allen Mitteln (auch mit Hilfe von Standgerichten) zu bekämpfen. Diesmal ließ sich die Reichswehr bereitwillig einsetzen, ging es doch gegen die "Bolschewisten", nicht gegen "Kameraden". Es ähnelt einer Satire, dass unter anderem die Marinebrigade Loewenfeld ins Ruhrgebiet geschickt wurde - drei Wochen vorher hatte sich dieses Freikorps am Kapp-Lüttwitz-Putsch beteiligt. Die Gräueltaten der Regierungstruppen übertrafen bei weitem die Ausschreitungen der Roten Ruhrarmee. Wer bei seiner Festnahme bewaffnet war, wurde sofort erschossen - auch Verwundete. Am 3. April musste Reichspräsident Ebert die Standgerichte wieder verbieten, um das Schlimmste zu verhüten. Erst am 12. April untersagte General von Watter seinen Soldaten "gesetzwidriges Verhalten". Nach dem Ende der Kämpfe hatten die Aufständischen weit mehr als 1000 Tote zu beklagen, Reichswehr und Freikorps etwa 250.
Reichstagswahlen 1920
Der Putschversuch von rechts und der Revolutionsversuch von links veranlassten die Weimarer Koalition dazu, sich früher als geplant den Wählern zu stellen und den ersten republikanischen Reichstag an die Stelle der Nationalversammlung treten zu lassen. Nach einer Wahlrechtsänderung entfiel jetzt auf 60000 Stimmen ein Mandat. Die Wahlen vom 6. Juni 1920 endeten für das Bündnis zwischen sozialdemokratischer Arbeiterschaft, liberalem Bürgertum und politischem Katholizismus mit einer verheerenden Niederlage. MSPD, DDP und Zentrum erlitten so schwere Verluste, dass sie zusammen unter die 50-Prozent-Marke rutschten - sie vermochten ihre Mehrheit nie wiederzuerlangen.
Demgegenüber erzielten USPD, DVP und DNVP beträchtliche Gewinne. Die starken Einbußen der Weimarer Koalition erklären sich aus der seit Sommer 1919 anhaltenden politischen Polarisierung, die - je nach Standort der Wähler - mit der Enttäuschung über die stecken gebliebene Revolution und ihre gescheiterte Fortsetzung bzw. mit der Empörung über den Versailler Vertrag und mit der Anziehungskraft der Dolchstoßlegende zusammenhing. Da die USPD der Weimarer Koalition nicht beitreten und die MSPD mit der im Wahlkampf monarchistisch und antisozialistisch aufgetretenen DVP nicht koalieren wollte, wechselten die Mehrheitssozialdemokraten in die Opposition. Zentrum, DDP und DVP bildeten eine bürgerliche Minderheitsregierung unter Reichskanzler Konstantin Fehrenbach (Zentrum).
Unter diesen Bedingungen musste das 9-Punkte-Programm der Gewerkschaften vom 18. März 1920 weitgehend unerfüllt bleiben. Sozialisierungsideen stand die neue Regierung noch ferner als die alte. Die Freikorps wurden allerdings aufgelöst. Auf Druck der Alliierten schaffte man jetzt auch die Einwohnerwehren ab (in Bayern im Sommer 1921). Nicht wenige ihrer Mitglieder wandten sich den deutschvölkischen Organisationen zu - unter anderem der NSDAP und der SA.
In Preußen, wo die Weimarer Koalition ihre Mehrheit behielt, machte die Landesregierung jetzt ernst mit der Demokratisierung des öffentlichen Dienstes. In den folgenden Jahren wurden viele republikfeindliche Beamte aus ihren Positionen entfernt, sodass Preußen, das über 60 Prozent der Fläche und der Bevölkerung der Weimarer Republik umfasste, Republikanern bald als "Bollwerk der Demokratie", Rechtsstehenden als "rote Festung" galt. Demgegenüber entwickelte sich Bayern, der zweitgrößte Flächenstaat, eher in eine andere Richtung. Die MSPD wurde schon während des Kapp-Lüttwitz-Putsches in die Opposition gedrängt, und es etablierten sich rechtskonservative Regierungen unter Führung der BVP. Bayern erwarb sich - je nach politischer Perspektive - den Ruf einer "Ordnungszelle" oder eines "Hortes der Reaktion".
