Ölalternative: Erdgas (sehr lesenswert)
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 05.11.05 15:06 | ||||
Eröffnet am: | 05.11.05 15:06 | von: lancerevo7 | Anzahl Beiträge: | 1 |
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aus dem Schweizer Anlegermagazin "stocks" ---> www.stocks.ch Öl und die Alternativen: Teil 2 - Erdgas |
Erdgas ist sauber, effizient und im Überfluss vorhanden, so die gängige Vorstellung. Doch Letzteres trifft schon lange nicht mehr zu. |
Erdgas, die saubere Alternative zum Öl? Anfang der Achtzigerjahre sah es danach aus, dass billiges Erdgas eines Tages Öl als wichtigstenTreibstoff der Industriegesellschaft ersetzen werde: Erdgas war als Nebenprodukt der Ölförderung im Überfluss vorhanden. Und bei der Verbrennung der Methanmoleküle im Erdgas wird erst noch weniger Kohlendioxid freigesetzt als bei der Verbrennung von Öl. Bereits damals wurden deshalb erste mit Erdgas fahrende Autos konzipiert. Seither wurden jedoch immer mehr mit Erdgas betriebene Kraftwerke und Heizanlagen gebaut, was den Verbrauch erhöhte. In den USA wird bereits ein Viertel des Erdgases für die Stromerzeugung verwendet. 35 Prozent werden von der Industrie verbraucht, zum Beispiel für die Herstellung von Stickstoff-Dünger. Mit dem restlichen Gas werden Häuser und Bürokomplexe geheizt. Heute ist Erdgas immer noch eine vergleichsweise saubere Alternative zum Öl. Doch im Überfluss vorhanden und billig ist es längst nicht mehr. Im Gegenteil: Vor allem in Nordamerika zeichnet sich eine bedrohliche Knappheit ab. Bis ins Jahr 2000 war der Erdgaspreis während zwei Jahrzehnten relativ stabil, er notierte um die zwei US-Dollar je Tausend Kubikfuss (Tcf). Doch dann setzte eine immer wildere Reihe von Preissprüngen ein. Was war passiert? Die steigende Nachfrage durch die neuen Elektrizitätskraftwerke sowie die Industrie führten in Kombination mit der stagnierenden Erdgasförderung in Nordamerika dazu, dass die ehemaligen Überkapazitäten verschwanden und das System an seine Belastungsgrenze geführt wurde. Wie in fast jedem System, das nahe an der Kapazitätsgrenze operiert, sind hohe Schwankungen des Outputs, in diesem Fall des Erdgaspreises, die Folge. Bereits ein kalter Winter, der die Heizkosten nach oben treibt, oder eine Reihe von Wirbelstürmen, welche die Förderanlagen imGolf von Mexiko zeitweilig ausser Gefecht setzen, reichen aus, um den Erdgaspreis wild nach oben schiessen zu lassen. Als direkte Folge der Wirbelstürme «Katrina» und «Rita» kletterte der Preis kürzlich auf ein neues Rekordhoch von 14,34 US-Dollar je Tcf. Nach dem jüngsten Preisanstieg ist Erdgas pro Energieeinheit sogar zweitweilig teurer als Öl geworden: Der Energiegehalt von sechs Tausend Kubikfuss Erdgas entspricht ziemlich genau dem von einem Fass Öl. Ein besonders kalter Winter könnte den Erdgaspreis in dieser angespannten Lage locker in neue Höhen katapultieren. Fällt der Winter dagegen mild aus, ist mit einem Preissturz zu rechnen. Eine Lösung für die angespannte Lage ist so bald nicht in Sicht. Die US-Erdgasproduktion stagniert seit Jahren. Und nun ist die Förderung auch im gasreichen Nachbarland Kanada rückläufig. An fehlenden Anstrengungen liegt es nicht: Schon lange wird in den USA viel mehr nach Gas als nach Öl gebohrt. Doch genau wie bei der US-Ölproduktion, die 1970 ihren Gipfel überschritt, sind auch beim Erdgas immer grössere Anstrengungen nötig, um nur schon das bestehende Förderniveau zu halten beziehungsweise den natürlichen Rückgang der Produktion aus sich erschöpfenden Feldern möglichst zu