Israelis bombardieren erstmalig Hafenstadt Sidon
Die arabischen Staaten haben ihre Bemühungen zur Lösung des Nahost-Konflikts verstärkt - allen voran Ägypten und Saudi-Arabien. Denn der Druck aus der eigenen Bevölkerung wird immer größer - verstärkt durch die anti-westliche Berichterstattung der Medien.
Von Alexander von Uleniecki, ARD-Hörfunkstudio Kairo
In den vergangenen Tagen ist es erneut zu anti-israelischen Demonstrationen in Ägypten gekommen. Die Größte gab es in Kairo an der Al-Azhar-Moschee. An die 6000 Menschen versammelten sich dort und riefen Israel-feindliche Parolen, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Dabei wurden drei Menschen verletzt.
Die Demonstranten zeigten auch Bilder des Hisbollah-Anführers Nasrallah, ebenso Spruchbänder, auf denen die Hisbollah als "Widerstandsgruppe" gefeiert wurde. Zu Kundgebungen kam es auch in Alexandria und in Al Arisch im Nord-Sinai. Es waren insgesamt deutlich mehr Menschen als bei ähnlichen Protesten vor einer Woche. Und auch der Unmut gegenüber den eigenen Machthabern wächst von Tag zu Tag. Viele in der arabischen Bevölkerung vermissen ein hartes und konsequentes Durchgreifen gegen Israel. So waren bei einigen Demonstrationen auch Bilder des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Nasser zu sehen. Dieser wird bis heute noch von vielen, gerade bei der einfachen Bevölkerung, als panarabischer Held gesehen, als Wahrer und Beschützer arabischer Interessen gegenüber dem Westen.
Regierungen werfen Medien Hetze vor. Zur Stimmung in der Region dürften auch die Medien beigetragen haben. Die Zeitungen in der Region berichten selbstverständlich fast nur noch über den Libanon-Konflikt, kein anderes Thema sorgt derzeit für mehr Emotionen. Und in den Kommentaren sparen die meisten Redakteure nicht mit harscher, teils polemischer Kritik: so bezeichnet das saudische Blatt "Arab News" den Libanon bereits als "Israels Hiroshima". Die Sprengkraft der israelischen Bomben entspreche der von Atombomben.
Kaum jemand in der arabischen Welt kann sich derzeit den Bildern der Zerstörung aus dem Libanon entziehen, Nachrichtensender wie Al Arabija oder Al Dschasira laufen fast ununterbrochen in den Cafes, Geschäften und Restaurants. Den gemäßigten pro-westlichen Machthabern in Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien ist das ein Dorn im Auge. Sie warfen Sendern wie Al Dschasira bereits vor, die arabischen Massen gegen den Westen und dessen Verbündete aufzuhetzen.angesichts des zunehmenden Drucks durch die aufgeladene Stimmung in der Bevölkerung, haben nun auch Ägypten und Saudi-Arabien ihre diplomatischen Bemühungen forciert, die Krise rasch zu entschärfen und selbstbewusster gegenüber dem Westen aufzutreten. Schon bei der Visite des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier in Kairo, hatte dessen ägyptischer Amtskollege Abul-Rheit einen sofortigen Waffenstillstand gefordert, ebenso einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hisbollah.
Aber dazu gehört der Mumm, den sie nicht haben.
Bewusster Beschuss: Mit einem klar gekennzeichneten Krankenwagen war Bourj Rahal unterwegs gewesen, als ein israelischer Hubschrauber die Ambulanz traf
Israel trifft Uno-Gebäude
Mit unverminderter Härte kämpfen Israelis und Hisbollah weiter. Am späten Abend bombardierte die israelische Luftwaffe nach Angaben der Vereinten Nationen offenbar ein Gebäude der UN-Beobachtermission Unfil im Südlibanon. Es habe Opfer gegeben, sagte der Sprecher der Mission, Milos Strugar. Die genaue Zahl sei noch nicht bekannt. Ein Hilfstrupp der Vereinten Nationen sei vor Ort. Bislang hätten die Opfer jedoch nicht aus den Trümmern geborgen werden können. Libanesische Sicherheitskreise sprachen von vier Todesopfern.
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID5738664,00.html
Bei einer Artilleriestellung des israelischen Militärs an der Grenze zum Libanon gelang es den HRW-Mitarbeitern, Photos von Streubombengranaten zu machen. Die Bilder lassen keinen Zweifel daran, daß es sich um Streubomben handelt, da die entsprechenden Markierungen klar zu erkennen sind.
Nach Ansicht von HRW ist der Einsatz derartiger Waffen in Wohngebieten vermutlich eine Verletzung des Verbots unterschiedsloser Angriffe, erschwert durch die Tatsache, daß im Mittel 14 Prozent der ausgesetzten Streubomben - pro Granate also rund 12 der darin enthaltenen Bomben - nicht wie vorgesehen explodieren und so letztlich ein Minenfeld erzeugen.
http://www.hrw.org/english/docs/2006/07/24/isrlpa13798.htm
Ebenfalls am Dienstag berichtete der britische Guardian, daß am Sonntag zwei Krankenwagen des Roten Kreuzes in der Stadt Tyre (Tyrus) von israelischen Raketen zerstört wurden. Bei dem Angriff wurden 6 Sanitäter verletzt. 3 Patienten, die mit den Krankenwagen transportiert wurden und ursprünglich nur leichte Verletzungen hatten, ringen jetzt um ihr Leben.
Die Krankenwagen waren klar gekennzeichnet, die Scheinwerfer waren ebenso wie das Blaulicht eingeschaltet und ein weiterer Scheinwerfer beleuchtete die Fahne des Roten Kreuzes als die Raketen einschlugen. "Ich glaube nicht, daß die Bombardierung zweier Krankenwagen ein Versehen sein kann", sagte Kassem Shaalan, einer der verletzten Sanitäter. Dies war zwar der erste Bericht über einen Angriff auf Krankenwagen des Roten Kreuzes, in der vergangenen Woche war allerdings bereits ein Zentrum der Organisation in dem Ort al-Ansariya bombardiert worden.
http://www.guardian.co.uk/israel/Story/0,,1828142,00.html
Am Dienstagabend nun bombardierte das israelische Militär einen Beobachtungsposten der Friedenstruppen der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL), wobei alle 4 dort stationierten UN-Soldaten - ein Österreicher, ein Finne, ein Kanadier und ein Chinese - getötet wurden. CNN berichtete am Mittwoch, daß vor dem tödlichen Treffer sechs Stunden lang immer wieder Bomben im Umkreis von nur wenigen hundert Metern um den Beobachtungsposten herum eingeschlagen waren. Nach jedem der etwa 10 Einschläge hatten die UN-Soldaten Kontakt mit einem israelischen Verbindungsoffizier aufgenommen, der ihnen eine Einstellung des Feuers zusicherte - offensichtlich eine Lüge. Da sich die UN-Soldaten in einem Bunker aufhielten ist zumindest zu vermuten, daß hier bunkerbrechende Waffen eingesetzt wurden.
