Schröder manövriert Deutschland aus


Seite 1 von 1
Neuester Beitrag: 14.02.03 10:50
Eröffnet am:14.02.03 09:41von: TraderAnzahl Beiträge:2
Neuester Beitrag:14.02.03 10:50von: TraderLeser gesamt:563
Forum:Talk Leser heute:1
Bewertet mit:


 

1943 Postings, 8867 Tage TraderSchröder manövriert Deutschland aus

 
  
    #1
14.02.03 09:41
Ein Bruch: Klose attackiert Schröders Irak-Politik als "folgenlose Rhetorik"

Schröder manövriert Deutschland aus / Von Hans-Ulrich Klose

Wahrscheinlich ist es der alte Konflikt zwischen Außen- und Innenpolitik. Der Innenpolitiker muß, bevor er eine Entscheidung trifft, die innen- und parteipolitischen Konsequenzen seines Tuns und Redens bedenken. Der Außenpolitiker kann nur dann vernünftig entscheiden, wenn er die Probleme, die eigenen und die der Welt, mit den Augen der anderen betrachtet.

Der deutsche Kanzler hat in der Irak-Frage ausschließlich als Innen- und Parteipolitiker agiert. Als er sich auf das Nein gegen jede, auch UN-gestützte Militäraktion festlegte, bestand keinerlei außenpolitische Notwendigkeit, sich zu dieser Frage abschließend zu äußern. Anlaß, sich zu äußern, gaben allein die Umfragewerte für die eigene Partei kurz vor dem Wahlkampfauftakt. Sie waren schlecht und reflektierten die innenpolitische Lage.

Deshalb wurde mit der Wahlkampf-Auftaktveranstaltung in Hannover die Friedensfrage gestellt und von Veranstaltung zu Veranstaltung zunehmend mehr in den Mittelpunkt der Wahlauseinandersetzung gerückt.

Das innenpolitische Kalkül, daß die Deutschen wegen ihrer traumatischen Kriegserfahrungen in dieser Frage mit Mehrheit gegen einen Krieg und damit gegen die Vereinigten Staaten beziehungsweise deren Regierung Stellung beziehen würden, war wahltaktisch gut begründet und im Ergebnis erfolgreich. Der außenpolitische Schaden jedoch war und ist enorm, weil nicht bedacht wurde, wie unsere Partner reagieren würden, und weil die amerikanische Interessen- und Gefühlslage entweder nicht gesehen oder bewußt mißachtet wurde.

Wer Amerika verstehen will, muß sich immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen, daß dieses Land durch Einwanderung vor allem aus Europa entstanden ist. Die da kamen, flohen aus Europa, weil sie ohne Hoffnung waren, hungerten, unterdrückt und verfolgt wurden. Sie flohen in eine neue, wie sie hofften, bessere Welt, in den "safe haven", die sichere Zufluchtstätte Amerika. Emma Lazarus hat es in dem berühmten Vers, der seit 1903 die Freiheitsstatue schmückt, so ausgedrückt:

Give me your tired, your poor,

Your huddled masses yearning to breathe

free,

The wretched refuse of your teeming shore.

Send these, the hopeless, tempest-tost to me,

I lift my lamp beside the golden door!

Wer die Safe-haven-Philosophie der Amerikaner nicht kennt, kann nicht wirklich einschätzen, was der 11. September 2001 für Amerika bedeutet. Die sichere Zufluchtstätte Amerika war, das zeigte sich, nicht mehr sicher. Sie wurde attackiert von einem mordsüchtigen und unberechenbaren Gegner. Die Gefahr kam von außen und mußte bekämpft werden. Der Krieg gegen den Terror ist für Amerikaner wirklich ein Krieg, in dem sich Amerika in der Verteidigerposition sieht. Dies jedenfalls ist die gemeinsame Auffassung aller Amerikaner, auch jener, die in der aktuellen Debatte gegen einen Irak-Krieg votieren.

In Europa ist die Betrachtung anders. Die Menschen hier sehen sich nicht im Krieg, weil sie - Folge zweier Weltkriege - andere Vorstellungen vom Krieg haben. Und weil sie andere Vorstellungen haben, begreifen sie nicht, daß die Politik der amerikanischen Regierung aus deren Sicht defensiv ist, während sie in Europa als aggressiv empfunden wird.

