Zum nachdenken:Politik und Wirtschaft


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Neuester Beitrag: 09.02.03 22:05
Eröffnet am:09.02.03 21:55von: NassieAnzahl Beiträge:3
Neuester Beitrag:09.02.03 22:05von: NassieLeser gesamt:2.336
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16074 Postings, 8211 Tage NassieZum nachdenken:Politik und Wirtschaft

 
  
    #1
09.02.03 21:55
"Ich bin vorsichtiger geworden"
Infineon-Vorstandschef Ulrich Schumacher zur deutschen Malaise, zu seinen Abwanderungsplänen und zur Nachfolgefrage bei Siemens
Wie kann Deutschlands Wirtschaft wieder auf Wachstumspfad gebracht werden? Fragen an den Vorstandsvorsitzenden des Halbleiterproduzenten Infineon, Ulrich Schumacher.

Herr Schumacher, die deutsche Volkswirtschaft steckt in der Krise. Im Krisenmanagement haben Sie bei Infineon bereits reichlich Erfahrung gesammelt. Welche Lehren können Sie der Politik geben?

Ich maße mir nicht an, der Politik Ratschläge zu erteilen. Aber ich kann mir vorstellen, dass vieles, was Firmen wie Infineon getan haben, zum Teil auf den Staat übertragbar wäre. Wir waren gezwungen zu sparen. Durch den Sparzwang haben wir zum Beispiel riesige Fettreserven in unserer Verwaltung entdeckt. Dort waren in den Boomjahren zeitweise 1 200 Mitarbeiter beschäftigt. So viele hätten wir nach heutiger Kenntnis nie gebraucht. Denn die gleiche Arbeit kann man auch mit erheblich weniger Leuten leisten.

Nur, was soll die Regierung daraus lernen? Dass, wenn sich alle wie Infineon verhielten, die Arbeitslosenzahl in Deutschland bald bei zehn statt bei 4,6 Millionen Menschen läge?

Es ist doch ohnehin so, dass durch Rationalisierung immer mehr klassische Jobs wegfallen. Dadurch steigt die Arbeitslosigkeit. Auf der anderen Seite sehe ich aber einen Riesenbedarf im Dienstleistungssektor. Allerdings gibt es noch zu wenig Menschen, die diese Arbeit machen wollen. Das hat vor allem mit den zu hohen Steuern und Sozialabgaben zu tun, aber auch damit, dass viele Deutsche noch immer nicht bereit sind, Tätigkeiten im Dienstleistungssektor zu übernehmen.

Laut einer aktuellen Studie der OECD hat Deutschland in Europa die geringsten Steuern.

Merkwürdig ist nur: Alle Statistiken, die ich kenne, sagen aus, dass wir uns auf dem Weg nach unten befinden: die Arbeitslosenzahlen steigen, die Investitionen gehen auf der ganzen Linie zurück.

Sie selbst wollen demnächst ganze Abteilungen von Infineon und womöglich sogar den Konzernsitz ins Ausland verlegen.

Wir prüfen den steuerlichen Effekt einer Verlagerung unseres Hauptsitzes. Der Wettbewerb ist hart, es geht ums Überleben. Es gibt Alternativen in Europa, da könnte Infineon massiv Steuern einsparen, Geld das wir dringend für Zukunftsinvestitionen brauchen.

Wo zum Beispiel?

Eine interessante Alternative in Europa ist unter anderem die Schweiz. Das brächte im Vergleich eine erhebliche Verringerung der Kosten.

Patriotismus spielt für Sie wohl gar keine Rolle?

So lange die Firma gut dasteht, kann man sich vielleicht Patriotismus leisten. Ich werde aber dafür bezahlt, das Unternehmen zu führen und nicht dafür, das Land zu retten. Das heißt, für mich steht das Ergebnis des Unternehmens im Vordergrund.

Das klingt ja so, als seien Sie schon weg!

Das habe ich nicht gesagt, sondern: wir prüfen.

Sie verlagern aber bereits einzelne Bereiche. Die Buchhaltung soll beispielsweise nach Portugal.

Buchhaltung ist ein einfacher Vorgang. Da bietet der Standort Deutschland überhaupt keine Vorteile.

Das heißt, was Sie jetzt neu aufbauen, wird gleich ins Ausland verlagert?

Jedenfalls so weit die Verwaltung betroffen ist. Meiner Meinung nach wird es bei Infineon Verwaltungsfunktionen bald kaum noch in Deutschland geben.

Infineon galt immer als deutsches Unternehmen.

