GERD's IRAK SHOW - der Spaß kann beginnen


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Neuester Beitrag: 06.07.03 13:22
Eröffnet am:25.11.02 21:37von: anarch.Anzahl Beiträge:158
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2728 Postings, 7913 Tage anarch.Hosianna

 
  
    #101
07.02.03 14:47

Joseph Fischer und der Heilige Stuhl

Fischer und Papst warnen vor Risiken eines Irak-Krieges


Rom (dpa) - Bundesaußenminister Joseph Fischer und Papst Johannes Paul II. haben vor unkalkulierbaren Risiken eines Angriffs auf den Irak gewarnt. Zugleich meinte Fischer nach einer Audienz im Vatikan, der Heilige Stuhl könne eine wichtige Rolle bei Friedensbemühungen spielen. Fischer wollte sich aber nicht zu konkreten diplomatischen Schritten des Vatikans äußern. In der nächsten Woche will der Papst den stellvertretenden irakischen Ministerpräsidenten Tarik Asis empfangen.  

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Oha

 
  
    #102
08.02.03 09:35

Berlin weiß mehr über Iraks ABC-Waffen

Die Bundesregierung ist detaillierter über Bagdads verbotenes biologisches und chemisches Waffenprogramm informiert als sie bislang zugegeben hat. Dies ergibt sich laut Informationen von FOCUS aus einer geheimen Analyse des dem Kanzleramt direkt unterstellten Bundesnachrichtendienstes (BND) vom Spätherbst 2002.

Zum Thema „Gesamtlage ABC-Waffen“ heißt in dem FOCUS vorliegenden Dossier: „Irak verfügt höchstwahrscheinlich über B- und C-Waffen“. Sein für diese Aussage erworbenes Quellenmaterial halte der BND unter strengem Verschluss. Staatsschutz-Experten sagten FOCUS, dass dem nachrichtendienstlichen Einstufungsgrad „höchstwahrscheinlich“ in der Regel recht fundierte Erkenntnisse zugrunde liegen müssten.

Wie FOCUS weiter berichtet, warnt der BND in seinem vertraulichen Bericht vor einer neuen Allianz islamistischer Gruppen, die sich im schwer zugänglichen Pankisi-Tal in Georgien sowie im Nordirak gebildet habe. Dieses Alpha-Netzwerk sei „aktuell mit einfachen Experimenten zur Herstellung von Giftstoffen“ beschäftigt, heißt es in dem BND-Papier. Das Potenzial der Terroristen zur Produktion biologischer und chemischer Kampfstoffe sei bislang noch auf niedrigem Niveau, werde sich jedoch „schrittweise verbessern“.

 

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Eigentor

 
  
    #103
08.02.03 12:42

Verzwickte Lage - Eiszeit zwischen Schröder und Fischer

Der Kanzler und sein Vize haben sich über die deutsche Irak-Politik überworfen. Das Verhältnis ist empfindlich gestört, im Kanzleramt beklagt man gar eine "schwindende Loyalität". Nun trägt Schröder den Dissens mit seinem Stellvertreter in den 16köpfigen Koalitionsausschuss.


Berlin - Entgegen der bisherigen Gepflogenheit, Konflikte ausschließlich unter vier Augen auszutragen, sucht der Kanzler nach Informationen aus Koalitionskreisen diesmal die Aussprache im 16-köpfigen Koalitionsausschuss von SPD und Grünen, der am kommenden Mittwochabend tagt.
Ein wochenlanges Geraune um echte oder vermeintliche Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kanzler und seinem Vize hat der Beziehung einen Knacks versetzt. Anlass sind vor allem die Unterschiede in der Irak-Politik. Im Oktober hatte Fischer Schröders Wahlkampfparole vom "Deutschen Weg" mit den Worten "Forget it" quittiert. Ohne seinen Chef vorzuwarnen, relativierte der Außenminister überdies in einem SPIEGEL-Interview Schröders starres Nein zu einem Irak-Feldzug, indem er eine Zustimmung zu einer Kriegsresolution nicht ausschloss.

