Industrie fürchtet Arbeitsplatzkiller Klimaschutz
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 05.04.07 16:23 | ||||
Eröffnet am: | 11.02.07 14:09 | von: Quietschente. | Anzahl Beiträge: | 4 |
Neuester Beitrag: | 05.04.07 16:23 | von: Quietschente. | Leser gesamt: | 2.497 |
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Berlin/Hamburg - Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Jürgen Thumann, warnte vor einer Verzerrung des Wettbewerbs: "Wir müssen einen globalen Ansatz finden, um dem Klimaschutz gerecht zu werden", sagte er im Deutschlandfunk. "Es kann nicht sein, dass wir Europäer immer voran schreiten mit gutem Vorbild, und jetzt sogar noch eine Vorreiterrolle innerhalb Europas von den Deutschen erwartet wird. Wir bringen damit unsere Wirtschaft, unsere Arbeitsplätze in Gefahr."
Thumann versicherte, die deutsche Industrie "steht ohne Wenn und Aber für eine sehr umweltbewusste Klimapolitik, auch ohne jede Einschränkung". Er machte aber deutlich, dass nationale Anstrengungen allein nicht ausreichen. Thumann kritisierte, dass die Staaten, die ungefähr die Hälfte aller Treibhausgase produzieren, das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz nicht unterschrieben hätten. Dazu zählten die USA und China.
Der BDI-Präsident warnte vor einem "Gießkannenverfahren" bei der Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes von Autos. Man könne nicht pauschal sagen, der Flottendurchschnitt an CO2-Ausstoß müsse verringert werden. "Wir müssen pro Größenklasse reduzieren und Ziele vereinbaren und setzen. Und da macht die deutsche Industrie ja sehr wohl mit."
Tiefensee für CO2-Abzeichen
So weit will Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee zunächst auch gar nicht gehen. Er appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger. Um es ihnen leichter zu machen, sich für den am wenigsten schädlichen Wagen zu entscheiden, sollten alle Neuwagen in Deutschland eine möglichst simple CO2-Kennzeichnung erhalten. Käufer sollten auf einen Blick erkennen können, wie viel CO2 ein Neuwagen ausstoße, um dies mit Autos der gleichen Klasse vergleichen zu können, sagte Tiefensee in einem Interview mit der "Bild am Sonntag".
Als Vorbild nannte Tiefensee die Kennzeichnung des Energieverbrauchs bei Haushaltsgeräten. "Was beim Kühlschrank und der Waschmaschine längst praktiziert wird, müssen die Hersteller nun schnellstens auf die Pkw übertragen", forderte der Minister. Man brauche ein leicht verständliches Buchstaben- oder Ampelsystem. "Zum Beispiel Grün für wenig CO2, rot für hohe CO2-Werte", sagte er.
Er selbst will mit seinem Ministerium mit gutem Beispiel vorangehen. Die Dienstwagenflotte werde schrittweise auf Erdgas-Autos umgestellt, kündigte Tiefensee an. "Bei Kurzfahrten in Berlin werde ich zukünftig meine Dienstlimousine stehen lassen und mit einem umweltfreundlichen Erdgas-Wagen fahren", sagte der Minister.
Gabriel will Ausgleichsabgabe zahlen
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) geht mit seinem symbolischen Beitrag noch einen Schritt weiter. Sein Vorschlag - die Regierung solle künftig Ausgleichzahlungen für Kohlendioxid-Emissionen leisten, die durch Dienstreisen aller Mitarbeiter entstehen. "Am Ende wird man sagen können, die Regierung arbeitet klimaneutral", sagte Gabriel der "Bild am Sonntag".
Vorreiter soll das Umweltministerium sein. Dort werde "künftig errechnet, wie viel Kohlendioxid durch die Dienstreisen aller Mitarbeiter - ob mit Auto, Flugzeug oder Hubschrauber - entsteht", betonte Gabriel. Am Ende des Jahres werde dann ermittelt, "wie viel Geld in Entwicklungsländern zur Minderung von CO2-Emissionen investiert werden muss, um die durch mein Ministerium verursachte Klimabelastung auszugleichen".
Der Minister betonte, er werde vorschlagen, diese Regelung für die gesamte Bundesregierung zu übernehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) finde die Idee "sehr gut" und unterstütze sie. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) habe bereits zugesagt, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, damit Haushaltsmittel für diesen Zweck eingesetzt werden dürfen.