verzögern. Auf anderen Teilen des Globus wie in Sibirien oder dem Iran ist Erdgas dagegen weiterhin im Überfluss vorhanden. Es besteht ein Verteilungsproblem. Anders als beim Öl, wo mit Tankschiffen oder der Eisenbahn zwei Alternativen zur Verfügung stehen, muss praktisch alles Gas mit Pipelines von der Quelle zu den Konsumenten transportiert werden. Viele Erdgasfelder von zu kleiner Grösse oder in abgelegenen Regionen rechtfertigen jedoch den Bau einer Pipeline nicht. Man spricht von «gestrandeten» Erdgasvorkommen. Grob geschätzt werden deshalb auch heute noch jeden Tag rund 10 Milliarden Kubikfuss Erdgas, die als unverwertbares Nebenprodukt der Ölförderung anfallen, einfach abgefackelt. Dies entspricht immerhin einem Sechstel des amerikanischenVerbrauchs. Die kommende Lösung für das Transportproblem lautet Liquefied Natural Gas, kurz LNG. Dabei wird Erdgas noch am Produktionsort auf minus 163 Grad Celsius heruntergekühlt und damit auf einen Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens komprimiert. Dieses flüssige Gas wird dann in speziellen LNG-Tankern zu Bestimmungshäfen in Verbraucherregionen wie den USA oder Europa verschifft. In so genannten LNG-Terminals wird es wieder in Gasform gebracht und ins Verteilnetz eingespeist. Eine globale LNG-Infrastruktur ist erst im Aufbau befindlich. In den USA wurde der Bau von LNG-Terminals immer wieder von Umweltschützern und besorgten Anwohnern verhindert. Vor allem aber ist der Aufbau teuer und verschlingt schnell einmal zweistellige Milliardenbeträge. Gleichwohl gehört LNG die Zukunft: Die globale Nachfrage dürfte sich nach Schätzung von Analysten der Citigroup bis 2010 verdoppeln und dann bis 2015 um weitere 62 Prozent zulegen. Wachstumsmärkte in Sachen LNG-Verbrauch sind nicht nur die traditionellen Energieimporteure USA,Europa und Japan, sondern zunehmend auch Emerging Markets wie China, Chile, Indien oder Mexiko. Die grössten Erdgas-Vorkommen liegen dagegen in Russland, das über einen Viertel der globalen Reserven gebietet, sowie am persischen Golf. Gerade in den arabischen Förderstaaten wird allerdings auch immer mehr Erdgas vor Ort zum Betrieb von Meerwasserentsalzungs- und Klimaanlagen verbraucht. Erdgas dürfte deshalb auch in den nächsten Jahren an den Verbrauchermärkten tendenziell knapp und damit teuer bleiben, zumindest bis eine tragfähige globale LNG-Infrastruktur steht. Sollte sich aber die Theorie von «Hubbert's Peak» bezüglich des Gipfels der globalen Ölproduktion als wahr erweisen (vgl.Stocks 22/2005), so müsste immer mehr Öl durch Erdgas ersetzt werden, was spielend zu neuen Engpässen am Gasmarkt führen könnte. Die Aussichten für die Produzenten von Erdgas bleiben deshalb hervorragend. Allerdings müssen Anleger auf Grund der heftigen Schwankungen des Erdgaspreises mit entsprechender Volatilität bei den Aktienkursen rechnen. Glückerlicherweise sind fast alle Erdgastitel derzeit tief bewertet, gemessen zum Beispiel am Kurs/Gewinn- Verhältnis. Mittelfristig am attraktivsten sind die Aktien von Unternehmen, die vor allem den angespannten nordamerikanischen Markt mit Erdgas beliefern. Am stärksten darauf fokussiert sind Encana und XTO Energy. Devon Energy und Anadarko Petroleum erwirtschaften einen beinahe so grossen Teil ihres Cashflows aus diesem Segment, sind jedoch noch ein Stück günstiger bewertet. Die britische BG Group ist stark im wachstumsträchtigen LNG-Geschäft verankert. Die russische Gazprom verfügt über die mit Abstand grössten Erdgasreserven der Welt, befindet sich jedoch direkt am Gängelband des Kreml. |