Schröder wiederum hatte den Fischer-Vorstoß in einer Wahlkampfrede in Goslar im Januar mit der erneuten Feststellung gekontert, Deutschland werde keiner "den Krieg legitimierenden Resolution" der Uno zustimmen. Die deutsche Außenpolitik werde von der Bundesregierung gemacht und nicht von Diplomaten, hatte der Kanzler schon vorher erklärt.

Der Außenminister wiederum macht keinen Hehl daraus, dass Schröders Goslarer Festlegung die deutsche Diplomatie einenge. Im Kanzleramt wird eine schwindende Loyalität beobachtet, die das Verhältnis belastet, womöglich nachhaltig. Jüngster Aufreger für den Kanzler: Die grüne Bundespartei beteiligt sich mit einem eigenen Aufruf an der Berliner Friedensdemonstration am kommenden Samstag - während die SPD-Spitze ausdrücklich darauf verzichtet.

Den Wunsch nach einer Aussprache zwischen den politischen Weggefährten verspüren offenbar auch manche Grüne. Vergangenen Montag verlangte die Vorsitzende Angelika Beer im Parteirat, der Führungszirkel möge über das Zerwürfnis der beiden Bosse reden. Beers Amtskollege Reinhard Bütikofer würgte die Debatte jedoch ab, aus Angst, der schon länger schwelende Dissens könne öffentlich werden. Fischer war anwesend - und schwieg.

 

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Hurra, die Wahlen sind vorbei!

 
  
    #104
08.02.03 22:23

Nun doch deutsche «Patriot»-Raketen für die Türkei

München (dpa) - Im Streit um den Irak-Konflikt bleiben Deutschland und die USA unversöhnlich. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz machten Bundesaußenminister Joschka Fischer und US- Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ihre Positionen deutlich. Am Abend sprach Rumsfeld unter vier Augen mit seinem deutschen Kollegen Peter Struck. Nach dessen Worten verlief das Gespräch «sehr angenehm». Dabei wurde ein Streitpunkt entschärft: Deutschland wird nun doch der Türkei «Patriot»-Luftabwehrraketen liefern.
 

13475 Postings, 9074 Tage SchwarzerLordNach der Wahl ist vor der Wahl.

 
  
    #105
09.02.03 07:33
In 13 Wochen wird in Bremen gewählt. Es naht die 2/3-Mehrheit für die Union im Bundesrat mit großen Schritten. Ganz zu schweigen von der Bundesversammlung.  

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Hurra, die Wahlen sind vorbei! (Teil II)

 
  
    #106
09.02.03 10:02

Regierung Schröder vor einer Kehrtwende im Irak-Konflikt

Kein Veto mehr gegen NATO-Hilfe für Türkei bei Irak-Krieg. Berichte über „Eiszeit" zwischen Kanzler und Fischer

 
München -  Die Bundesregierung steht vor einer Umkehr in ihrer Irak-Politik. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz verlautete gestern, die Regierung Schröder werde im NATO-Rat die Anfrage der US-Regierung zur Unterstützung der Türkei im Fall eines Irak-Krieges nicht länger blockieren. Morgen, wenn die Frist zur Entscheidung um zehn Uhr abläuft, will Berlin keinen Widerspruch mehr einlegen, sondern sich der Stimme enthalten. Schon eine Stunde später wird dann der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses und oberste Soldat der Allianz, der deutsche General Harald Kujat, mit der militärischen Planung beginnen, wie die NATO der Türkei bei einem Irak-Krieg schützend zur Seite stehen wird.

Der US-Botschafter bei der NATO, Nicholas Burns, bestätigte dieser Zeitung, er rechne damit, „dass keines der Länder die Entscheidung der NATO zum Schutz der Türkei mittels Veto blockieren wird". Also auch Deutschland nicht.

Zur bisherigen Blockade durch Belgien, Deutschland und Frankreich sagte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gestern in München: „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie man so etwas macht und die Planung auf die lange Bank schiebt. Natürlich ist die Türkei bedroht. Ihr Schutz zu verweigern, würde die NATO unterminieren."

