Soll die Rechtschreibreform wieder rückgängig gemacht werden?
wie nachher Vieles unlogisch/willkürlich war. Deshalb war an dieser Stelle die Reform nicht sonderlich produktiv. Ähnlich ist es mit dem zusammen/getrennt Schreiben. Und mit den Fremdwörtern: Da gab es richtige Peinlichkeiten. Aber: was Kommas angeht und die Ersetzung des ß durch ss bei kurzen Vokalen und eine Reihe von anderen Veränderungen (logischere Groß/Kleinschreibung - die gibt es nämlich auch, auch in deiner Liste) finde ich vollkommen in Ordnung. Also: ein paar Nachjustierungen würden reichen. Viel Emotion ist jedenfalls verschwendet worden, wegen der Reform. Aber das ist ja im Moment bei allen Reformen so. Die Welt ist in letzter Zeit ja schon mehrfach untergegangen. Gut, dass es nicht meine Welt war...
Gruß BarCode
3.4 Trennung von ck
Auf die alte Regel „Trenne nie st“ folgt die neue Regel „Trenne nie ck“!
Der n-Duden, S. 863, besagt dazu:
§ 2: Folgt im Wortstamm auf einen betonten kurzen Vokal nur ein einzelner Konsonant, so kennzeichnet man die Kürze des Vokals durch Verdopplung des Konsonantenbuchstabens.
§ 3 (1) Statt kk schreibt man ck.
Und n-Duden, S. 910:
§ 109: Stehen Buchstabenverbindungen wie ch, sch; ph, rh, sh oder th für einen Konsonanten, so trennt man sie nicht. Dasselbe gilt für ck.
Also:
Beim langsamen, deutlichen Artikulieren (z. B. wenn ein Schüler im 1. Schuljahr den Doppelkonsonanten besser hören soll), muß
„Zuk - ker“ gesprochen,
aber nach der geplanten Regel
„Zu - cker“ getrennt werden!
Dies ist ein deutlicher sprachlicher Widerspruch!
Auf jeden Fall behindert diese neue Trennregel deutlich den Lesefluß eines Textes:
Am Ende der Zeile steht „Zu-“. Was steht wohl auf der nächsten Zeile? Man vermutet „Zu - kunft, Zu - lauf, Zu - ruf, Zu - satz, Zu - schrift“ oder ähnliches, spricht also das u lang. Anschließend sieht man am Anfang der nächsten Zeile „cker“ und muß dann „nachträglich“ das u kurz sprechen, weil es eben nicht Zuuucker heißt.
Hierzu zwei weitere Beispiele: Am Ende der Zeile steht „spu-“ / „ha-“. Wird nun daraus „spu-ken“ oder „spu-cken“ / „ha-ken“ oder „ha-cken“?
Wie man leicht sieht, ist der Informationsgehalt von blik-, juk-, spuk-, hak-, Zuk-, mek-, lek-, schik-, Stük-, stik-, Sok- usw. jedenfalls um ein Vielfaches größer!
Durch die Verdopplung des Konsonanten (und den bei der Trennung am Zeilenende sichtbaren Konsonanten) weiß der Leser sofort, daß der Vokal davor kurz zu sprechen ist.
Das wird durch folgende Beispiele deutlich:
Hü - te, Hüt - te / Ka - nu, Kan - ne / Ha - se, Ham - mer / tu - ten, tuk - kern / schmo - ren, schmol - len / la - sen, las - sen / Ha - ken, Hak - ke
Diese Unterscheidung fällt bei der Behandlung des ck als ein Konsonant weg und erschwert das Lesen.
Sicherlich ist nicht alles optimal bei der Reform und man muss ja nicht alles toll finden - aber gegen Neuerungen zu sein, weil etwas anders ist wie man es vielleicht selbst gelernt hat oder weil man vielleicht nachdenken muss, um etwas zu verstehen, ist schon ärmlich. Man sollte das Ganze schon differenziert betrachten.
