Der aktuelle Gehrt ;-)) Lecker! ;-))
Liebe Leserinnen und Leser,
ein erster Impuls verleitet dazu, die nun wahrscheinlich gewordene Einführung einer oder mehrerer „Bad Banks“ in den USA als Versuch zu verurteilen, die Probleme unauffällig unter den Teppich zu kehren. Sofort kommt Volkes Seele wieder an den Siedepunkt, zumal man gerade noch rotiert, weil „Zummi“ Zumwinkel mit einer Bewährungsstrafe davonkam. Und wieder bekommen wir den Eindruck, dass die bösen Buben der Finanzwelt wieder mal von den ebenso bösen Buben an den politischen Hebeln ein Mauseloch gebohrt bekommen, in welches sie unauffällig von der Bühne verschwinden können. Während unsereins darüber nachdenken muss, wie in aller Welt die verlockend und „helfend“ klingende Abwrackprämie für uns „Otto Normalverbraucher“ Nutzen bringen soll, nachdem wir gerade vor ein paar Jahren ein umweltgerechtes, neues Auto gekauft haben. Tja. Aber immerhin: Jeder, der eine altersschwache Rostlaube im Hof stehen hat, kann sich freuen: Der Preis für diesen Blechhaufen am Gebrauchtwagenmarkt ist plötzlich von „Zwofuffzich, aber selber abschleppen“ auf 2.500 Euro gestiegen. Solange der Vorrat an Prämien reicht.
Reine Augenwischerei?
Nicht ganz in diesem Umfang, aber doch spürbar, stiegen am frühen Mittwoch auch die Kurse am Aktienmarkt. Finanztitel sind gesucht ... auf einmal. Wen ich meinen mentalen Sender auf den Deutschlandfunk der Anleger einstelle, ziehe ich unwillkürlich den Kopf ein. Ei, da wird geflucht. Da hat man doch extra einen Put nach dem anderen auf Banken gekauft, dieweil das doch eine sichere Sache war, und jetzt muss man sich schon wieder ärgern. Ich behaupte einfach mal, dass es nun sehr viele Akteure gibt, die sich darüber empören, wie man so blind auf einen solchen „Beschiss“ hereinfallen kann.
Aber ist die Idee der „Bad Banks“ wirklich reine Augenwischerei?
Es stimmt schon: Wenn dieses Konzept nun umgesetzt wird, werden die Bilanzen quasi durch „Handauflegen“ gereinigt, die „bad assets“ fein säuberlich vom laufenden Geschäft getrennt. Das wirkt wie blanke Mogelei, aber das ist nicht der Grund, warum es getan werden soll. Die Milliardenabschreibungen sind Konsequenzen aus Sünden der Vergangenheit, die jetzt die aktuelle Lage massiv beeinflussen. Natürlich sind sie damit nicht irrelevant. Aber sie verfälschen das Gesamtbild und beeinträchtigen das operative Geschäft, indem sie Kräfte binden und psychologisch massiv negativ wirken. Steckt man alle CDO-Pakete nun in einen anderen Schrank, ließe sich klarer ermessen, wie sich die Bank im aktuellen Tagesgeschäft schlägt. Und ...möglicherweise ... würde sich der mentale Hemmschuh, untereinander und mit der Industrie Geschäfte zu machen, ein wenig lösen, wenn man nicht alle paar Tage Hilferufe aus der Chefetage zu hören bekommt.