Auf Grund der neuen deutschen Haltung werden daher deutsche Soldaten in AWACS-Flugzeugen dabei sein, wenn es um Aufklärungsflüge über der Türkei geht. Außerdem geht es um den Schutz der Türkei durch „Patriot"-Luftabwehrraketen, die Deutschland, so Verteidigungsminister Struck gestern, Ankara im Irak-Konflikt liefern will.

Der ehemalige Oberbefehlshaber der KFOR-Friedenstruppe im Kosovo, General Klaus Reinhardt, sprach sich in dieser Zeitung für die Lieferung deutscher „Patriots" aus: „Die Türkei ist der einzige NATO-Partner, dessen Territorium unmittelbar an den Irak grenzt. Gerade vor diesem Hintergrund ist der Einsatz der „Patriot"-Raketen dort eine sehr sinnvolle, rein defensive Vorsorgemaßnahme, da sie ausschließlich das Ziel hat, mögliche Angriffe irakischer Flugkörper abzuwehren."

Sobald die UN-Inspektoren unter Leitung von Hans Blix bis kommenden Freitag erneut Bericht erstattet haben, wird sich der Sicherheitsrat damit befassen. Wie in München zu erfahren war, hat Frankreich der NATO und den USA bereits klar signalisiert, Paris werde kein Veto einlegen, wenn der Sicherheitsrat die Irak-Resolution 1441 bekräftigt, um den Weg für einen Krieg frei zu machen. Ein erfahrener Verteidigungsminister erklärte hinter verschlossenen Türen, dass er sogar mit Zustimmung aus Paris rechnet: „Eine Enthaltung wäre eine Überraschung."

Inzwischen bedrängen führende Außen- und Sicherheitspolitiker der SPD Kanzler Schröder, Deutschland möge sich im Sicherheitsrat enthalten, um nicht völlig den Anschluss an das Bündnis zu verlieren. Außenminister Fischer vermied gestern nicht nur jeden Hinweis auf ein Nein im Sicherheitsrat, sondern öffnete die Tür weit für eine Enthaltung: „Es liegt in den Händen von Bagdad, eine große Tragödie zu verhindern. Wir werden unsere Entscheidung im Lichte der Tatsachen treffen."

Das ist kein Widerspruch mehr zu Rumsfeld, der sagte: „Es baut sich eine Kraft auf, den Irak zu entwaffnen. Wir müssen eine Attacke vermeiden, bevor sie erfolgt." An die Adresse der Bundesregierung fügte er hinzu: „In Demokratien muss überzeugt werden. Dazu braucht es Führung."

Von einer „Eiszeit" zwischen Kanzler Schröder und Außenminister Fischer berichtete der „Spiegel". Beide Politiker hätten sich wegen der Irak-Politik überworfen. Schröder wolle den Dissens am Mittwoch zum Thema im Koalitionsausschuss machen. Fischer soll geklagt haben, des Kanzlers Festlegungen hätten die deutsche Diplomatie eingeengt.  fwm/waka/-ng



@SL: Bis dahin fällt denen sicherlich was neues ein.  

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Bombenstimmung in der deutschen Sackgasse

 
  
    #107
10.02.03 08:01

IRAK-GEHEIMPLAN

Struck sorgt für noch mehr Verwirrung

Der deutsch-französische Vorstoß zur Entwaffnung des Iraks sorgt weiter für Irritationen. Bundesverteidigungsminister Peter Struck erklärte zu der Initiative, es gehe gar nicht um den Einsatz von Blauhelm-Soldaten. Zwischen Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer soll es unterdessen wegen des Plans zu einem heftigen Streit am Telefon gekommen sein.


