Manager ohne Moral?


Seite 1 von 1
Neuester Beitrag: 16.02.08 10:57
Eröffnet am:01.12.05 09:31von: tigerlillyAnzahl Beiträge:19
Neuester Beitrag:16.02.08 10:57von: topwinner1Leser gesamt:7.241
Forum:Talk Leser heute:3
Bewertet mit:
26


 

956 Postings, 7883 Tage tigerlillyManager ohne Moral?

 
  
    #1
26
01.12.05 09:31
Rekordgewinne und trotzdem immer weniger Jobs: Die Wirtschaftselite hat das Gefühl für ihr Land verloren

Von Marc Brost, Wolfgang Gehrmann, Robert von Heusinger, Dietmar H. Lamparter, Ulrike Meyer-Timpe, Arne Storn und Christian Tenbrock
DIE ZEIT



                              §
Der Mann mit der Pudelmütze, der vor Tor 2 des Conti-Werks steht, demonstriert Mitgefühl. »Arbeitskampf ist angesagt«, steht in ungelenken Buchstaben auf den beiden Pappen, die er sich umgehängt hat. Die Arbeiter, die zum Schichtende aus dem Werk strömen, würdigen ihn kaum eines Blickes.

Endzeitstimmung in Hannover-Stöcken. Ende 2006 werden hier 320 Jobs verloren gehen. Die Arbeit wird dann in Osteuropa erledigt. Wut? Eher wechselt die Stimmung vor Tor 2 zwischen Verdrängung und Resignation.

Am 31. Dezember 2006 läuft die Produktion von Pkw-Reifen in Hannover-Stöcken aus, das hat Continental-Chef Manfred Wennemer vergangene Woche verfügt. Obwohl das Werk durchaus profitabel ist und Conti beim Gewinn das vierte Rekordjahr in Folge ansteuert. Obwohl die Conti-Aktie seit Jahren zu den Besten im Dax gehört. Und obwohl erst im Juli eine Betriebsvereinbarung in Kraft trat: Die Arbeiter in Hannover-Stöcken verzichteten auf ihre Lohnerhöhung, auf ihre Einmalzahlung und ihre bezahlten Pausen. Knapp 10 Prozent weniger haben sie damit in der Tasche. »Überlegen Sie mal«, sagt der Conti-Betriebsratsvorsitzende Wilfried Hilverkus, »9,7 Prozent weniger Geld!«

Manfred Wennemer sagt, Rekordgewinne und Arbeitsplatzabbau hätten »überhaupt nichts miteinander zu tun«.

Wie Wennemer argumentieren auch andere Unternehmenslenker in Deutschland. Wie der Conti-Chef schreiben sie die besten Zahlen seit Jahren – und setzen dennoch Leute auf die Straße.

Die Deutsche Telekom will 32.000 Stellen abbauen, obwohl der Konzerngewinn allein im letzten Quartal bei 2,4 Milliarden Euro lag. Henkel verzeichnete 2004 ein Rekordjahr – und streicht 3000 Arbeitsplätze. IBM verdiente im vergangenen Jahr so gut wie nie, trotzdem verlieren 620 Programmierer ihren Job – die Kollegen in Ungarn und Tschechien sind billiger. Bei AEG in Nürnberg kämpfen 1750 Beschäftigte um den Erhalt ihrer Fabrik. In Hamburg schloss der norwegische Konzern Norsk Hydro ein hochrentables Aluminiumwerk mit 440 Mitarbeitern. Bei der Allianz stehen bis zu 8000 Jobs auf der Kippe. Und die Deutsche Bank hält daran fest, dass 6400 Beschäftigte gehen müssen, obwohl das Geldhaus auf einem rasanten Erfolgskurs fährt. »Wir haben keine Alternative«, sagt Vorstandschef Josef Ackermann.

Jetzt, im Winter, bewegt sich die Arbeitslosenzahl in Deutschland wieder auf die Fünf-Millionen-Marke zu. Gleichzeitig wird die Mehrzahl der deutschen Konzerne das Jahr erneut mit Rekordgewinnen abschließen. Die Aktionäre profitieren, die Beschäftigten haben Angst. So macht sich ein bitteres Gefühl breit: dass die Manager nur auf Aktienkurse und Renditen schauen – und nicht mehr auf das Land und die Menschen, die in ihm leben. Es ist das Gefühl, dass da etwas nicht mehr zusammenpasst.

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) nennt es die »Unersättlichkeit« der Wirtschaft und ihrer Lobbyisten. Und verärgert fordert Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) von den Unternehmen mehr Engagement für »Arbeitsplätze in Deutschland«.

Fehlt es Deutschlands Managern also an Moral – und an Patriotismus?

»Nicht vom Wohlwollen der Metzger, Bäcker und Brauer erwarten wir das, was wir zum Leben brauchen, sondern weil diese ihre eigenen Ziele verfolgen«, schrieb vor 250 Jahren Adam Smith. Individueller Egoismus, so der Urvater der Marktwirtschaft, treibe die Wirtschaft voran – und nütze damit allen. »Alle«, das waren in der guten alten Zeit der Bundesrepublik vor allem die Deutschen. Was Siemens oder Bosch oder Daimler oder Thyssen diente, davon profitierte auch die Republik.

Vorbei. Die globalisierte Wirtschaft hat den lange abgeschotteten deutschen Binnenmarkt aufgebrochen; der Wettbewerb – um Produkte, Märkte und Jobs – ist rau geworden. Heute konkurrieren nicht mehr allein die Unternehmen aus den alten Industriestaaten. Billiger hergestellte Waren aus China, Indien oder Osteuropa überrollen den Markt.

