Soll die Rechtschreibreform wieder rückgängig gemacht werden?


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Neuester Beitrag: 30.09.05 17:26
Eröffnet am:13.07.04 19:34von: SchwarzerLo.Anzahl Beiträge:459
Neuester Beitrag:30.09.05 17:26von: jungchenLeser gesamt:11.518
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8051 Postings, 8162 Tage Rigomax@SAKU (212)

 
  
    #251
09.08.04 15:35

Lesefluß ist tatsächlich stark durch Gewöhnung beeinflußt. Na und? Das wäre eher ein Argument gegen Änderungen. Nun kann man ja in den Fällen, wo irgendwelche Argumente für Änderungen sprechen, die beiden Seiten gegeneinander abwägen. Aber das Wort "Zucker" in der Trennung Zuk-ker ist sicherlich wesentlich schneller zu erfssen als in der Trennung Zu-cker. Das liegt daran, daß es viele Worte gibt, deren erste Silbe "zu" ist, aber nur wenige, deren erste Silbe "zuk" ist. Das ist doch nicht schwer zu verstehen, oder?

Nun wirst Du sagen, man werde sich daran eben gewöhnen müssen. Das wird man wohl. Aber ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wie man daraus herleiten kann, daß eine solche Änderung (nach "Zu-cker" hin) _sinnvoll_ ist.

Deine andere Frage lautete: "Sind denn die Gegner der RR etwa Menschen, die nichts verändern wollen, weil es IMMER SCHON SO GEMACHT WURDE??"
Die Antwort darauf lautet:
1. Nein.
2. Hat am Schluß des Satzes Deine Feststelltaste geklemmt, oder wolltest Du "mit Versalien schreien" oder bist Du gar (horibíle dictu) SIEGER :)?

Die Frage zum Lesefluß hat Reila übrigens auch recht ausführlich behandelt.

Habe ich noch eine Frage übersehen?
 

4428 Postings, 8232 Tage Major TomDer ferd hat fier beiner ...

 
  
    #252
09.08.04 15:37
Fundstücke:

Der ferd hat fier beiner, an jede seite einer, und hat er mal keiner: umfallt!! Der Ferd sprunktete über den Huhn sein Haus - hat der Ferd gelacht.

Das Original im Bay[e]rischen vom Kabarettisten Fredl Fesl; Lyrics by Fredl Fesl:

Erste Strophe

Ein Pferd, das hat vier Beiner,
an jeder Eck'n einer.
Drei Beiner hätt,
umfallen tät!

Zweite Strophe

Ein Pferd, das hat vier Beiner,
an jeder Eck'n einer.
Fünf Beiner hätt,
ausflippen tät!


"Enie Utnresuhcnug aus Elngnad hat egrneben, dsas wir Txete acuh ncoh fast fielssend jseen knönen, wnen die Bcuhtsbaen toatl druhceniadenr gweürflet sethen - Huatpsache, die etrsen und ltzteen sethen am rcihigten Patlz."

"wer jezt ncoh wass lhsen knann iss ehct ghuut aba dsie fheigaikt writ inn da zkununft asplout nhtownedig sain zumm ueblaeebn unnt nu seense slepst dsie wnahsnnixte klomune allla zeietn hammse hiermit überlebt gckülwnucsh!"

ednstaidum kmmounkiaiotnstrreor!!!  

95441 Postings, 8958 Tage Happy EndReila, man merkt

 
  
    #253
09.08.04 15:40
dass Du Dich mit der Rechtschreibreform noch gar nicht richtig beschäftigt hast, sonst käman solche Pauschalaussagen nicht zustande.

Lesetipp: http://www.ariva.de/board/201174  

8051 Postings, 8162 Tage RigomaxHE (249) Was ist "rechtschreibtechnisch"?

 
  
    #254
09.08.04 15:41
Wieder so ein Hohlwort zum sich-dahinter-verstecken.

Das Beispiel mit der Wolke sollte Dir nur die Unsinnigkeit Deiner Antwort in #217 ("Natürlich ist sie logisch wenn man es fonetisch betrachtet. Denn die Ausprache des o ist eindeutig kurz.") deutlich machen. Ich glaube, das hast Du auch begriffen. Stimmt's?  

9123 Postings, 9056 Tage ReilaHappy, danke für die Bestätigung

 
  
    #255
09.08.04 15:42
des oben Gesagten. Kein sachlicher Inhalt, kein einziges Argument, Pauschalurteile. Werde mir das (Dich) nicht mehr antun.

Träum weiter!  

8051 Postings, 8162 Tage RigomaxBundesausschreibungsblatt

 
  
    #256
09.08.04 15:47
Habe gerade von diesem "offiziellen Fachorgan" einen kleinen Werbebrief erhalten - in herkömmlicher Rechtschreibung.

Hach, wie mich das freut.
Naja, nur so eine kleine Randbemerkung.
 

50950 Postings, 7907 Tage SAKU@ Rigo:

 
  
    #257
09.08.04 15:47
Ich bin hier mit ganz anderen Argumenten rein. Ich wollte die Reform weder positiv, noch negativ sehen.

Alles, was ich anmerken wollte, ist, dass hier einige über den Reformstau mäkeln und "Anspruchsgruppendenken" beklagen und selbst bei einem so stupiden Thema wie der RR geht's um "Hammwa immer so gemacht, mache mer nix annerst" und "ich will mich nicht anstrengen" (umlernen, umgewöhnen)

Ich verabschiede mich aus diesem Thread.

Nicht, ohne anzumerken, dass wir in der Sache einer Meinung sind (auch, wenn mit anderen Schwerpunkten argumentierend): Die "positiven Teile" übernehmen, an den "Negativen" noch etwas schrauben...

Gruss,
Saku  

95441 Postings, 8958 Tage Happy End@Rigomax / Reila

 
  
    #258
09.08.04 15:47
@Rigomax: wenn alles fonetisch angepasst würde, wäre Euer Geschrei nur noch größer ;-)

@Reila: Ich denke mal, wenn Du meine Postings in diesem Thread gelesen hast, wirst Du genügend sachliche Argumente von mir finden. Selbst wenn durch die neue Rechtschreibung neue Ungereimtheiten geschaffen wurden - aus Deiner Sicht - gibt es etliche Vereinfachungen (und diese überwiegen bei dieser Reform). Und die meisten Anpassungen sind logisch.  