Zugleich forderte Gabriel die Bürger auf, ebenfalls eine Entschädigung für Klimasünden zu zahlen. Er sagte: "Wenn ich in diesem Sommer in den Urlaub fliegen sollte, werde ich mich vorher bei www.atmosfair.de anmelden und eine Ausgleichszahlung für meine Flugkilometer zahlen." Das könne jeder Bürger so machen. Die Flüge seien heute oft so billig, "dass die Ausgleichzahlung für das Klima zumutbar erscheint".
mik/ddp/Reuters/dpa
Viele Grüsse
von Louise Brown
Seit wir alle mitmachen müssen bei der Rettung der Erde, hat Dave Hampton viel zu tun: Der 47-Jährige ist Großbritanniens erster Kohlendioxid-Coach.
CO2-Coach Dave Hampton bringt den Briten bei, weniger Kohlendioxidballons steigen zu lassen
FTD Na, na, Herr Hampton, habe ich Sie da etwa eben aus Ihrem Auto steigen sehen?
Dave Hampton Haben Sie. Viele denken ja, Menschen wie ich dürften gar nichts mehr: nicht Auto fahren, keine Reisen mehr machen, sich keinen Luxus mehr erlauben. Mir geht es aber genau darum, zu zeigen, dass man umweltbewusst sein kann und dennoch ein angenehmes Leben haben kann.
FTD Personal Fitness Trainer, Diätberater, jetzt der Carbon Coach. Muss uns denn bei allem geholfen werden?
Hampton Ich will die Menschen von ihrer Brennstoffsucht runterbringen. Nicht durch vage Vorschläge und Versprechungen, sondern mit einer One-to-one-Beratung. So wie der Personal Trainer seinen Kunden ein Sportprogramm zusammenstellt, erarbeite ich für meinen Klienten eine Art CO2-Diätplan: Erst rechne ich ihm aus, wie viel Kohlendioxid er erzeugt, und dann arbeiten wir zusammen an einer Reduzierung.
FTD Da werden Sie ja gerade alle Hände voll zu tun haben, oder?
Hampton In den zwei Jahren, in denen ich als Carbon Coach arbeite, hatte ich jedenfalls noch nie so viel zu tun. Das liegt wohl daran, dass es heute chic und cool ist, "Carbon light" zu sein.
FTD Warum ist das Thema Klimawandel jetzt so "in" - wir wissen das doch schon seit Jahren?
Hampton Viele merken den Klimawandel erst jetzt in ihrem eigenen Leben. Gerade die Briten können die Veränderungen, etwa bei ihrem Lieblingsthema Wetter, nicht mehr ignorieren. Dazu kommt das alte Klassenbewusstsein: Wenn eine Mutter ihr Kind von der Schule abholt und von den andern Müttern schief angeguckt wird, weil sie einen Jeep fährt, alle anderen aber einen Toyota Prius, dann muss auch sie einen Prius haben ...
FTD Derzeit kaufen alle Biomilch und Fair-Trade-Kaffee, aber nächsten Sommer fliegen dann doch alle zum Familienurlaub auf die Malediven. Ist Öko mehr als ein Hype?
Hampton Das Zuckerbrot ist besser als die Peitsche. Man engagiert sich leichter für etwas, wenn es dafür eine Belohnung gibt: zum Beispiel eine viel niedrigere Gasrechnung. Die meisten wollen dann noch mehr Geld mit einer noch niedrigeren Gasrechnung sparen. Weil viele Menschen erst seit Kurzem bei diesem Bioboom mitmachen, sind sie noch auf einem Erfolgshoch. Das muss man ausnutzen, damit es mehr als ein Hype bleibt. Das Schwierige dabei ist, dass man das eingesparte Kohlendioxid nicht sehen kann.
FTD Wie lösen Sie dieses Problem?
Hampton Ich benutze diese lilafarbenen Ballons, um meinen Kunden klarzumachen, wie viel CO2 sie produzieren und wie viel sie einsparen könnten. Es ist ein bisschen wie bei dem Diättrainer, der seinen Kunden das Fett zeigt, das sie mit sich herumtragen.
FTD Wie viele Ballons trage ich denn mit mir herum?
Hampton Im Durchschnitt lässt ein Brite pro Stunde etwa 100 Ballons gefüllt mit CO2 in die Luft. Im Jahr sind das etwa zehn Tonnen Kohlendioxid. Ich habe vier Kinder, und vor zehn Jahren haben wir zusammen 18 Tonnen CO2 produziert. Unser Ziel ist, auf sechs Tonnen zu kommen. Derzeit sind wir immerhin schon bei neun - trotz zwei Autos.
FTD Klingt effektiv. Klappt das bei Ihren Kunden genauso gut?