Pallets of 155mm artillery projectiles including DPICM cluster munitions (center and right with yellow diamonds) in the arsenal of an IDF artillery unit on July 23 in northern Israel. Each DPICM shell contains 88 sub-munitions, which have a dud rate of up to 14 percent. © Human Rights Watch 2006
Last night Mrs Beckett said she had protested to the American government after it emerged that two cargo planes loaded with 5,000lb " bunker-buster" bombs bound for Israel had stopped over at Prestwick airport near Glasgow.... Under strict British rules governing arms exports, military equipment should not be used for internal oppression or external aggression. According to BBC2's Newsnight, the United States has lodged requests for two planes carrying missiles to make stop-overs in the UK in the coming fortnight.
Tony Blair was also criticised by his former adviser, Sir Stephen Wall, for having a "bunker" mentality in his support of George Bush over Israel.
http://news.independent.co.uk/uk/politics/article1199343.ece
...ich kann nicht daneben stehen und als unbeteiligter Beobachter den Israel-Palästinakonflikt anschauen - eines der gefährlichsten Ausbrüche kollektiven Hasses. Ich kann nicht ruhig zuhören, während ein iranischer Präsident von der Eliminierung Israels spricht. Jüdische Angst sitzt tief. Sie ist nicht irrational. Ich kann aber auch nicht ruhig zuhören, wenn viele israelische BürgerInnen von PalästinenserInnen so denken und sprechen, wie sehr viele Deutsche über Juden dachten und
sprachen, als ich einer von ihnen war und fliehen musste.
Wenn der Christ in mir guten Grund zur Scham hat, so nun auch der Jude in mir. Ich glaube leidenschaftlich, dass Israel das Recht hat und sein Volk das Recht hat, in Frieden und sicheren Grenzen zu leben. Ich weiß aber auch, dass das moderne Israel im Terror geboren und seine gegenwärtige zionistische Form durch Töten und Maßnahmen ethnischer Säuberung ermöglicht wurde. Das ist Geschichte. Erzählt mir von einem Land mit unschuldiger Geschichte! Aber beim Zionismus im Kern israelischer Politik geht es um die Gegenwart und die Zukunft. Ich mache mir Sorgen um die Seele Israels heute und das Überleben seiner Kinder morgen.
Das Israel, das Golda Meir durch die Worte charakterisiert hat: "so etwas wie Palästinenser gibt es nicht ...sie existierten nicht" ist ein Israel, das unvermeidlich von Feinden umgeben ist und heute nur militärisch und wirtschaftlich als Klientelstaat der einzigen Supermacht überlebt. Auch sein Kernwaffenmonopol im Nahen Osten wird nicht ewig andauern. Frieden kann nicht durch eine auf palästinensischem Land erbaute Mauer hergestellt werden, die das Leben der elend Besiegten noch elender macht. Ein palästinensisches Bantustan wird eine ewige Quelle für Unruhe und Gewalt bleiben...
Der Hauptgrund meines heutigen Schreibens ist, die der Lüge zu bezichtigen, die behaupten, dass die Ablehnung des Zionismus, wie er heute praktiziert wird, tatsächlich Antisemitismus sei und ein Erbe von Hitlers Rassismus. Dieses Argument, mit dem Holocaust im Hintergrund, ist nichts anderes als moralische Erpressung. Sie ist sehr effektiv. Sie verurteilt viele zum Schweigen, die Angst haben, als antisemitisch zu gelten. Sie sind oft das Gegenteil. Sie sind oft Menschen, deren Herz beim Verrat Israels an seinem wahren Erbe blutet.
Ich fing an zuerkennen, dass der Krebs des Antisemitismus nicht geheilt ist. Tragischerweise wird er von Israels Politik genährt. Und wenn dass Weltjudentum israelische Politik - ob recht oder unrecht - verteidigt, dann wendet sich Zorn nicht nur gegen Israel, sondern gegen alle Juden. Ich wünschte, es wäre reine Rhetorik zu behaupten, dass
israelische Politik von heute übermorgen einen Holocaust glaubhaft mache. Wenn die ganze islamische Welt Israel hasst, dann ist das keine müßige Spekulation. Sich auf arabische Uneinigkeit, moslemische sektiererische Konflikte und einen dauerhaften amerikanischen Schutzschild zu verlassen, ist kein Rezept für nachhaltige Sicherheit.
Es gibt Israelis, die dass alles wissen, und Juden in der ganzen Welt, die es wissen. Sicherlich, es gibt viele, die ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk aussprechen. Manche sind Christen - sie verdienen Respekt. Wenn sie, weise oder nicht, nach Sanktionen rufen, macht sie das nicht zu Judenhassern - weder in der Theorie noch in der Praxis.
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/...olitik/zentralrat.html
Thursday July 27, 2006
The Guardian ....."Was wir hier sehen sind die Geburtswehen eines neuen Mittleren Ostens "sagte Condoleezza Rice und wiederholt diese Phrase bei jeder Pressekonferenz.Sie vertritt eine Dominotheorie;Israel werde die Hizbollah zerstören,die Libanesen werden der Hizbollah die Schuld geben und ihren Einfluss zerstören und die Auswirkungen erfassen dann die Hamas und sie wird kollabieren.Aus Sicht der Administration ist das ein Stellvertreterkrieg gegen Iran und Syrien und wird unerklärlicherweise im Irak helfen."wir werden siegen"sagt Rice...
According to the Rice doctrine, the US has deserted its historic role as ultimate guarantor of Israel's security by acting as honest broker among all parties. Rather than emphasising the importance of Lebanese sovereignty, presumably a matter of concern to an administration that had made it exhibit A in the spread of democracy in "a new Middle East", Rice has downplayed or ignored it in favour of uncritical endorsement of Israel's offensive. Rice's trip is calculated to interpose the influence of the US to prevent a ceasefire and to give Israel at least another week of unimpeded military action.
To the Bush administration, the conflagration has appeared as deus ex machina to rescue it from the Iraqi quagmire. That this is patently absurd does not dawn on those who remain in thrall to the same pattern of thought that imagined the invasion of Iraq would be greeted with flowers in the streets of Baghdad. Denial is the basis of repetition.