95441 Postings, 8958 Tage Happy End@SAKU

 
  
    #259
09.08.04 15:53
Sehe ich genauso.  

13475 Postings, 9508 Tage SchwarzerLordSakus Frage

 
  
    #260
09.08.04 15:55
Jetzt erst habe ich kapiert, daß du diese Frage meinst. Aber mal ganz ganz ernsthaft: Darauf kannst du dir auch selbst die Antwort geben. Ist so ungefähr wie wenn einer im Kindergarten fragt: "Kann man die Luft sehen?"  

8051 Postings, 8162 Tage Rigomax@SAKU (257)

 
  
    #261
09.08.04 15:58
Hier sagt niemand, daß man sinnvolle Änderungen nicht machen solle, weil "das immer schon so war".

Aber die Rechtschreibreform enthält leider eine Unmenge von Verschlechterungen, vor allem auf den Gebieten der Getrennt- und Zusammnenschreibung. Diese Änderungen verdrehen teilweise auch den Sinn der Worte.

Mit dem letzten Satz von 257 bin ich durchaus einverstanden, wenngleich ich vermutlich weniger gute Teile in der Reform entdecke.

Aber wie gesagt: Die Sache mit dem Delfin (und mancherlei auf der Ebene) ist OK, und nicht nur, damit sich HE auch mal freut.  

8051 Postings, 8162 Tage RigomaxOh, die Einigkeit greift um sich!

 
  
    #262
09.08.04 16:01
Können wir uns darauf einigen, daß die neue Rechtschreibung von ihren Fehlern befreit werden muß?
 

129861 Postings, 7913 Tage kiiwiiWie schreibt Lafontaine in BILD ?"Neu" oder "Alt"?

 
  
    #263
09.08.04 16:22

129861 Postings, 7913 Tage kiiwiiOder gar nix mehr ? o. T.

 
  
    #264
09.08.04 16:23

13475 Postings, 9508 Tage SchwarzerLordSchluß für heute

 
  
    #265
09.08.04 21:36
Morgen mehr zu dem Thema an dieser Stelle.  

59073 Postings, 8998 Tage zombi17Bitte nicht, danke! o. T.

 
  
    #266
09.08.04 21:37

95441 Postings, 8958 Tage Happy EndLöschung

 
  
    #267
09.08.04 21:38
Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben gerade dieses Posting wegen Verstoßes gegen die Forumrichtlinien aus dem ARIVA.DE-Diskussionsforum gelöscht.

Ihr ARIVA.DE-Team  

5698 Postings, 8407 Tage bilanzZwischen Torschlusspanik und Sommerloch

 
  
    #268
10.08.04 06:54

Die neue Debatte über die Rechtschreibreform hält an.

Dass der Axel Springer Verlag ("Bild", "Welt"), der Süddeutsche Verlag und der Spiegel-Verlag plötzlich, nach sechs Jahren "Testphase" und nur ein Jahr vor der endgültigen Deadline, die Rechtschreibreform nicht umsetzen wollen, diese "Bombe" sollte ursprünglich pünktlich zur Frankfurter Buchmesse am 5. Oktober platzen.

Doch offenbar konnte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, der als treibende Kraft der Kampagne gilt, weniger Verlage für seine Sache gewinnen als erhofft.

Nicht alle Medien überzeugt

Gruner + Jahr ("stern"), "Focus", "die tageszeitung", "Frankfurter Rundschau" und Co. machen nicht mit, aber der "Knalleffekt" soll zumindest das Sommerloch füllen. Und tatsächlich: Auf welcher Seite man in der Debatte auch steht, sie scheint jeden Tag an Unterhaltungswert zu gewinnen.

Schülertexte werden "alt"

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("F.A.Z.") - sie beharrt seit Jahren auf den alten Regeln, spricht stets von der "bewährten", nicht der alten Rechtschreibung, und titelte am Sonntag reichlich verfrüht "Die Reform ist gekippt" - hat jetzt etwa zugegeben, dass die von Schülern verfassten Texte für ihre Jugendseite nachträglich auf "Alt" getrimmt werden.

Die Kinder liefern ihre Beiträge für die Seite "Jugend schreibt" in neuer Rechtschreibung an, die "F.A.Z."-Redaktion redigiert die Texte und ändert sie dabei gemäß den alten Rechtschreibregeln - in der Schule hätte die gedruckte Fassung den Deutschtest nicht bestanden.

Reform a la "Süddeutsche"

Die "Süddeutsche Zeitung", die sich ebenfalls gegen die Reform stellt, aber noch intern diskutiert, wie ihr Protest genau aussehen soll, reformiert in ihrer Seite-eins-Geschichte zum Thema ausgerechnet ihren eigenen Namen: "Süddeutasche".

Die zwei Gesichter der "NZZ"

Die "Neue Zürcher Zeitung" ("NZZ") kritisiert den Vorstoß der Verlage massiv: Er sei aus einem "fundamentalistischen Geist" heraus entstanden.

Im selben Text, in dem sie sich für die neue Rechtschreibung einsetzt, schreibt die Schweizer Zeitung aber "Orthographie" statt "Orthografie" - schließlich hält sie sich seit 2000 an hauseigene Richtlinien, "die manches aus der Neuregelung übernahmen, in vieler Hinsicht aber am Bewährten festhielten".

"Bild" deutscht ein

An vorderster Front kämpft nach wie vor das Springer-Blatt "Bild", das die Debatte erst richtig ins Rollen gebracht hatte, gegen die angebliche "Schlechtschreibreform".

Sie hat die "schlimmsten Fälle" der Neuregelung recherchiert: Mayonnaise werde zu Majonäse, Portemonnaie zum Portmonee - dass diese Eindeutschungen optional sind, verschweigt die "Bild" aber.

"Irrtum eingestehen"

"Wenn eine ganze Generation nicht mutwillig zu Legasthenikern gemacht werden soll, dann gibt es jetzt nur einen Weg: Den Irrtum schnell eingestehen ... und die Reform rückgängig machen", heißt es in einem Kommentar der Boulevardzeitung.

