Merkels "Gedächtnislücke"
Die SPD hat Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel vorgeworfen, mit falschen Fakten im TV-Duell punkten zu wollen. Sie widersprach Merkels Aussage, sie habe in ihrer Zeit als Jugendministerin der Regierung Helmut Kohl den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz durchgesetzt.
Merkel habe sich vielmehr ausweislich des Bundestagsprotokolls bei der Schlussabstimmung im Parlament am 25. Juni 1992 zusammen mit 16 anderen Abgeordneten enthalten. Das erklärten Familienministerin Renate Schmidt (SPD) und die damals zuständige SPD-Frauenpolitikerin Inge Wettig-Danielmeier am Montag in Berlin. Schmidt sagte: "Merkel hat die Frauen 1992 im Stich gelassen, und sie wird es wieder tun." Wettig-Danielmeier warf Merkel eine "Gedächtnislücke" vor.
Merkel hatte zwar als Ministerin den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für über Dreijährige befürwortet, dieser war damals jedoch Teil des parteiübergreifenden Kompromisses zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs-Paragrafen 218. Dabei war nach langem Streit die frühere liberalere DDR-Regelung mit dem strengen Abbruchrecht in den alten Bundesländern zusammengeführt worden. Ein Abbruch blieb fortan straffrei, wenn zuvor eine Beratung stattgefunden hatte. Zugleich verpflichtete sich der Staat zum Ausbau der Kinderbetreuung. Weil Merkel damals zwar für den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, aber gegen die Neuregelung des Paragraphen 218 war, enthielt sie sich der Stimme. Ein Fakt, der damals von Seiten der CDU-Fraktion mit viel Respekt bedacht worden war.
Wettig-Danielmeier, die damals zusammen mit der FDP-Politikerin Uta Würfel den parteiübergreifenden Kompromiss vorbereitet hatte, sagte, Merkel habe als zuständige Ministerin den Gesetzentwurf "mit großem Einsatz und zur Verbitterung der ostdeutschen Frauen bekämpft". Familienministerin Schmidt sagte, Merkel habe bei der Schlussabstimmung dem Gesetz "ihre Stimme verweigert". Jetzt wolle sie ihre "beschämende Rolle kaschieren und schmückt sich mit fremden Federn."
Im TV-Duell mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Sonntagabend hatte Merkel die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz als eine ihrer "wirklichen Leistungen" als Jugendministerin zwischen 1990 und 1994 bezeichnet.
Es gibt keine Lösung für den Binnenmarkt. Wenn das Handwerk ein % runterkommt wird dem Verbraucher 2 genommen. Da beisst sich der Hund in den Schwanz. Wenn ich bei Schwarzarbeit 18% statt 16 einspare, denkt selber weiter.
Es wird auch von allen Parteien nicht ein Sparvorschlag gemacht, es geht alles nur um
Umfinanzierung. Die Ursachen werden weder von der einen noch der anderen Seite bekämpft.
übrigens glaube ich nicht, dass durch die regierungsänderung neue arbeitplätze in einem merklichen umfang entstehen werden. ich glaube auch nicht daran, dass das wachstum plötzlich ausbrechen wird, unabhängig davon wer gerade regiert. nur momentan ist die spd in einer situation, in der sie nicht regierungsfähig ist. sie ist total zerrissen und muß sich erst wieder finden. sie wäre momentan die schlechteste regierungspartei.
was kann die regierung tun? sie kann den bürokratiejungel lichten und das steuerecht vereinfachen. das führt kurzfristig mal zu mehr arveitslosen. sie kann die staatsverschuldung zurückdrehen und die sozialsysteme schrittweise auf eine wirtschaft ohne wachstum umstellen. das wars schon. ist aber viel. die spd hat die erste schritte in diese richtung versucht, die union wird die nächsten tun. jeder der was anderes versucht und glaubt es könnte so weiter laufen wie in den 90er, macht eine soziale absicherung mittelfristig unmöglich.
Meine Tricks sind glaube ich besser: Die Subventionen abbauen wovon das Volk überhaupt nichts hat. Schifffonds, Filmfonds usw. An letzter Stelle müsste Pendlerpauschale, Nacht, Sonn und Feiertagszulage stehen. Bei den ersten 400 Ausnahmetatbeständen würde ich im Gegenzug nicht einen Prozent Steuern senken. Aber wie wir beide wissen, wird es genau andersherum laufen.
von Thomas Fricke
Die Union scheint nach der Methode des einstigen Kanzlers Kohl verfahren zu wollen: Reformen nichts kosten lassen, dem Staat möglichst viel Geld verschaffen. Das kann diesmal eher im Desaster enden.