This week has seen the publication of Fiasco, by Thomas Ricks, the military correspondent of the Washington Post, devastating in its factual deconstruction. The Iraqi invasion, he writes, was "based on perhaps the worst war plan in American history". The policy-making at the Pentagon was a "black hole", and resistance by the staff of the joint chiefs to disinformation linking Iraq to 9/11 was dismissed. After the absence of a plan for postwar Iraq, blunder upon blunder fostered the insurgency.In one of its most unintentionally ironic curiosities, the Bush White House has created an Office of Lessons Learned. But the thinking that made possible the catastrophe in Iraq is not a subject of this office. The delusional mindset went underground only to surface through the crack of the current crisis. There are no lessons learned about the blowback from Iraq; about Iraq's condemnation of Israel and its sympathy for Hizbullah; or about the US unwillingness to deal with the Palestinian Authority that made inevitable the rise of Hamas; or the counter-productive repudiation of direct contact with Syria and Iran.
Indeed, Rice is ushering in "a new Middle East", one in which the US is distrusted and even hated by traditional Arab allies, and its ability to restrain Israel while negotiating on behalf of its security is relinquished and diminished.
· Sidney Blumenthal, a former senior adviser to President Clinton, is the author of The Clinton Wars. http://www.guardian.co.uk/syria/story/...931,00.html#article_continue
Von Tomas Avenarius
Es mag Zufall sein. Aber die israelische Rakete, die den Ambulanzwagen aus Tyros zerstörte, traf punktgenau durch das große Rote Kreuz auf dem Dach des VW-Busses, in den Schnittpunkt der beiden großen roten Balken.
„Wir waren beim Verladen von Verletzten. Ich hörte einen gewaltigen Knall, sah einen grellen Blitz, dann fand ich mich zehn Meter weiter am Boden liegend. Dem Mann, der im Krankenwagen auf der Bahre lag, hat ein Splitter das Bein abgerissen.“
Kassam Schalan steht vor dem Wrack des Ambulanzwagens, er arbeitet als Freiwilliger beim Roten Kreuz in der südlibanesischen Hafenstadt Tyros. Schalan stand neben der Ambulanz, als diese nahe dem Ort Qana bombardiert wurde. Der Krankenhelfer sagt: „Wir können hier kaum noch arbeiten. Die Israelis nehmen keine Rücksicht auf das Rote Kreuz. Du fährst raus, um die Leute zu retten und kommst selbst tot zurück.“
Gleich zwei Ambulanzen des libanesischen Roten Kreuzes sind bei dem Zwischenfall vor fünf Tagen zerstört worden. „Das kann kein Zufall sein“, sagt der 28-jährige Schalan. „Unsere Wagen fahren mit Blaulicht und die Roten Kreuze auf dem Dach kann kein Pilot übersehen.“ Auch die anderen fünf Patienten, die die Rot-Kreuz-Helfer aus Tyros in Qana hatten abholen wollen, wurden ein weiteres Mal verletzt, eines der Opfer liegt im Koma. Schalan selbst hat Glück gehabt: Sein rechtes Ohr ist halb taub, er hat nicht mehr als ein paar Schrammen im Gesicht und am Knie.
"Die wirkliche Zahl der Toten muss viel höher sein"
Nach mehr als zwei Wochen der Bombardierungen ist die Lage in den Dörfern des Südlibanon katastrophal. Fast alle Flüchtlinge erzählen dieselben Dinge: Dass die Konvois trotz der weißen Fahnen von Jets und Helikoptern beschossen werden, dass in den Dörfern keiner die Toten und Verletzten aus den Trümmern bergen kann, dass auf den Straßen die Leichen von den Hunden gefressen werden. „Die wirkliche Zahl der Toten auf den Dörfern muss viel höher sein als die offiziellen Angaben. Allein in Sfira sollen 60 bis 80 Menschen unter den Trümmern begraben sein“, sagt der Nothelfer. „Das berichteten uns Flüchtlinge von dort.“
Während die Menschen in den Dörfern sterben, stehen in Tyros die Notfallbetten leer. „Seit dem 23. Juli habe ich praktisch keinen neuen Patienten mehr gesehen, sagt der Medizinstudent Ali Najim. „Zu Beginn des Kriegs kamen noch viele Verletzte. Aber jetzt bekommen wir keine Neuzugänge mehr. Die Dörfer sind abgeschnitten, weil alle Straßen zerstört sind. Und das Rote Kreuz traut sich kaum mehr hinaus aus der Stadt.“
Ali Najim hilft im Najim-Krankenhaus mit, sein Vater ist einer der Besitzer der Klinik. Direkt vor dem Hospital, keine zwanzig Meter vom Haupteingang entfernt, liegt ein ausgebrannter Personenwagen am Straßenrand. Abgeschossen von einem israelischen Jet. Der Medizinstudent sagt: „Der Fahrer hatte drei Verletzte aus einem der Dörfer geholt und wollte sie zu uns ins Krankenhaus bringen. Alle vier haben den Beschuss irgendwie überlebt. Auch der Wagen dahinter wurde attackiert.“
"Die Leute sterben auf den Straßen, und keiner kann ihnen helfen"
Der Angriff vor dem Hospital kostete zwei Menschen das Leben. Im zweiten Wagen hatte eine deutsch-libanesische Familie gesessen, der Vater starb, die Mutter und die drei Kinder wurden verletzt und inzwischen nach Berlin gebracht. Najim sagt: „Die Leute sterben auf den Straßen, und keiner kann ihnen helfen. Die Piloten zielen sogar auf diejenigen, die aus den in Brand geschossenen Autos flüchten.“
Im Hauptquartier des Roten Kreuzes an der Uferpromenade machen sich die anderen Helfer in ihren orangefarbenen Splitterwesten und weißen Helmen für einen neuen Einsatz fertig. Sie wollen nach Kleili, wenige Minuten vom Stadtrand entfernt. Die Helfer tragen auch Gasmasken. „Sie sollen fünf Tote abholen, die schon eine Woche dort liegen", sagt Schalan. „Die meisten sollen Kinder sein.“
(SZ vom 29.07.2006)Süddeutsche Zeitung heute
Raketen, Träume, Zivilisten: Notizen von der israelischen Seite der Front
Von Bernard-Henri Lévy
Ich schreibe dies am 17. Juli, dem Jahrestag des Ausbruchs des Spanischen Bürgerkriegs. Auf den Tag genau vor 60 Jahren fand der Putsch der Generäle statt, der den Bürgerkrieg auslöste, der ideologisch und international vom damaligen Faschismus gewollt wurde. Es ist mir unmöglich, nicht daran zu denken und die Parallelen zu heute zu suchen, als ich auf dem Flughafen von Tel Aviv lande. Hinter den Kulissen agiert Syrien... Der Iran von Achmadi-Nedschad hat seine Hand im Spiel... Und diese Hisbollah, von der jeder weiß, daß sie ein kleiner Iran ist, ein kleiner Tyrann, der keine Skrupel kannte, den Libanon als Geisel zu nehmen. Dazu ganz im Hintergrund dieser Faschismus mit islamischem Antlitz, der dritte Faschismus, der wohl für unsere Generation das ist, was der andere Faschismus und dann der totalitäre Kommunismus für unsere Väter waren.