Kein Problem mit "dass" und "daß"

Dass sich das Blatt (legendäre Wortschöpfung: "Es wird bösi-böse" zum Streit Dieter Bohlen/Thomas Anders) plötzlich als Retter der Sprache gibt, kommt nicht nur für regelmäßige Leser überraschend.

"Beim 'dass' kommt 'Bild' nicht in Versuchung, weil dort gibt's keine Nebensätze", meinte der Vorsitzende der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, Karl Blüml, auf die Frage, ob etwa eine Rückkehr von "dass" zu "daß" zu erwarten sei.

"Einmischung" von Politik und Medien?

Blüml, im "Zivilberuf" Landesschulinspektor im Wiener Stadtschulrat, kritisierte die neuerliche Diskussion über die Reform. Die Politik würde sich zum Teil in Dinge einmischen, von denen sie nichts verstehe, und die Verlage würden "ihre Macht ausspielen", so Blüml.

"Das Ding läuft jetzt seit sechs Jahren", meinte er. Warum gerade jetzt Medien Handlungsbedarf entdeckten, könne er nicht nachvollziehen. Die am Wochenende kolportierte "Krisensitzung" in Wien noch im August sei nichts anderes als eine lang geplante Zusammenkunft auf Beamtenebene.

orf.at  

5698 Postings, 8407 Tage bilanzMillionen in den Kamin schreiben

 
  
    #269
10.08.04 06:58

Zurück zur alten Schreibweise - das wäre teuer. Alle Lehrbücher müssten korrigiert werden. Dies würde allein bei den Lehrmittelverlagen leicht Kosten von zehn Millionen Franken verursachen.

Der Widerstand des Springer-Verlags, des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» und etlicher deutscher Politiker gegen die Rechtschreibreform löst bei den schweizerischen Lehrmittelverlagen nicht gerade Panik aus - dennoch bereitet ihnen die Diskussion in Deutschland Sorgen. Zumal der Streit mit dem Treffen der Behördenvertreter der deutschsprachigen Länder am 23. August eine offizielle Ebene erreicht. Die Lehrmittelverlage berechnen vorsorglich, was eine allfällige Rückkehr der Schweiz zur alten Rechtschreibung finanziell für sie bedeuten würde. Denn dass die Schweiz bei den neuen Regeln bliebe, wenn die grossen Nachbarn wieder die alten anwenden, können sich die Lehrmittelverlage und Bildungsverantwortlichen nicht vorstellen. «Die Rückkehr wäre zwar ein Unsinn und ein Verstoss gegen Treu und Glauben», sagt Rudolf Gysi vom Volksschulamt des Kantons Zürich. Dennoch müsste die Schweiz wohl mitmachen.

Viel Aufwand wäre für die Katz
Seit 1996 werden alle Lehrmittel in der Schweiz nach den neuen Regeln verfasst und bestehende Schulbücher bei Neuauflagen angepasst. Am 1. August 2005 endet die Übergangsfrist, auf die sich die Kantone mit den Kultusministern des deutschen Sprachraums einigten. Die in der Schweiz praktisch vollzogene Umstellung rückgängig zu machen, würde leicht zehn oder mehr Millionen Franken Kosten auslösen, allein bei den Lehrmittelverlagen. Offen ist, was zusätzlich die erneute Umschulung der Lehrer und die Anpassung der Bibliotheksbestände in den Kantonen und Schulgemeinden kosten würde.

Peter Feller, Leiter des grössten Lehrmittelverlags des Kantons Zürich, hält Zahlen bereit. Als 1996 auf die neuen Regeln umgestellt wurde, errechnete der Verlag Kosten von 6,6 Millionen Franken für sämtliche deutsch geschriebenen Lehrmittel in seinem Angebot. Angepasst wurden Wörter-, Sprach- und Lesebücher sowie Bücher für die andern Fächer - 700 Titel insgesamt. Heute führt der Verlag rund 900 Titel, die erneut durch Korrektorat, Satzproduktion und Revision gehen müssten. Das ergäbe laut Feller Rückumstellungskosten von etwa 8,8 Millionen Franken allein beim Zürcher Lehrmittelverlag. Er beliefert über die Interkantonale Lehrmittelzentrale schwergewichtig viele der angeschlossenen 16 Deutschschweizer Kantone. Aber er ist nicht allein.

Hinzu kommen vergleichbare Kosten anderer Lehrmittelverlage, etwa des halb so grossen Berner und des drittgrössten Lehrmittelverlags in St. Gallen. Auch für dessen Leiter, Ernst Hofmänner, ist klar, dass happige Kosten auf ihn zukämen. Der St. Galler Lehrmittelverlag führe zwar nicht so viele eigene Sprachbücher, sondern produziere vor allem Wörter- und Lesebücher sowie Schulmaterial. Aber schon nur diese anzupassen, würde sicher viele 10'000 Franken kosten, sagt er.

Neben den kantonalen Lehrmittelproduzenten müssten auch private Verlage Geld aufwerfen. Etwa der Verlag Klett und Balmer in Zug. Er hat gegen 150 Lehrmittel für die Schweiz entwickelt. 2000 Franken pro Titel würde die Korrektur kosten. Hinzu kämen laut Finanzchef Marcel Betschart jeweils etliche 100 Franken für Satz, Beratung und Marketing. Unklar ist zudem, was mit den Lagerbeständen geschähe. Die Verlage stellen zwar nur noch Reserven für zwei bis drei Jahre her. Aber mit Jahresauflagen von bis zu 25'000 Stück je Titel kommt einiges zusammen. Bei Klett in Zug steht das Lager mit 3,5 Millionen Franken in den Büchern. Betschart geht allerdings nicht vom «schlimmsten Fall» aus, dass die Werke plötzlich eingestampft werden müssten. Man dürfe wohl mit längeren Übergangsfristen rechnen, sagt er. Das erwarten auch die Kollegen in Zürich und St. Gallen: So weit würden die Kantone nicht gehen, dass sie das Geld für schon gedrucktes Material in den Kamin schreiben.

Tages-Anzeiger  

13475 Postings, 9508 Tage SchwarzerLordGuten Morgen, bilanz.

 
  
    #270
10.08.04 07:45
Alles klar in der Schweiz?
@zombi: Du hoffst vergebens!  