Aber nicht nur das internationale Geschäft ist schwieriger geworden. Auch die Finanzierung hat sich verändert. Noch vor 15 Jahren wussten die Finanzvorstände börsennotierter deutscher Unternehmen mit Begriffen wie Eigenkapitalrendite, Cashflow oder Shareholder-Value wenig anzufangen. Minderheitsaktionäre, Fondsmanager und ausländische Investoren hatten auf den Chefetagen der Konzerne nichts zu sagen. »Großbanken übernahmen die Rolle des Koordinators«, sagt der Ökonom Reinhard H. Schmidt von der Universität Frankfurt – sie verschafften Kredit, waren an Industrieunternehmen beteiligt und gaben dem Management über die Aufsichtsräte die Richtung vor.



Die »Deutschland AG« regierte das Land. Konflikte wurden intern und im Kompromiss gelöst, vor feindlichen Übernahmen schützten die Überkreuzbeteiligungen. Bis Mitte der neunziger Jahre. Die immer stärker in deutsche Aktien investierenden ausländischen Fonds verlangten mehr Offenheit, einen besseren Schutz und eine andere Vertretung im Aufsichtsrat. Gleichzeitig stießen deutsche Großkonzerne im Ausland auf Hindernisse, weil sie ihre Bilanzen nach anderen Regeln schrieben.

Irgendwie schien Deutschlands Kapitalismus nicht globalisierungstauglich. Also einigte man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Und der hieß: Wir machen es wie die Amerikaner.

Im angelsächsischen Modell zählt nur einer – der Aktionär als Eigentümer eines Unternehmens. Wichtigstes Unternehmensziel ist die Maximierung des Unternehmenswerts, also eine möglichst hohe Rendite auf das vom Aktionär zur Verfügung gestellte Kapital. Das bedeutet: möglichst hohe Aktienkurse und Dividenden. Shareholder-Value heißt, Mehrwert für die Eigentümer zu schaffen. Ganz gleich, wie.

Deutschlands rot-grüne Regierung unterstützte diesen Wandel. 1998 erhielten Unternehmen erstmals grünes Licht, eigene Aktien zurückzukaufen, 2001 wurden Unternehmensfusionen erleichtert. Den Todesstoß für die alte Deutschland AG gab der damalige Finanzminister Hans Eichel, als er Beteiligungsverkäufe von der Steuer befreite. Die Schutzwälle brachen.

Heute setzt der Kapitalmarkt die Renditeziele; die Investoren orientieren sich an den weltweit rentabelsten Unternehmen. Wer weniger Rendite bringt, verliert. Die Folge: »Jedes Geschäftsfeld eines Unternehmens wird auf Rentabilität geprüft«, sagt Dierk Hirschel, Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbunds. »Was unterdurchschnittlich ist, wird abgewickelt oder mit Kostensenkungsprogrammen fit gemacht.« Nur damit, so die Überzeugung auf den Chefetagen, kann das Überleben eines Unternehmens gesichert werden.

Sind die Manager also nur Getriebene?

Manfred Wennemer würde sich selbst wohl nicht so sehen. Der Conti-Chef, von Hause aus Mathematiker, gilt als kühler Rechner und kalter Stratege. Als er 2001 den Chefposten in Hannover übernahm, war Conti hoch verschuldet, die Firma schrieb rote Zahlen. Inzwischen hat sich der Aktienkurs fast versechsfacht, die Aktionäre jubeln, die Analysten loben Wennemer in den höchsten Tönen. Trotzdem könne Conti als Tochter eines chinesischen Konzerns enden, warnt der Chef – wenn man nicht mehr restrukturieren dürfe, solange es dem Unternehmen gut gehe.


Immer auf der Hut sein, immer besser werden, weil sonst vielleicht das Ende naht: So lässt sich Wennemers Strategie zusammenfassen. Der Conti-Chef glaubt, dass sein Unternehmen »zwischen 15 und 18 Prozent auf das investierte Kapital verdienen muss, weil wir sonst weder Banken noch Aktionäre finden, die bereit sind, uns zu finanzieren«. Derzeit erwirtschaftet Conti etwas weniger als unter 15 Prozent. Nur noch 4 von 10 Beschäftigten arbeiten in Deutschland, aber auf sie entfallen 60 Prozent der Personalkosten.

Die Produktion eines Pkw-Standardreifens ist in Osteuropa 7 Euro billiger als in Hannover. Zuletzt blieb auch der einkalkulierte Absatzzuwachs aus. »Sollen wir für die Müllhalde produzieren?«, fragt Wennemer: »Wir bekommen keine Abnahmegarantie von unseren Kunden. Deshalb können wir auch keine Arbeitsplatzgarantie geben.«

Wo auch immer ein Unternehmen in der Kette zwischen den Lieferanten einfachster Güter und den Produzenten hochwertigster Technologie steht: Der Druck steigt, er geht aus von den rund 1000 börsennotierten Unternehmen in Deutschland, und er setzt sich fort in den rund 1,5 Millionen mittelständischen Unternehmen mit mehreren Beschäftigten. Über die Automobilzulieferer verbreitet sich das Shareholder-Value-Konzept inzwischen bis tief in den Mittelstand hinein. Hier, so Thomas Weiner, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, herrsche »brutaler Druck«, die Preise pro Jahr um ein oder zwei Prozent zu senken oder auf billigere Teile aus Osteuropa umzusteigen.