Kosmetik ja ... und dennoch keine so verkehrte Sache. Ich sehe in dieser Idee in jedem Fall eine Maßnahme, die Sinn macht. Allerdings frage ich mich, ob es wirklich gelingt, zügig genügend Fachleute für potenziellen Milliardenschrott zusammen zu bekommen, die diese Investmentleichen der Banken wirklich sinnvoll bewerten und vor allem VERwerten können und werden. Denn kauft man den Banken nun diesen ganzen Krempel ab, stellt sich zunächst die Frage nach einem fairen Preis. Danach aber gilt es, aus all diesen momentan nicht handelbaren Assets noch die Werte herauszuholen, die geblieben sind. Denn anders als von vielen angenommen sind diese CDOs und anderen momentan illiquiden Elemente ja nicht wertlos, nur, weil sie momentan unverkäuflich sind. Sie sind „Katzen im Sack“, aber es sind wenigstens Katzen drin. Nur, weil die Bonität der Schuldner gering oder zweifelhaft ist, werden nicht alle dieser Kredite platzen. Und selbst wenn, stehen hinter den Krediten ja Sicherheiten. Diese sind im Wert natürlich ebenfalls deutlich gefallen ... und gerade in den Krisenzonen USA, England oder Spanien sind z.B. als Sicherheit dienende gebrauchte Häuser nicht gerade ein Bestseller. Aber der Wert liegt allemal über Null.
Ob nun diese „bad banks“ daraus mit Geschick und langem Atem sogar einen guten Profit herausholen können oder im Gegenteil die Banken diese heißen Kartoffeln zu mehr abladen dürfen, als angemessen wäre ... wir müssen es abwarten. Aber dass die Bankaktien auf diese Entwicklung hin am heutigen Mittwoch zulegen, macht durchaus Sinn. Und dass zahllose Anleger nun verärgert und verunsichert reagieren,ist absolut typisch. Denn:
Neue Lage, alte Verhaltensmuster
Das Kursverhalten der Marktteilnehmer wird sich wohl nie ändern. Und es wird sich auch nie ändern, dass alles und jeder trotzdem davon ausgeht, dass diesmal alles anders sei.
Es ist eigentlich unstrittig, dass jede konjunkturelle Phase Eigenarten und Besonderheiten aufweist, die es verbieten, die kommende Entwicklung aus Beispielen der Vergangenheit abzuleiten. Auch, wenn unser momentanes Szenario an das Debakel von 1929 bis 1935 erinnert, sind doch die getroffenen Maßnahmen und die allgemeinen Rahmenbedingungen so anders als damals, dass es albern wäre, einfach davon auszugehen, dass sich das Gesamtbild genauso verhalten würde wie damals. Dennoch ... der scheinbar unstillbare Wunsch nach Modellen und Vorlagen, an welchen man sich orientieren kann, bringt viele dazu, genau dies zu unterstellen.
Dem selben Phänomen begegnen wir immer wieder. Ob es nun um Argumente ging, warum sich die Aktienhausse 2008 auch gegen die unübersehbar auflodernden Krisen fortsetzen werde, ob man nach Gründen forschte, um einen noch intensivierteren Anstieg der Gold- und Ölpreise zu untermauern – irgendwelche Beispiele aus der Vergangenheit lassen sich immer ans Tageslicht zerren. Und was nicht so recht passt, wird hurtig passend gemacht. Erinnern wir uns an das Frühjahr 2003, als die gängige Meinung war, dass der Dax trotz 80%-Einbruch in den drei Jahren zuvor noch auf 1.000 Punkte fallen würde. Muss ich das haben?
Ich muss nicht. Wer mich schon länger liest weiß, dass ich mich weder als Guru noch als Hellseher verstehe. Denn ich habe vor, noch ein wenig länger aktiv zu bleiben und nicht, wie momentan mal wieder oft zu beobachten, mit für rationale Menschen völlig lächerlichen Extrem-Prognosen für Aufsehen zu sorgen und dann die großen Vermögen derer, die einem auf den Leim gehen, in kleine zu verwandeln. Ich bin und bleibe eine Art „Ermittler“. Ich glaube nichts, ich prognostiziere nichts, ich reagiere nur auf Gelegenheiten, die sich aus schlichter Beobachtung der Lage ergeben. Was ich aktuell beobachte ist ein allgemeines „bad sentiment“, eine grottenschlechte, rabenschwarze Grundstimmung. Doch das permanente Gejaule in den Medien wird regelmäßig dadurch relativiert, dass man zu hören bekommt, dass im Sommer eine Stabilisierung kommen werde. Darauf keimt eine Grundhoffnung und der Wunsch, jetzt noch schnell Short zu gehen (oder es zu bleiben) und dann im Sommer billig einzusteigen. Ich stelle fest:
Hope sells!
