Magere Informationspolitik drückt Kurse
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Eröffnet am: | 11.03.01 18:42 | von: SAHADOOM | Anzahl Beiträge: | 1 |
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Frankfurt, 9. März (Bloomberg) - Am Dienstag gab die Bayer AG einen Gewinn von 249 Mio. Euro für das vierte Quartal bekannt. Wollen die Analysten und Fondsmanager jedoch mehr zur Gewinnentwicklung erfahren, so müssen sie sich noch bis zum 15. März gedulden. Auch andere deutsche Unternehmen verfahren ähnlich und lassen sich nur scheibchenweise Informationen zur Gewinnentwicklung entlocken. Die Deutsche Telekom AG, die am 23. Januar ihren Gewinn für 2000 veröffentlichte, wird den Anlegern im April mehr erzählen.
Sie sollten mit dieser Salamitaktik lieber aufhören, fordern die Fondsmanager. Denn mit dieser Geheimniskrämerei schneiden sich die deutschen Unternehmen ins eigene Fleisch. Europäische Konkurrenten setzen zunehmend auf Transparenz nach US-Vorbild und die Fondsmanager sind nicht länger bereit, Ratespielchen zu betreiben und sich das Hirn zu zermatern, wie die deutschen Unternehmensgewinne im internationalen Vergleich abschneiden. ,Internationale Fondsmanager erwarten gewisse Standards und sehen sich woanders um, wenn dies nicht erfüllt wird," warnt Ernst Konrad, Portfoliomanger bei Activest.
Die Deutsche Telekom gab am 23. Januar bekannt, dass sie im Jahr 2000 einen Gewinn von 7,4 Mrd. Euro einschließlich einmaliger Gewinne erwirtschaftet habe. Der Telekomgigant war jedoch nicht bereit, Quartalsergebnisse ohne einmalige Gewinne zu veröffentlichen. Er überließ es den Analysten, ihre Spreadsheets auszubreiten und herauszufinden, dass damit die Telekom im letzten Quartal wahrscheinlich einen Verlust von 1 Mrd. Euro gemacht hat. Am 24. April gibt es dann endlich mehr Informationen zum Gewinn. ,Die Berichterstattung der Deutschen Telekom ist ein einziges Chaos," beklagt Jörg Natrop, Telekom-Analyst bei der WGZ-Bank in Düsseldorf. ,Eine bessere Berichtserstattung würde zweifelsfrei den Aktienkurs beflügeln."
Manchmal müssen die Fondsmanager Monate warten, bis sie auch nur ein wenig über das Ergebnis erfahren. Bayerische Motoren Werke AG hat seit dem 31. Juli keine Ertragszahlen mehr veröffentlicht und nur lapidar mitgeteilt, dass sie einen ,Rekordgewinn" erwarte, wenn sie im Januar die Ertragszahlen für das Gesamtjahr bekannt gibt. Volkswagen AG, Europas größter Automobilhersteller, präsentierte am 20. Februar den Gewinn für das Gesamtjahr und prognostizierte weiteres Wachstum für 2001. Nach einer vierteljährlichen Aufschlüsselung suchten die Analysten vergebens. Bis vor kurzem weigerte sich der Autobauer aus Wolfsburg sogar, zu sagen, wann er seinen Gewinn bekannt geben werde. ,Wir schätzen, dass die mangelnde Transparenz den Kurs von Volkswagen um ein Viertel drückt," erklärt Markus Pluemer, Analyst bei WestLB in Düsseldorf. ,Das Unternehmen hat noch viel zu lernen, wie es die Aktionäre zu behandeln hat."
Volkswagen wird zum 10,4fachen des geschätzten Gewinns für 2002 gehandelt. Hingegen liegt der europäische Branchendurchschnitt nach den Daten von Bloomberg bei 12,1. Konkurrent DaimlerChrysler AG, der in den USA notiert ist, hat bereits seinen Gewinn für 2000 präsentiert. Außerdem haben die Stuttgarter eine quartalsmäßige Aufschlüsselung veröffentlicht und angekündigt, dass sie 2001 rote Zahlen schreiben werden. Trotzdem wird die Aktie zum 14fachen des erwarteten Gewinns gehandelt.
Natürlich gibt es auch Fortschritte. Ein Drittel der 30 DAX- Werte bilanziert nach den US-GAAP-Richtlinien und 14 verwenden jetzt statt der deutschen HBG-Vorschriften die IAS-Regeln. Selbst Volkswagen, eines der wenigen Indexmitglieder, die noch nach HGB bilanzieren, will dieses Jahr zu den IAS-Richtlinien überwechseln.
Die Analysten kritisieren, das die deutschen Unternehmen schon immer mit Informationen gegeizt haben. Dies sei symptomatisch für ihre Einstellung, dass sie am besten wissen, was gut für ihre Aktionäre ist. Der scheidende Vorstandsvorsitzende der Commerzbank AG, Martin Kohlhaussen, sagte letzten Monat, dass es ,fragwürdig sei, ob eine vierteljährliche Berichtserstattung gut für die Anleger und die langfristige Entwicklung des Unternehmenswertes sei." Commerzbank teilte am 5. Februar mit, dass sie einen Verlust von 98 Mio. Euro im vierten Quartal erwirtschaftet habe. In einer Erklärung sagte die Bank, dass der ,Verlust nicht überbewertet werden solle," ohne näher darauf einzugehen, warum sie rote Zahlen schrieb.
,Wir konzentrieren uns lieber auf europäische Werte, die mehr Transparenz bieten," erklärt Gerald Roessel, Fondsmanager bei Invesco Asset Management in Frankfurt.