Der Mittelstand stellt in Deutschland sieben von zehn Arbeitsplätzen, er bildet acht von zehn Lehrlingen aus und erwirtschaftet knapp 60 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Doch von Gewinnen wie bei Conti können die meisten Mittelständler nur träumen. Und selbst dort, wo börsennotierte Abnehmer nicht die Margen vorgeben, steigen die Anforderungen: Um bei den Banken kreditwürdig zu bleiben, brauchen sie mehr Eigenkapital. So geht es in den allermeisten Mittelstandsfirmen nicht um die Bedienung gieriger Aktionäre. Der Profit finanziert – zusammen mit den Krediten der Banken – Wachstum und Innovation, also das langfristige Überleben des Unternehmens. Und so gibt es auch in Deutschland genügend Betriebe, die kämpfen, ihrem eigenen Willen folgen und sich der reinen Lehre des Kapitalmarkts widersetzen.

Die Ziele sind ehrgeizig: Eine Eigenkapitalrendite von mindestens 20 Prozent, dazu soll das Unternehmen jedes Jahr um gut zehn Prozent wachsen. Doch wenn Finanzchef Harald Völker mit seinen Geldgebern sprechen will, muss er sich nicht an »den Markt« wenden, er geht nur eine Treppe nach oben. Dort sitzt Nicola Leibinger-Kammüller. Sie ist die Chefin der Firma. Und als Mitinhaberin auch eine der Finanziers.

Harald Völker arbeitet beim schwäbischen Maschinenbauer Trumpf, 6000 Angestellte, ein Unternehmen, dass zu 100 Prozent im Familienbesitz ist. Natürlich zählt auch bei Trumpf der Gewinn. »Unsere Anteilseigner wollen schon Geld sehen«, sagt Völker. »Aber sie sind keine Kuponschneider.« Der Familie geht es um die Zukunft der Firma. Der Vorteil: Geld und Strategie kommen bei Trumpf aus einer Hand. Und wenn die Inhaber überzeugt sind, dass sich die Investition in ein teures Produkt langfristig lohnt, sind sie dafür auch bereit, kurzfristig auf Rendite zu verzichten.

»Den Mitarbeitern und der Heimatregion gerecht zu werden ist für Mittelständler eine Selbstverständlichkeit«, sagt Marie-Luise Dött, CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Bunds Katholischer Unternehmer. Wer seine Beschäftigten fair behandele, sie fördere und so ihre Motivation steigere, stehe besser da, meint auch Gregor Schönborn, Geschäftsführer der Bonner Unternehmensberatung Deep White. »Das Personal ist der einzige wirklich steigerungsfähige Erfolgsfaktor, den die industrialisierten Volkswirtschaften des Westens noch haben.« Statt Milliarden zu investieren, um die Menschen aus den Unternehmen zu werfen, solle die Wirtschaft darüber nachdenken, mit demselben Geld ihre Beschäftigten anders einzusetzen und Innovationsrate, Kundenbindung sowie Produktivität zu steigern.

Das aber, so die Kritiker des Shareholder-Value-Konzepts, passiert in den börsennotierten Unternehmen viel zu wenig. Wer nur auf den Aktienkurs starrt, vernachlässigt den Blick in die Zukunft und auf die eigenen Beschäftigten. »Sparprogramme haben dann unter Umständen Vorrang vor langfristigen Wachstumsstrategien, es wird zu wenig in Forschung oder die Erschließung neuer Märkte investiert«, sagt DGB-Ökonom Hirschel. Das schadet nicht nur dem Unternehmen. Es schadet – weil stärkere Investitionen auch Nachfrage und damit Arbeitsplätze bringen – auch der Volkswirtschaft.

Ist also, was gut für die Aktionäre ist, schlecht für Deutschland?

Wer Anfang des Jahres ein Indexzertifikat auf den Dax kaufte, kann sich heute über einen Gewinn von 25 Prozent freuen. Zugleich werden die 30 im Dax notierten Konzerne nach Angaben der HypoVereinsbank dieses Jahr rund 17,5 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausschütten – stolze 7 Milliarden mehr als 2002. Von den rasant gestiegenen Gewinnen der großen deutschen Konzerne profitiert also »der Markt« – investiert dagegen wurde bisher wenig. Ganz zögerlich scheint sich die Situation zu ändern, aber in den vergangenen drei Jahren wurden etwa von BMW, DaimlerChrysler, Siemens, ThyssenKrupp, VW, MAN und Linde nur knapp zwei Drittel der erwirtschafteten liquiden Mittel wieder investiert. Der Rest blieb in der Kasse und wurde für die Schuldentilgung verwandt – oder ging an die Aktionäre.

Das ist die eine Seite. Die andere: Höhere Renditen der Unternehmen werden durch stagnierende Löhne, Mehrarbeit oder Entlassungen vor allem von den Beschäftigten »erwirtschaft«.