Z.B. das ss nach kurzem Vokal ist wirklich logisch und praxisbezogen - weitere Argumente haben Karlchen und BarCode angeführt...
Und wer sich im Lesefluss durch die Nichttrennung von ck behindert fühlt, sollte vielleicht mal Lesen lernen ;-)
Hier die Meinung von Kästner zu Leuten, die jede Mode toll finden:
Erich Kästner: Sogenannte Klassefrauen
Sind sie nicht pfui teuflich anzuschauen!Plötzlich färben sich die "Klassefrauen",
weil es Mode ist, die Nägel rot!
Wenn es Mode wird, sie abzukauen
oder mit dem Hammer blauzuhauen,
tun sie's auch. Und freuen sich halbtot.
Wenn es Mode wird, die Brust zu färben
oder, falls man die nicht hat, den Bauch...
Wenn es Mode wird, als Kind zu sterben
oder sich die Hände gelbzugerben,
bis sie Handschuhn ähneln, tun sie's auch.
Wenn es Mode wird, sich schwarzzuschmieren...
Wenn verrückte Gänse in Paris
sich die Haut wie Chinakrepp plissieren...
Wenn es Mode wird, auf allen Vieren
durch die Stadt zu kriechen, machen sie's.
Wenn es gälte, Volapük zu lernen
und die Nasenlöcher zuzunähn
und die Schädeldecke zu entfernen
und das Bein zu heben an Laternen -
morgen könnten wir's bei ihnen sehn.
Denn sie fliegen wie mit Engelsflügeln
immer auf den ersten besten Mist.
Selbst das Schienbein würden sie sich bügeln!
Und sie sind auf keine Art zu zügeln,
wenn sie hören, daß was Mode ist.
Wenn's doch Mode würde, zu verblöden!
Denn in dieser Hinsicht sind sie groß.
Wenn's doch Mode würde, diesen Kröten
jede Öffnung einzeln zuzulöten!
Denn dann wären wir sie endlich los.
Außerdem behaupte ich, 85 % aller lebenden Deutschen haben die alte Rechtschreibung gelernt (und beherrschen sie, mal gut, mal weniger gut).
Die, die seit ein paar Jahren erstmals nach der neuen Rechtschreibung unterrichtet wurden (vielleicht 10 Jahrgänge max.), befinden sich alle noch in irgend einer Schule bzw. Ausbildung; dies gibt die Chance, sie ohne Probleme noch auf die "alte" Schreibung umzuprogrammieren.
Besser, als dem überwiegenden Rest die "neue" aufzwingen zu wollen.
Übrigens weigern sich die meisten Autoren bei ihren Verlagen, sich in "neu" verlegen zu lassen.
Vor allem stellt die "neue" eine Verarmung der Ausdrucksmöglichkeiten dar; und das ist der allerwichtigste Grund, bei der alten zu bleiben.
Ob "ss" oder "ß", spielt dabei keine Rolle. Kann man machen wie die Schweizer, oder lassen.
Dein Argument: "..sollten auch in Deutschland Veränderungen möglich sein" ist schwach.
Warum etwas Gutes, Bewährtes verschlechtern ?
Veränderung um der Veränderung willen ?
L`Art pour l`art?
Versteht niemand.
Erich Kästner hat Recht.
Studiert die Klassiker!
Der § 108 der bereits als amtlich bezeichneten Regelung der deutschen Rechtschreibung (Duden, 21. Auflage, S. 909) besagt:
„Steht in einfachen Wörtern zwischen Vokalbuchstaben ein einzelner Konsonantenbuchstabe, so kommt er bei der Trennung auf die neue Zeile. Stehen mehrere Konsonantenbuchstaben dazwischen, so kommt nur der letzte auf die neue Zeile.“
Nach dieser Regel müssen zukünftig laut Wörterverzeichnis des neuesten Duden (im folgenden bezeichnet als n-Duden) Trennungen wie folgt vorgenommen werden, kursiv hervorgehoben sind mögliche Trennungsvorschläge nach §§ 108/110/112 des amtl. Regelwerkes (nicht im Wörterverzeichnis des n-Duden, jedoch zu finden auf der CD-ROM „Deutsches Wörterbuch für Schule und Beruf mit der neuen Rechtschreibung“, Vertrieb: Rhein-Zeitung, Koblenz):
- Warum stellt die neue Rechtschreibung eine Verarmung der Ausdrucksmöglichkeiten dar???
