Gotteshaus mit Pechsträne: Wie beim Neuen Markt?


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Neuester Beitrag: 17.12.02 12:38
Eröffnet am:17.12.02 12:38von: BRAD PITAnzahl Beiträge:1
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5937 Postings, 8003 Tage BRAD PITGotteshaus mit Pechsträne: Wie beim Neuen Markt?

 
  
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17.12.02 12:38
Phänomenale Pechsträhne

Das glückloseste Gotteshaus der Welt

Erdbeben, Überflutungen und sogar Drogenmissbrauch: Einer frühchristlichen Kirche am Schwarzen Meer, deren Geschichte britische Archäologen jetzt rekonstruiert haben, blieb kaum ein Unglück dieser Welt erspart.

Möglicherweise war es von Anfang an eine Schnapsidee, dieses Gotteshaus zu bauen. Zu dieser Überzeugung sind britische Forscher gelangt, die eine Kirchenruine an der türkischen Schwarzmeerküste untersucht haben. Wie es scheint, stand der Sakralbau aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert von Beginn an unter einem schlechten Stern.

 
University of Warwick

Ruine an der türkischen Schwarzmeerküste: Vom Sakralbau zur Drogenhöhle


Anfang der neunziger Jahre hatten Mitarbeiter des Museums von Sinop ein byzantinisches Mosaik als ersten Hinweis auf das Gemäuer entdeckt. Mit der Untersuchung des Fundortes nahe der Siedlung Ciftik wurde der Archäologe Stephen Hill von der University of Warwick beauftragt: Er stellte fest, dass an der Küste früher eine große Kirche stand, die offenbar von diversen Naturgewalten zu Grunde gerichtet wurde.

Wie seine jetzt vorgestellten Forschungen ergaben, war die Pilgerstätte dem heiligen Phokas geweiht - einem christlichen Märtyrer, dessen Grab an dieser Stelle gelegen haben soll. Schon der Schutzpatron der Gärtner und Seeleute war nicht gerade vom Glück verfolgt: Als bekennender Christ wurde Phokas, so die Überlieferung, Anfang des vierten Jahrhunderts von den Römern zum Tode verurteilt und enthauptet.

Obwohl die Christen zur Zeit des Kirchenbaus schon besser gelitten waren, übertrug sich die Pechsträhne nahtlos vom Patron auf die Pilgerstätte. Noch während der Errichtung fiel eine Seite des Gebäudes dem ersten Erdbeben zum Opfer. Die Bauherren mussten einen Teil des Gotteshauses aufgeben, die Mauern verstärken und den abgesackten Eingang anheben.

Doch diesem Unglück folgten alsbald weitere: Das neue Prunkstück der Kirche, ein schönes und höchst aufwendiges Bodenmosaik, wurde kurz nach der Fertigstellung von einer Flut ruiniert. Dennoch werkelten die Christen unbeirrt weiter und schmückten das ramponierte Gemäuer mit Skulpturen und anderen dekorativen Elementen, bis das nächste Erdbeben auch diese Bemühungen zunichte machte.

Die Gottesmänner waren damit vergrault, doch nach Hills Erkenntnissen entschieden sich Anwohner, den Rest des Gebäudes als Töpferei zu nutzen - kein besonders kluger Schritt, wie bald darauf ein verheerender Erdrutsch zeigte. Danach taugte die ehemalige Kirche nur noch zur Drogenhöhle: Gefundene Mohnsamen und ein Pfeifenstück legen nahe, dass sich im Mittelalter Opiumraucher in der Ruine vergnügten.

Nicht einmal die Zukunft des Sakralbaus sieht rosig aus. Zwar mühte sich das Team um Hill, mit Küstenbefestigungen weitere Teile des Mosaiks vor dem Absturz ins Wasser zu bewahren. Doch erst vor kurzem haben sich, so berichten die Forscher, große Risse im Boden gebildet - womöglich werden bald auch die letzten traurigen Trümmer im Meer verschwinden.







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