Politische Justiz
Unmittelbar nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch hatte die Regierung angekündigt, "die Hochverräter der strengsten Bestrafung zuzuführen". Deren strafrechtliche Verfolgung verlief jedoch weitgehend im Sande. Um den sozialen Frieden wiederherzustellen, verabschiedete der Reichstag am 2. August 1920 ein Amnestiegesetz, das nach dem Ergebnis der Reichstagswahlen vom 6. Juni die Handschrift der bürgerlichen Parteien trug. Sowohl die politischen Straftaten der Aufständischen im Ruhrgebiet als auch diejenigen der Teilnehmer des "hochverräterischen Unternehmens" sollten nur geahndet werden, wenn sie aus "Rohheit" oder "Eigennutz" begangen wurden. Von den Kapp-Lüttwitz-Putschisten sollten lediglich die "Urheber" und "Führer" zur Rechenschaft gezogen werden.
Die am Putsch beteiligten Reichswehroffiziere unterstanden der Militärgerichtsbarkeit und durften daher auf die Milde der konservativen Richter und Beisitzer in Uniform hoffen. Von 775 Verfahren wurden 486 eingestellt. 48 Offiziere wurden ihres Dienstes enthoben. Sechs nahmen ihren Abschied. Die übrigen erhielten geringfügige Disziplinarstrafen. Ähnlich verfuhren die zivilen Gerichte. In 705 Verfahren kam es nur zu einer Verurteilung.
Die übrigen Verfahren wurden aus vielerlei Gründen eingestellt. Meistens billigte man einfach auch hoch gestellten Persönlichkeiten zu, keine "Urheber" oder "Führer" gewesen zu sein und amnestierte sie. Demgegenüber ging die Justiz gegen die Mitglieder der Roten Ruhrarmee wesentlich härter vor. Dies war kein Zufall: Die vom Kaiserreich übernommene Richterschaft neigte dazu, ihre Unabhängigkeit für politisch motivierte Urteile zu missbrauchen. Wie schon die zeitgenössischen Berechnungen des Statistikers Emil Julius Gumbel zeigten, kamen vor Gericht bei denselben Delikten rechte Straftäter im Durchschnitt mit viel geringeren Strafen davon als linke.
Terrorismus
In den ersten Jahren der Republik fielen zahlreiche prominente Kommunisten, Sozialdemokraten, liberale und katholische Demokraten politischen Mordanschlägen zum Opfer. Die Täter waren fast ausnahmslos ehemalige oder aktive junge Reichswehroffiziere bzw. Freikorpsleute und gehörten in der Regel zur deutschvölkischen Szene. Soweit sie gestellt werden konnten, kamen sie meist mit verhältnismäßig milden Strafen davon. Spätestens 1933 wurden sie vom NS-Regime amnestiert.
Hier seien nur die bekanntesten Mordanschläge aufgeführt:
Schon im Januar 1919 wurden die KPD-Führer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet, im Februar der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD). Im August 1921 wurde im Schwarzwald der Unterzeichner des Waffenstillstandes und frühere Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (Zentrum) getötet. Am 4. Juni 1922 entging der Kasseler Oberbürgermeister und erste Ministerpräsident der Republik, Philipp Scheidemann (MSPD), nur knapp einem Blausäure-Attentat. Als kaum drei Wochen später, am 24. Juni, der jüdische Außenminister Walther Rathenau (DDP) in Berlin in seinem Dienstwagen erschossen wurde, kam es zu gewaltigen Protestdemonstrationen.
Diese Attentatsserie auf prominente Linke, Demokraten und Juden war die extremste Folge der politischen Polarisierung. Nationalistische Kampagnen gegen einzelne Politiker hatten am rechten Rand der DNVP und in der deutschvölkischen Szene sowie in der dazugehörigen Presse die Entstehung eines Hass- und Gewaltklimas gefördert, in dem die physische Vernichtung politischer Gegner sozusagen als salonfähig galt.
