boerse.de: Niquet: Der Euro zwischen Markt und Propaganda


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07.01.02 16:04
Der Euro zwischen Markt und Propaganda

Auf einer seriösen Banknote findet man gemeinhin die
ausstellende Bank, das Ausstelldatum sowie zwei
Unterschriften der jeweils Zeichnungsberechtigten. Haben
Sie sich daraufhin schon einmal die neuen
Euro-Geldscheine angeschaut? Gemessen an dieser
Kriterien handelt es sich dabei keinesfalls um Banknoten.
Denn erstens sind die Buchstabenkombinationen BCE
ECB EZB EKT EKP nur für Insider als Bezeichnung für
die Europäische Zentralbank erkennbar, zweitens fehlt ein
Ausgabedatum und drittens sieht die Unterschrift von
Herrn Duisenberg keinesfalls aus wie eine Unterschrift,
sondern vielmehr wie ein Grafikelement.

Eine zweite Unterschrift fehlt darüber hinaus völlig. Gibt es
keine Kontrolle bei der Europäischen Zentralbank? muss
man daher besorgt fragen. Kein Vier-Augen-Prinzip in
Europas wichtigster Institution? Und von einer
psychologischen Analyse der Unterschrift möchte ich aus
Fairnessgründen lieber ganz Abstand nehmen, denn ich
schätze Herrn Duisenberg sehr. Wäre das jedoch nicht der
Fall, und sähe ich nur eine derartige Unterschrift unter
einem Kontrakt, die eher an einen wichtigtuerischen
pubertierenden Versicherungsvertreter denn an einen
seriösen Bankier erinnert, dann würde ich diesen im
Zweifelsfall ganz sicherlich ablehnen.

An dieser Stelle möchte ich jedoch ausdrücklich betonen:
Dies sind die Worte eines leidenschaftlichen
Euro-Befürworters, weshalb diese Irritationen dann auch
gleich doppelt an Herz gehen. Denn das war doch alles
völlig überflüssig: Da sprechen die Euro-Kritiker schon seit
jeher von Monopoly-Geld, doch als wir dann alle das Geld
in der Hand haben, müssen wir feststellen, dass zumindest
der äußere Eindruck diesen Kritikern Recht gibt. Dabei
hätte man doch mit ein bisschen mehr Sorgfalt auch
durchaus vernünftige Banknoten herstellen können.

Mindestens ebenso irritierend wie die Euro-Geldscheine
selbst, ist natürlich auch die Medienberichterstattung über
dieses Ereignis, die hinsichtlich ihrer
Gleichschaltungseffekte beinahe schon an die US-Berichte
über den Afghanistan-Feldzug erinnern. Vielleicht ist man
als Berliner, der zwangsläufig mit der Nähe zum
DDR-Fernsehen aufgewachsen ist, hierfür besonders
sensibilisiert. Ich kann mir jedenfalls kaum vorstellen, dass
die Euro-Auftakt-Veranstaltung an Silvester - mit
Show-Elementen und Preisverleihungen - hier nicht breite
Assoziationen hervorgerufen haben.

Nicht zu vergessen natürlich auch die Presse - vom
Fernsehen ganz zu schweigen. So titelte beispielsweise
"Die Welt" am 3. Januar "Traumstart: Euro löst
Konsumwelle aus" und begab sich damit bereits hart an die
Grenze der Unseriosität. Denn was die Preissenkungen, die
die Unternehmen im Zuge der Euro-Einführung bewilligt
haben, und die voll zu Lasten der Unternehmensgewinne
gehen, mit einem Traumstart zu tun haben, bleibt
schlichtweg unerfindlich. Ebenso unbegreifbar auch die
Überschrift daneben, wo der irritierte Leser von einem
"Historischen Kurssprung des Euro" liest, nur weil diese
Währung an einem Tag einmal eine Cent zugelegt hat.

Damit bliebt eine ganz wichtige Frage zu stellen: Ist man
sich tatsächlich so unsicher mit dem Euro, dass man
glaubt, ihn nur mit einer derartigen Jubelpropaganda ins
Rennen schicken zu können?

Bernd Niquet, Januar 2002

Was sieht ähnlich gut aus wie die neuen Euro-Geldscheine
- und handelt auch ansonsten fast ausschließlich vom
Geld? Bernd Niquets neuer Roman "Der Zauberberg des
Geldes" beispielsweise, gerade erschienen im FinanzBuch
Verlag, München 2001, mit einem Vorwort von Joachim
Bessing, 208 Seiten, DM 34, ISBN 3-932114-69-8.


07.01.2002 09:37  

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