                    §
Die Deutsche Bank empfiehlt Investoren in einer jüngst veröffentlichten Studie, sich besonders solchen Unternehmen zuzuwenden, die ihre Arbeitskosten deutlich senken. Zehn Prozent niedrigere Ausgaben für das Personal bedeuteten 40 Prozent mehr Profit, heißt es in der Analyse. Was daraus folgt, zeigt der Gewinnanteil am deutschen Volkseinkommen, der seit fünf Jahren ebenso rapide steigt, wie der Anteil der Löhne fällt. Auch dies hat negative Folgen für die Gesamtwirtschaft: Stagnierende Lohneinkommen lasten auf dem Konsum – und damit auf dem Wachstum. Neben die Frage, ob es eine moralische Grenze des Renditestrebens gibt, tritt also die nach den volkswirtschaftlichen Konsequenzen. »Als Manager zu sagen: Ich bin den Finanzmärkten und der Globalisierung ausgeliefert, ist zu wenig«, sagt der Unternehmer Ulrich Hemel, der auch Autor eines Buches über Unternehmensethik ist: »Viele Chefs sehen sich subjektiv einem hohen Druck ausgesetzt. Sie haben aber eine Wahl, können nein sagen.« Zu radikalen Schnitten gebe es fast immer sozialverträglichere Alternativen.

Selbst unter Topmanagern grummelt es, doch die meisten halten still – aus Angst um ihren eigenen Job, berichten Insider. Hemel konstatiert in deutschen Unternehmen »eine Kultur mangelnder Zivilcourage«. Geld beruhige oft das schlechte Gewissen, sagt ein anderer Kenner der Verhältnisse auf den Chefetagen – Geld, das oft genug umso mehr fließt, je besser die Unternehmensaktie läuft. Losgelöst von Moral und Anstand, würden dann eben Bestände runtergefahren, Menschen entlassen und Prozesse gnadenlos optimiert.

Manager wie Conti-Chef Wennemer gelten dabei als Vertreter einer ausschließlich von der Wall Street geprägten Weltanschauung, für die der Standort Deutschland irrelevant ist und die am Fundament der Gesellschaft rüttelt. »Wenn das Beispiel Wennemer Schule macht, kann die Regierung reformieren, wie sie will – sie wird verlieren«, warnt ein Manager. »Der Kapitalismus verliert an Legitimation.«

Aber kann ein System, dessen Prinzipien sich nicht an moralischen Kategorien orientieren, mit moralischen Appellen ins Lot gebracht werden?

Auf dem Podium in Bad Homburg sitzen Alexander Dibelius, der Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs, und Roland Koch, Ministerpräsident von Hessen. Geladen hat das Pharmaunternehmen Altana, eine Dax-Firma in Familienbesitz, die das Renditestreben der Börse kritisiert. »Gerade in schwierigen Zeiten gilt: Unternehmerischer Erfolg bedeutet mehr als nur Börsenerfolg«, heißt es in einer laufenden Altana-Anzeigenkampagne. Es ist der Freitagabend der vergangenen Woche. 150 Zuhörer warten auf den Schlagabtausch zwischen Politiker und Banker. Mit im Publikum: Johanna und Stefan Quandt, die Großaktionäre von BMW. Als BMW 2004 Rekordgewinne machte, wurde den Arbeitnehmern nicht nur Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt – sie bekamen auch zusätzlich eine Erfolgsbeteiligung von 1,5 Monatsgehältern.

Der Politiker Koch fragt den Investmentbanker Dibelius, ob es gerechtfertigt sei, dass manche Unternehmen das Weihnachtsgeld strichen, »nur um die Eigenkapitalrendite von 15 auf 18 Prozent zu steigern«. Ob man nicht für ein paar Jahre auf ein oder zwei »Pünktchen« verzichten solle, des Zusammenhaltes der Gesellschaft wegen. Dibelius nuschelt. Der Moderator fragt nach. Dibelius winkt ab. Macht dann klar, dass er davon nichts hält. Redet vom »Weltenbürgertum«.

Roland Koch sagt noch, dass es zu Ludwig Ehrhards Zeiten für die Politik leicht gewesen sei, liberale Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen. »Damals galt: Geht es der Wirtschaft gut, geht es auch den Menschen gut.« Heute laute die Gleichung bei immer mehr Menschen: »Je besser es der Wirtschaft geht, desto schlechter geht es mir.«

In Hannover hat Conti-Schichtleiter Kai Mike Rößing zuletzt noch freiwillige Sonderschichten am Wochenende gefahren, im Oktober hat er ohne einen freien Tag durchgearbeitet. Jetzt sieht Rößing sich nach einem neuen Job um. »Notfalls als Chauffeur.«  

79561 Postings, 8918 Tage KickyDie Oberheuschrecken aus Texas

 
  