Erst am Ende kam der große Boom - von außenWer in Umfragen klar führt, kommt mit vagen Wahlslogans aus. Das mag erklären, warum die Union um Angela Merkel sich so müht, bloß nichts zu versprechen; dafür viel von Finanzierungsvorbehalten und Kassenstürzen redet. Oder von Gratisreformen, die der Wirtschaft helfen.
Der Trend scheint klar: erst mal konsolidieren. Dafür gibt es einen Präzedenzfall. Helmut Kohl begann einst ähnlich. Nur fragt sich, ob das so erfolgreich war. In der akuten Krise könnte es sich für Merkel und das Land sogar als fatal erweisen, zunächst nur die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen - bevor die vermeintlichen Früchte verteilt werden. Das endete schon unter Onkel Helmut nur dank viel Glücks nicht im ökonomischen Desaster.
Fast exakt die gleiche Ausgangslage
Die Ausgangslage wirkt frappierend ähnlich. Als Helmut Kohl 1982 antrat, lag das Staatsdefizit bei 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung; die OECD erwartet für 2005 exakt dasselbe. Die Arbeitslosigkeit übertraf neue Symbolmarken - damals zwei, heute fünf Millionen. Die Konsumenten konsumierten nicht.
Was für ein Zufall: Als Erstes erhöhte Kanzler Kohl damals die Mehrwertsteuer. Dann gab es Reformen, die nichts kosteten. Das Arbeitsrecht wurde gelockert. Etwas. Der Rest sollte vor allem Geld in die Staatskassen bringen: über Kürzungen von Studienhilfen sowie Kinder- und Mutterschaftsgeld oder bei der Bundesanstalt für Arbeit. Die Rentner bekamen keine Rentenerhöhung und Arbeitslose weniger Lohnersatz. Kranke mussten bei Kuren und im Krankenhaus zuzahlen. Dafür stieg die Rezeptgebühr. Kommt einem irgendwie vertraut vor.
Nach freundlicher Lesart hat all das irgendwie die Basis gelegt, dass die Deutschen Ende der 80er boomten und die Arbeitslosenquote unter fünf Prozent lag. Eher ein Mythos, vermuten Skeptiker. Wohl zu Recht.
Lange Zeit gab es unter Kohl alles andere als Aufschwung, Experten schufen das traurige Wort von der Waschbrettkonjunktur - vor und zurück. Nach fünf Jahren Wende erreichte das Wirtschaftswachstum 1987 sage und schreibe 1,5 Prozent. Fast wie bei Schröder.
In Gang kam die Maschine erst, als ganz ohne Gegenfinanzierung die Steuern sanken, die Konsolidierung Pause machte und die Menschen erstmals wieder mehr Geld hatten. Und auch das allein hätte kaum gereicht. Der Ölpreis krachte 1986 in nur sieben Monaten von 30 auf 10 $ je Barrel, was die durchschnittliche Lebenshaltung in Deutschland erstmals seit Jahrzehnten billiger machte - ein unverhofftes Konjunkturpaket. Anschließend sanken weltweit zudem die Zinsen: um 200 Basispunkte in zwei Jahren. Das beschleunigte die Investitionen von Firmen, die sich ohnehin mit viel Geld auf den nahenden EU-Binnenmarkt vorbereiteten - in ganz Europa und darüber hinaus, nicht nur bei Onkel Helmut.
In Deutschland kam hinzu, dass aus dem Osten plötzlich Tausende Leute zuzogen; bis Ende des Jahrzehnts gab es eine Million mehr Menschen im Land - eine Million Konsumenten und gut ausgebildete Kräfte. So was fördert aller Erfahrung nach das Wachstum, wie heute in den USA und Großbritannien. Oder eben wie im deutschen Einheitsboom.
Sehr viel Glorreiches bleibt vom Konsolidierungsmythos nach alldem nicht übrig - wäre nur ein Teil der unverhofften Hilfen von außen ausgeblieben, wäre die deutsche Wirtschaft wohl eher um ein bis zwei Prozent gewachsen statt drei bis vier. Ein Warnsignal.
Noch bitterer droht die Sache unter Kohls Erben zu enden. Klar: Die Ölpreise könnten wie 1986 purzeln und auch die Zinsen noch sinken. Nur: Unter null geht nicht. Ziemlich unwahrscheinlich sind derzeit begeisterte Investitionswellen bei den polit-kriselnden Europäern. Und größere Zuwanderungswellen dürfte die Union höchstpersönlich verhindern, wenn sie regiert. Stichwort Türkei. Vereinigen will sich nach derzeitigem Kenntnisstand schließlich auch keiner mehr mit uns.