- Na ja, und das Argument - "weil´s halt fast alle Erwachsenen so gelernt haben" (und nebenbei bemerkt alle dabei über die Rechtschreib- und Kommaregeln geschimpft haben) - ist hoffentlich nicht ernst gemeint, oder?
- In einigen Jahren würde sich keiner mehr über einen Delfin aufregen....
Aber was ich jetzt noch nicht wusste ist, dass die noch immer nicht mit der Reform fertig sind. Wieso gibt es da noch Unklarheiten?
Rechtschreibreform ist ein Beispiel,
Einführung des Euro eine anderes;
auf die aktuellen "Reformen" will ich gar nicht erst eingehen.
Wenn der Mensch die Frage "Was bringt mir das" nicht für sich selbst positiv beantworten kann - oder von der Reform selbst beantwortet bekommt - lehnt er ab.
(Im übrigen gibt es zwar eine Amtssprache "Deutsch", aber keine amtlich vorgeschriebene Rechtschreibung. Hat es nie gegeben. Könnte auch nie eingeführt werden, denn zwecks Durchsetzung müsste man Sanktionen androhen. Und wer soll das kontrollieren?
Nein. Sprache und Schreibung ist wie Kunst und Kultur und unterliegt Veränderungen; sie ist nicht "vorschreibbar").
"Jede Abweichung ist per se dümmer als die Regel".
Ist es nun sinnvoll etwas zu ändern, und ich meine hier nicht nur die deutsche Rechtschreibung, was sich über Jahrzehnte und noch länger als bewährt bewiesen hat? Und dies teilweise in einer Geschwindigkeit, daß noch bevor die Tinte der Niederschrift durch die Gelehrten trocken ist, schon das nächste Update kommt.
Also nichts gegen sinnvolle Änderung und Erneuerung. Nur sollte dabei nicht die allgemeine Unsicherheit gefördert werden. Dann wirkt auch die beste Reform kontraproduktiv.
Die moderne, schnellebige Welt hat uns trotz oder wegen der Änderungswut neue (alte)Weisheiten gelehrt, z.B.: "Never change a running system"
Diskutiert doch mal über was wirklich wichtiges und spannendes. Also z.B. die neue Bundesligasaison!
Die meisten Leute, die ich kenne, lehnen die neue Rechtschreibung eigentlich nur ab, weil sie meinen, nach der Schule oder Uni ausgelernt zu haben und nicht bereit sind, eine seit Jahren gepflegte Angewohnheit zu ändern. Und mal Hand aufs Herz: wie viele der bekennenden Gegner der neuen Rechtschreibung haben sie denn tatsächlich mal praktiziert? Selbst der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, prahlt ja damit: "Da ich die neue Rechtschreibung nie akzeptiert und praktiziert habe, brauche ich zur alten gar nicht zurückzukehren."
Shred - 01:06pm Aug 6, 2004 CEST (#294 of 300)
Don't try to outweird me - I get weirder things than you with my breakfast cereal.
Die von den üblichen verdächtigen "Prominenten" und Landespolitikern, die im Sommerloch auch mal in die überregionalen Blätter kommen wollen, beklagte "Unsicherheit" der Rechtschreibreform wird größtenteils durch sie selbst verursacht. Indem dann, wenn eigentlich alles festgeklopft werden soll, die Diskussion (nach jahrelanger Stille) wieder neu gestartet wird. Wenn man sonst nichts zu tun hat...
