Heftig, heftig.


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Neuester Beitrag: 03.11.02 18:03
Eröffnet am:03.11.02 16:34von: eckiAnzahl Beiträge:6
Neuester Beitrag:03.11.02 18:03von: Spitfire33Leser gesamt:1.721
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51345 Postings, 8681 Tage eckiHeftig, heftig.

 
  
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03.11.02 16:34
DIE ZEIT

Wirtschaft 45/2002

Eine Stadt geht Pleite


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Sie hofften auf riesige Gewinne, jetzt haben sie riesige Probleme: Wie 3600 pfälzische Anleger auf ein Schneeballsystem hereinfielen

von Manfred Baumann


Durch die provisorisch zugenagelten Gauben pfeift der Wind. Auf einem Stapel zugesägter Dachlatten steht noch die Werkzeugkiste, obendrauf liegt eine Säge. Stolz klingt durch, wenn Thomas Hauck erzählt, dass er das ganze Haus bis zum neuen Dach allein umgebaut habe. Aber jetzt rührt er keinen Finger mehr. Dass im Schlafzimmer nebenan das Parkett fehlt, ja, das stört ihn schon. Trotzdem hat er keinen Schwung mehr: "Ich weiß doch nicht, ob das Haus schon dem Finanzamt gehört."

Ein Problem, vor dem jetzt so mancher Hausbesitzer in der Südpfalz steht. Denn wie Thomas Hauck haben sich viele andere in Bad Bergzabern und Umgebung mit einer merkwürdigen Geldanlage das Grundkapital für den Bau ihrer eigenen vier Wände besorgt. Jetzt droht ihnen der finanzielle Ruin. Denn die vermeintlich sichere Geldanlage entpuppte sich als Scheingeschäft. Und jetzt wollen auch noch die Finanzämter ihren Teil abhaben - selbst wenn in vielen Fällen gar keine Gewinne ausgezahlt wurden.

Dass es so weit kam, verdanken die Haucks und rund 3600 andere Betroffene dem Berater der Firma Commodity Trading Service (CTS) im Pfalzkurort Bad Bergzabern. Der sprach von Traumrenditen, mit denen ein Hausbau leicht zu finanzieren sei. Die CTS - mit ihrer Hauptniederlassung in Saarlouis - investiere in Warentermingeschäfte, die fünf, oft auch sechs Prozent und mehr abwerfen würden. Und das jeden Monat. Auf das Jahr gerechnet könne ein Anleger von 60 Prozent Gewinn ausgehen, habe ihnen der CTS-Berater vorgeschwärmt, berichten mehrere Betroffene. Da lasse sich ganz einfach ausrechnen, wann das Haus finanzierbar werde. Dass das Ganze eine sichere Sache sei, wäre leicht überprüfbar. Viele Polizisten aus Bad Bergzabern seien dabei, Steuerberater, das halbe Versorgungsamt in Landau, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und vom Finanzamt.

Wo immer Hauck sich umhörte, überall wurde er belächelt, weil er noch nicht dabei war. Immer wieder wurde ihm vorgerechnet, wie schnell sich das Geld vermehre. Ein Bekannter erklärte ihm, dass er vor ein paar Jahren 200 000 Mark investiert habe. Schon längst sei er Millionär.

Streifenpolizisten im Ferrari

Von der lukrativen CTS-Anlage schien die ganze Südpfalz zu profitieren. Autohäuser der Oberklasse stellten steigende Umsätze fest. Plötzlich kamen Streifenpolizisten in Bad Bergzabern im Ferrari zur Arbeit. Und der Traum vom Eigenheim wurde greifbar nah. So manchem wurde empfohlen, die Hypothek bei der Bank größer als benötigt zu wählen und das überschüssige Geld bei der CTS zu investieren. Dann finanziere sich der Hausbau von allein.

Im Jahr 1998, als Thomas Hauck sein Geld anlegte, machte sich der CTS-Vertreter noch die Mühe, zu jedem einzelnen Kunden nach Hause zu kommen. Doch bald schon rannten von Gewinnversprechungen angelockte Südpfälzer ihm die Bürotür ein. Ende der neunziger Jahre steckten gerade mal 100 Menschen ihr Vermögen in die angeblichen Warentermingeschäfte der CTS - im Herbst des vergangenen Jahr waren es bereits mehr als 3000. Eine Region, die überwiegend vom Weinbau und der Landwirtschaft lebt, träumte vom ganz großen Geld.