Wie paßt das alles zum Thema Irak? Es paßt, weil in den Vereinigten Staaten unmittelbar nach den Anschlägen von New York und Washington eine Frage mit besonderer Intensität debattiert wurde: Was wäre geschehen, wenn die Terroristen nicht nur Flugzeuge als Waffen benutzt, sondern zudem Massenvernichtungsmittel besessen und eingesetzt hätten? Die Antwort auf diese Frage war einfach und schockierend: Dann wären nicht 3000, sondern hundertmal 3000 Menschen gestorben. Die reale Bedrohung, der sich Amerika - nicht nur Amerika, auch Europa - künftig ausgesetzt sieht, kommt von ideologisch auf Mord programmierten Terroristen, die über Massenvernichtungsmittel verfügen.

Daß Al Qaida jedenfalls versucht hat, sich solche Mittel zu verschaffen, ist bekannt. Daß dieser Versuch bisher mißlungen ist, auch. Die Amerikaner befürchten aber, daß künftige Versuche gelingen könnten, vor allem, wenn sogenannte Schurkenstaaten (kein sehr glücklicher Begriff) über solche Massenvernichtungsmittel verfügen. Es ist in der Tat eine schreckliche Vorstellung, daß solche Waffen weitergereicht werden oder außer Kontrolle geraten könnten.

Hier genau kommt der Irak ins Spiel, der Massenvernichtungswaffen besitzt und sie schon zweimal eingesetzt hat, einmal gegen seine eigene Bevölkerung im Norden, das andere mal im Krieg gegen Iran. Die Schwäche der amerikanischen Position ist, daß bisher eine Verbindung zwischen Saddam Hussein und Al Qaida nicht sicher nachgewiesen ist. Die Schwäche der europäischen und deutschen Politik liegt darin, daß sie die potentielle Gefahr, die von Saddam Hussein ausgeht beziehungsweise in Zukunft ausgehen könnte, unterschätzt und keine Antwort geben kann auf die höchst aktuelle Frage, wie denn der Irak anders als durch militärischen Druck zur Abrüstung gezwungen werden kann. Wenn der Kanzler sagt, er "kämpfe" für eine friedliche Lösung, dann klingt das gut, ist aber in Wahrheit folgenlose Rhetorik, die mehr auf die Stimmungslage der deutschen Bevölkerung reagiert als auf die tatsächliche Bedrohungslage. Und es ist eben diese Rhetorik, die Verantwortung (für den Frieden) beansprucht, aber nicht wirklich Verantwortung übernimmt, die uns ins Abseits manövriert hat. Auch in Europa.

Dazu haben vor allem zwei Fehler beigetragen: Zum einen hat der Kanzler seine Rede zum Wahlkampfauftakt, den innen- und den außenpolitischen Teil, unter die Überschrift vom "deutschen Weg" gestellt. Hätte er nicht wissen müssen, daß das kollektive Gedächtnis unserer europäischen Nachbarn deutsche Wege in der Außenpolitik mit äußerstem Mißtrauen begleitet? Zum anderen hat der Kanzler sein ungefragtes Nein zu jeder militärischen Option unilateral verkündet, ohne die europäischen Partner, Frankreich vor allem, und die Vereinigten Staaten zu konsultieren. Er hat damit genau das getan, was er den Amerikanern vorwirft: ihre Neigung, unilateral zu handeln. Er hat damit zugleich gegen Grundprinzipien deutscher Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg verstoßen. Nie wieder deutsche Sonderwege beschreiten, die unweigerlich ins Abseits führen, immer multilateral im Verbund mit Partnern agieren - das war (ist?) die gemeinsame außenpolitische Philosophie, die uns am Ende auch die deutsche Einheit gebracht hat, mit Zustimmung aller unserer Nachbarn und mit besonderer Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Ob es sinnvoll und zutreffend ist, den Kanzler mit Wilhelm II. zu vergleichen, weiß ich nicht. Der Kaiser war ungeübt im Umgang mit Medien, was man von Schröder nicht behaupten kann. Die Rhetorik ist zudem verschieden, die Folgen sind unvergleichlich. Allenfalls dies läßt sich sagen: daß die Folgenabschätzung - falls sie überhaupt stattgefunden hat - bei jenem und bei diesem fehlerhaft war und ist.

Daß der deutsche Bundeskanzler unser Land bewußt in eine Konfrontation mit den Vereinigten Staaten und ins europäische Abseits führen wollte, wird niemand behaupten wollen. Daß dies aber das Ergebnis seiner innenpolitisch motivierten Rhetorik ist, das freilich kann nicht geleugnet werden. Leider.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.02.2003, Nr. 38 / Seite 31

Hans-Ulrich Klose war ehemaliger SPD-Fraktionsvorsitzender!