Ich finde es nicht zuletzt ärgerlich, dass SPIEGEL-ONLINE gemeinsam mit FAZ und SAT.1 Videotext (der das Thema schon gut eine Woche vor der ersten Meldung auf SPON aufgenommen hatte - beste Gesellschaft auch...) diesem Anliegen immer wieder ein Forum bietet.
Erinnert mich alles sehr an das Verhalten des Handels beim Dosenpfand. Gut 10 Jahre lang ist das Gesetz bekannt, nur plötzlich als es ernst wird, laufen alle auf die Barrikaden und schreien und zetern, dass es so ja doch nicht geht.
JA - nicht alles in der Reform ist super gelungen. Aber "lieber keine Reform als eine, die nicht weit genug geht" finde ich als Argument nicht sehr überzeugend und zeugt eher von einer unglaublichen Unflexibiltät Veränderungen (Neuem) gegenüber.
Ich kann nur #189 zustimmen - weil sich üblichen Verdächtigen Walser, Grass etc. nicht vorschreiben lassen wollen, wie sie zu schreiben haben (jedenfalls nicht vom neuen Duden), wollen sie nun dem Duden und dem Rest der Welt vorschreiben, wie sie zu schreiben haben. Da freuen sich die Kinder, die bisher schon die neuen Regeln gelernt haben, sicherlich tot drüber... Auch #180 hat es auf den Kopf getroffen - es scheint ja wirklich kaum wichtigeres zu geben, als 10 Jahre über die Rechtschreibreform oder den Ladenschluss zu diskutieren. Hm - wenn wir uns offensichtlich so lange mit solchen Dingen aufhalten können, geht es uns entweder viel besser als allgemein behauptet wird. Oder sehr viel schlechter.
Andre Fromme - 10:53am Jul 23, 2004 CEST (#192 of 313)
Dieser Schritt zeugt von einer Denkweise, die altertümlicher kaum sein könnte. Mit der Entscheidung, das deutsche Sprachgebilde wieder auf den Stand der Nachkriegszeit zu drehen, setzen Spiegel und Springer der Anstrengung Deutsch etwas logischer und leichter erlernbar zu machen ein jähes Ende. Ich hoffe sehr, dass nicht alle Verlage dem Aufruf folgen und sich stattdessen endlich mit einer Reform der Reform durchsetzen. Dass sich der Spiegel Verlag hier mit den konservativen Blättern des Landes verbrüdert, verwundert und enttäuscht mich sehr.
So bleibt zu hoffen, dass sich Die Zeit nicht an dieser Zeitreise in die Vergangenheit beteiligen wird und eine Mittlerrolle zwischen Kultusbürokraten und eingeschnappten Verlagen einnehmen wird.
Was sagt den Herr Aust zu den Regeln, die wirklich hilfreich sind? Kurzer Vokal ss, langer Vokal ß! Das merkt sich jedes Kind und jeder Ausländer, denen ich Deutsch lehrte. Die Ignoranz und Eitelkeit mancher Herren Verleger zeigt wie wenig ihnen eine leichtere Sprache wert ist.
May Stephani - 01:07pm Aug 6, 2004 CEST (#295 of 300)
Rückkehr zur "klassischen" Rechtschreibung? Was ist damit gemeint?Also zur Rechtschreibung der Zeitgenossen Beethovens, Haydns und Mozarts?
Da gebraucht man das Wort "klassisch" für den Status des letzten Jahrhunderts von etwas, das sich über die Zeit immer wieder entwickelt hat.
Kinder, die die neue Rechtschreibung lernten, machten wesentlich weniger Rechtschreibfehler als jene, die nach der alten lernten. Man muss die Reform nicht für besonders gelungen halten, aber aufs Ganze gesehen hat sie die Konsistenz innerhalb des Systems schon erhöht.
"Daß" und "Fluß", oder auch "Bettuch" statt "Betttuch" - zurück zur Unlogik des 20. Jahrhunderts.