Ende Oktober 2001 aber war Schluss. Der Wind schien es über die Rebenhänge von Dorf zu Dorf zu tragen: Die CTS hatte die Anleger hinters Licht geführt, das angelegte Geld war weg. Die prächtigen Renditen waren nur Schein. Die versprochenen Warentermingeschäfte hatte es nie gegeben, nur ein klassisches Schneeballsystem: Mit dem Geld, das neue Kunden einzahlten, wurden die Forderungen beglichen, die alte Kunden ausbezahlt haben wollten. Besonders weil in den letzten vier Jahren die Zahl der Neukunden ständig anstieg, konnte das Geld bequem zurückgezahlt werden. Inzwischen existiert die CTS nicht mehr. Nicht in Saarlois. Und auch nicht in Bad Bergzabern.

Fünf Wochen nachdem der Schwindel aufgeflogen war und die Haucks sich gerade damit abfanden, dass der größte Teil ihrer Investition von rund 500 000 Mark für immer verloren war, ereilte sie der nächste Schock. Ihre Lokalzeitung Die Rheinpfalz berichtete: Die vermeintlichen Traumrenditen müssten versteuert werden.

Jetzt mussten sich die Haucks noch einmal damit befassen, wie sie ihr Geld eigentlich angelegt hatten. Sie waren überzeugt, in den Fonds "Intervelas Futures Pool" einer Tochtergesellschaft der CTS im US-Bundesstaat Oregon zu investieren. Die Erträge müssten ein Jahr im Fonds verbleiben, wurde ihnen erklärt. Dann wären sie, laut § 23 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei.

Doch die zuständigen Finanzbehörden in Saarbrücken, Kaiserslautern und Neustadt/Weinstraße teilen diese Einschätzung nicht. Aus steuerrechtlicher Sicht, sagt der Leiter der Steuerfahndungsstelle in Neustadt, Klaus Herrmann, haben sich die Anleger direkt am Unternehmen CTS beteiligt. Die Gewinnzuweisungen sind wie Dividenden oder Zinsen zu behandeln und voll zu versteuern. Vielen Anlegern ergeht es heute noch wie den Haucks. "Ich habe das ja alles gar nicht so genau verstanden", sagt Ehefrau Christine. Und absehen, was für ein steuerjuristischer Streit auf sie zukommen würde, konnte weder sie noch die meisten der anderen Anleger.

Dass es sich um Gewinnzuweisungen handelt, schließen die rheinland-pfälzischen Steuerbehörden aus den Vertragsunterlagen. Darin wurden die Anleger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die gesamte Einlage verloren gehen könne. Das kann nur bei einer Beteiligung passieren, aber nicht bei einem Fonds. Dieser kann in seinem Kurswert schwanken, aber letztlich ist es unmöglich, dass die gesamte Einlage verloren geht.

Der rechtliche Rahmen lässt in diesem Fall sogar eine Nachversteuerung von bis zu zehn Jahren zu. Allerdings wollen die Behörden nur auf die letzten vier Jahre zurückgreifen. Auch das kann für viele Anleger noch schlimm genug werden. Bei Gutschriften in sechs- oder siebenstelliger Höhe heißt das, dass sie den Spitzensteuersatz zahlen müssen.

"Das alles kann doch nicht sein", empört sich Christine Hauck. Schließlich sei inzwischen bekannt, dass die CTS die Zinsen willkürlich gutgeschrieben habe, mal fünf Prozent, mal sechs, mal mehr im Monat. "Das sind doch alles Scheinrenditen gewesen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatten."

Diese Kritik lässt Steuerfahnder Herrmann kalt. Auch wenn die Renditen willkürlich gutgeschrieben worden seien, "hätte doch jeder Anleger monatlich einen Auszug erhalten und die Auszahlung verlangen können", hält er fest. Und so mancher habe das ja auch nachweislich getan.

Herrmann glaubt sich auf festem juristischen Grund. Im ähnlich gelagerten Fall der Firma Ambros S.A., einer panamaischen Firma mit Sitz in Vaduz/Liechtenstein, habe der 8. Senat des Bundesfinanzhofes im Juli 2001 endgültig entschieden, dass (Schein)-Renditen als steuerpflichtige Kapitaleinkünfte zu behandeln sind.

