Gespräch mit Intel-Boss Craig Barrett


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02.11.03 16:05

«Standort Kalifornien ist zu teuer»

Intel-Chef Craig Barrett zeichnet ein düsteres Zukunftsbild der Hightech-Nation USA. Arbeitsplätze wird der Chiphersteller künftig vor allem in Asien schaffen

  NZZ am Sonntag: Intel hat für das dritte Quartal eine Gewinnverdoppelung bei einem um 20 Prozent höheren Umsatz ausgewiesen. Branchenverbände prognostizieren für 2004 eine Erhöhung der Nachfrage nach Computerchips. Warum blickt Intel trotzdem pessimistisch in die Zukunft?


  Craig Barrett: Die Antwort ist einfach. Die Nachfrage der Unternehmen in den USA, in unserem grössten Markt, zeigt keine Anzeichen der Erholung. Unser Ausblick anlässlich der Präsentation der Quartalszahlen war nicht pessimistisch, sondern vorsichtig optimistisch. Die US-Unternehmen müssen eine erhöhte Bereitschaft zeigen, in Technologie zu investieren, damit wir von einer vollständigen Erholung sprechen können. Alle anderen Marktsegmente haben sich gut entwickelt. Wir sind konservativer als die Medien oder die Analysten. Für Intel müssen alle Marktindikatoren in die richtige Richtung zeigen.


  Ist diese vorsichtige Haltung eine Reaktion auf ein Publikum, das Prognosen gegenüber kritischer geworden ist? Der Aufschwung ist ständig in Sichtweite, kommt aber nie?


  Teilweise trifft das zu. Prinzipiell bin ich sehr optimistisch für die Zukunft. Dabei spreche ich von einem Zeitraum von fünf oder zehn Jahren. Aber was das nächste Quartal anbelangt, gibt es viele Unwägbarkeiten. Sars könnte wieder ausbrechen, es könnte wieder Krieg geben. Ich muss für die kurze Frist ein gewisses Mass an Vorsicht an den Tag legen, auch wenn ich für den längeren Zeithorizont sehr zuversichtlich bin. Diese Haltung läuft den Interessen von Medien und Analysten entgegen, die sehr viel Wert auf das Heute und das Morgen, nicht aber auf die nächsten fünf oder zehn Jahre legen.


  Wenn es keine Medien und keine Analysten gäbe, würden Sie demnach nichts über das nächste Quartal sagen, weil es für Sie nicht relevant ist?


  Ich bin da pragmatisch. Der Ausblick für das nächste Quartal ist für die Finanzgemeinde relevant, also geben wir eine Guidance. Immerhin vertrauen die Aktionäre uns ihr Geld an. Doch was ist in den letzten drei Jahren passiert? Als die Halbleiter-Branche tief in der Krise steckte, haben sich die Medien und die Analysten jeden Tag den Kopf zerbrochen über unseren Auftragseingang. Natürlich ist die kurze Frist für Intel nicht irrelevant. Wichtiger aber ist, dass wir auch in der Krise die Investitionen für die Zukunft vorgenommen haben.


  Wie sieht die Zukunft von Intel aus? Wird der Slogan «Intel inside» bald nicht mehr nur für PC, sondern für alle Arten von Elektronik gelten?


  Wir legen unseren Fokus weiterhin auf Computer. Das ist das Erbe von Intel. Daneben gibt es zwei wichtige Märkte, in die wir investieren. Der eine ist Kommunikation. Das ist ein breites Feld und umfasst alles, vom Mobiltelefon bis hin zur Netzwerk-Infrastruktur. Consumer Electronics bilden den zweiten Markt. Wir wollen die Erfahrungen, die wir mit Architekturen im PC-Bereich gemacht haben, auf andere Produkte übertragen. Intel bekommt viele Anfragen von Konsumelektronik-Herstellern, die beispielsweise energieeffiziente Prozessoren für ihre Geräte möchten.


  In Diskussionen über die Zukunft der IT-Branche heben Sie jeweils die Rolle der Emerging Markets hervor. Welche Bedeutung haben Länder wie China oder Indien einerseits als Märkte und anderseits als Wiege der Konkurrenz für Intel?