    #2
3
01.12.05 10:17
Der Finanzinvestor Texas Pacific Group hat in Deutschland viel Porzellan zerschlagen. Bei der Berliner Bank könnten die Amerikaner dennoch bald einen neuen Übernahmeversuch wagen.
Das Feindbild von der "Oberheuschrecke" erhält schnell Risse. Blonder Scheitel, freundliches, zurückhaltendes Lächeln, leise Stimme. Statt eines eiskalten Turbokapitalisten entspricht Andrew Dechet eher dem Typ idealer Schwiegersohn. Der 37 Jahre alte Amerikaner mit britischem Pass spricht auch noch ausnehmend gut Deutsch. Die Großeltern stammten aus der Nürnberger Gegend, erklärt er.
Doch hat kaum ein Finanzinvestor in Deutschland je so viel öffentliche Prügel bezogen wie die Texas Pacific Group (TPG), in der Dechet Partner ist. Beim Badarmaturenhersteller Grohe im westfälischen Hemer, bei dem sich TPG 2004 für 1,5 Mrd. Euro eingekauft hatte, stießen die Amerikaner mit einer massiven Produktionsverlagerung ins Ausland auf großes Unverständnis. Pech, dass der Fall kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen hochkochte, wo Franz Müntefering, damals noch SPD-Vorsitzender, zu Hause ist. Der schimpfte angesichts des Grohe-Beispiels, manche Finanzinvestoren fielen wie Heuschrecken über Firmen her, grasten sie ab und zögen weiter. Und TPG? Schwieg.
Eine Vogel-Strauß-Politik
"David Bondermans Philosophie war von Beginn an: Wir unterstützen Unternehmen und Management-Teams, aber wollen nicht in die Schlagzeilen", zitiert Dechet den Gründer. TPG hat nicht einmal eine Internetseite, obwohl sie mit 14 Mrd. $ verwaltetem Vermögen in einer Liga mit Größen wie Blackstone, KKR oder Carlyle spielt.
Bei Grohe hat die Vogel-Strauß-Politik das Gegenteil bewirkt: TPG kommt nicht mehr aus den Schlagzeilen. "Wir haben in der Kommunikation nicht schnell genug reagiert, besonders unsere schnelle Einigung mit den Arbeitnehmern zur Restrukturierung wurde zu spät wahrgenommen", gesteht Dechet zu. "Wenn wir Grohe nicht jetzt umbauen würden, käme das Unternehmen in fünf bis sieben Jahren in die Krise."

Doch selbst unter Branchenkollegen hat sich TPG unbeliebt gemacht. "Sie können hier nicht mit texanischen Cowboystiefeln herumlaufen", sagt ein Manager. Bei ihrem Grohe-Einstieg hatten sich die TPG-Leute nicht einmal den Mitarbeitern vorgestellt. In der Schweiz und Frankreich gab es ähnlichen Ärger: Beim kriselnden Flugliniencaterer Gate Gourmet, dessen europäischer Sitz in der Schweiz liegt und der unter anderem British Airways (BA) beliefert, streikten die Mitarbeiter wegen drohender Kündigungen. BA musste sämtliche Flüge streichen. Und der Fall des französischen Chiphersteller Gemplus rief die Regierung in Paris auf den Plan, weil TPG einen US-Manager mit Kontakten zum CIA an die Spitze des Unternehmens setzte.
Viel Respekt in den USA
Für TPG ist ein schlechtes öffentliches Image Neuland, genießen sie doch in den USA viel Respekt. Bonderman gründete TPG 1993 im texanischen Fort Worth, um Continental Airlines aus der Insolvenz herauszukaufen. "Seither haben wir 12 bis 13 Mrd. $ in 70 Unternehmen investiert", so Dechet. Ein Drittel der 60 Investmentmanager sitzt in London.

Aktuell investiert TPG aus einem Fonds mit 5,8 Mrd. $ Eigenkapital. Davon sind 60 Prozent ausgegeben. Entsprechend steht 2006 wieder der Gang zu den Geldgebern an, vornehmlich US-Pensionskassen und -Versicherungen. Deren Vorgabe, die Rendite der Aktienmärkte um zehn Prozentpunkte zu übertreffen, habe man "mehr als geschafft", sagt Dechet. So rechnet die Branche damit, dass der fünfte TPG-Fonds sogar ein Volumen von 10 Mrd. $ erreichen könnte.

"Wir nehmen bisweilen mehr Risiko als viele Konkurrenten", erklärt Dechet. "Im Schnitt sind 10 bis 15 Prozent unserer Investments Restrukturierungsfälle." Beispiele sind Ryanair, Ducati und Bally. In Deutschland ist TPG noch an Mobilcom beteiligt und hält die frühere RAG-Sparte Isola.
Die Amerikaner investieren in alle Branchen und waren auch an der krisengeschüttelten Hypothekenbank AHBR interessiert. Seit sie 2001 mit dem US-Investor Christopher Flowers für die Bankgesellschaft Berlin boten, ist Ex-Finanzminister Theo Waigel ihr Berater. Ob sie sich nun die zum Verkauf stehende Berliner Bank ansehen? Dechet hält sich bedeckt.

Aus der FTD vom 28.11.2005  

36845 Postings, 7497 Tage TaliskerConti-Werksschließung kommt vor Gericht

 
  
    #3
3
03.12.05 18:12
Is schon wichtig, wer so unterschreibt. Und wer sich dran hält... Betriebliche Bündnisse sind die Zukunft - oder was.

Conti-Werksschließung kommt vor Gericht
03. Dez 10:50

Der Betriebsrat des Conti-Reifenwerkes in Hannover wird gegen die geplante Schließung des Werkes klagen. Grund ist der Bruch eines Vertrages zwischen Unternehmen und Beschäftigten.

Die vom Autozulieferer Continental |CON Chart für continental ag 73,26 0,49%| geplante Schließung des hannoverschen Pkw-Reifenwerkes geht vor Gericht. Wie die in Hannover erscheinende «Neue Presse» am Samstag berichtete, hat der Betriebsrat beschlossen, gegen eine Kündigung des erst im Mai beschlossenen Kostensenkungsprogramms zu klagen. Dabei gehe es vor allem um den ersten Teil der Vereinbarung, der die 320 Arbeitsplätze bis Ende 2007 sichere, wenn im Gegenzug bei Lohnverzicht länger gearbeitet werde.