Mehr als 600 Geprellte haben sich mittlerweile in dem Verein für Anlagegeschädigte zusammengeschlossen, um gegen diese Rechtsauffassung und den ihnen drohenden Steuerbescheid vorzugehen. Auch für ihren juristischen Berater, den Steueranwalt Stefan Neumann in Karlsruhe, ist das keine leichte Materie. Er hofft, dass bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht nur die steuerrechtlichen Fragen geklärt werden, sondern auch die zivilrechtliche Seite. Und da gelte es zu betrachten, was der Zeichnungsprospekt im Detail ausweise und welche Absicht die Anleger hatten.

"Einem normalen Menschen die Pflicht aufzuerlegen, bei seiner Anlage genau zu prüfen, ob die Bank oder die Finanzverwaltungsgesellschaft das Geld auftragsgemäß verwendet, ist nun wirklich absurd und lebensfremd", betont Neumann. Zudem könne es nicht sein, dass das Finanzamt willkürliche Zahlen als Berechnungsgrundlage nehme. Hätte die CTS die doppelte Gewinnzuweisung aufs Papier geschrieben, wären auch entsprechend höhere Steuern fällig. Da würde sich ja das Finanzamt zum Profiteur eines Betrügers machen, argumentiert Neumann.

100 Millionen für den Fiskus

Ähnlich sieht es auch der Konkursverwalter Jean-Claude Boghossian von der renommierten Anwaltskanzlei Schultze und Braun, die sich schon bei der Abwicklung des Scheinimperiums von Flowtex einen Namen gemacht hat. Boghossian rechnet hoch, was es für die Südpfalz bedeuten würde, wenn sich die Gerichte der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung anschließen würden: Zählt er Anlagegelder und Zinsen zusammen, kommt er auf ein Gesamtvolumen von 400 bis 450 Millionen Euro. Auf vier Jahre zurückgerechnet bedeutet das eine Steuernachzahlung von mehr als 100 Millionen Euro. "Das wird ein Kaufkraftentzug sein, den sich so manche Gemeinde noch gar nicht vorstellen kann", sagt Boghossian. Wie viele Häuser verkauft oder im schlimmsten Fall zwangsversteigert werden müssen, wagt auch er nicht zu prognostizieren, aber dass der Immobilienpreis in den Keller gehen werde, das hält er für ausgemacht.

Das ist einer der wenigen Punkte, bei denen er sich mit den Steuerfahndern einig ist. In Neustadt ist nur die Sprachregelung eine andere: "Es wird sicher auch Fälle geben", meint Steuerfahnder Herrmann, "die zu einer Einschränkung des Lebensstandards führen werden, aber es wird keine Fälle geben, wo wir die Leute in den Ruin treiben." Doch genau das befürchtet Christine Hauck: "Wenn der Steuerbescheid rausgeht, können wir Privatinsolvenz anmelden."  

956 Postings, 7883 Tage tigerlillywas denn?

 
  
    #2
03.11.02 17:06
die blödheit der südpfälzer? oder
die schreckliche tatsache, dass die reichen bauern ihre schwarzmillionen VERSTEUERN sollen?

mein mitleid ist SEHR beschränkt

ciao

L.

 

1952 Postings, 8539 Tage gut-buyunbegreiflich, warumhaben die nicht wie alle

 
  
    #3
03.11.02 17:21
andern ihr geld am Neuen Markt verloren ?  

4359 Postings, 8335 Tage Wikingereh, ich komme von der gegend

 
  
    #4
03.11.02 17:23
und kenne persönlich betroffene opfer.
ich hatte auch schon mit dem gedanken gespielt.
die betonung liegt bei hatte.


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4691 Postings, 8226 Tage calexaMan kann es gar nicht oft genug sagen:

 
  
    #5
03.11.02 18:01
Erst informieren, dann investieren.

Wenn ich da lese, daß manche gar nicht verstanden haben, in was sie überhaupt ihr Geld anlegen, dann hält sich mein Mitgefühl ebenfalls in engen Grenzen.

Leid tut mir an sich nur die Tatsache, daß das finanzielle Leben der Geprellten versaut ist. Allerdings - so erscheint es mir nach dem obigen Bericht - ist das auf eigene nicht vorhandene Informationen zurückzuführen.

So long,
Calexa
www.investorweb.de  

4420 Postings, 8530 Tage Spitfire33Alte Bauernregel

 
  
    #6
03.11.02 18:03
Dummheit (Unwissenheit)schützt vor Strafe nicht.  

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