  China ist inzwischen der zweitgrösste Markt für Intel - vor Deutschland und vor Japan. Die Nachfrage wächst weiterhin sehr schnell. In Indien wird ein ähnlicher Boom stattfinden, aber die Konsumentwicklung hinkt jener von China ungefähr vier Jahre nach. Was die Konkurrenzsituation anbelangt, so steht ausser Frage, dass diese Länder über die Ressourcen verfügen, um den Wettbewerb zu verschärfen. Es gibt hoch entwickelte Produktionsanlagen, zum Beispiel von Auftragsfertigern wie SMIC in Schanghai, die jetzt schon für Konkurrenz für Intel sorgen. Der Wettbewerbsdruck auf Produzenten aus den USA oder aus Europa wird in Zukunft weiter zunehmen.


  Wird Intel selbst künftig vermehrt in Asien forschen, entwickeln und produzieren?


  Wir sehen Asien vorab als Markt. Für Intel steht der Aufbau einer Verkaufs- und Marketingorganisation im Vordergrund. In China haben wir eine Produktionsstätte in Betrieb, eine zweite in Planung, ein Forschungszentrum in Peking und ein Entwicklungszentrum in Schanghai. In Bangalore, Indien, entwickeln wir Software und Hardware. Intel nutzt Ressourcen weltweit, auch das Humankapital.


  60 Prozent der Intel-Mitarbeiter sind in den USA angestellt. Wie viele werden es in fünf oder zehn Jahren sein?


  Es ist schwierig, eine Zahl zu sagen. Aber ich teile unseren Mitarbeitern regelmässig mit, dass das Marktwachstum ausserhalb der USA stattfindet und dass für unsere Ressourcen dasselbe gilt. In den USA werden jährlich 45 000 Ingenieure ausgebildet, in China sind es 400 000, die dieselbe Arbeit für einen Fünftel des Lohnes machen. Ich erwarte zwar nicht, dass Intel massenweise Arbeitsplätze von den USA nach Asien verschieben wird. Aber wir werden in den Emerging Markets statt in den USA weitere Arbeitsplätze schaffen. Dies hat auch damit zu tun, dass der Standort Kalifornien zu teuer ist. Die kalifornischen Gesetze haben zur Folge, dass die Lohnkosten für einen Angestellten 35% höher ausfallen als in den benachbarten Bundesstaaten.


  Arnold Schwarzenegger hält jetzt als Gouverneur die Zügel in der Hand. Versprechen Sie sich eine Besserung?


  Ich kenne Schwarzenegger nicht persönlich. Intel hat in der Kampagne zur Abwahl von Gouverneur Gray Davis ein ganzseitiges Zeitungsinserat bezahlt, in dem wir alle Kandidaten darauf hinwiesen, dass Kalifornien am Scheideweg stehe. Sie sollten sich dazu bekennen, ob sie wieder gesunde wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen oder den Exodus von Technologieunternehmen hinnehmen wollten. Schwarzenegger bezeichnete sich als wirtschaftsfreundlich. Er hat einen harten Job vor sich, muss er doch die in den letzten 20 Jahren fehlgeleitete Gesetzgebung aufräumen. In der Vergangenheit wurde versucht, Problem A mit einem Gesetz zu beheben, das die Probleme B bis Z nach sich zog.


  Sie zeichnen ein düsteres Zukunftsbild des Hightech-Standorts USA und des Silicon Valley. Wird dies in Washington und Sacramento registriert?


  Die USA müssen nicht nur eine wirtschaftsfreundlichere Politik durchsetzen. Wir haben auch Lücken in der naturwissenschaftlichen Ausbildung, in der Grundlagenforschung und in der Infrastruktur. Korea hat die höhere Dichte an Breitband-Anschlüssen als die USA oder Europa. Ich habe den Eindruck, dass meine Nachricht in den Regierungen der Emerging Markets besser ankommt als in Washington. Die USA subventionieren die Landwirtschaft und die Stahlindustrie, Branchen aus dem 19. Jahrhundert. Die Branchen des 21. Jahrhunderts werden zu wenig gefördert.


Interview: Chanchal Biswas

 

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