«In einem ersten Schritt werden dazu jetzt juristische Details geprüft», zitiert die Zeitung Conti-Betriebsratschef Wilfried Hilverkus, der den Beschluss gegenüber der Zeitung bestätigte. Vorstandschef Manfred Wennemer hatte zuvor gesagt, er halte sich nur an Vereinbarungen, die er eigenhändig unterschrieben habe. Die aufgekündigte Betriebsvereinbarung hatte aber der dortige Werksleiter unterzeichnet.

Wulff hat keinen Erfolg

Am Freitag hatte der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ohne Erfolg versucht, gegen die Schließung des Werkes in Hannover-Stöcken zu intervenieren. Die Schließung der Pkw-Reifenproduktion sei eine «unternehmerische Entscheidung», sagte er nach einem Treffen mit Wennemer. Wulff bezeichnete es als «Tragik», dass die Beschäftigten in Stöcken erst im Frühjahr längeren Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich zum Joberhalt zugestimmt hätten.

Continental plant, die Reifenproduktion in Hannover im kommenden Jahr stillzulegen und in kostengünstigere Werke ins Ausland zu verlagern. Grund ist nach Angaben des Managements die unerwartet schwache Entwicklung des Marktes für Pkw-Reifen. (nz)


http://www.netzeitung.de/wirtschaft/unternehmen/371043.html  

1840 Postings, 7344 Tage WärnaKonkurrenten investieren in deutsche Standorte

 
  
    #4
2
08.12.05 15:49
Sicher auch sehr interessant, was die ausländische (!) Konkurrenz mit ihren deutschen Fertigungsstandorten macht (vor ein paar Tagen in der zeitung gelesen): Die halten an den deutschen Werken fest, ja sie investieren sogar. Und produzieren hier konkurrenzfähig und profitabel.
Wieso kann CONTI das nicht???

Wenn ich das schon höre - unerwartet schwache Entwicklung des Reifenmarktes. Die Probleme haben doch andere auch in Deutschland - warum können die darauf die richtige Antwort geben und CONTI nicht? Die Konkurrenz hat investiert, modernisiert und ihre Hochlohnstandorte in D fitgemacht für die Zukunft. Und was hat CONTI getan? NICHTS (außer natürlich Lohndrückerei)!!!  Und jetzt will Herr Wennemer das Werk schließen, weil es im Vergleich zu Osteuropa zu teuer ist, als Ergebnis seiner eigenen  Versäumnisse, dieses Werk zukunftssicher zu machen.

Da macht also jemand seinen Job nicht, schmeißt als Resultat seiner eigenen Versäumnisse 300 Leute raus, bekommt dafür ein fürstliches Gehalt - unglaublich.
Ich würde ihn fristlos feuern.

Gruß
Wärna
 

36845 Postings, 7497 Tage TaliskerBetrriebsvereinbarung war ein (wessen?) Fehler

 
  
    #5
1
08.12.05 16:05
Wennemer lässt sich nicht unter Druck setzen
08. Dez 15:30

Inzwischen hält der Conti-Chef Betriebsvereinbarungen für einen «Fehler». Dennoch glaubt Manfred Wennemer an eine Einigung im Streit um das Reifenwerk Stöcken.

Im Streit um das von der Schließung bedrohte Continental-Reifenwerk in Hannover-Stöcken glaubt der Vorstandsvorsitzende des Konzerns |CON Chart für continental ag 72,96 -0,73%| , Manfred Wennemer, weiterhin an eine Einigung. «Am Ende des Tages werden wir eine Lösung finden», sagte er in einem Interview mit der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» (HAZ).

«Wir werden mit den Sozialpartnern reden und sehen, welche Möglichkeiten der Einigung es geben könnte», sagte Wennemer. Ein Sprecher der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) bestätigte die laufenden Verhandlungen, wollte sich aber nicht zu Details äußern.

Wennemer betonte hingegen zum wiederholten Mal, dass die Schließung des Werkes nicht zurückgenommen wird. Continental will die Pkw-Reifenproduktion am Traditionsstandort Stöcken 2006 stilllegen. Von der Schließung sind 320 Beschäftigte betroffen.

Keinen Vorschlag parat

Der Vorstandsvorsitzende gab auch offen zu, keinen Vorschlag zur Lösung des Konflikts zu haben: «Wir haben nichts in der Schublade.» Er verteidigte dagegen die Entscheidung, die Produktion in Stöcken einzustellen. Im Konzern gebe es eine klare Regel: «Wenn wir Überkapazitäten haben, werden sie an Hochlohnstandorten abgebaut.» Stöcken sei mit einer Kapazität von 1,5 Millionen Pkw-Reifen der kleinste und teuerste Standort in Europa.

Für Wennemer wurden die Betriebsvereinbarungen in Stöcken auch nicht widerechtlich gekündigt. Der Vertrag, in dem unbezahlte Mehrarbeit zur Sicherung der Jobs vereinbart worden war, sehe explizit ein Sonderkündigungsrecht aus wirtschaftlichen Gründen vor, betonte er.

Vereinbarungen waren ein «Fehler»

Ende November habe er den Vertrag gekündigt, weil sich der Reifenmarkt schlechter entwickelt habe als angenommen. Wennemer bezeichnete es als «Fehler», sich überhaupt auf eine Betriebsvereinbarung eingelassen zu haben.