Alles wie immer. Man muss nur irgendwelche Parolen oft genug wiederholen, dann sickern sie auch in die Köpfe der Marktteilnehmer. Ist es nicht erstaunlich, dass so wenige hinterfragen, wie die angeblichen Experten so einhellig zu dieser Prognose gelangen, obwohl sie fast alle zuvor jedwede Rezessiongefahr von sich gewiesen hatten um dann, als die Realität nicht mehr zu leugnen war, von „nur einer kleinen Wachstumsdelle“ zu faseln? Dennoch wird ihnen bei diesen Prognosen wieder geglaubt ... obwohl nichts dafür spricht, dass diese Leute imstande wären, die aktuelle Lage richtig einzuordnen, volkswirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und auch nur einen Zentimeter über den Tellerrand zu blicken! Warum? Weil sich „Hoffnung“ gut verkauft!
Immerhin: Wer hat schon Puts! Die Millionen Fondssparer, die zahllosen Aktionäre, die alle zuerst schnell reich werden wollten (diese Welle begann ca. 2005 und hatte 2008 ihren Höhepunkt) und nun (auf einmal) angeblich schon immer mit langfristigem Horizont investiert haben, sehnen sich nach Hoffnung. Sprüche wie „im Sommer wird es besser“ verkaufen sich da hervorragend. Und dann, wenn wir alle im Sommer feststellen werden (so meine Vermutung), dass sich die brutale Eigendynamik des Abschwungs, die in dieser Rezession weit kraftvoller ist als in den meisten Fällen zuvor, sich nicht so schnell stoppen lässt, werden diese „Experten“ ohne rot zu werden erklären, das hätten sie ja bereits im Januar vorausgesehen.
Steter Tropfen höhlt das Hirn
Das führt zu folgendem Bild, das trotz ungewöhnlicher Gesamtlage letztlich immer wieder auftaucht – seit Ewigkeiten:
Auf der einen Seite kaufen diejenigen, die bereits jetzt hoffnungsvoll auf die Stabilisierung setzen. Nicht zuletzt nach der Faustregel (die wie alle Faustregeln an der Börse Blödsinn ist), dass die Aktienmärkte ja schließlich ca. ein halbes Jahr vor einer Wende der Konjunktur nach oben drehen .. weil die Börsianer angeblich das Gras wachsen hören. Nichts könnte falscher sein. Kommt es wirklich zu einer Wende, ist das ... nach mehreren gescheiterten Anläufen, in denen es anders kam ... nur der Moment, zu dem einer Erholungsbewegung der Kurse rechtzeitig eine verbesserte Konjunktur zu Hilfe kommt, bevor sie wie die vergeblichen Versuche zuvor in sich zusammenbricht.
Den Gegenpart eiserner Baissiers übernehmen diejenigen, die nicht anders können, als dem Mainstream zu folgen. Je länger eine Kursrichtung vorherrscht, desto schwerer fällt es dieser Gruppe von Investoren, sich dem zu entziehen. Der Trend wird jetzt genauso nach unten verlängert, wie solche Anleger zuvor den Aufwärtstrend in die Ewigkeit prolongiert hatten. Für Warnsignale sind solche Anleger meist nicht zugänglich. Hier dominiert feste Entschlossenheit ... ebenfalls an der Börse eine teure Eigenschaft. Diese Klientel holt sich ihren mentalen Treibstoff von denjenigen, die sich gerne an die Spitze einer Bewegung stellen; die es lieben, besonders extrem zu sein und nun den Zusammenbruch von so ziemlich allem voraussehen. Ich habe dabei festgestellt dass nicht nur ich (der ja, wie sich z.B. im Archiv auf meiner Website (www.system22.de/archiv.html) prüfen lässt, seit längerem vor dieser Entwicklung gewarnt habe), sondern auch die anderen besonnenen Kollegen im Lager derer, die ein „Mad-Max-Szenario“ geradezu herbeizusehnen scheinen, nicht zu finden sind. Es sind vor allem diejenigen, die im Januar 2008 einen Dax über 10.000 sahen, im März Gold bei 3.000 und im Juni Rohöl bei 300, die heute einen Dax bei 1.000 (oder noch tiefer) erwarten.