Zumindest die Mordanschläge auf Erzberger, Rathenau und Scheidemann gingen nicht etwa auf fanatische Einzeltäter zurück, sondern waren das Werk einer rechtsradikalen terroristischen Untergrundgruppe. Die Mörder, die in der Marinebrigade Ehrhardt gedient hatten, gehörten der Untergrund-"Organisation Consul" (O. C.) an. Ihre Befehle erhielten sie vom Gründer und Chef der O. C., Kapitän Hermann Ehrhardt, der getarnt in Bayern lebte, um sich dem Zugriff der preußischen Polizei zu entziehen. Er verfügte über ausgezeichnete Verbindungen zu bayerischen Regierungsstellen. Der Münchner Polizeipräsident Pöhner, ein NSDAP-Sympathisant, versorgte ihn zum Beispiel mit falschen Pässen. In der Münchner Zentrale der O. C., deren Organisationsnetz sich über ganz Deutschland erstreckte, arbeiteten zeitweise bis zu dreißig hauptamtliche Mitarbeiter. Nach dem Scheitern des Kapp-Lüttwitz-Putsches verfolgte Ehrhardt den Plan, durch gezielte Anschläge auf demokratische Politiker die Linke zu einem großen Aufstand zu verleiten. Dessen Niederschlagung durch Reichswehr, Polizei und deutschvölkische Kampfverbände sollte dann in die Errichtung einer nationalen Diktatur münden. Diese Terrorstrategie schlug fehl, aber sie kostete Menschenleben und vergiftete die politische Atmosphäre.
Als Reaktion auf die Mordanschläge verabschiedete der Reichstag am 21. Juli 1922 ein "Republikschutzgesetz". Vereinigungen, die es unternahmen, Regierungsmitglieder zu töten oder die republikanische Staatsordnung zu beseitigen, wurden mit schweren Strafen bedroht. Dafür zuständig wurde ein neu eingerichteter (1926 wieder aufgelöster) "Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik", der jedoch nur wenig bewirkte. Im Oktober 1922 verurteilte er zwar 13 Personen wegen Beihilfe zur Ermordung Rathenaus zu Freiheitsstrafen, erklärte jedoch eine Verschwörung für unbewiesen. Im Januar 1923 verbot er den Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund; aber dessen Mitglieder verteilten sich einfach auf andere völkische Organisationen, darunter die NSDAP. Als Ende 1924 doch noch ein Prozess gegen Mitglieder der O. C. stattfand, wurden diese "ehrenhaften, wahrheitsliebenden und unerschrockenen Männer" (so der Oberreichsanwalt als Ankläger) freigesprochen.
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gruߧ
proxi
Gruß BarCode
ich kotze...
auch schon vor dem krieg, gab es dort arbeiterunruhen.
ich weiß, du hast sicher ein problem, mit dem bösen wort mitteldeutschland....gehe doch einmal demonstrieren, zbsp. vor dem gebäude des mitteldeutschen rundfunks:)
alles neonazis, die sich in der geographie nicht auskennen???
oder besteht hier, auf deiner seite ein defizit?
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gruß
proxi
Viel wichtiger ist deshalb das Schornsteinfegermonopol - denn das ist noch nicht abgeschafft.
manager-magazin:
KFW: Osten auf der Erfolgsspur
In den fünf neuen Bundesländern entwickelt sich die Wirtschaft nach Erkenntnissen der KfW-Bankengruppe viel erfolgreicher, als es gemeinhin den Anschein hat.
Hamburg - Von 1992 bis 2003 sei die Wirtschaft im Osten jährlich im Schnitt 3,7 Prozent gewachsen, die im Westen dagegen nur um 1,2 Prozent. Seit Mitte der neunziger Jahre hinke das Wachstum in den neuen Ländern im Vergleich zum Westen zwar hinterher, dies sei aber nur auf die Krise am Bau zurückzuführen.
"Außerhalb des Baubereichs ist Ostdeutschland seit 1993 in jedem Jahr deutlich schneller gewachsen als die alten Länder", heißt es in einer noch unveröffentlichten Studie der KfW, aus der das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe zitiert.
"Die hartnäckige und tief greifende Baukrise" überdecke die Wachstumserfolge. Selbst im Stagnationsjahr 2003 habe der Osten, ausgenommen der Bausektor, um 1,6 Prozent zugelegt. Besonders die Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes sei "die Erfolgsgeschichte der neuen Länder".
Die Auslandsumsätze wüchsen dynamischer als die Inlandsumsätze. "Das verarbeitende Gewerbe in den neuen Ländern ist daher international durchaus wettbewerbsfähig."