Am Mittwoch war Wennemer im Landtag von allen Parteien attackiert worden. So hatte SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner dem Conti-Chef «ökonomische Skrupellosigkeit» vorgeworfen. Der Grünen-Politiker Enno Hagenah sprach von einer «bösartigen Steigerung des Turbokapitalismus» und rief zu einem Kunden-Boykott auf. (nz)

http://www.netzeitung.de/wirtschaft/unternehmen/371955.html  

19524 Postings, 8463 Tage gurkenfredwärna, fairerweise muß man sagen,

 
  
    #6
1
08.12.05 16:05
daß das werk in hannover zu klein ist, um wirklich mithalten zu können.
und erweiterungsinvestitionen sind im ausland natürlich viel renditestärker als in D. wer da mit dran schuld hat, laß ich jetzt mal weg, aber da haben trittin & co ganze arbeit geleistet.
zusätzlich: was die konkurrenz jetzt absondert, hat natürlich auch verkaufsfördernde wirkung. ein schelm, wer schlimmes dabei denkt.
fazit: betriebswirtschaftlich hat wennemer sicher recht, aber der ablauf der ganzen prozedur von seiten des vorstands ist schlichtweg asozial und ne riesensa....ei. dem typen würde ich nicht mehr die hand geben.


mfg
GF

 

19524 Postings, 8463 Tage gurkenfredda kommt mir die galle hoch:

 
  
    #7
1
08.12.05 16:09
"Der Grünen-Politiker Enno Hagenah sprach von einer «bösartigen Steigerung des Turbokapitalismus» und rief zu einem Kunden-Boykott auf."

erst dafür sorgen, daß die chemische industrie keine lust mehr auf den standort D hat, und dann mit nem kundenboykott noch die verbleibenden arbeitsplätze gefährden. wie benebelt muß man für solche ideen eigentlich sein???


mfg
GF

 

21799 Postings, 8884 Tage Karlchen_INatürlich kaufe ich keine Conti-Reifen.

 
  
    #8
1
08.12.05 16:16
Ich will doch nicht Produkte haben, die von schlecht motivierten, da von Entlassung bedrohten Mitarbeitern produziert werden. Nicht mein Ding.  

19524 Postings, 8463 Tage gurkenfreddie argumentation aus deiner

 
  
    #9
1
08.12.05 16:28
sichtweise als normaler kunde ist nachvollziehbar, karlchen.

was mir sorge macht, ist aber diese doppelbödigkeit von irgendwelchen sonnenblumenanbetern, die erst investments in D unattraktiv machen und dann über die bösen unternehmer motzen. ekelhaft sowas.

mfg
GF

 

1840 Postings, 7344 Tage Wärnadas mit dem Kundenboykott

 
  
    #10
2
08.12.05 16:42
finde ich so verwerflich nicht. Ähnliches wurde auch schon mal für AEG Hausgeräte ins Spiel gebracht für den Fall der Schließung des Werks in Nürnberg.
Egal ob Conti oder AEG - man muss den Kundenboykott nur richtig adressieren: Also Boykott nur für die Conti- (und AEG-) Produkte, die durch Werksschließungen dann aus Osteuropa kommen. Würde ich 100%ig befürworten.
Ich selbst habe z.B. vom Kauf eines Bosch-Siemens-Trockners abgesehen, weil die neue Trocknergeneration neuerdings in Polen gefertigt wird und nicht wie bisher in Deutschland (habe dann noch was draufgelegt und hab lieber Miele gekauft).

Zur Zeit lachen die Firmen sich über derartige Boykottaufrufe tot, weil sie meist im nichts verhallen. Aber in Zukunft wird das Thema, welche Arbeitsplätze man mit dem Kauf eines Produktes sichert, immer wichtiger werden. Kunden (bisher noch viel zu wenige!) interessieren sich neuerdings nicht nur für den Markennamen und den Preis eines Produktes, sondern auch für dessen (echte) Herkunft. Dass dies meist nur Endfertigung (und ggf. Kernkomponenten) betrifft ist auch klar, vor allem bei komplexen Produkten.
Trotzdem - ich hoffe, dass nach Geiz-ist-Geil ein neuer Trend daraus entsteht.

Gruß
Wärna  

956 Postings, 7883 Tage tigerlillycheers, herr zumwinkel

 
  
    #11
2
15.02.08 21:19

146 Postings, 5886 Tage Prinz NervUnvergessen der Standartsatz:

 
  
    #12
4
15.02.08 21:21
Die Zeiten sind schlecht und wir alle müssen den Gürtel enger schnallen.  

956 Postings, 7883 Tage tigerlillyder dicktse fisch zuerst

 
  
    #13
2
16.02.08 00:49

3491 Postings, 6980 Tage johannahDen "bösen" Managern

 
  
    #14
3
16.02.08 02:25
habt ihr euere Jobs zu verdanken.

Und sonst keinem.

MfG/Johannah  

79561 Postings, 8918 Tage KickyDie Familienstiftungen in Liechtenstein

 
  
    #15
3
16.02.08 09:08
Stolpersteine im Steuerparadies

Düsseldorf (RP). Dank Post-Chef Klaus Zumwinkel ist das Steuerparadies Liechtenstein in die Schlagzeilen geraten. Der Zwergstaat gilt als eines der Lieblingsziele deutscher Steuerflüchtlinge. Immer geht es um die "Familienstiftungen": eine Lichtensteiner Spezialität, die Diskretion mit Steuerersparnis und einer Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten zu verbinden scheint. Zumwinkel soll Geld in eine dieser Stiftungen gesteckt haben.