Wie man sieht, bin ich für beide Lager der Ansicht, dass deren Erwartungen weder ein taugliches Fundament besitzen noch eintreffen werden. Dabei bedarf es keiner seherischen Gabe um zu unterstellen, dass das wahrscheinlichste Szenario das sein wird, bei dem beide Extrem-Lager auf die Nase fallen werden. Wenn Hoffnung oder Sturheit die Ratio überlagern, kommt nicht nur im wahren Leben (außerhalb der Börse) meist Mist heraus.
Wird es wie immer anders kommen?
Die momentane Konsequenz aus diesem Grabenkrieg der Überzeugungen ist ein seit Oktober existierender Seitwärtstrend am Aktienmarkt, der, wie üblich, von beiden Lagern nicht zur Kenntnis genommen wird. Die einen gehen weiter stur Long, die anderen weiter stur Short ... und genau deswegen gibt es diesen Seitwärtstrend auch. Niemand, der auf Vernunftbasis arbeitet, kann absehen, wie lange diese Kursspanne erhalten bleibt. Aber ein Gedankenmodell, das keine Prognose sein soll, möchte ich doch zum Besten geben:
Die Baissiers aus Überzeugung rennen nun schon seit einer enervierend langen Weile gegen die bisherigen Tiefs an. Das zehrt an den Nerven. Und zunehmend nervös werdenden Bären sind (aufgrund des Kaufdrucks bei Eindeckungen) ein potenzielles Pulverfass steigender Kurse. Noch ist deren Wille nicht gebrochen, das unterstreichen die immer wiederkehrenden massiven Verkaufsattacken über den Futuresmarkt, mit denen bislang jede größere Aufwärtsbewegung beantwortet wird. Aber wie gesagt: Hoffnung verkauft sich ebenfalls gut. Und bis zum Sommer ist es noch lang. Solange ab und an auch mal ein Anstieg in der einen oder anderen Unternehmensbilanz oder Konjunkturzahl auftaucht (was völlig normal und kein Hinweis auf eine Besserung der Gesamtlage ist) und der Zeitpunkt des bösen Erwachens noch fern genug ist, ist eine Fortsetzung der Hoffnungskäufe (vor allem mit Blick auf den überreizten Anleihemarkt und recht hohe Barbestände) allemal möglich.
Ich halte es durchaus für denkbar, dass wir in den kommenden Monaten eine Erholung der Kurse sehen, die immer mehr Akteuren vorgaukelt, dass das Schlimmste längst vorbei sei und die dadurch so weit führt, dass jeder vernünftig denkende Anleger zur Erkenntnis kommt, dass die Börse „mal wieder spinnt“. Genau dann, wenn die mentalen Extremisten auf einmal wieder von Super-Bären zu Super- Bullen mutieren, könnte der Hammer der Erkenntnis den Kursen ins Genick fahren, dass es wohl doch noch ein langer Weg sein wird, bis sich die Konjunktur wirklich stabilisiert ... und der nächste, große Baisseschub folgt auf dem Fuße. Das ist nur ein Gedankenmodell, keine Frage. Aber nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung würde dazu passen, sondern auch das momentan wieder urtypische Verhalten der Marktteilnehmer. Und es würde wieder einmal bestätigen, dass die Masse meistens daneben liegt ... auch, wenn sie sich, so wie aktuell, in zwei große Lager teilt!
Mit den besten Grüßen Ihr Ronald Gehrt (www.system22.de) |