Gleich nach meiner Ankunft, ja gleich nach den ersten Kontakten mit den alten Freunden, die ich seit 1967 noch nie so angespannt und so beunruhigt erlebt habe, nach meinem ersten Gespräch mit Denis Charbit, der sich im Lager der Friedensfreunde engagiert, doch nicht an der Legitimität dieses Selbstverteidigungskrieges zweifelt, den man seinem Land aufgezwungen hat, gleich nach meiner ersten Unterredung mit Tzipi Livni, der jungen und brillanten Außenministerin, die so viel dazu beigetragen hat, Ariel Scharon zur Räumung des Gaza-Gebietes zu bewegen, und die plötzlich seltsam fassungslos erscheint angesichts der neuen Geopolitik, die man mit den bisherigen Begriffen vom "israelisch-arabischen Konflikt" nicht mehr deuten kann, nach all dem spüre ich, daß sich etwas Neues und in der Geschichte von Israels Kriegen noch nie Dagewesenes abspielt. Als ob man sich eben nicht mehr sicher sein könne, sich allein im Rahmen Israels zu bewegen. Als ob der internationale Kontext, das Versteckspiel zwischen sichtbaren und unsichtbaren Akteuren, die Rolle, die der Iran und sein bewaffneter Arm, die Hisbollah, spielen, der ganzen Angelegenheit ein neues Aussehen und ungewohnte Aussichten verleihe.
Zunächst geht es, noch vor der Fahrt an die Nordfront, nach Sderot, in die Märtyrerstadt Sderot, nahe am Gazastreifen, die im Krieg liegt mit den Verbündeten der Hisbollah, der Hamas. Ja, allerdings, eine Märtyrerstadt. Die Nachrichten, die uns aus dem Libanon erreichen, sind so furchtbar, die Idee von zivilen libanesischen Opfern sind dem Gewissen und dem Herzen so unerträglich, das unablässige Ausstrahlen der Fernsehbilder aus dem bombardierten Süd-Beirut sind so omnipräsent, daß die Vorstellung schwer fällt, daß auch eine israelische Stadt eine Märtyrerstadt sein könne. Und doch... Diese leeren Straßen... Diese aufgerissenen Häuser und Fassaden mit Einschußlöchern... Dieser große Haufen von zerrissenen Raketen, die in den letzten Wochen niedergingen und die man im Hof der zentralen Polizeiwache aufgetürmt hat...
Und gerade erst an diesem Tag war ein Regen von neuen Geschossen auf das Stadtzentrum hernieder gegangen und hatte die Wagemutigen, die den leichten Sommerwind genießen wollten, in ihre Keller zurückgezwungen. Im Amtsraum des Bürgermeisters Eli Moyal hat man die Fotos der 15 Jugendlichen, die im Feuer der palästinensischen Artilleristen gestorben waren, sorgfältig auf schwarzes Kreppapier gepinnt. Das eine wird natürlich nicht durch das andere aufgewogen. Und ich will schon gar nicht das schmutzige Spiel des Aufrechnens der Leichen beginnen. Aber warum sollte, was man den einen zukommen läßt, nicht auch für die anderen gelten? Woher kommt es denn, daß so wenig die Rede ist von den jüdischen Opfern nach dem israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen? Ich habe mein Leben damit verbracht, die Vorstellung zu bekämpfen, es gäbe gute und böse Leichen, verdächtige Opfer und berechtigte Geschosse, und ich habe schon immer dafür plädiert, daß der hebräische Staat sich aus den besetzten Gebieten zurückzieht, um im Gegenzug Sicherheit und Frieden zu erhalten. Und gerade darum stellt sich für mich ein Problem der Redlichkeit, der Ausgewogenheit des Urteils: Auch Israel hat Zerstörungen, Todesfälle, Leben in Luftschutzkellern, durch den Tod von Kindern gebrochene Existenzen zu beklagen.
Haifa. Meine Lieblingsstadt in Israel. Die große kosmopolitische Stadt, in der Juden und Araber seit der Gründung des Staates miteinander leben. Auch diese Stadt ist wie ausgestorben. Auch sie eine Geisterstadt. Und auch dort hört man, von den bewaldeten Höhen des Karmelgebirges bis zum Meer hinunter, das Heulen der Sirenen, die in regelmäßigen Abständen die wenigen Autos zum Halten und die letzten Passanten zur Flucht in die U-Bahn-Eingänge zwingen, und die einen mehr als alles sonst spüren lassen, in welchem Alptraum Israel seit 40 Jahren lebt.
Denn das Problem, sagt mir Zivit Seri, eine hübsche junge Mutter, deren Zartheit und deren wehrlose, ungeschickte Gesten mich stark rühren, so wie mich einst die Körper rührten, die ich in Sarajewo sah, das Problem, erklärt sie mir, während sie mich zu den zerstörten Häusern im Viertel Bat Galim führt, dessen Name wörtlich "Tochter der Wellen" bedeutet und das am stärksten getroffen wurde, das Problem also seien nicht die Toten - daran ist Israel gewöhnt. Es sei auch nicht, daß man hier keine militärischen, sondern bewußt zivile Ziele anvisiere - auch das hätten sie immer gewußt. Nein, das wahre Problem sei, daß diese Bombardierungen erkennen ließen, was sich eines gar nicht so fernen Tages abspielen könnte, wenn dieselben Raketenköpfe doppelt so stark sein werden: Erstens könnten sie genauer treffen und zum Beispiel die petrochemischen Anlagen erreichen, die man dort unten am Hafen sieht; und zweitens könnten sie dann selber mit chemischen Waffen bestückt seien, die Zerstörungen anrichten, gegenüber denen Tschernobyl und der 11. September als niedliches Vorspiel erschienen.
Und so ist in der Tat die Lage. Darum geht es bei den aktuellen Vorgängen, von Haifa aus gesehen. Israel führt keinen Krieg, einfach weil seine Nordgrenze verletzt wurde. Es hat seine Flugzeuge nicht in den Südlibanon geschickt, um ein Land zu "bestrafen", das es einer bewaffneten Miliz erlaubt hat, ihren Staat im Staate zu errichten. Es hat so heftig reagiert, weil seine Städte angegriffen wurden und gleichzeitig der iranische Präsident dazu aufgerufen hatte, das Land von der Karte zu tilgen, weil zum ersten Mal der Vernichtungswillen und entsprechende Waffen in ein und derselben Hand lagen, und das schuf eine neue Situation. Man muß nur hören, wenn die Israelis einem klären, daß ihnen keine Wahl blieb. Man muß hören, wenn Zivit Seri vor einem durch eine Rakete zerstörten Gebäude, dessen Betonplatten an ihren Stahldrähten baumeln, erklärt, daß es in Israel und in diesem Jahrhundert schon fünf vor Zwölf war.