Kabul - "Blauhelm-Soldaten stehen nicht zur Debatte", sagte Struck während einer Reise nach Kabul. "Es geht darum, die Zahl der Inspekteure zu erhöhen." Frankreichs Außenministers Dominique de Villepin hatte vergangenen Dienstag im Uno-Sicherheitsrat vorgeschlagen, deutlich mehr Waffeninspekteure als derzeit im Irak einzusetzen.
Der SPIEGEL hatte berichtet, die deutsch-französische Initiative sehe eine Erhöhung der Zahl der Inspekteure und den jahrelangen Einsatz von Uno-Blauhelmsoldaten zur Überwachung verschärfter Waffenkontrollen vor. Die USA waren über die Initiative offensichtlich nicht vorab informiert worden.

Zwischen Schröder und Fischer soll es wegen des Vorstoßes zu einem heftigen Streit gekommen sein. Fischer habe dem Kanzler am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz in einem "erregten Telefonat" vorgehalten, dass er ohne sein Wissen Berichte über den Geheimplan zur friedlichen Entwaffnung des Irak in die Öffentlichkeit lanciert habe, berichtet die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise.

Der Außenminister habe sich brüskiert gefühlt, da die Pläne am Samstag zu dem Zeitpunkt bekannt wurden, als er auf der Münchner Sicherheitskonferenz US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die deutsche Haltung in der Irak-Frage erläuterte. "Unser Chef lag durch Schröders Alleingang vor Rumsfeld doch auf dem Boden", zitiert "Bild" einen Mitarbeiter des Außenministers.


 

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Letzter Versuch

 
  
    #108
10.02.03 10:52

Von Wahlstrategien und Irak-Initiativen

K.F. Man erinnert sich: Als für Gerhard Schröder im Sommer die Lage aussichtslos zu werden drohte, setzte das Kanzleramt alles auf eine Karte - und was für eine Karte: Mit der offenen Attacke gegen die Regierung Bush und der Freisetzung von allerlei Ressentiments fing Schröder den ein Schwammigkeitsbad nehmenden Unionskandidaten kurz vor dem Ziel ab. Die Operation "Ohne uns" hatte sich ausgezahlt. Heute steht der Bundesregierung wieder das Wasser bis zum Hals. Das Verhältnis zu Amerika ist nicht entgiftet, in der Nato hat sich Berlin an den Rand manövriert, der Anspruch auf Führung in der EU zerbröselt, und im UN-Sicherheitsrat stehen den deutschen Diplomaten die unangenehmsten Tage ihres Lebens bevor.

Und siehe da: Fünf Minuten vor zwölf gibt es angeblich eine deutsch-französische Irak-Initiative. Wer sie sich ausgedacht hat, will man nicht zu erkennen geben. Die einen sagen: Paris war's, die anderen: des Kanzlers SPD. Tausende Blauhelm-Soldaten sollen danach im Irak den Inspekteuren zur Seite stehen und so vielleicht einen Krieg verhindern. In Amerika haben Fachleute schon im vergangenen Jahr das Für und Wider eines "robusten" Inspektionsregimes diskutiert. Daß die Bundesregierung damals keine Notiz davon nahm, während ihr das Thema doch politisch hätte willkommen sein müssen, ist ein Grund, warum der Verdacht naheliegt, die Initiative sei nicht ernst gemeint und nur auf Zeitgewinn aus. Ein anderer Grund ist die Dimension: Faktisch müßten Tausende, vermutlich Zehntausende Soldaten den Irak jahrelang besetzt halten und seine Abrüstung überwachen. Woher sollen diese Soldaten kommen? Dem Verteidigungsminister Struck, der noch vor kurzem jeden weiteren Einsatz der Bundeswehr kategorisch ausgeschlossen hat, müssen sich plötzlich ganz neue Reserven erschlossen haben, denn auch deutsche Soldaten will er am Kontrollwerk am Golf beteiligen. Und worin bestünde der Unterschied zu einem Regimewechsel, wenn die UN auf Jahre hinaus Hoheitsrechte im Irak ausübten?

Robuste Inspektionen sind mehr als eine Überlegung wert. Aber die Art, wie sie jetzt als "Idee" aus dem Hut gezaubert wurde, ist unseriös. Und sie verrät Panik. Auch das ist Ergebnis einer Festlegung des Kanzlers und einer Wahlstrategie mit ruinösen Spätfolgen.