5698 Postings, 8407 Tage bilanzHallo Schwarzer Lord

 
  
    #271
10.08.04 07:51

Alles klar bei uns, die Arbeit wartet und der Himmel ist blau.

Aus Zürich herzliche Grüsse

bilanz  

13475 Postings, 9508 Tage SchwarzerLordFalsche Argumente für eine falsche Reform

 
  
    #272
10.08.04 17:55
Falsche Argumente für eine falsche Reform
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Pro & Contra Einführung Pro & Contra Umkehr  

Folgende Aussagen konnte man in der Auseinandersetzung um die "Rechtschreibreform" immer wieder hören und lesen; sie lassen sich in zwei Klassen einteilen: einerseits gesellschaftspolitische und andererseits sachliche (sprachwissenschaftliche) Thesen, die jeweils anschließend zurechtgerückt werden:

1. Ob die Rechtschreibung geändert wird oder nicht, interessiert mich schlicht nicht ...
Wer privat und beruflich nicht viel schreibt und liest, ist in der Tat wenig von der "Rechtschreibreform" betroffen. Orthographie ist dann ein Problem "der anderen", ein Problem, das man einst als Schüler(in) hatte, von dem man aber jetzt nichts mehr wissen will.
Dieselbe gleichgültige Haltung findet sich in vielen weiteren Bereichen, die die Privatsphäre nicht unmittelbar berühren – und macht es den Regierenden leicht, Projekte undemokratisch durchzusetzen und von der "schweigenden Mehrheit" zu sprechen, die ihnen angeblich zustimmt.
2. Es gibt viel wichtigere Probleme, also finde ich mich mit der Reform ab.
Wichtigere Aufgaben gibt es immer. Das ist aber kein Grund, unwichtigere wie die Schlechtschreibung unter den Teppich zu kehren.

Außerdem hat der Eingriff des Staates ganz grundsätzliche Bedeutung:

Darf ein Staat seinen Bürgern verordnen, daß bestimmte ihrer schriftlichen Äußerungen plötzlich eine andere Bedeutung haben sollen ("Leid tun", "nichts sagend", "wohl bekannt" etc.) und ihre Gedanken plötzlich anders schriftlich zum Ausdruck gebracht werden sollen als zuvor? Wer die eigenen und die Menschenrechte anderer achtet, sagt: nein!
Darf ein Staat den erklärten und eindeutigen Willen seiner Bürger mißachten – auch wenn sich diese Bürger wie in Schleswig-Holstein in einem Referendum gegen ein staatliches Vorhaben entschieden haben? Wer diesen arroganten Machtanspruch des Staates verteidigt, darf sich nicht wundern, wenn sich der nächste staatliche Übergriff gegen ihn selbst und seine eigenen Ziele richtet.
Menschen haben unterschiedliche Prioritäten, nehmen je nach Erziehung und Erfahrungen Probleme unterschiedlich wahr. Nicht wenige setzen sogar radikal ihre eigenen Wertvorstellungen absolut und die Überzeugungen anderer dadurch herab:
Kinderschützer empören sich lautstark über Tierschützer, die sich "besser um das millionenfache Elend unserer Kinder als um ein paar Straßenköter kümmern sollten";
Tierschützer wenden sich kompromißlos vom Egoismus und Unrecht menschlicher Gesellschaft ab und ihrer Hauskatze zu, auch wenn diese geschützte Vögel wildert;
Vogelschützer protestieren entrüstet gegen jede Baumfällaktion, selbst wenn sie einen neuen, wertvolleren Biotoptyp für bodenbewohnende Kleinlebewesen schafft;
Manche Gartenbesitzer möchten am liebsten alle Wildflora vernichten, "damit das Laub nicht den Plattenweg verschmutzt und der Garten nicht verwildert";
und einige Realisten haben erkannt, daß "es Wichtigeres auf der Welt gibt als ein paar verwilderte Ecken, Tümpel und überfahrene Kröten! Angesichts der großen Arbeitslosigkeit, der Strukturschwäche der Wirtschaft, der globalen Herausforderungen etc. können wir auf die unverantwortlichen Forderungen einiger Öko-Spinner keine Rücksicht nehmen ..."
Diese Liste läßt sich problemlos fortsetzen – z. B. durch jene "Problemlöser", die glauben, durch Verachtung von Sprachschützern schon etwas für ihre eigene, so viel wichtigere Sache gewonnen zu haben. Der Staat nimmt diese Primitivität dankend zur Kenntnis.
"Das eine tun, aber das andere nicht lassen" – dieser Spruch gilt auch für den Widerstand gegen die sprachliche Bevormundung der Bürger durch den Staat.
3. Die Reform ist gesetzlich vorgeschrieben, also muß man sich danach richten – die Gerichte haben die Rechtmäßigkeit der Reform bestätigt.
Das ist objektiv falsch und beweist nur den vorauseilenden Untertanengehorsam: Ein Gesetz hat es für die Rechtschreibreform gar nicht gegeben, das Bundesverfassungsgericht hat die Einführung der reformierten Schulschreibung auf dem Erlaßwege (!) zwar für rechtmäßig erklärt.
Vorgeschrieben ist die neue Amtsschreibung aber einzig und allein für den Bereich der Schulen; in allen anderen öffentlichen Bereichen konnte sie aus rechtlichen Gründen nur als Sollbestimmung eingeführt werden, an die sich Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes halten können, aber nicht müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich in seinem oft erwähnten, aber selten genau zitierten Urteil vom 14.07.1998 auf Seite 59 wörtlich festgestellt:
Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben. Auch durch die faktische Breitenwirkung, die die Reform voraussichtlich entfaltet, werden sie daran nicht gehindert.
Erklärungen der Innenministerien oder Stadtoberhäupter, die Verwaltungen hätten die neue Schreibung übernommen, haben also keinerlei rechtlich verbindlichen Charakter und stimmen faktisch nur insofern, als tatsächlich viele Beamte und Angestellte aus Furcht vor (grundgesetzwidrigen) Unannehmlichkeiten oder gar in naivem Fortschrittsglauben auf Reformdeutsch umgestellt haben.
   In der Stadtverwaltung Düsseldorf etwa schrieb eine Projektgruppe "Neue Rechtschreibregeln" ihren Mitarbeitern 1999 zum Beschluß der Innenminister von Bund und Ländern: "Persönlich mag man dazu stehen wie man will – als Behörde sind wir an die Vorgaben gebunden. Deshalb gilt auch bei der Stadtverwaltung Düsseldorf: Im dienstlichen Schriftverkehr soll ab 1. Januar 2000 die Rechtschreibreform angewendet werden. Dies bezieht sich nicht nur auf Briefe, sondern auf alle schriftlichen Äußerungen – von Niederschriften bis hin zu Veröffentlichungen."
   Während die Formulierung "sind wir an die Vorgaben gebunden" den vom Verfassungsgericht gesetzten Rahmen überschreitet, verweist das "soll ab 1. Januar 2000" wieder auf die Sollvorschrift, die maximal gesetzt werden kann. Der von diesen Zeilen ausgehende psychologische Druck ist aber unverkennbar und verfehlt seine Wirkung nicht.
Ob neben den Schulen als Institutionen auch der einzelne Lehrer zur Unterrichtung der "Rechtschreibreform" gezwungen werden kann, muß dennoch zumindest als offen gelten, da hier die im Grundgesetz garantierte Freiheit der Lehre und Forschung berührt ist. Das Verfassungsgericht ist auf diesen Punkt in seinem Urteil nicht einmal eingegangen! Es wäre aber ein Widerspruch, einerseits Klagen gegen grausame Tierexperimente in der universitären Ausbildung mit dem Hinweis auf den Verfassungsrang der Freiheit der Lehre abzuweisen und zugleich einen Deutschlehrer zu zwingen, jungen Menschen wider besseres Wissen falsche Schreibweisen zuzumuten (etwa die Großschreibung von Adverbien).
Frühere Gerichtsentscheidungen:

Die bislang zur Rechtschreibreform ergangenen Urteile beschäftigten sich, wie so viele andere, nicht etwa mit der Reform selbst, also dem, was den jetzt heranwachsenden Generationen verordnet wird; vielmehr entschieden sie statt dessen jeweils unterschiedlich die Frage: Ist die von den Kultusministern der Länder 1996 beschlossene Rechtschreibreform eine "wesentliche Entscheidung" in einem "grundgesetzrelevanten Bereich"? Ist sie nämlich "wesentlich", haben bzw. hatten die Minister kein Recht, sie auf dem Erlaßwege zu regeln, dann müssen die Parlamente entscheiden.
Traurig ist, daß die Kritiker der Reform zu solchen Scheingefechten mit unsensiblen Machtpolitikern und Behörden gezwungen werden – schlimm ist, mit welch heuchlerischer Argumentation das Landgericht Schleswig-Holstein die Reform absegnet: Die Reform "kommt nicht rechtsverbindlich auf uns alle zu, sondern als außerrechtliches Regelwerk.", lautet der zentrale Satz, den die Eltern allerdings besser nicht wörtlich nehmen sollten; denn wer sich darauf berufen würde, müßte schnell erkennen, daß diese Reform in Wahrheit auf alle schulpflichtigen Kinder Zwang ausübt und damit indirekt auch auf die Erziehungsberechtigten. Interessant ist auch, daß sich trotz dieser angeblichen rechtlichen Unverbindlichkeit Verlage Chancen für eine Schadensersatzklage ausrechnen, falls die Reform gekippt würde – also darauf spekulieren, daß zweierlei Maß angelegt wird.
Daß sich übergeordnete Gerichte offenbar eher für diese Reform aussprechen, zeugt von deren ausgeprägterem staatstragendem Gehorsam: Man geht den Weg des geringsten Widerstands. Geradezu normal ist, daß sich eine Ministerin nach einem solchen für sie positiven Entscheid zufrieden äußert, als habe sie "in der Sache Recht bekommen", und allen Ernstes zur "Sachlichkeit" aufruft, obwohl sie Gehorsam meint.
4. Die neue Rechtschreibung ist modern, fortschrittlich, wir sollten nicht hinterherhinken.
Nicht alles Moderne ist fortschrittlich. Viele "Neuerungen", das Doppel-s, Großschreibungen, Getrenntschreibungen und Silbentrennungen gehen auf Schreibweisen im frühen 19., 18. und 17. Jahrhundert zurück. Der natürliche Sprech- und Rechtschreibfortschritt wird also mit staatlicher Gewalt zurückgedreht. Auf fruchtbaren Boden kann die "Reform" also nur bei jenen fallen, die in Unkenntnis der deutschen Sprech- und Rechtschreibentwicklung nur von dem "Neuen" begeistert sind.
Nach den historischen Erfahrungen ist es grundsätzlich naiv, staatlichen Verordnungen in den Bereichen der Kultur und der Wirtschaft mehr Qualität zu unterstellen als natürlichen Entwicklungen, besonders wenn die staatlichen Eingriffe überflüssig sind. Vergleiche dazu die "unsichtbare Hand" in der freien Marktwirtschaft und den gescheiterten Kommunismus.
5. Die neue Rechtschreibung hebt künstliche Klassenunterschiede auf.
Gerade in "linken" Kreisen wird eine Schreibreform seit langem ideologisch besetzt: Eine komplexe und differenzierte Orthographie sei "Herrschaftswissen" und somit nur privilegierten Schichten vorbehalten; die "Arbeiterklasse" werde dadurch diskriminiert. Als Folge dieser Einstellung werden aber nicht auf die angeblichen Bedürfnisse niedriger Bildungsgrade zugeschnittene, also vereinfachte Schreibweisen propagiert, sondern alles, was im vermeintlich modernen Gewande daherkommt, auch wenn es ein Sammelsurium unterschiedlichster Reformansätze und Kompromisse darstellt.
Eine Bildungsreform kann nicht erfolgreich sein, indem sie Bildungsansprüche an eine heranwachsende Generation in Anpassung an sozial benachteiligte Schichten nach unten korrigiert. "Gleichmacherei" – wenn dieses Wort einmal gestattet ist – darf nur bedeuten, daß alle Schichten gleichermaßen an ein möglichst hohes Bildungsniveau und daher auch an eine differenzierte, präzise Schriftsprache herangeführt werden. Schließlich ist das Schreiben kein Selbstzweck, sondern für die normalerweise zahlenmäßig größere Leserschaft bestimmt.
6. Die Kritiker haben jahrelang geschlafen und schreien erst, wenn es schon zu spät ist.
Die "Reformer" haben ihre jeweiligen Beratungsstände jahrelang, so gut es ging, geheimgehalten und das Wörterverzeichnis zur Reform erst im Sommer 1995 veröffentlicht, was den bayerischen Kultusminister 1995 in einem Spiegel-Interview u. a. zu dem Kommentar veranlaßte: "Die breite Öffentlichkeit ist so gut wie gar nicht informiert. Deshalb werden viele erschrecken, wenn es nun zu einer Reform kommt, und zwar auch dann, wenn noch einiges geändert wird. Viele haben gar nicht mehr an eine Reform geglaubt, nachdem seit fast hundert Jahren alle Vorschläge gescheitert sind."
Politiker wie Reformer haben unter den Kritikern – und diese machen die Mehrheit der Bevölkerung aus – nur auf eine Handvoll Schriftsteller gezeigt, die vielleicht ein paar Monate früher hätten Alarm schlagen können, aber eben in ihrer verschwindend geringen Zahl auch nicht das alleinige Sprach- oder besser: Schreibgewissen der Nation sein können. Die Rechtschreibung unserer Sprache betrifft uns alle, also hatten und haben auch alle ein Recht darauf, zuerst informiert und dann gehört zu werden.
Konstruktive wie auch kritische Beiträge hat es sehr wohl gegeben, aus fast allen Richtungen und nicht zu knapp. Ich selbst habe schon am 20.12.1988 meinen ersten Leserbrief zum Thema in der Tagespresse veröffentlicht.
7. Die Reform wurde von Fachleuten bzw. Linguisten erarbeitet, ist also wohl richtig.
Den Sachverstand der Experten solle man nicht in Zweifel ziehen, heißt es, denn wer sonst solle die Rechtschreibung regeln? Ob soviel Vertrauen in ihre jeweiligen "Sachverständigen" die politischen Auftraggeber ehrt, kann angesichts der katastrophalen Ungereimtheiten dieser Reform angezweifelt werden: Wer z. B. für einige Adverbien die Großschreibung empfiehlt, kann für sich kaum linguistischen Sachverstand reklamieren. Mit ein wenig gesundem Menschenverstand wäre auch ein Kultusminister fähig gewesen, solche Schwächen zu erkennen.
Die fachlichen Schwächen dieser länderübergreifenden "Reform" rührten zu einem nicht geringen Teil von der unentwegten und politisch gewollten Kompromißsuche: Viele Köche verderben bekanntlich den Brei – besonders, wenn sie neben ihrer eigenen auch noch die Meinung ihrer Landesherren zu vertreten haben. Die "Reform" ist deshalb meilenweit von einer inneren Logik oder besser: Konsistenz entfernt, kein einziger der beteiligten Auftragslinguisten hat sie in dieser widersprüchlichen Ausprägung vorgeschlagen, sie ist vielmehr Regel für Regel und bis hin zur Schreibung einzelner Wörter das Ergebnis Hunderter Kompromisse zwischen "Experten" und dann zwischen diesen und Politikern. Bei der "Reform" erlebt man, was passiert, wenn "wissenschaftliche" Ergebnisse durch Abstimmungen gewonnen werden.
Unqualifiziert waren die "Experten" auch grundsätzlich. Wie für viele Berufsstände gilt auch für Sprachwissenschaftler ein Ehrenkodex: Während etwa Ärzte an den bekannten "hippokratischen Eid" gebunden und vor allem zur Vertraulichkeit und Erhaltung menschlichen Lebens verpflichtet sind, gilt für Linguisten das Gebot, Sprache so zu analysieren und beschreiben, wie sie ist. Ähnlich wie die Medizin hat auch die Linguistik einige schwarze Kapitel in der Geschichte ideologischer Auseinandersetzungen oder gar staatlicher Unterdrückung erlebt. Objektive Linguistik ist deshalb gleichbedeutend mit deskriptiver Linguistik, wie sie an gleichnamigen Lehrstühlen gelehrt wird. Wer einem Volk vorschreiben will, wie es zu sprechen und zu schreiben hat, verletzt das Ethos deskriptiver Linguistik.