Man muß aber auch die Traurigkeit von Scheich Mohammad Charif Ouda hören, dem Oberhaupt der kleinen Hamadi-Gemeinde, dessen Familie hier seit sechs Generationen lebt. Er empfängt mich bei sich zu Hause, auf den Höhen des Viertels Khababir, in einen Salwar Kameez gekleidet und mit einem auf pakistanische Art gewickelten Turban.
Für ihn wie für alle Einwohner der Stadt liegt der große Fehler der Hisbollah gewiß auch darin, ungezielt zuzuschlagen. Sie tötet blindwütig Juden wie Araber, so geschehen beim Massaker am Hauptbahnhof von Haifa, wo es acht Tote und 20 Verletzte gab. Sie schafft ein Klima des Schreckens und der allgegenwärtigen Unruhe, und auch das, bei allem Unterschied, erinnert mich an die Art, wie die Bürger von Sarajewo endlos darüber spekulierten, wie knapp und wie zufällig sie der Gefahr entronnen waren, weil sie sich kurzfristig umbesonnen oder ein Treffen verlängert oder abgekürzt hatten, daß sich eben dort der Raketeneinschlag befand, wo sie auch hätten sein können. Das alles ist ein Fehler. Aber der Fehler liegt auch darin, daß die Hisbollah den gesamten Nahen Osten um Jahre zurückwirft durch die Art, wie sie das palästinensische Problem aufzugreifen versucht.
Und Scheich Mohammad Charif Ouda hat Recht. Wie gleichgültig die traditionellen arabischen Führer angesichts des Schicksals der Bewohner von Gaza oder Ramallah auch immer waren, immerhin taten sie so, als ginge es sie etwas an. Nasrallah aber täuscht das noch nicht einmal das vor. Das Leiden und die Rechte der Palästinenser bedeuten in seiner persönlichen Geopolitik weder einen Streitpunkt noch ein Alibi. Man muß nur seine Schriften oder die Charta seiner Bewegung lesen oder die mörderischen Kommuniqués im Fernsehsender Al-Manar hören, um zu verstehen, daß er nichts zu tun hat mit der überlebten Ideologie des arabischen Nationalismus im allgemeinen und dem palästinensischen Nationalismus im besonderen; er träumt von einer versöhnten Umma, deren Basis der Iran, dessen bewaffneter Arm Syrien und dessen Avantgarde die Hisbollah wäre. Bliebe der blanke Haß. Der Krieg ohne Kriegsziel. Blieben die drei Übergangenen in diesem Dschihad auf persische Art, dessen Auftakt der gegenwärtige Krieg markiert: Israel, Libanon und also Palästina.
Noch mehr Raketen. Ich habe Haifa in Richtung Akko verlassen und fahre längs der libanesischen Grenze, wo Kibuzzim, Dörfer und Moschaw-Siedlungen aufeinander folgen, die seit zehn Tagen unter Geschützfeuer leben, unter einer wahren Sintflut aus Feuer, um nicht von Stahlgewittern zu reden, die heute das obere Galiläa heimsuchen.
"Ich habe nie recht verstanden, was man in so einem Fall eigentlich machen muß", sagt Oberstleutnant Olivier Rafovitch zu mir und lacht, während wir uns Avivim nähern und die Explosionsgeräusche immer näher zu kommen scheinen. "Man neigt dazu, den Wagen zu beschleunigen, nicht wahr... Man glaubt, daß man vor allem schnell machen und sich möglichst rasch aus der Zone davonmachen muß... Aber eigentlich ist das idiotisch. Denn wer weiß, ob man nicht gerade, weil man beschleunigt, den Zusammenstoß erleidet... "
Und dennoch fahren wir schneller. Wir rasen durch ein verlassenes drusisches Dorf. Dann kommt ein großer landwirtschaftlicher Ort, dessen Namen ich mir nicht so schnell aufschreiben kann - vielleicht war es Sasa - und der auch schon geräumt ist. Dahinter kommt eine völlig ungeschützte Gegend, in der eine Katjuscha den Asphalt gesprengt hat. Es ist unglaublich, einen wie großen Schaden diese Geräte anrichten, wenn man das aus der Nähe sieht. Und der Lärm, den sie verursachen, wenn man gerade nichts sagt und ihre Flugbahn verfolgt, ist unglaublich, vor allem, wenn er sich mit dem Motorgeräusch vermischt. Der stumpfe und rauchlose Einschlag der Rakete, die in der Ferne niedergeht; eine schrille Detonation; die Aufregung, wenn sie dicht über einen hinweg saust; eine lange Vibration, wie ein anhaltender Baßton, wenn sie in der Nähe explodiert und rings um einen alles erzittern läßt.
Die Israelis sind keine Heiligen. Sie sind natürlich in einem Krieg zu Operationen, Manipulationen und machiavellistischen Täuschungen fähig. Dennoch gibt es ein Zeichen, daß sie diesen Krieg nicht gewollt haben und daß er über sie gekommen ist wie ein böses Schicksal. Und dieses Zeichen besteht in der Besetzung des Verteidigungsministeriums mit einem ehemaligen Kämpfer der Bewegung "Frieden jetzt", der seit je für die Aufteilung des Landes mit den Palästinensern eintrat, mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Histadruth, der eher auf Streiks als auf Kriege eingestellt ist - Amir Peretz.
"Ich habe diese Nacht nicht geschlafen", sagt er zu Beginn. Sein Gesicht ist bleich, die Augen sind rot. Er empfängt uns mit dem Redakteur Daniel Ben Simon von "Ha'aretz" in einem kleinen Büro, das nicht im Ministerium, sondern im Gebäude der Arbeiterpartei liegt. "Ich habe nicht geschlafen, weil ich die Nacht über auf Nachrichten von einer unserer Einheiten gewartet habe, die gestern auf libanesischer Seite in einen Hinterhalt geraten ist... "
Und dann, nachdem ihm ein Adjutant, der auch eher nach Gewerkschaftsführer aussieht, ein Feldtelefon gereicht und wieder abgenommen hat, durch das er, ohne etwas zu sagen, mit gesenktem Blick, während sein zitternder Schnurrbart seine mühsam beherrschte Erregung verrät, die erwartete Nachricht erhalten hat, sagt er: "Verbreitet es bitte noch nicht sofort, die Familien sind noch nicht informiert - aber drei von ihnen sind tot, und vom vierten sind wir ohne Nachricht, furchtbar..."