Gruß
Trader  

1943 Postings, 8867 Tage TraderSchröder am Rande

 
  
    #2
14.02.03 10:50


VON WOLFGANG MOLITOR, Stuttgarter Nachrichten


Manchmal genügt ein einfacher Blick ins Lexikon, um ein Wort griffiger, plausibler zu formulieren. Hinter dem Begriff "diplomatisch", so kann man dann dort zu lesen, verbirgt sich in der Regel eine ganz besondere Vorgehensweise: geschickt, vorsichtig, auf Umwegen arbeitend. Was schon in dieser Kürze offenbart: Gerhard Schröder ist Bundeskanzler, aber kein Diplomat. Im Gegenteil: Der wertende Blick zurück nährt den schlimmen Verdacht, der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten könnte in Krisenzeiten eher ein außenpolitischer Dilettant sein, ein vorlauter Hans Dampf in allen Sackgassen. Und nur deshalb ein ideologischer Vordenker, weil er kein strategischer Nachdenker ist.

Schon im vergangenen Bundestagswahlkampf hatte Schröder zwei Wörter tragisch miteinander verwechselt: quer denken und quer legen. Richtig war, richtig ist, dass ein Krieg gegen Saddam Hussein nur die allerletzte Möglichkeit sein darf, den irakischen Diktator unschädlich zu machen. Jede Idee, jeder Plan, jede Initiative verdient es, ernst genommen, sorgsam gewogen zu werden. Doch dazu braucht es diplomatisches Geschick, politische Umsicht, nicht zuletzt die Fähigkeit, Fakten von Wunschträumen zu unterscheiden. Und vor allem: Freunde im Bündnis, Mitstreiter im Geiste zu gewinnen. Durch eigene Berechenbarkeit, Zuverlässigkeit, Kompromissbereitschaft. Wer quer denkt, um sich quer zu legen, dessen Vorschläge fallen über kurz oder lang unter den Tisch - diplomatischer Müll.

Das erfahren der Kanzler und sein Chefdiplomat in diesen Tagen. Und nicht zum ersten Mal. Wundern darf sich in Berlin darüber niemand, und erst recht nicht beklagen. Mag Joschka Fischer noch so telegen um den Globus reisen, mag sich Fischer Achtung erkämpft, Anerkennung erworben haben - die außenpolitische Bilanz Gerhard Schröders ist verheerend. Deutschland setzt das nordatlantische Bündnis aufs Spiel, weil es sich von Paris wie ein Minenhund auf das gefährliche Terrain der europäisch-amerikanischen Beziehungen hat treiben lassen. Freudig mit dem Schwanz wedelnd. Jene von den USA gelenkte Nato, die Westdeutschland im Kalten Krieg Freiheit und Wohlstand sicherte und die dem geteilten Land die von vielen nicht mehr für möglich gehaltene Einheit brachte. Deutschland gefährdet zudem das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika, weil es nicht mehr hinhört, nicht mitfühlt, nicht zupackt. Und nicht zuletzt manövriert sich Deutschland an den Rand der Europäischen Union, in die gestalterische Bedeutungslosigkeit. Wird Handlanger statt Handelnder. Ein aufgeblasener Niemand an der Spitze des Uno-Sicherheitsrates mit dem Alleinvertretungsanspruch politischer Moral.

Schröders diplomatischer Offenbarungseid findet seine Ursachen nicht nur in der Frage von Krieg oder Frieden. Außenpolitik braucht langen Atem, braucht Prinzipien. Willy Brandt hatte beides, als er mit Walter Scheel Vertrauen für seine Ostpolitik aufbaute. Auch Helmut Kohl besaß beides, sonst hätten er und Hans- Dietrich Genscher Polen, Briten, Franzosen und Amerikaner nicht von der friedfertigen Zuverlässigkeit Deutschlands überzeugen und die Einheit erringen können. Schröder saß damals in Niedersachsen und regierte über Geest und Marsch.

Außenpolitik ist Hohe Schule, kein Mächtigkeitsspringen. Außenpolitik ist ein sensibles Vollblut, das kein kundiger Kutscher wie ein Brauereipferd vor den außenpolitischen Karren spannen wird, um diesen schneller aus dem innenpolitischen Dreck zu ziehen. Genau das aber tut der Kanzler.

Der Wähler hat ein feines Gespür für derartige Kraftakte. In Niedersachsen und Hessen legten die Grünen zu, als die SPD in panischer Angst vor verheerenden Niederlagen im letzten Moment Plakate gegen Amerika und einen möglichen Krieg klebte. Kein Wunder, dass der Kanzler jetzt auch Fischer den roten Knüppel zwischen die Beine wirft. Doch es wird ihm nicht helfen. Zum Schluss wird Schröder mit leeren Händen dastehen - innen und außen.

Gruß
Trader
 

   Antwort einfügen - nach oben