Liebe SPIEGEL- und BILD-Redaktionen, die sich diesmal so einig sind: da wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Eckhard Pecher - 01:08pm Aug 6, 2004 CEST (#296 of 300)
Ich glaube, ich spinne! Spiegel und Co sollten sich endlich mal mit der Rechtschreibreform abfinden. Wir kommen wohl aus dem letzten Jahrhundert? Neuerungen - nein, danke! Dabei erschienen mir die meisten davon wirklich sinnvoll.
Außerdem gibt es wichtigere Dinge ueber die man sich aufregen kann.
Klara Schmitz - 01:22pm Aug 6, 2004 CEST (#300 of 300)
Im Grunde ist es doch toll: Seit der Rechtschreibreform kann jeder so schreiben, wie er will, weil keiner mehr so genau weiß, wie "richtig" geschrieben wird. Typisch deutsch, dass so ein bisschen Anarchie für so viel Aufregung sorgt.
Johanna Reuss - 10:01am Jul 23, 2004 CEST (#187 of 313)
Ich habe kein Problem mit der Reform, und die meisten meiner Bekannten auch nicht. Der Versuch, die Rechtschreibregeln zu vereinheitlichen und logischer zu machen, ist doch begrüßenswert. Wer sich die ehrenwerte Mühe gemacht hat, alle Sonderfälle der alten Rechtschreibung einzuprägen, gibt diesen Wissensvorteil natürlich nur ungerne ab. Ich bin aber sicher, dass mir meine Enkel die Reduzierung unnötiger Sonderregeln danken werden.
Hermann Hild - 10:51am Jul 23, 2004 CEST (#191 of 313)
Von den Ministerpräsidenten verlangte Horbach, jetzt schnell zu entscheiden. `Die Politik muss den Mut haben, ihre Fehler zu korrigieren". Gleichzeitig wandte er sich gegen Pläne, die Reform nur teilweise zurückzunehmen: `Wenn ein Computerprogramm nur zwei Prozent Fehler hat, ist es unbrauchbar und muss komplett ersetzt werden", sagte Horbach. "Genauso ist es mit der Rechtschreibung."
Schreiben wir wieder so wie es unsere Vorväter und Mütter schon getan haben (welche unsägliche Regierungskommission voller Thoren hat uns da eyngebrocket?):
"Und gleich wie er solcher Gestalt an den gefährlichsten Oerthern der gantzen Bataille die standhafftigste Feinde suchte mit ihnen zu streitten; also kan ich nicht anders gedencken, als das erhitzte unverzagte Gemüth dieses kühnen Jünglings (er seye dann ein unsterblicher Engel und kein Mensch gewesen) habe sich in unüberwindliche Gefahr begeben und das Leben eingebüst, der doch werth gewesen wäre, ein grosser General über ein gar grosses Kriegsheer zu seyn. Nach offentlicher Bekandnuß dieser seltzamen Rede und ohngewöhnlichen Sach die Myrologus thät, daß nemblich der allertapfferste Kriegsheld seiner Zeit seine eigene Verdienste vernichten und hingegen ihm selbsten einen andern frembden unbekannten Kerl vorziehen solte..."
Gruß BarCode
![]() | ![]() |
![]() | ![]() |
Kehrtwende? - Die Rechtschreibreform steht vor dem Aus (ddp) | ![]() |
![]() | ![]() |
"Staatlich verordnete Legasthenie"
Spiegel und Springer mit alter Rechtschreibung
Springer und Spiegel kehren zur alten Rechtschreibung zurück. Damit werden sämtliche Print- und Online-Titel der beiden Verlage, die rund 60 Prozent der Bevölkerung erreichen, wieder in der alten Schreibweise erscheinen. Gleichzeitig appellierten die Verlage am Freitag in Hamburg und Berlin an andere Medien, sich diesem Schritt anzuschließen. Der Deutsche Lehrerverband begrüßte den Schritt.
In ihrer gemeinsamen Erklärung forderten Springer und Spiegel dazu auf, dem Beispiel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu folgen, die die Umstellung nach kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht hatte. Nach Angaben der "Neuen Bildpost" schreiben in Deutschland
inzwischen rund 300 Zeitungen und Zeitschriften nach den alten Regeln.