Zukunftsinvestitionen kosten Geld
Laut Skeptikern wird Deutschlands Staatsdefizit 2005 über vier Prozent liegen. Wenn die nächste Regierung 2006 nur ansatzweise auf drei Prozent kommen will, müsste sie die Mehrwertsteuer gleich um mehrere Punkte erhöhen, dazu Pendlerpauschale und Eigenheimzulage kürzen - ohne Firmen und Konsumenten auch nur den Hauch einer Nettoentlastung anzubieten. Und das alles nach vier Jahren Rot-Grün, in denen ohnehin schon reichlich Nettorenten, öffentliche Gehälter und Kassenleistungen gekappt sowie Praxisgebühren eingeführt und Abgaben für Müll und alles Mögliche erhöht wurden.
Mit Gratisreformen wie einem gelockerten Kündigungsschutz wird es kein Wunder geben. Wer will bei Dauerstagnation schon einstellen? Eher droht die Angst der Deutschen vor Jobverlust dann noch zu steigen und die Konsumlust weiter zu schwinden. Da brächte es wenig, Entlastungen durch höhere Mehrwertsteuern auszugleichen. Per saldo haben die Menschen dann einfach nicht mehr Geld, es haben nur andere das Geld als vorher. Das reicht für einen Boom nicht aus.
Es dürfte wenige Länder geben, in denen so viel über Finanzierungsvorbehalte geredet wird wie in Deutschland - bevor überhaupt klar ist, was finanziert werden könnte. Dabei würde es lohnen, Geld in neue Entlastungen für Firmen und Konsumenten zu investieren, zum Beispiel in niedrigere Sozialbeiträge; oder in Bildung, Forschung, Kinderbetreuung und Straßen. Fast nirgendwo in der Welt investiert der Staat heute so wenig in die Zukunft. Ein Teufelskreis.
Anders als zu Kohl-Zeiten steckt die Wirtschaft diesmal schon seit vier Jahren in einer dramatisch lähmenden Stagnationskrise. Eher unwahrscheinlich, dass die Konsumlust wiederkehrt, wenn sich die Regierung dann mit so mitreißenden Dingen wie Finanzierungsvorbehalten beschäftigt.
Thomas Fricke ist Chefökonom der FTD. Seine nächste Freitagskolumne erscheint am 15. Juli.
Aus der FTD vom 24.06.2005
Eichel will Mehrwertsteuer teilweise erhöhen
Auch für die SPD ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer im Falle eines Wahlsieges nicht tabu. Finanzminister Eichel sagte, die bisherige Ermäßigung der Steuer auf bestimmte Waren und Dienstleistungen sollen teilweise aufgehoben werden.
DPAEichel: Forderung nach sofortigem Handeln |
Die geplanten Änderungen im Mehrwertsteuergesetz sollen Teil eines umfangreichen Haushaltssanierungsprogramms sein, mit denen Eichel schon 2006 Mehreinnahmen von insgesamt sechs Milliarden Euro erzielen will, berichtet die Zeitung weiter. Kurz nach der Wahl wolle er entsprechende Gesetze zum Subventionsabbau vorlegen, sagte Eichel weiter.
Zur Begründung führte er den hohen Schuldenstand der staatlichen Haushalte an. Allein im Bundeshaushalt 2007 klafft den Angaben zufolge derzeit noch ein Defizit von 25 Milliarden Euro, ohne dass die Parteien konkrete Pläne zu dessen Deckung vorgelegt haben. "Wenn wir nicht sofort handeln", warnte Eichel, "werden wir 2007 keinen verfassungsgemäßen Bundeshaushalt mehr vorlegen können". Dies sei das Resultat von drei Jahren Blockadepolitik der Union im Bundesrat, sagte der SPD-Politiker.
es gibt keinen wirklichen rationalen grund unterschiedliche mehrwertsteuersätze zu haben, außer die aufblähung der bürokratie. genau so gibt es keinen grund zwischen guten oder schlechte einnahmen respektive ausgaben zu unterscheiden. eine einkunftart mit einer durchgehend einheitlichen steuer ist ausreichend. das wird die spd allerdings nie begreifen. wieso? weil ein großer teil ihres anhanges bürokratiegeil ist und am liebsten jeden fall einer einzelregelung unterwerfen würde.