Männermangel treibt zur Verzweiflung
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Eröffnet am: | 29.03.04 09:45 | von: Poseidon | Anzahl Beiträge: | 5 |
Neuester Beitrag: | 29.03.04 19:05 | von: Reila | Leser gesamt: | 3.391 |
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Männermangel treibt zur Verzweiflung
"Es ist so langweilig hier", jammert die 19-jährige Tama. In dem kleinen Touristen-Hotel ihrer Großmutter schiebt sie Küchendienst, nebenher läuft im Fernseher eine chilenische Quizsendung.
Die einsamste Insel der Welt weit draußen im Südpazifik lockt mit ihren geheimnisvollen Steinfiguren jährlich tausende Touristen aus aller Welt an. Für viele junge Leute wirkt das zu Chile gehörende Eiland bisweilen jedoch wie ein Gefängnis. Und dann sind auch noch die Männer knapp.
In Hangaroa, der einzigen Siedlung auf der Insel mit den weltberühmten und ebenso stummen Steinfiguren, gibt es gerade mal zwei Discos und zwei Internetcafés, aber kein Kino, kein Theater, keine Buchhandlung, keinen Plattenladen, kein Modegeschäft, keine Konzerte internationaler Popbands und schon gar keine Universität. Und als sich Tama in einen Jungen verliebte, funkte die Familie dazwischen. "Wir mussten uns trennen, sonst hätte mein Vater ihn verprügelt", erzählt sie.
Ursache ist ein altes Gesetz der über Jahrhunderte völlig isoliert lebenden Inselbewohner, die vor etwa 1.500 Jahren wohl aus Polynesien auf die Insel kamen. Sieben Generationen zurück darf es zwischen zwei Verliebten keine Verwandtschaft gegeben haben, sonst wird das Paar getrennt, notfalls mit Gewalt. Ganz so streng wird das nicht beachtet, aber Edmund ist ein Cousin zweiten Grades von Tama, und ihre Liebesbeziehung war damit tabu. Bei 3.868 Einwohnern, davon nur etwa 2.000 Rapa Nui, sitzt die Angst vor missgestalteten Kindern tief.
"Und weißt Du, was alles noch schlimmer macht? Die Ausländerinnen", seufzt Tama. Damit meint sie vor allem Frauen aus Chile, aber auch junge Touristinnen aus aller Welt. Die wilden jungen Männer von Rapa Nui, die Yorgos, knattern auf ihren Motorrädern die Hauptstraße hoch und runter und finden gefallen an den Zugereisten. "Während der Touristensaison musst du die Männer zu Hause einschließen", weiß die 44-jährige Mito. Die jungen Frauen von Rapa Nui aber finden an den meist bleichgesichtigen und gezähmten Männern westlicher Konsumgesellschaften nur selten Gefallen.
"Wenn ein Mann nicht viele Narben am Körper hat, keine schwieligen Hände und dicke Hornhaut an den Füßen, dann hat er kaum eine Chance bei einer Rapa Nui", erzählt die 19-jährige Dänin Helen. Sie hat sich in einen der gutgebauten wilden Inseljungen verliebt und will ihn bald heiraten. "Hier laufen nicht alle nur dem Geld hinterher, die Familien halten noch zusammen, alles wird geteilt und es gibt immer Essen genug", schwärmt sie vom ruhigen Inselleben. Hier werde man aufgenommen wie eine weitere Tochter und sie fühle sich auf der Insel mehr zu Hause als in Kopenhagen.
Aber das Bild von der friedfertigen Südsee-Idylle hat auch eine hässliche Seite. "Wir behandeln sehr viele Opfer innerfamiliärer Gewalt", sagt Carolina Leal Ugarte, Chefärztin des einzigen Krankenhauses der Insel. "Die Männer schlagen ihre Frauen, die kratzen und beißen zurück, dass das Blut spritzt, und auch die Kinder beziehen regelmäßig Prügel", wundert sich die 27-jährige Ärztin vom Festland. Oft sei Alkohol im Spiel, aber Gewalt zwischen Paaren sei offenbar ein Teil der Kultur der Rapa Nui.
Auch für Polizeioberleutnant José Carrasco ist häusliche Gewalt das größte Problem. "Gerade da, wo es für uns als unbeliebte Chilenen am schwierigsten ist, zu Hause, finden so schwere Körperverletzungen statt, dass wir einfach einschreiten müssen", berichtet er.
Tama hat inzwischen einen Ausweg aus der Misere gefunden. Im März beginnt sie mit dem Medizinstudium. Nicht etwa in Chile, sondern im tausende Kilometer weiter westlich gelegenen Tahiti, wo viele Rapa Nui Verwandte haben.