Das "Institut für Deutsche Sprache" in Mannheim hatte 1977 seine "Kommission für Rechtschreibfragen" gegründet. Schon 1987 hat es den Auftrag erhalten, Vorschläge für eine "Rechtschreibreform" zu erarbeiten. Daraus wird verständlich, daß ihre Mitglieder am Ende jahrelanger Arbeit keine Empfehlung zur Beibehaltung der konventionellen Rechtschreibung abgeben konnten, zumal etliche dieser Auftragslinguisten die Chance erhielten und wahrnahmen, sich mit dieser Reform einen Namen zu machen und lukrative Jobs bei Verlagen (z. B. Bertelsmann) anzunehmen.
Letztlich sind allerdings alle muttersprachigen Schreiber der deutschen Sprache "sachverständig": Eine Sprache wird nicht am Schreibtisch kluger Experten konstruiert. Sie ist Allgemeingut aller Glieder des Volkes.
8. Schrift ist nur "äußerlich", die Sprache selber ist also von der Reform nicht betroffen.
Auf den ersten Blick mag es tatsächlich so scheinen: Es bleibt doch alles beim alten, die Sprache ändert sich doch nicht, nur ein paar Wörter werden jetzt etwas anders geschrieben. Das ist bereits in der Sprachtheorie falsch: Sprache ist keineswegs dasselbe wie ihre Lautung, sondern ein strukturiertes System von Begriffen, die lautlich, gestisch und schriftlich zum Ausdruck gebracht werden können und werden. Eine bestimmte Schreibweise steht nicht etwa für eine bestimmte Aussprache (Lautung), sie steht vielmehr (ebenso wie eine bestimmte Lautung oder Geste) für einen bestimmten Begriff, für eine bestimmte Vorstellung eines konkreten oder abstrakten Gegenstandes. Wer die Aussprache oder Schreibweise oder gestische Darstellung eines Wortes ändert, ändert damit auch seine Bedeutung: zunächst in der Sprachtheorie und potentiell auch in der Praxis.
Praktische Beispiele für Sprachveränderung sind bereits zahlreich nachgewiesen worden:
Wortbedeutung: Die konventionelle Schreibung kennt für verschiedene Bedeutungen auch verschiedene Schreibungen. Beispiel: "wieder wählen" = 'noch einmal wählen', aber "wiederwählen" = 'durch Wahl bestätigen' (auch wenn es die erste Wahl ist) – es gibt Hunderte solcher Beispiele. Wenn die Amtsschreibung dort nur noch eine (hier die getrennte) Schreibung zuläßt, so wird diese entweder doppeldeutig, oder sie eliminiert die zweite Bedeutung, oder sie übernimmt die Bedeutung der zweiten früheren Schreibweise: "wieder wählen" z. B. soll jetzt dieselbe Bedeutung haben wie früher "wiederwählen", die getrennte Schreibung soll zusammen mit ihrer Bedeutung verschwinden. Im Klartext: Die Amtsschreibung vernichtet viele Wörter der deutschen Sprache.
Wortwahl: Wenn Ausdrücke durch die amtliche Falschschreibung doppeldeutig werden, neigen Schreiber zu alternativer Wortwahl, um eine Fehlinterpretation zu vermeiden: Aus den "rechts stehenden Jugendlichen" werden dann, um sie nicht des Extremismus zu bezichtigen, schnell die "auf der rechten Seite stehenden" bzw. die Jugendlichen, die "auf der rechten Seite standen", und aus einer "wohl vertrauten" wird leicht eine "vermutlich vertraute" Umgebung.
Wortstellung: Statt eines anderen Wortes kann auch eine geänderte Reihenfolge der Wörter Doppeldeutigkeit vermeiden: Das "allen wohl bekannte" Geheimnis gibt es bald nicht mehr, dafür aber das "wohl allen bekannte". Eine Katastrophe stellt diese alternative Formulierung sicherlich nicht dar, aber sie beweist, daß und wie durch eine künstliche Reform nicht die (Aus-)Sprache die Schrift bestimmt, sondern umgekehrt die Schrift die Sprache.
Aussprache: Übereifrige Mitläufer unter den "Pädagogen" sprechen den Grundschülern in Wörtern wie behende, Stengel oder überschwenglich ein besonders breites [ä] vor, um ihnen die durchzusetzenden Schreibweisen "behände", "Stängel" oder "überschwänglich" zu erleichtern.
Die unrichtige Behauptung, die Sprache bzw. ihre Bedeutung werde von Schreibreform nicht geändert, wird von höchsten Stellen verbreitet. Das Bundesministerium der Justiz teilte am 28. September 1999 (Geschäftszeichen IV B 1-6103/2-40220/99) dem Bundeskanzleramt, den Bundesministerien, dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und dem Bundesrechnungshof folgendes mit; es kann nicht sein, was nicht sein darf – man beachte auch unter der Betreffzeile den Begriff der "Normsprache" (nicht "Normschreibung"!):
Betr.: Einführung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung
hier: Normsprache
Bezug: Rundschreiben des BMI vom 7. Juni 1999
- O1-131 212-1/10-
[...]
Die Änderung der Schreibung eines Wortes stellt nur eine Anpassung an die geänderten Rechtschreibregeln dar, ohne eine Änderung der Wortbedeutung zur Folge zu haben. Daher sind rechtliche Konsequenzen durch die neue Schreibung nicht verbunden.
9. Die neue Schreibung ist besser / besser erlernbar, also übernehme ich sie.
Die Reformer sind in der Öffentlichkeit vor allem mit dem Argument angetreten, unseren Kindern das Erlernen der deutschen Rechtschreibung erleichtern zu können, so daß sie weniger Fehler machen.
Dieser Versuch mußte schon als gescheitert angesehen werden, bevor empirische Ergebnisse breit angelegter Untersuchungen und die Erfahrungen von Grundschullehrern vorlagen, da etliche der neuen Regeln und Bestimmungen die Probleme, die es zweifellos gibt, nicht lösen und aus der Welt schaffen. Ein gutes Beispiel ist das "dass": Dieses vermutlich auffälligste Merkmal der Reform verschiebt die Unsicherheit, wie schon erläutert, nur von dem Wortpaar "das – daß" zu "das – dass". Gewonnen wird dadurch nichts außer Verwirrung.
Die leichte Erlernbarkeit der Rechtschreibung ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht überhaupt nicht das entscheidende Kriterium ihrer Güte: Entscheidend für die Qualität sind in erster Linie die leichte Verständlichkeit der Schreibweise und zweitens ihre Konventionalität: Nur wenn Schreibung das Gedachte eindeutig zum Ausdruck bringt und wenn allen Mitgliedern einer Schriftgemeinschaft der Schriftgebrauch bekannt ist, ist Schreibung auch Rechtschreibung und kann ihren Zweck erfüllen.
10. Jede und jeder kann jetzt endlich schreiben, wie er/sie will ...
Das konnte jede und jeder auch bisher schon im privaten Tagebuch und überall sonst dort, wo man nur mit sich selber kommunizierte, wo Autor und Adressat identisch waren. Sprache ist allerdings in erster Linie ein Mittel der Kommunikation zwischen verschiedenen Menschen, die nur dann zuverlässig funktioniert, wenn sich diese Menschen an dieselbe Konvention halten. Die Vorstellung, alle könnten schreiben, wie sie wollten, sich aber dennoch problemlos verstehen, ist eine Illusion.
11. Die Schrift muß einheitlich sein, also sollten sich alle anpassen.
Das klingt immer gut, also "mußte" die Reform an Schulen durchgesetzt werden, damit unsere Kinder das lernen, was im offiziellen Schrifttum wie in der Presselandschaft bald üblich sein würde.