Nur, weil die Verwaltung traditionell ihre Wurzeln in Deutschland hatte. In unserem Unternehmen kommen fast zwei Drittel der Mitarbeiter aus anderen Ländern. Die Konzernsprache ist Englisch, und wir machen 75 Prozent unseres Umsatzes im Ausland. Ich glaube, Infineon ist ein Präzedenzfall für Deutschland: 2001 waren wir die ersten, die Mitarbeiter entlassen mussten und alle anderen haben nachgezogen. Das, was wir jetzt machen, werden andere Unternehmen irgendwann auch tun müssen.

Und welche Konzernteile werden Sie in Deutschland belassen?

Deutschland wird als Standort für Fertigung, Forschung und Entwicklung immer wichtig für uns sein. Das zeigt doch unser Werk in Dresden. Wir verfügen dort im Weltmaßstab über die modernste 300-Millimeter-Fertigungstechnologie und produzieren dort als erster Halbleiterhersteller kostengünstiger als in der bisher gängigen 200-Millimeter-Fertigung. Und in München werden wir demnächst einen neuen Gebäudekomplex bauen, in dem auch Entwicklungsabteilungen sein werden.

Kanzler Gerhard Schröder ist für seinen bisherigen wirtschaftspolitischen Kurs gerade bei den Wahlen in Niedersachsen und Hessen abgestraft worden. Nun wollen SPD und Union in der Bundespolitik zusammenarbeiten, gewissermaßen wie Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschland AG. Glauben Sie an einen Erfolg?

Ich glaube nicht, dass die beiden Parteien auf diese Weise zusammenarbeiten können. Da prallen im Einzelnen sehr unterschiedliche Philosophien aufeinander. Aufsichtsrat und Vorstand hingegen haben vielleicht hin und wieder unterschiedliche Vorstellungen über das Ergebnis, aber über die Richtung sind sie sich einig.

Reformen sind in Deutschland offenbar deshalb so schwer, weil alle ihre Besitzstände verteidigen. Könnten Sie sich vorstellen, dass Spitzenmanager wie Sie auf Teile ihres Gehalt verzichten, um für einen Erneuerungsschub zu sorgen?

Das halte ich für eine gute Idee. Aber nur auf der Basis eines Hand-Shake-Abkommens. Wenn jeder im Lande seinen Beitrag leisten würde, könnten wir die notwendigen Reformen auf den Weg bringen. Es müsste aber gewährleistet sein, dass alle zum Verzicht bereit sind.

Ihr Auftreten hat sich in letzter Zeit auffallend verändert. Früher waren Sie der unbekümmerte Provokateur, der Sportwagen fuhr und zu den bestverdienenden Managern der Republik zählte. Heute wirken Sie staatstragender, schon eher wie ein Gewächs aus dem rheinischen Kapitalismus. Weshalb dieser radikale Imagewandel?

Das sind beides nur Bilder, die in der Öffentlichkeit von mir gezeigt werden. Ich bin - um in Ihrem Bild zu bleiben - bestimmt kein staatstragender Mensch. Meine Persönlichkeit habe ich nicht geändert, aber ich habe dazugelernt und bin vorsichtiger geworden.

Hat das damit zu tun, dass demnächst der Nachfolger von Siemens-Chef Heinrich von Pierer gesucht wird?

Wenn ich darauf aus wäre, müsste ich mich vermutlich anders verhalten. Für diesen Posten ist eine Diskussion über eine Standortverlagerung von Infineon bestimmt keine gute Bewerbungsstrategie.

 

34698 Postings, 8659 Tage DarkKnightDie gnadenlose Unverschämtheit solcher

 
  
    #2
09.02.03 22:02
Äußerungen besteht in der Tatsache, daß hier mit Problemen von heute argumentiert wird und Versäumnisse der Vergangenheit überdeckt werden.

Warum gab es denn 1.200 überflüssige Mitarbeiter, und warum merkt man das erst heute?

Klassischer Fall von Management-Versagen, und der Kommentar hier setzt dem ganzen noch die Krone auf.


Die Nieten sitzen immer noch an den entscheidenden Stellen. Nicht nur bei Jeans.  

16074 Postings, 8211 Tage NassieNachdem man mit Aktienoptionen

 
  
    #3
1
09.02.03 22:05
ein so großes Vermögen gemacht hat welches bis zum Lebensende nicht mehr vernichtet werden kann läßt es sich locker über die Schicksale von tausenden von Mitarbeitern
diskutieren.
Zynismus pur.  

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