Wundert das wirklich noch jemanden?


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Neuester Beitrag: 22.01.03 12:55
Eröffnet am:22.01.03 12:55von: Dr.MabuseAnzahl Beiträge:1
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5261 Postings, 7771 Tage Dr.MabuseWundert das wirklich noch jemanden?

 
  
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22.01.03 12:55
Pflichtpfand könnte schon 2004 wieder wackeln

Unsicherheit über Mehrwegquote / Trittin drängt zu Novelle / Aufbau des Rücknahmesystems unter hohem Zeitdruck


nf. BERLIN, 21. Januar. Das umstrittene Pflichtpfand auf Getränkedosen und Einwegverpackungen könnte Ende kommenden Jahres schon wieder entfallen. Zur Zeit sinke der Absatz von Einweggebinden um mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr, heißt es in Branchenkreisen. Wenn sich der Markt nicht sehr schnell wieder erhole, könnte die Mehrwegquote daher schon in diesem Jahr wieder über die in der Verpackungsverordnung vorgeschriebene Marke von 72 Prozent steigen.

Der Handel und die Getränkeindustrie hätten dann einen Rechtsanspruch darauf, wieder von der Pfandpflicht freigestellt zu werden. Eine große Mehrheit in der Branche wolle inzwischen zwar in ein Pfandsystem investieren. Eine Minderheit aber sei weiterhin zum Kampf gegen die ungeliebte Pfandregelung entschlossen. "Irgendeiner wird den Freistellungsantrag sicher stellen", heißt es.

Beobachter vermuten darin auch den Grund, weshalb Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nun zur Eile bei der Novellierung der Verpackungsverordnung mahnt. Nach den von ihm vorgelegten Eckpunkten soll die Pfandpflicht nicht länger durch das Unterschreiten einer bestimmten Mehrwegquote begründet, sondern von der Art der Verpackung ausgelöst werden. Getränkekartons und Schlauchbeutel wären dann von der Pfandpflicht ausgenommen. Branchenkenner sagen für diesen Fall eine Substitution von Fruchtsäften in Glasflaschen durch Säfte in Tetra-Paks voraus. Dies hätte erhebliche Umsatzeinbußen für die Abfüller von Fruchtsäften und die Glasindustrie zur Folge. Schon jetzt seien die Verwerfungen im Markt immens. Die Umsatzentwicklung sei noch stark durch extreme Vorratskäufe unmittelbar vor Einsetzen der Pfandpflicht und eine sehr geringe Rücklaufquote verzerrt. Eine Normalisierung sei vermutlich erst nach der Einführung eines flächendeckenden Rücknahmesystems zu erwarten.

Dessen Aufbau vollzieht sich unterdessen unter hohem Zeitdruck. Bis Ende Februar will sich der gemeinsame Exekutivausschuß von Handel und Getränkeindustrie auf einheitliche Sicherheits- und Kennzeichnungsvorgaben, auf die Einrichtung und Arbeitsweise der Clearing-Stelle und auf die Verteilung der finanziellen Lasten einigen. Bis Ende März soll das Kartellamt diesen Punkten zustimmen. Andernfalls sei der Starttermin 1. Oktober nicht einzuhalten. Bereits an diesem Freitag wollen die neun Mitglieder des Exekutivausschusses eine Empfehlung über die technischen Standards aussprechen. Wie das Gremium entscheidet, ist dem Vernehmen nach derzeit noch offen. Der technische Ausschuß bevorzuge eine - für den Handel, der die Automaten anschaffen muß, nicht ganz billige - Kombination konventioneller Sicherheitsmerkmale, unter anderem eine Deckelprägung und ein unter UV-Licht aufscheinender Leuchtstreifen. Billiger für den Handel und teurer für die Abfüller wären Lösungen, bei denen eine Sicherheitskennzeichnung auf die Verpackung aufgeklebt oder aufgesprüht wird. Dadurch könnte aber das Produktdesign beeinträchtigt werden.

Eine vierte Lösung will RWE an diesem Mittwoch in Berlin vorstellen. Dabei erhielte jede einzelne Verpackung ein individuelles Pfandlabel, dessen Code in einem Zentralrechner gespeichert und später durch einen Handscanner, einen Automaten oder eine intelligente Wertstofftonne per Funksignal entwertet werden kann. Da dieses System auf einer völlig neuen Technologie beruhe, wollen Teile des Handels und der Getränkeindustrie aus Furcht vor etwaigen Funktionsstörungen offenbar lieber auf der sicheren Seite bleiben. Dies sei so, "als ob jemand, der noch nie im Weltall war, auf einmal Raumfähren bauen will", heißt es.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.01.2003, Nr. 18 / Seite 11  

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