Das "Argument" der Anpassung des Schulunterrichts an eine bestehende oder künftige (Schreib-) Norm ist besonders perfide, denn die Schreibreform soll ja gerade über den Schulunterricht durchgesetzt werden: Ohne die "Zwangsbekehrung" in den Schulen hat die Reform in der Bevölkerung langfristig keine Chance, und die Verlage und die Großindustrie sind überwiegend nur wegen der verordneten Schreibpraxis an den Schulen auf die Reform umgeschwenkt.
Hinzu kommt, daß die hochgehaltene Einheitlichkeit selbst an den Schulen gar nicht möglich ist: Literarische Texte, Quellentexte und Zitate werden auch in Zukunft im Original gelesen ...
Einheitlichkeit war für die Verlage und Redaktionen auch untereinander ein Argument für die Entscheidung im Oktober 1999, die Reform einzuführen: Man fühlte sich einander verpflichtet – wohl auch deshalb, weil eine größere Anzahl Abweichler, die an der konventionellen Schreibung festgehalten hätten, sich im harten Konkurrenzkampf einen Marktvorteil gesichert hätten. Ein typisches Beispiel für diesen "Korpsgeist" liefert die Argumentation der Greenpeace-Redaktion.
12. Die getätigten Investitionen in die Neuschreibung dürfen nicht gefährdet werden.
Im Reigen der Argumente, die eine Sachdebatte verhindern sollen, darf in heutiger Zeit der empörte Hinweis auf zu erwartende Millionenschäden speziell bei Schulbuchverlagen (s. o.) nicht fehlen, wenn die Investitionen in die angekündigte Reform umsonst gewesen wären: Die Reform mußte einfach gut sein, damit die Investitionen sich lohnen und solche Schäden nicht entstehen würden. Auch für den rechtspolitischen Sprecher der Grünen war dies schon vor Jahren, als die Reform gerade eingeführt wurde, das behauptete entscheidende Argument, und Beifall von interessierter Seite hat wohl nicht lange auf sich warten lassen. Der Sprecher wird ihn gebraucht haben ...
Die Gerichte haben längst entschieden, daß Anpassungen an eine geänderte Schreibung allein unternehmerisches Risiko sind und nicht zu Lasten des Staates bzw. Steuerzahlers gehen dürfen.
13. Die Rückkehr zur alten Rechtschreibung würde vollends für Verwirrung sorgen. Unsere Kinder, die inzwischen seit fünf Jahren die neue Rechtschreibung erlernen, würden uns für verrückt erklären.
Tatsächlich werden die Kinder durch die unsinnige Reform beeinträchtigt. Sie werden durch die deutschsprachigen Kultusministerien zu einer von den Eltern verschiedenen Sprache gezwungen. Wenn das als "Zwangsarbeit" anerkannt werden sollte, können die Kinder nach 60 Jahren vielleicht auch auf eine geringfügige Entschädigung hoffen.
Antwort von A. Friker:
Der verbindliche Grundschulwortschatz in NRW (in anderen Bundesländern wird es ähnlich sein) umfaßt aber, nach Auskunft der Rektorin unserer Grundschule, ganze 39 Schreibweisen-Änderungen, darunter 34 neue SS-Schreibungen. - Leute, macht Euch nicht ins Hemd, unsere Kinder packen das locker! Nebenbei bemerkt: Bis ein Kind neudeutsch "klein geschnittene Möhren" schreibt, anstatt "kleingeschnittene ...", muß man ihm eine Menge Grammatik eintrichtern. Der Rückweg zur (deutlich sprach- und sinngetreueren) bisherigen Schreibung ist einfacher. (Und wenn das Kind dann weiter "klein geschnittene" schreibt, macht das auch nichts, denn das ist nach traditioneller Schreibung ja keineswegs falsch.) Da die Anzahl der Schreibfehler - nicht nur in Zeitungen, sondern auch an Grundschulen - mit der Reform drastisch zugenommen hat (hauptsächlich durch Verallgemeinerungsfehler wie "Ergebniss", "aufwänden", "Gaß" oder "Rasst"), dürfte durch eine Rücknahme die Fehlerhäufigkeit eher abnehmen.
Antwort von Manfred Pohl und Herrn Klaus:
Ist Ihnen schon aufgefallen, daß es keinen deutschen Schriftsteller gibt, der seine Werke in der sogenannten "neuen" Rechtschreibung verfaßt? Gründe.....
Wenn man erkennt, daß etwas falschgelaufen ist, dann muß man es korrigieren. Es ist das kleinere Opfer, als wenn man den Unsinn auf ewig weiterbetreibt. Noch ist es so, daß die Mehrheit der Deutschen die alte Rechtschreibung beherrscht. Umgekehrt dürfte es sich noch lange um eine Minderheit handeln. Also ist das Opfer akzeptabel.
Nach einigen Jahren des orthographischen Chaos sprechen die genannten Argumente für die Beibehaltung der konventionellen Rechtschreibung überwiegend auch für eine Umkehr.