Verunsicherung und Vermischung
Als Grund für ihren Schritt nannten die Verlage die mangelnde Akzeptanz des neuen Regelwerks und die zunehmende Verunsicherung darüber. Nach fünf Jahren praktischer Erprobung in den Druckmedien und sechs Jahren in den Schulen habe die Reform weder für professionell Schreibende noch für Schüler Erleichterung oder Vereinfachung gebracht. Im Gegenteil: Die Verunsicherung wachse, Vermischungen von alter und neuer Rechtschreibung seien an der Tagesordnung.
"Wer vor der Reform sicher schreiben konnte, macht heute Fehler. Eltern benutzen eine andere Orthografie als Kinder. Lehrer sind zutiefst verunsichert", erklärten die Verlage. Heutigen Schülern begegne der ganz überwiegende Teil der deutschen Literatur und literarischen Überlieferung in der bisherigen Rechtschreibung. Da auch die Mehrheit der deutschsprachigen Schriftsteller es ablehne, ihre Werke in neuer Schreibung erscheinen zu lassen, tue sich eine immer breitere Kluft zwischen gelerntem und gelesenem Deutsch auf.
Von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt
Bereits die erste Version der Reform sei mit gravierenden Mängeln behaftet gewesen, hieß es. Eine Vielzahl von Ergänzungen habe die orthografischen Konventionen in einem Maße erschüttert, dass auf absehbare Zeit die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung verloren scheine. Zahlreiche Umfragen belegten, dass die Reform von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werde und als unausgegoren empfunden werde.
"Keine Reform, sondern ein Rückschritt"
Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, und der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", Stefan Aust, nannten die Reform eine "staatlich verordnete Legasthenie" und betonten in einer gemeinsamen Erklärung: "Wir befürworten sehr dringend notwendige und sinnvolle Reformen in unserer Gesellschaft. Doch die Rechtschreibreform ist keine Reform, sondern ein Rückschritt."
"SZ zieht mit, Focus bleibt bei neuer Rechtschreibung
Auch der Süddeutsche Verlag will zur alten Rechtschreibung zurückkehren. "Wir sagen ja, aber intern wird noch über Details gesprochen", sagte ein Verlagssprecher am Freitag. Die Redaktion der "Süddeutschen Zeitung" sei von Anfang an in die Gespräche mit der Axel Springer AG und dem Spiegel-Verlag eingebunden gewesen. Intern werde derzeit unter anderem diskutiert, von welchen Regelungen man wieder abrücken wolle und von welchen nicht. Offen sei auch der Zeitpunkt für eine Rückkehr zu alten Rechtschreiberegeln.
Das Nachrichtenmagazin "Focus" lehnt eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung hingegen ab. Das Magazin werde weiterhin so schreiben, wie in den Schulen gelehrt wird, sagte "Focus"-Sprecher Uwe Barfknecht am Freitag auf ddp-Anfrage in München. Er betonte: "Wir werden die Diskussion um die Rechtschreibreform keinesfalls auf dem Rücken der jungen Leser austragen."
Der Deutsche Lehrerverband (DL) forderte die Ministerpräsidenten auf, die Rechtschreibreform jetzt zur Chefsache zu machen, damit die Schulen nicht ins "orthografische Abseits" gerieten. "Es wird ihnen vermutlich kaum etwas anderes übrig bleiben, als ein Moratorium einzuschieben und die herkömmliche Rechtschreibung wieder für verbindlich zu erklären", erklärte DL-Präsident Josef Kraus.
Die Sprachzeitung "Deutsche Sprachwelt" begrüßte die Entscheidung und erklärte: "Die Vernunft siegt. Lesefreundlichkeit und Ausdruckskraft der deutschen Sprache werden durch diese mutige Verlegerentscheidung gestärkt." Jetzt müssten weitere Verlage nachziehen.
