Internet-Pleitewelle schwappt nach Europa (Die Welt vom 19.05.00)
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Eröffnet am: | 19.05.00 07:49 | von: Marius | Anzahl Beiträge: | 5 |
Neuester Beitrag: | 19.05.00 23:07 | von: ML2711 | Leser gesamt: | 2.990 |
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Zahlungsunfähigkeit von Boo.Com war erst der Anfang - Auch am Neuen Markt sind viele Geschäftsmodelle fraglich
Von Holger Zschäpitz
Berlin - Der Pleitegeier kommt nach Europa. Nachdem bereits bei US-Internetwerten erste Firmen aufgeben mussten, gab es mit dem britischen Designermode-Shop Boo.com nun das erste prominente Opfer auf dem alten Kontinent. Das mit 120 Mio. Dollar an den Start gegegangene Unternehmen, musste am Donnerstag wegen mangelnder Liquidität nach sechs Monaten Konkurs anmelden.
"Boo.com war der größte Internet-Start-up im Bereich Einzelhandel. Es hat die Anleger ein paar harte Lektionen über die Wichtigkeit eines stimmigen Geschäftskonzepts gelehrt", kommentiert Peter Misek von Chase H&Q. Boo.com werde viele Unternehmen des Sektors mit nach unten ziehen. So schwappte die Schockwelle am Donnerstag auch über den Neuen Markt. Insbesondere Unternehmen, die hohe Verluste ausweisen, gerieten unter die Räder. "Zehn bis 20 Prozent der Neue-Markt-Unternehmen sind nicht gerade liquide. Wenn die Börsenlage zur weiteren Finanzierung längerfristig nicht stimmt, werden viele davon nicht überleben", sagt Ulrich Rathmann, Fondsmanager bei VMR. Anleger sollten sich auf "gestandene" Unternehmen konzentrieren, die mit Gewinnen und durch eine gewisse Größe ihre Daseinsberechtigung im Internet bewiesen hätten. "Insbesondere im Business-to-Consumer-Sektor (B2C), also dem Geschäft zwischen Unternehmen und Kunden, werden viele Modelle scheitern."
Insgesamt kommt dieser Bereich bei den Marktprofis am schlechtesten an. "Bis auf die großen Titel wie T-Online, AOL, Amazon und Ebay habe ich keine B2C-Aktie in meinem Depot", sagt Andreas Kraft, Fondsmanager der DWS. Gerade der verschobene Börsengang des Buchhändlers BOL zeige, dass die Geduld der Investoren für den Sektor erschöpft sei. "Statt Wert zu schaffen, verbrennen die meisten Unternehmen das Geld der Anleger", so Kraft.
Tatsächlich schreiben die meisten Firmen kräftige Verluste. "Online-Händler sind nichts anderes als klassische Einzelhändler mit ähnlich schwachen Margen. Die durch die schlankeren Geschäftsmodelle erzielten Kostenvorteile werden durch immense Marketing-Kosten wieder wettgemacht", erklärt Simone Glass, Analystin bei UBS Warburg. Bei einigen Unternehmen übersteigen die Marketing-Kosten sogar die Umsätze. Führend ist hier Web.de. Der Portalanbieter steckte bei Umsätzen von 1,5 Mio. Euro insgesamt 7,4 Mio. in Anzeigen und Werbespots. Trotzdem zeigen sich Analysten noch optimistisch für den Titel. Da das Unternehmen noch über liquide Mittel aus dem Börsengang von über 200 Mio. Euro verfügt, hat Web.de genügend Zeit das Geschäftsmodell unter Beweis zu stellen.
Schlechter sieht es für das Online-Reisebüro Ebookers aus. Sollte dem Unternehmen im kommenden Jahr nicht eine Kapitalerhöhung gelingen, dürfte das Unternehmen, das im ersten Quartal 10,8 Mio. Dollar an Cash verbrannte, vor dem Aus stehen. Hier existiert mit Axel Hotze von der Commerzbank, der EBookers zum Kauf empfiehlt, noch ein Fürsprecher von Analystenseite. Nicht einmal diesen hat Fortune-City. Unlängst stufte Michelle Lang von Sal. Oppenheim das Unternehmen auf Verkauf. Der Grund: Das Unternehmen konnte im ersten Quartal statt der Umsätze (3,4 Mio. Dollar) nur die Marketing-Ausgaben auf 7,3 Mio. Dollar steigern. Unter dem Strich blieb ein negatives Ergebnis von neun Mio. Euro übrig. Wirtschaftet der Anbieter von Internet-Communities so weiter, sind die liquiden Mittel von 43 Mio. Dollar bereits in 14 Monaten aufgezehrt.
Insgesamt wird unter Experten bereits über die ersten Pleite-Unternehmen am Neuen Markt spekuliert. Die klassischen Kandidaten sind jedoch Unternehmen wie Cybernet, Artnet oder auch Micrologica. Karl Fickel, Fondsmanager von Invesco sieht verschiedene Möglichkeiten, um langfristig im Internet zu überleben. "Am aussichtsreichsten sind die Unternehmen, die die Infrastruktur für das Internet herstellen."
Ich verstehe sowieso nicht, wie Firmen an der Börse zugelassen werden können, die unter 10 Millionen DM Jahresumsatz machen. Mein Klemptner macht mit fünf Angestellten einen Jahresumsatz von vier Millionen Mark. Und der arbeitet mit seinen Ressourcen solider als so manche Internetbude am Neuen Markt.
Gruß ruebe
Urmele: Zum gleichen Thema gab es heute im Deutschlandfunk einen interessanten Bericht
19.05.00 23:00
Gruß
Urmele