Quelle: http://www.gutes-deutsch.de/Argumente.htm

 

7336 Postings, 8228 Tage 54reabich finde die aktuelle entwicklung toll.

 
  
    #273
10.08.04 18:12
die "neue" rechtschreibung ist politisch kaum rückholbar. auch ein kaum möglicher politischer beschluss ist dazu in der lage. die sprache hat sich unabhängig von der reform die letzten jahre weiterentwickelt.

wie geht es weiter?

in den schulen wird weiterhin die "neue" gelehrt und die behörden versuchen mit der "neuen" alte unverständliche texte zu produzieren.

viele verlage und zeitschriften bleiben bei der "alten".

natürlich sind beide linien nicht statisch und entwickeln sich weiter. der bürger wird endlich lernen, zu schreiben, wie ihm der schnabel gewachsen ist. er wird dem korsett "rechtschreibung" entfliehen. der eine wird wie goethe und der andere wird eben wie schiller schreiben. es lebe die freiheit!


 baer45: DAX

 

13475 Postings, 9508 Tage SchwarzerLordVielleicht entflieht er ja auch anderen Dingen?

 
  
    #274
10.08.04 18:15
Z.B. beim Thema Recht? Jeder so wie er es mag? Du hast seltsame Vorstellungen!  

7336 Postings, 8228 Tage 54reabich lach mich schief. das

 
  
    #275
10.08.04 18:19
thema "recht" beweist wie unwichtig die rechtschreibung ist.

1) das recht ist wesentlich älter als irgendeine genormte rechtschreibung.

2) trotz rechtschreibung bleiben viele rechtsvorschriften unverständlich.

ob ein text von der mehrheit der bevölkerung gleich verstanden wird, war und wird nie eine
frage der rechtschreibung sein.

 

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