(N24.de, AP, AFP, ddp)
Stichwort: Rechtschreibreform
Schreiben Sie recht?
Stengel statt Stängel
Schriftsteller für Rückkehr
Sprache den Bürokraten geopfert?
Die nachgebesserte Reform
Das ungeliebte Problemkind
Sächsische Stadt in der DDR mit drei "O":
Korl-Morx-Stodt
(in eigener Sache)
06. August 2004
----
Aus Neu mach alt
Nun bleibt doch wieder alles beim Alten, genauer gesagt: beim alten. Der SPIEGEL hat die Rückkehr zur alten Orthografie beschlossen - die somit nun wieder eine Orthographie ist. Das heißt zunächst einmal für alle Redakteure, Korrektoren und Dokumentare, alles wieder umzulernen.
Es werden sich eine ganze Reihe von Regeln ändern, hier sind die wichtigsten im Überblick:
Zahlreiche Fremdwörter wurden durch die Reform der deutschen Schreibweise angepasst. Das griechische "ph" wurde zu "f", und der Buchstabe "h" verschwand, wo er keine phonetische Bedeutung hatte: Känguruh wurde zu Känguru, Joghurt zu Jogurt.
In all diesen Fällen wird der SPIEGEL ausnahmslos zur klassischen Orthografie zurückkehren, wenn er sie nicht ohnehin schon beibehalten hatte. Nachstehend einige wenige Beispiele aus einer langen, langen Liste:
Biographie, Delphin, fritieren, Hämorrhoiden, Katarrh, Kommuniqué, Mayonnaise, Megaphon, numerien, plazieren, Portemonnaie, potentiell, substantiell, Thunfisch, Tip, Trekking
Das Aufeinanderfolgen dreier gleicher Buchstaben unterliegt nun wieder den alten
Einschränkungen: Vor einem Vokal sind nicht mehr als zwei gleiche Konsonanten erlaubt, vor einem Konsonanten hingegen dürfen drei gleiche Konsonanten stehen.
Drei gleiche Vokale werden mittels Bindestrich abgesetzt:
Ballettänzer, hellicht, Kennummer, Kontrollampe, Sauerstoffflasche, Schiffahrt, Schrittempo, Schwimmeister, Stoffetzen, Pappplakat, Rolladen, see-erfahren, Tee-Ernte
Geänderte Umlautungen werden künftig ignoriert und es heißt wieder:
aufwendig, behende, einbleuen, Greueltaten, Quentchen, Stengel, überschwenglich
Deutsche Wörter, deren Schreibweise aus teilweise verständlichen, teilweise unverständlichen Gründen geändert worden waren, werden wieder wie zuvor geschrieben:
rauh, Roheit, Zierat
Groß- und Kleinschreibung
Die Reform hatte allerlei Adjektivformen, die substantivischen Charakter hatten, zu Nomen erklärt: "das beste" wurde "das Beste", "der nächste" zu "der Nächste". All diese Formen wird der SPIEGEL nun wieder klein schreiben:
in acht nehmen, im allgemeinen, angst machen, aus alt mach neu, das beste, im besonderen, in bezug auf, im bösen wie im guten, jeder dritte, im dunkeln, im einzelnen, im folgenden, der erste, im großen und ganzen, im klaren, im nachhinein, recht haben, das schlimmste, schuld haben, im stillen, im unklaren, im verborgenen, im voraus, jeder zweite
Tageszeiten werden wieder klein geschrieben:
heute morgen, gestern mittag, morgen abend
Getrennt- und Zusammenschreibungen
Hier fällt der Abschied von der neuen deutschen Rechtschreibung am leichtesten, denn dieses Kapitel der Reform hat wie kein zweites zu Verunsicherungen und grotesken Fehlinterpretationen geführt.