Viele Steuer-Großbetrüger machen das auch. Denn der alpenländische Zwergstaat hat ein Gesetz, das die dortigen Stiftungen oft zu etwas anderem macht, als der Name suggeriert.

Eine klassische Stiftung widmet sich wohltätigen Zwecken. Das Geld, das man ihr gibt, geht in der Regel an diesen Zweck. In Liechtenstein darf eine Stiftung aber begünstigen, wen sie will. Unter anderem den, der ihr vorher Geld gegeben hat. Außerdem kann eine Stiftung dort von einem Treuhänder geführt werden.
Derjenige darf verschweigen, wem die Stiftung gehört, wen sie begünstigt und von wem sie Geld bekommt. Liechtenstein profitiert davon: Um diese Treuhänder hat sich dort eine ganze Branche entwickelt. Es soll dort 80.000 solcher Briefkasten-Firmen geben.


Der Steuer-Betrug wird oft so gestaltet, dass die Stiftung, die dem Steuerbetrüger gehört, diesem eine Schein-Rechnung stellt. Zum Beispiel für ein Beratungshonorar. Der überweist das Geld dann auf ein vollkommen anonymes Schweizer Nummernkonto, das formal der Liechtensteiner Stiftung gehört. Diese nimmt dann das Geld von „ihrem” Konto und überweist es auf ein anderes Konto, möglichst ebenfalls in der Schweiz, das dem Betrüger gehört.

Der darf aus der Schweiz bei jedem Grenzübergang 15.000 Euro in bar nach Deutschland einführen. Illegal wird die Sache, wenn unversteuertes Geld in die Stiftung fließt, oder wenn die Kapitalerträge, die das Stiftungsgeld erwirtschaftet, nicht versteuert werden. Dem begegnen viele Trickser, indem sie ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen.

Denn dort müssen sie kaum Steuern auf ihre Erträge zahlen. "Es ist ein Instrument, das in Europa wohl einmalig ist in dieser Ausprägung", meint ein bayrischer Anwalt, der sich auf das Lichtensteiner Stiftungsrecht spezialisiert hat.

Die steuerlichen Vorteile scheinen zumindest auf den ersten Blick überwältigend. Denn das in die Stiftung eingebrachte Vermögen - mindestens 30.000 Franken (Rund 18.000 Euro) - wird in Lichtenstein mit gerade einmal einem Promille besteuert. Bei Vermögen über 10 Millionen Schweizer Franken halbiert sich die Kapitalsteuer noch einmal.Ungewöhnlich für ein deutsches Stiftungsverständnis, aber attraktiv für Millionäre ist auch eine weitere Einzelheit. Der Stifter kann den Stiftungszweck ändern oder die Stiftung sogar wieder auflösen. Dabei kann der Stifter den Stiftungszweck in weitem Rahmen frei wählen. Die Erträge der Familienstiftung können etwa zur Bestreitung der Ausbildungskosten für Kinder oder der Finanzierung des Lebensunterhalts von Angehörigen dienen.

Gerne versuchen reiche Unternehmer auch, durch die Stiftung die Erbschaftssteuer zu umgehen. Denn in die Stiftung kann nicht nur Geld, es können auch Unternehmensbeteiligungen eingebracht werden. Theoretisch müssen Bundesbürger, die Erträge aus derartigen Familienstiftungen beziehen, diese versteuern. Doch die Versuchung, es damit nicht allzu genau zu nehmen, ist groß.
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/...chaft/news/533199
 

1894 Postings, 6616 Tage Fintelwuselwixzu 14:

 
  
    #16
5
16.02.08 10:04
Und wem haben die Manager die Erträge in den Firmen zu verdanken? Eventuell vielleicht den Mitarbeitern?

Ich habe auch mal gedacht, dass ein Firmengründer und/oder erfolgreicher Firmenlenker (Manager) auch ordentlich für seine geleistete Arbeit und für das Risiko welches er auf sich nimmt honoriert werden soll? Den Gedanken habe ich irgendwann verworfen, denn selbst schlechte Manager werden UNVERHÄLTNISSMÄSSIG gut bezahlt. Und selbst die aufopferungsvollsten Mitarbeiter werden rausgeschmissen wenn der Manager die Karre in den Dreck fährt(um anschließend mit dicker Abfindung das nächste Unternehmen vor die Wand zu fahren)!
Gleichzeitig werden mittelständischen und kleinen Firmengründer von der Bürokratie so viele Steine in den Weg gelegt, dass sich ja kaum noch was entwickeln kann!

Das System ist richtig krank und anstatt mal was zu unternehmen um es wieder in vernünftige Bahnen zu lenken wird es nur noch kranker!
Und wer hier jetzt reinterpretiert ich wäre links eingestellt und würde den Kommunismus bevorzugen, der hat NIX verstanden!  

489 Postings, 6362 Tage fischereiFintel ganz RUHIG,

 
  
    #17
1
16.02.08 10:32
entweder ist 14 selber ein Manager oder der Realitätssinn ist verloren gegangen, wäre doch nicht NEUES.
Solange wir die Wirtschaftliche und Politische "Elite" in diesem Land gewähren lassen, wird sich auch nichts ändern und es geht immer weiter wie bisher.  

9933 Postings, 8915 Tage bauwiNun schlägt der Staat zurück, nachdem

 
  
    #18
1
16.02.08 10:51
festzustellen ist, dass es zu Viele maßlos übertrieben haben.
Ansonsten hat Fintelwuselwix 100pro Recht...meinerseits!


   Antwort einfügen - nach oben