 

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Auch ohne Veto dagegen

 
  
    #109
10.02.03 15:03

Aus Berlin kein Veto zu Türkei-Schutzmaßnahmen

Brüssel (dpa) - Die Bundesregierung hat gegen die geplanten NATO- Schutzmaßnahmen für die Türkei kein Veto eingelegt. Das sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Allerdings unterstütze Berlin den Einspruch durch Frankreich und Belgien. Die Türkei hat in der Sache mittlerweile als erstes NATO-Land überhaupt Beratungen beantragt. Sie werden am Nachmittag fortgesetzt. Die Blockade der Schutzmaßnahmen ändert aber nichts daran, dass Deutschland «Patriot»-Raketen nach Ankara liefert.  

2728 Postings, 7913 Tage anarch."Systemlogik der Moderne"?

 
  
    #110
11.02.03 10:03

Es fehlt nur der Regenschirm: Gerhard Schröder spielt Neville Chamberlain

Schröder und Fischer haben nichts gelernt / Von Jeffrey Herf


Auf der diesjährigen Wehrkundetagung in München beschwor der amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld die Europäer, nicht die Fehler der dreißiger Jahre zu wiederholen, als die Demokratien und der Völkerbund sich unfähig zeigten, die faschistische Aggression zu verhindern. Den Presseberichten zufolge kamen solche Lektionen über die Lehren des Münchener Abkommens nicht nur aus den Vereinigten Staaten. Der portugiesische Verteidigungsminister Paolo Portas erinnerte den deutschen Außenminister Joschka Fischer an das Scheitern des europäischen Pazifismus in den dreißiger Jahren, angefangen bei der Unfähigkeit, den Aufstieg des Faschismus zu verhindern. Fischer erwiderte brüsk, darüber brauche man mit ihm nicht zu reden, und wies darauf hin, daß er den Einsatz bewaffneter Gewalt im Kosovo und in Afghanistan befürwortet habe.

Doch es ist sehr wohl notwendig, daß Portas und andere mit Außenminister Fischer und vielen anderen Deutschen "darüber" reden. Denn obwohl die Deutschen sich in den letzten Jahrzehnten intensiv um eine "Bewältigung der Nazivergangenheit" bemüht haben, blieb die Frage der Beschwichtigungspolitik, des Zusammenbruchs der kollektiven Sicherheitssysteme und des Verzichts auf einen Präventivkrieg gegen Hitler weitgehend ausgespart. Der einhellige Widerstand der Schröder-Regierung gegen die amerikanische Irak-Politik hat diesen Aspekt der politischen Kultur Deutschlands nun in den Vordergrund gerückt.

"The Gathering Storm" von Winston Churchill, ein Buch, das in den Bibliotheken amerikanischer und britischer Liberaler immer noch einen wichtigen Platz einnimmt, hat im intellektuellen Leben Deutschlands nach dem Krieg nur eine sehr geringe Rolle gespielt. Churchills Vermächtnis war für Nachkriegsdeutschland schon immer unbequem. Allen, die keine Argumente für militärische Stärke oder Kriege jedweder Art hören wollten, war Churchills Botschaft unangenehm. Denn er vertrat die Auffassung, daß ein entschiedenes militärisches Auftreten oder eine präventive Besetzung Nazideutschlands 1938 die weitaus größere Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust hätte verhindern können. Er erinnerte seine Nachkriegsleser an die noch unangenehmere Tatsache, daß es nur dank militärischer Stärke möglich gewesen war, Nazideutschland zu besiegen.