In den letzten vierzig Jahren habe ich viele israelische Verteidigungsminister kennengelernt. Von Mosche Dayan bis zu Schimon Peres, Jizchak Rabin, Ariel Scharon und anderen habe ich die Helden und Halbhelden einander ablösen sehen, die genialen, begabten Taktiker und die Geschickten. Was ich aber noch nie gesehen habe ist ein Minister, der zwar nicht so menschlich (daß das Leben jedes beliebigen Soldaten keinen Preis hat, ist eine Konstante in der Geschichte des Landes) oder so zivil (schließlich hatte auch Schimon Peres keine wirklich militärische Vorbildung), aber so wenig dazu ausgebildet gewesen wäre, eine Armee in Kriegszeiten zu führen (seine erste Entscheidung, und das war etwas wirklich Neues, bestand darin, das Budget seines eigenen Ministeriums um fünf Prozent zu kürzen). Und was ich noch gesehen hatte, war ein Verteidigungsminister, der so sehr dem berühmten Wort von Malraux entsprochen hätte, wonach die Befehlshaber, "die den Krieg führen, ohne ihn zu lieben", ihn schließlich auch gewinnen. Genau wie die Gestalten von Malraux wird Amir Peretz gewinnen. Aber daß er überhaupt ernannt wurde, zeigt sehr wohl an, daß Israel nach seinem Rückzug aus dem Libanon und aus dem Gazastreifen in eine neue Ära eintreten wollte, in der es nicht den Krieg, sondern Frieden vorzubereiten galt.
Einen Befehlshaber der traditionellen Art, auch er Gewerkschafter und genau wie der Minister Befürworter eines Verhandlungsfriedens mit den Palästinensern, treffe ich draußen an einem Ort, den man Koach Junction nennt, was wörtlich "Kreuzung der Stärke" bedeutet, womit in den Augen der Kabbalisten ein Ort gemeint ist, an dem, wenn es einmal soweit ist, der Messias vorbeikommen soll. Er heißt Ephraïm Sneh. Als junger Offizier war er Arzt bei den Fallschirmjägern und befehligte eine Eliteeinheit der israelischen Armee; nach 1981 wurde er Chef der israelischen Sicherheitszone in Südlibanon.
Er sieht aus wie ein friedlicher Bursche, herzlich und bärbeißig zugleich, wie eben israelische Reservegeneräle aussehen, wenn sie einberufen werden, in seinem Falle für eine Inspektion im Auftrag der Verteidigungskommission der Knesset. Warum dieses Treffen? Und warum hier, in dieser Landschaft mit kahlen Steinen in der prallen Sonne, wohin er mich bestellt hat, wo ich aber außer uns beiden keine Menschenseele erblicke? Will er mir etwas zeigen? Mir ein strategisches Detail erläutern, das man nur von hier aus erkennen kann? Will er mich einen Kilometer weiter nach Norden, nach Avivim bringen, wo sich der Knotenpunkt der laufenden Schlacht befindet? Will er von Politik reden? Will er, wie schon Peretz, wie schon Livni, wie fast alle, mir sagen, wie sehr man in Israel enttäuscht ist von dem geringen Engagement Frankreichs, das doch eine so bedeutende Rolle im Libanon und in Syrien spielen könnte, und das, wenn es nur wollte, das Land der Zedern wieder aufbauen könnte, indem es die Durchsetzung der Uno-Resolution 1559 bewirkt, das sich aber leider damit begnügt, auf die Öffnung eines humanitären Korridors hinzuwirken.
Ja, das sagt er mir. Ein wenig. Ganz beiläufig. Aber ich merke bald, daß er mich hierher kommen ließ, um mit mir über eine Angelegenheit zu sprechen, die ihn leidenschaftlich beschäftigt, und die nichts mit diesem Krieg zu tun hat, nämlich über nichts anderes als die Entführung, die Gefangenschaft und die Enthauptung von Daniel Pearl. Ein Gespräch über Danny Pearl, einen Steinwurf von einem Schlachtfeld entfernt. Ein literarischer Offizier, der nichts wichtigeres zu tun hat, während unsere beiden Autos in dieser steinigen, heißen Gegend nebeneinander stehen, als über den Dschihad, den Islam, die Aufklärung, die Sackgasse von Huntingtons Thesen über den Zusammenstoß der Kulturen, über Karatschi und seine terroristischen Moscheen zu diskutieren. Auch das habe ich noch nie erlebt. Auch dafür mußte ich diese Expedition in die vordersten Linien eines Krieges unternehmen, von dem Israel und die übrige Welt gleichermaßen sich eine Vorstellung machen müssen.
Und dennoch... Man muß wohl annehmen, daß die Geschichte weniger Phantasie hat, als man erhofft, und daß die Reflexe der alten Generäle doch nicht ganz unberechtigt sind. Denn Tatsache ist, daß mir die Umstände einige Kilometer weiter südlich, im Dorf Mitzpe Hila bei Maalot, in der Tat eine erschütternde Erinnerung an die Affäre Daniel Pearl bescheren sollten. Ich bin bei den Eltern des Soldaten Shalit, dessen Entführung durch die Hamas am 25. Juni einer der Auslöser dieses Krieges war. Ich denke nach über die Ironie der Geschichte, die einen jungen Mann ohne besondere Eigenschaften oder kollektive Bedeutung an den Anfang dieser gewaltigen Entwicklung gestellt hat.
Wir sind in der Sonne auf dem Rasen, auf dem er als Kind gespielt hat. Ganz in der Nähe hört man die Katjuschas einschlagen, aber das Ehepaar Shalit scheint dem keine Beachtung zu schenken. Wir sitzen an einem Gartentisch und diskutieren über die jüngsten Nachrichten, die ihnen der Abgesandte der Vereinten Nationen überbracht hat, der vor mir bei ihnen war. Und ich denke darüber nach, daß dieser bescheidene Gefreite, wenn der Krieg andauert und ihm der Iran-Effekt, wie ich es seit meiner Ankunft spüre, eine neue Dimension verleiht, der Franz Ferdinand eines Sarajewo sein würde, das den Namen Kerem Schalom trägt.
Und was geschieht dann? Liegt es am Gesichtsausdruck von Aviva, der Mutter, als ich sie frage, was sie von den Haftbedingungen ihres Sohnes weiß? Oder jenem von Noam, seinem Vaters, als er mir zu erklären versucht, mit einem kleinen Hoffnungsschimmer in den Augen, daß der Junge Franzose sei, nämlich über eine seiner Großmütter, Jacqueline, die aus Marseille stamme, und daß er hoffe, daß meine Regierung sich den israelischen Bemühungen anschließen werde? Oder liegt es am Widerstreit, den ich bei ihm spüre, zwischen dem Vater, der zu jedem beliebigem Kompromiß bereit ist, um seinen geliebten Sohn wiederzusehen, und dem ehemaligen Soldaten, der der Erpressung durch die Terroristen nicht nachgeben will? Liegt es am Blick in das Kinderzimmer des Gefreiten? Liegt es am Haus selber, das mir plötzlich dem Haus von Danny Pearl im kalifornischen Encino zu ähneln scheint? Auf jeden Fall werde ich von einem Déjà-Vu-Gefühl erfaßt, und die Gesichter dieses Mannes und dieser Frau werden in meinen Augen überlagert von jenen meiner Freunde Ruth und Judea Pearl, den tapferen Eltern eines anderen jungen Mannes, der diesem hier ähnelte und von Gottesfanatikern entführt wurde, deren ideologisches Programm letztlich nicht sehr verschieden war von dem der Hamas.