Hampton Einer meiner Kunden ist CEO bei Großbritanniens größter Bauträgerfirma. Ich habe mich zum ersten Mal bei ihm zu Hause zum Kaffee getroffen. Inzwischen hat sich mein erster Vorschlag, dass er Energiesparlampen benutzen soll, auf sein ganzes Unternehmen ausgeweitet. Bei einigen dauert es länger: Eine Familie kam zu mir, die allein mehr als 100 Tonnen CO2 im Jahr produzierte - die lebten in einem riesigen, alten Herrenhaus, in dem es an allen Ecken zog.
FTD Haben Sie nur reiche Kunden?
Hampton Ich arbeite mit jedem, bei dem ich das Gefühl habe, dass er wirklich etwas ändern will. Das reicht von jungen Schauspielern bis zur Familie nebenan. Besonders wurmt es mich aber, wenn Kunden weniger CO2 verbrauchen als ich.
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FTD.de, 10.03.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD.de
Viele Grüsse
Für ein erfolgreiches Zeitmanagement ist der Kompass wichtiger als die Uhr." (Stephen Covey)
Weltpremiere in der Lausitz: Der Energiekonzern Vattenfall hat heute das erste CO2-freie Kohlekraftwerk in Betrieb genommen. Die Testanlage erzeugt Wärme aus Braunkohle, ohne das Klimagas Kohlendioxid auszustoßen. Umweltschützer haben aber Bedenken.
Jänschwalde - "Wir wollen die Braunkohle künftig klimafreundlich verstromen", sagte Vattenfall-Chef Klaus Rauscher bei der feierlichen Zeremonie in Jänschwalde in der Lausitz. In etwa zehn Jahren solle die CO2-freie Technik Serienreife erlangen. Auch andere Kraftwerke des Konzerns könnten dann nachgerüstet werden.
Vattenfall setzt auf die sogenannte Oxyfuel-Technologie. Dabei wird das beim Verbrennen der Braunkohle anfallende CO2 aus der Abluft abgetrennt. Ziel ist es, CO2 mit einer Reinheit von 98 Prozent zu erhalten. Das Klimagas kann dann unter hohem Druck verflüssigt, zu einer Lagerstätte transportiert und unterirdisch gespeichert werden. Das klimaschädliche Gas würde so nicht in die Atmosphäre gelangen.
Allerdings gibt es noch große Hürden zu überwinden. So hat Vattenfall noch keinen geeigneten Standort gefunden, um das CO2 sicher zu lagern. Umweltschützer kritisieren, dass es eine solche Lagerstätte möglicherweise gar nicht gibt. Würde das Gas wieder austreten - und sei es erst in hunderten Jahren -, wäre der ganze Aufwand umsonst. Greenpeace fordert deshalb, das für die neue Technologie nötige Geld lieber in erneuerbare Energien wie Sonne und Wind zu stecken.
Vattenfall baut seine Anlage für etwa 70 Millionen Euro. Sie soll 30 Megawatt Wärme erzeugen. An eine Umwandlung der Wärme in Strom ist zunächst nicht gedacht. Mit herkömmlichen Kraftwerken kann die Pilotanlage aber noch nicht mithalten: Ein normales Braunkohlekraftwerk kommt auf eine Stromleistung von rund 1000 Megawatt. Auch im Vergleich zu den Gesamtinvestitionen des Konzerns sind die Ausgaben für die CO2-freie Technik eher gering; im Jahr 2005 investierte Vattenfall insgesamt gut eine halbe Milliarde Euro.
Nach Ansicht von Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) gehört der heimischen Braunkohle die Zukunft. "Ich bin überzeugt, dass sie mit einer innovativen Technologie langfristig eine Akzeptanz erreicht", sagte er.
Kritik kommt dagegen von den Grünen. "Wer behauptet, die CO2-Abscheidung eröffne einen sicheren Ausweg aus der Klimafalle, betreibt Augenwischerei", sagte der Landesvorsitzende Axel Vogel. Die Technologie befinde sich im Anfangsstadium. Die Umweltstiftung WWF hatte erst am Mittwoch die drei Lausitzer Braunkohlekraftwerke von Vattenfall unter die zehn klimaschädlichsten Energieanlagen in Deutschland eingruppiert.
Vattenfall will nach Rauschers Worten als nächstes zwischen 2012 und 2015 eine großtechnische Demonstrationsanlage von 300 Megawatt Leistung bauen und ab 2020 das erste wirtschaftlich tragfähige CO2- freie Kraftwerk betreiben. An ähnlichen Projekten forscht auch Vattenfall-Konkurrent RWE.
wal/ddp/dpa
Viele Grüsse