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Eröffnet am: | 25.05.02 01:02 | von: Expropriateu. | Anzahl Beiträge: | 4 |
Neuester Beitrag: | 25.05.02 08:47 | von: MOTORMAN | Leser gesamt: | 4.153 |
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ELMAR BRÜMMER, Monte Carlo
Gas geben und sparen – das passt nicht zusammen. In der Formel 1 aber werden die Teams, die bislang selten an finanzielle Zurückhaltung dachten, zunehmend mit diesem Thema konfrontiert. Sogar Notopfer für die kleinen Rennställe werden in Erwägung gezogen.
Nirgendwo fühlt sich die Lebe-Dame Formel 1 wohler als beim Straßen-Roulette in Monte Carlo, denn die Traumkulisse wird an der Cote d'Azur gratis mitgeliefert. Der schöne Schein katapultiert das antiquierteste und langsamste Rennen der Saison in der Publikumsgunst ganz nach oben. Beim Großen Preis von Monaco stellen sich aber mittlerweile nicht nur die Schicki-Micki-Touristen die große Preisfrage. Auch mancher Rennstallbesitzer stellt fest, dass sich für ihn die Rundenzeiten auf dem Weg vom Haben ins Soll drastisch verkürzt haben.
Mit Verzögerung sind die wirtschaftlichen Folgen des 11. September im Vollgas-Zirkus angekommen, in Kombination mit sportlichem Misserfolg führen sie bei zumindest drei Teams zu einem ungeahnten Überlebenskampf. So soll die Yacht „The Snapper“ von Selfmade-Millionär Eddie Jordan, die als Insignie des Erfolgs an prominenter Stelle im Yachthafen von Monte Carlo vertäut ist, an diesem Wochenende zu chartern sein.
Jordan, der Aufsteiger des letzten Renn-Jahrzehnts, hat die Branche kürzlich mit der Entlassung von 15 Prozent seiner Belegschaft aufgeschreckt. Gleiches hatte zuvor schon der hoch verschuldete BAR-Rennstall getan – die bisher größte Entlassungswelle der Formel 1. Auch für das britisch-italienische Konglomerat Minardi und das chronisch klamme Arrows-Team geht es ums Überleben.
Die dominierenden Werksrennställe sind gut beraten, sich nicht auf eine arrogante Position des marktwirtschaftlichen Darwinismus zurückzuziehen. Um im Wettbewerb glänzen zu können, brauchen auch sie ein angemessenes Starterfeld, zumal nach der Pleite des Prost-Teams vor der Saison die Anzahl der Fahrzeuge schon auf 22 geschrumpft war. Inzwischen gibt es ernsthafte Überlegungen, dass die Konzernteams künftig ein drittes Fahrzeug einsetzen müssen oder kleinere Rennställe möglichst kostenlos mit Motoren und Chassis beliefern sollen.
Der PS-Sozialismus wäre im Interesse von Formel-1-Guru Bernie Ecclestone, denn in den Verträgen mit den Veranstaltern und Fernsehsendern garantiert er ein Mindest-Teilnehmerfeld. Beschlossen ist aber vorerst nur die Reglementsänderung, wonach ab 2004 nur ein Motor pro Wochenende eingesetzt werden darf.
Bernie Ecclestone, der vor seinem Aufstieg zum Grand-Prix-Zampano einst als Brabham-Teamchef begann, hatte unlängst aus ernstem Anlass ein Treffen der Rennstallbesitzer einberufen, um Solidaritäts-Aktionen mit den krisengeschüttelten Branchenvertretern zu besprechen. Übereinstimmend berichteten die Teilnehmer hinterher von einer ungekannten Sachlichkeit der Debatte. Über Detaillösungen wurde nichts bekannt, offenbar konnte den Bossen von Jordan, Minardi und Arrows aber ein wenig der Existenzangst geraubt werden.
Einerseits vielleicht durch ein entsprechendes finanzielles Notopfer der Gemeinschaft (in Form der im Topf verbliebenen Fernsehgelder, die dem Prost-Team zugestanden hätten), ganz sicher aber durch die von Ecclestone publizierten Daten, nach denen die Zuschauerzahlen und Fernseheinnahmen der Formel 1 steigen, und insbesondere das Lizenzgeschäft mit den Videospielen zugenommen hat.
Bernie Ecclestone weiß gut, dass das Gerede über die Krise seinem Business mehr schadet als die Moralin-Diskussion über die Ferrari-Stallorder, die eher belebend fürs Interesse an der derzeitigen Schumacher-Solo-WM war. In der „Sunday Times“ versprach er zwar, das ganze System mit den Augen eines Controllers zu überprüfen, aber er appellierte vornehmlich an die Vernunft der Teamchefs: „Die kleineren Teams betrachten die Formel 1 als Kasino. Je mehr sie verlieren, desto mehr Geld brauchen sie. Ihr Wille zum Sieg verbaut ihnen den Blick auf die Realität.“
Was er meint: Wer mitfahren und gut davon leben will, soll nicht versuchen, mit den Branchen-Spitzenreitern mitzueifern, die dreimal so hohe Budgets haben. Ecclestone rät aber auch, die Geschäfte in der Formel 1 zu führen „wie im Krieg“, also alles zu riskieren. Die gegensätzlichen Aussagen symbolisieren das irritierende Stadium, in dem sich die Krisen-Diskussion befindet. Am wahrscheinlichsten ist es, dass sich das Renngeschäft vielen anderen Wirtschaftszweigen anschließt, in denen das lahmende Wachstum zum Anlass für eine Selbstreinigung genommen wird. Aber auch, um für manchen Managementfehler eine plausible Ausrede zu haben.
„Die Formel 1 wird immer so viel Geld ausgeben, wie sie zur Verfügung hat“, ahnt Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve, der mit einem in England kolportierten Salär von an die 20 Millionen Euro zu den Spitzenverdienern im Cockpit gehört. Renault-Technikchef Pat Symonds hatte schon zu Saisonbeginn vorgeschlagen, dass am meisten gespart werden könne, wenn man den Teamchefs die Spannweite ihrer Privatjets reglementiert. Mit Blick auf die Statuswelt der Formel 1 – nicht nur, aber insbesondere in Monte Carlo augenfällig – wird klar, dass die Maßnahme unpopulär und ungehört bleiben musste.
Eddie Jordan rechtfertigt sich: „Niemand kauft Yachten und Flugzeuge als Spielzeuge. Wir leasen Flugzeuge, um schnell von einem Punkt zum anderen zu kommen, und Yachten, um darauf Geschäfte zu machen.“