Zurück nach Avivim. Und dann von Avivim nach Manara, das von den Israelis gehalten wird und wo sie in einem Radius von 200 Metern eine ganze Geschoßbatterie aufgestellt haben, von der aus zwei Geschütze auf Panzerketten die Arsenale auf der anderen Seite der Grenze beschießen, sowie den Kommandoposten und die Raketenwerfer von Maroun al-Ras.
Drei Dinge frappieren mich hier. Zunächst das extrem junge Alter der Artilleristen, 20, vielleicht auch nur 18 Jahre alt; dann ihr verwunderter Blick, wenn der Schuß losgeht, als wäre es jedes Mal das erste Mal; ihre kindischen Scherze, wenn ein Kamerad sich nicht schnell genug die Ohren zugehalten hat und er von der Detonation betäubt ist; und dann die ernste und zugleich ergreifende Seite von dem, was man auf den Vorposten des gewaltigen Dramas erfaßt und was einen übersteigt. Dann auch die lässige, ja beinahe nachlässige oder gammlige Haltung einer kleinen Truppe, die mich unweigerlich an das Durcheinander der jungen republikanischen Bataillone erinnert, wie sie ebenfalls Malraux beschrieben hat, eine eher sympathische als martialische Armee, eher demokratisch als überheblich und herablassend; eine Armee, die auf jeden Fall das genaue Gegenteil von den brutalen Bataillonen von Terminator-Typen ist, wie sie in den großen europäischen Medien so häufig beschrieben werden.
Und schließlich das sonderbare Gefährt, das rein äußerlich den Geschützen auf Panzerketten ähnelt, aber etwas abseits steht und nicht schießt. Dieses dritte Gefährt ist ein mobiler Maschinenraum, den man wie ein U-Boot von oben über ein zentrales Türmchen und eine Steigleiter betritt. Darauf halten sich sechs, an manchen Tagen auch sieben Männer auf, die sich um eine Batterie von Radaranlagen, Computer und andere Meldesysteme kümmern, deren Aufgabe es ist, Informationen zu sammeln, um den Schußwinkel zu bestimmen, den man an die Artilleristen weitermeldet. In Wirklichkeit steht im Zentrum der israelischen Artillerie eine wahres Kriegslaboratorium, wo Wissenschaftssoldaten ein Maximum an Intelligenz einsetzen, um mit der Nase auf ihren Bildschirmen noch so geringfügige Unwägbarkeiten des Geländes in ihre Daten zu integrieren, sobald sie ihnen bekannt werden, um die Entfernung des Zieles, die Geschoßgeschwindigkeit und nicht zuletzt die Wahrscheinlichkeit der Nähe eines eventuellen zivilen Objektes zu berechnen, und letzteres ist, das kann ich bezeugen, die Hauptsorge der israelischen Armee.
Das Treffen mit David Grossmann findet auf der Terrasse eines Restaurants in Abu Gosch statt, dort, wo die Hügel von Jerusalem beginnen. Nach den letzten Tagen in der Hölle kommt mir dieser Ort wie der Garten Eden vor. Wohltuende Sonne, das Summen von Insekten, die weder Flugzeuge noch Panzerketten sind, Entspannung, leichter Wind... Wir sprechen über sein neues Buch, das eine Neulektüre des Mythos von Samson beinhaltet, aber auch von seinem Sohn, der soeben zu einer Panzereinheit einberufen wurde und um den er bangt. Wir kommentieren eine Statistik, die er gerade gelesen hat und die ihn beunruhigt, denn laut diesem Artikel hat ein Drittel der jungen Israelis den Glauben an den Zionismus verloren und sucht lauter Ausflüchte, um sich dem Militärdienst zu entziehen.
Und wir reden natürlich über den Krieg und vom sehr großen Unbehagen, in das er ihn, wie die anderen fortschrittlichen Intellektuellen seines Landes, gestürzt hat. Denn auf der einen Seite, erklärt er mir, gibt es das Ausmaß der Zerstörungen, das Risiko eines Bürgerkrieges und einer Erschütterung des gesamten Libanon, und zudem hat man das Ziel so hoch gesetzt (die Hisbollah zerstören, sie unfähig zu machen, den Infrastrukturen und der Armee zu schaden), daß sogar ein halber Sieg im fraglichen Moment den Anschein einer Niederlage haben könnte. Auf der anderen Seite steht dieser Überraschungsangriff der Hisbollah gegen Israel, das sich nacheinander aus dem Libanon und dann aus Gaza zurückgezogen hat; wie jeder andere Staat hat Israel das Recht, einer so verrückten, grundlosen, willkürlichen Aggression nicht wehrlos zuzuschauen; außerdem ist der Libanon das Land, das der Hisbollah Gastrecht gewährt, und auch ein Land, an dessen Regierung die Hisbollah verantwortlich beteiligt ist; auf der anderen Seite steht also die Tatsache, daß Israels Gegenschlag auf libanesischem Boden und nirgends sonst erfolgen konnte.
Ich schaue David Grossmann an. Ich studiere das schöne Gesicht des einstigen Wunderkindes der israelischen Literatur, das zu schnell gealtert ist und von Schwermut gezeichnet. Er ist nicht nur einer der großen israelischen Romanciers von heute. Er ist auch, genau wie Amos Oz, A.B. Jehoschua und einige andere, eine der moralischen Instanzen des Landes. Und ich glaube, daß sein Zeugnis, seine Festigkeit, seine Art, die Berechtigung von Israels Sache nicht in Frage zu stellen, auch die größten Zweifler überzeugen müssen.
Und schließlich bei Schimon Peres. Ich kann diese Reise nicht beenden, ohne wie jedes Mal, und dieses Mal vor allem, Schimon Peres zu besuchen. Ich lernte ihn kennen über Daniel Saada, einen alten Freund und Gründungsmitglied von "SOS Racisme", der nun in Israel lebt und sich dort mit ihm angefreundet hat. Schimon, wie ihn alle Welt hier nennt, ist 84 Jahre alt. Er ist hat noch nichts von seiner stattlichen Erscheinung verloren, auch nichts von seinen Allüren eines Fürstbischofs des Zionismus. Sein Gesicht ist unverändert, bestimmt von Stirn und Lippen, was die klangvolle Autorität seiner Stimme unterstreicht. Ich habe zuweilen den Eindruck, daß er seinem Lächeln eine Prise Bitterkeit hinzugefügt hat, aber auch ein Blitzen in den Augen, eine Art sich zu geben und Wörter hervorzuheben, die nicht vom ihm stammen, sondern von seinem alten Rivalen Jizchak Rabin...