Zusammensetzungen mit einem Verb oder Partizip als zweitem Bestandteil, bei denen die Betonung allein auf dem ersten Bestandteil liegt, werden beim SPIEGEL ab sofort wieder zusammengeschrieben:
alleinstehend, anderslautend, asylsuchend, auseinanderschreiben, besorgniserregend, erdölexportierend, ernstgemeint, fertigmachen, frischgebacken, furchteinflößend, gefangennehmen, gutsituiert, hochmotiviert, kopfstehen, krebserregend, lahmlegen, leichtfallen, milchverarbeitend, notleidend, offenbleiben, radfahren, richtigstellen, schwerfallen, selbstgemacht, spazierengehen, strenggenommen, verlorengehen, vielgelesen, vollgepumpt, weitgehend
Alle Zusammensetzungen mit "sein" und "werden", bei denen die Betonung allein auf dem ersten Bestandteil liegt, werden wieder zusammengeschrieben:
aufsein, dasein, dabeisein, fertigwerden, großgeworden, zusammensein
Das größte Verwirrspiel wird sich nun aus den vielen kleinen Wörtern (Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen) ergeben, die in alter Schreibweise getrennt oder zusammengeschrieben wurden und nach neuer Schreibung genau anders geschrieben wurden.
Hier hieß es stur auswendig lernen, nun muss der SPIEGEL-Redakteur wieder umlernen.
Nach alter Rechtschreibung zusammen:
allzu oft, allzu sehr, aufgrund, außerstande, dessenungeachtet, hierzulande, imstande, soviel, soweit, wieviel, zueigen, zugrunde, zugunsten, zuleide, zunutzen, zutage, zuviel, zuschulden Nach alter Rechtschreibung getrennt:
auf seiten, so daß, um so, von Seiten, zur Zeit
Koppelungen
Zusammensetzungen aus Ziffern und Wörtern werden nicht mehr gekoppelt:
13mal, 14fach, 8strahlig, die 67jährig Frau, der 73jährige, der 13fache Vater, der 17malige Champion, ein 14tägiger Urlaub
Die ss/ß-Regel
Der Abschied von dieser Regel fällt am schwersten, denn sie war die sinnvollste aus dem gesamten Kompendium der Reform. Nun heißt es beim SPIEGEL wieder: Am Silbenende steht nie "ss", egal ob der Vokal kurz oder lang gesprochen wird:
bißchen, daß, gräßlich, häßlich, Fluß, Kompromiß, Kuß, mißachten, Nußschokolade, Prozeß, Rußland, Streßsituation
Silbentrennungen
Trennungsregeln waren für SPIEGEL ONLINE zum Glück nie ein Problem, beim SPIEGEL hingegen spielen sie eine nicht unerhebliche Rolle. Durch die Rechtschreibreform war die alte Setzerregel "Trenne nie st, denn es tut ihm weh" aufgehoben worden.
Beim SPIEGEL wird daher wohl künftig wieder nach dem alten Grundsatz getrennt:
er-ste, ha-stig, Ki-sten, La-sten
Und ck wird künftig bei einer Silbentrennung wieder zu kk aufgelöst:
aufwek-ken, Lek-kermaul, Sok-ken, Zuk-kerbäk-ker Die Erlaubnis, einen einzelnen Vokal vom Wort abzutrennen, wenn er eine Sprechsilbe darstellt, wird wieder entzogen. Von dieser Möglichkeit hatte der SPIEGEL aber ohnehin keinen Gebrauch gemacht.
Wörter wie die folgenden sind für den SPIEGEL nach wie vor untrennbar:
Abend, aber, Adam, Adel, eben, Egel, Ehe, oben, Ober, oder, Uhu, urig
Der SPIEGEL erscheint künftig also wieder "auf deutsch", nicht mehr "auf Deutsch".
Immerhin: Die 22. Auflage des Dudens aus dem Jahre 2000 bleibt weiterhin verbindlich. Dort stehen nämlich sämtliche alte Schreibweisen noch vermerkt. Die neuen sind rot gefärbt. Wer es mit der alten Rechtschreibung halten will, ignoriert die rot gefärbten Einträge einfach.
Bastian Sick