"Das ganze Problem", hebt er an, "beginnt mit dem Scheitern dessen, was einer eurer großen Autoren die Generalstabsstrategie genannt hat. Heute kontrolliert niemand niemanden mehr. Niemand hat die Macht, irgend jemanden aufzuhalten oder zu kontrollieren. Auf diese Weise haben wir Israelis so viele Freunde wie noch nie in unserer Geschichte, nur haben sie noch nie so wenig genützt. Außer..."
Er bittet seine Tochter, eine Dame in fortgeschrittenem Alter, die der Unterhaltung beiwohnt, aus dem benachbarten Büro zwei Briefe von Abu Mazen und Bill Clinton zu holen. "Ja, außer daß ihr sie habt, immerhin. Die Menschen guten Willens. Meine Freunde. Die Freunde von Aufklärung und Frieden. Jene, die weder der Terrorismus, noch der Nihilismus, noch der Defätismus jemals zur Aufgabe bewegen können. Wir haben ein Projekt, wie Sie wissen... Immer dasselbe Projekt für Wohlstand, gemeinsame Entwicklung, das auch schließlich siegen wird... Hören Sie..."
Schimon hat einen Traum. Schimon ist ein junger Mann von 84 Jahren, dessen unbesiegbarer Traum schon seit 30 Jahren Bestand hat und den die gegenwärtige Sackgasse nicht zu entmutigen, sondern rätselhafterweise zu stimulieren scheint. Ich höre ihm also zu. Ich höre, wie dieser Weise aus Israel mir erklärt, daß man gleichzeitig diesen aufgezwungenen Krieg gewinnen, dieses "Quartett des Bösen", zu dem Iran, Syrien, die Hamas und die Hisbollah gehören, diskreditieren und den Weg öffnen muß für freie Aussprache und einen Dialog, "der eines Tages gewiß zu einem Ziel führen wird".
Und es stimmt, daß ich beim Wiederhören dieser alten Prophezeiungen, die mir heute, ich weiß nicht warum, eine neue Evidenz und Überzeugungskraft zu erhalten scheinen, auch zu träumen beginne, nämlich vom Ruhm eines hebräischen Staates, der es wagen würde, in ein und derselben Geste zwei Dinge zugleich zu sagen und vor allem zu tun: den einen leider den Krieg und den anderen den Frieden erklären, so daß letztlich keine Wahl bliebe.
Aus dem Französischen von Manfred Flügge.
Bernard-Henry Lévy, geboren 1948, gehört zu den Begründern der "nouveaux philosophes", der antitotalitären "neuen Philosophen" in Paris. Als Kriegsreporter hat er viele Konflikte begleitet, angefangen beim Unabhängigkeitskrieg von Bangladesch gegen Pakistan. Zuletzt erschien auf Deutsch "Wer hat Daniel Pearl ermordet?" (Econ, München. 431 S., 24 EUR).
Artikel erschienen am Sa, 29. Juli 2006
http://www.welt.de/data/2006/07/29/977044.html
zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden.
Auch er unterliegt der Propaganda der
Terroristen.
Bei Kicky, der Pazifistin, wundert mich das nicht.
Quelle des Bildes von Kicky, der engagierten Pazifistin:
http://www.ariva.de/board/262898?pnr=2683152#jump2683152
From Egypt to Indonesia there were outpourings of popular anger today against the continued Israeli bombardment of Lebanon - though there is also growing frustration in the Middle East at the apparent impotence of Arab leaders.
In Cairo, about 1,000 demonstrators giving victory signs and waving copies of the Qur'an chanted: "O Sunni, O Shia, let's fight the Jews," and "the Jews and the Americans are killing our brothers in Lebanon."
The protest, held outside a mosque after Friday prayers, was organised by Egypt's main opposition party, the banned but partially-tolerated Muslim Brotherhood. Although riot police heavily outnumbered demonstrators, there were no immediate reports of violence.
Support for Hizbullah also came from the Mufti of Egypt - a government appointee - who said the Lebanese were entitled to defend themselves in the face of Israeli attacks. "Hizbullah is defending its country and what it is doing is not terrorism," he said in a statement carried by the state news agency.
In Qatar, Youssef al-Qaradawi - an Islamic scholar made popular throughout the region by his appearances on al-Jazeera television - took issue with Saudi clerics who have said Sunni Muslims should not support Hizbullah, which is a Shia movement.
"When the enemy enters a country all the people there should unite to resist, be they Sunni or Shia, Muslims or Christians," he said.
In Indonesia - the most populous Muslim country - thousands of demonstrators rallied in several cities with banners portraying the Israeli and American leaders as "the real terrorists".
"It's ironic that America shouts about peace and democracy, and then supports Israel when it kills innocent Muslims," said Arief Trisarjono, who led some 100 protesters in front of the US embassy in the capital, Jakarta. "How can they stop terrorism against the west if they always make Muslims angry?"
In Syria, where political expression is tightly controlled, there were no reported demonstrations today, but Syrians have been expressing solidarity with the Lebanese in practical ways, mainly by helping families fleeing across the border. Yesterday a lorry piled high with foam mattresses - a scarce commodity in Beirut - entered Lebanon from Syria at the Abboudiyeh crossing.
A sermon broadcast on loudspeakers outside a mosque in Damascus denounced the Israeli bombardment. People were reluctant to give personal opinions but a sandwich seller nearby ventured that "we are all with [the Lebanese]".On hearing that I had just arrived from Beirut, he offered a free sandwich "as a gift".There were similar expressions of solidarity elsewhere. In Jordan, a TV station was holding a telethon to collect aid for both the Lebanese and the Palestinians.
Despite the Sunni-Shia conflict in Iraq, Arabs and Muslims seem prepared to bury their sectarian differences in the case of Lebanon. This is largely the result of Israel's attacks on targets unrelated to the Hizbullah militia and the way its bombing campaign has driven an estimated one-fifth of Lebanon's population from their homes.
Talk of a "new Middle East" from the US secretary of state, Condoleezza Rice, has also been greeted by Arabs with almost universal derision. One newspaper cartoon depicting "the New Middle East" showed an Israeli tank parked on the crushed remains of Gaza, Lebanon and Iraq.
Arab leaders - especially the rulers of Egypt, Saudi Arabia and Jordan - have sustained further damage to their local credibility by not opposing the war more strongly. Though all three seem to be changing their tune slightly in the light of popular anger, many have accused them of adopting a soft line in the hope that Washington will reward them by not pressing hard for democracy and reform.
The impotence of these old-style leaders is underlined by their failure even to organise an Arab League summit.
"If this aggression on the people of Lebanon and Palestine does not warrant a summit, then what does?
http://www.guardian.co.uk/syria/story/...693,00.html#article_continue
und: das rote kreuz wird etwas häufig getroffen für einen zufall! oder!?