Derselbe Churchill, der nach dem Beginn des Rußlandfeldzugs am 22. Juni 1941 der Sowjetunion ein Bündnis anbot und an diesem Bündnis bis zum Ende des Krieges festhielt, gehörte in der Frühzeit des Kalten Kriegs zu den ersten Stimmen, die vor der sowjetischen Bedrohung warnten. Viele deutsche Linke und Liberale verbanden Churchills Namen offenbar vor allem mit dem Kalten Krieg und dem Antikommunismus der Nachkriegszeit und vergaßen jenen Churchill, der den Kampf gegen Nazideutschland angeführt hatte. Wenn Konservative, von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl, die Lehren des Münchener Abkommens auf westdeutsche Ängste vor der Sowjetunion anwandten, so war das für die Linke ein Grund, Churchills Botschaft mit deutschen Politikern zu assoziieren, gegen die sie opponierte. Vielen Mitgliedern der SPD und der Grünen war die Anwendung dieser Lehren auf den Kalten Krieg suspekt, weil sie sich dadurch an den - wenn auch ganz anders gearteten - Antikommunismus der Nazis erinnert fühlten.

"Vergangenheitsbewältigung" bedeutete in Westdeutschland und dann im wiedervereinigten Deutschland in erster Linie, an "Auschwitz" zu denken und alles zu tun, um eine Wiederholung zu vermeiden. Das ist einer der Gründe, weshalb Außenminister Fischer sich über die Vorwürfe des pazifistischen Flügels seiner eigenen grünen Partei hinwegsetzte und eine Intervention Deutschlands und der Nato im Kosovo zur Verhinderung ethnischer Säuberungen befürwortete und warum er den amerikanischen Krieg gegen die fundamentalistischen Islamisten in Afghanistan unterstützte, die in vielem an den europäischen Faschismus der dreißiger und vierziger Jahre erinnern. Damit traf Fischer eine breite Grundstimmung der Deutschen, die eine militärische Beteiligung Deutschlands gutheißen, wenn es darum geht, ein neues Auschwitz zu verhindern oder auf den Terroranschlag vom 11. September wie auch weitere Drohungen der Al Qaida zu reagieren.

Aber er selbst und stärker noch der diplomatisch ungeschickte Bundeskanzler Schröder treffen eine ebenso breite Grundstimmung der Deutschen, wenn sie einem von Amerika geführten Krieg zur Entwaffnung und zum Sturz Saddam Husseins ein entschiedenes und eindeutiges Nein entgegensetzen. Doch weder Schröder noch Fischer können überzeugend darlegen, weshalb Saddam ohne die Drohung eines amerikanischen Angriffs abrüsten sollte. Im Juni 1983, in den bittersten Augenblicken des Streits um die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Westdeutschland und Westeuropa, verglich Fischer als frischgebackener Bundestagsabgeordneter der Grünen die Logik der nuklearen Abschreckung und gegenseitig angedrohten Vernichtung mit der "Systemlogik der Moderne", die zu Auschwitz geführt habe. Der Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler, löste im Bundestag einen Sturm der Entrüstung aus, als er Fischer und der Friedensbewegung vorhielt, der Pazifismus und die Beschwichtigungspolitik der demokratischen Staaten gegenüber der deutschen Diktatur in den dreißiger Jahren hätten Auschwitz erst möglich gemacht.

Otto Schily, der damals noch den Grünen angehörte, nannte Geißlers Behauptung daraufhin absolut schändlich. Schily, Fischer und die SPD-Abgeordneten des Bundestags sahen in Geißlers Verweis auf Churchills Argumente einen Versuch, Nazideutschland von der Verantwortung für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs freizusprechen, und wiesen, was den Umgang der Demokratien mit Diktaturen betraf, den Vergleich zwischen den achtziger und den dreißiger Jahren als falsch zurück.

Die Debatten im Bundestag und die öffentliche Diskussion über diese Fragen während des Streits um die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa machen deutlich, daß abgesehen von einigen Beratern von Helmut Schmidt und von einigen FDP-Mitgliedern, die Hans-Dietrich Genscher nahestanden, in Deutschland nahezu ausschließlich rechts von der Mitte angesiedelte Politiker bereit waren, Churchills Argumente aufzunehmen und vor den Gefahren von Konzessionen gegenüber dem sowjetischen Druck zu warnen. Man hat den Eindruck, daß viele liberale und linke Politiker, Journalisten und Intellektuelle in Deutschland "The Gathering Storm" niemals gelesen hatten.

Angesichts der späteren Ereignisse, vor allem des Sturzes der Hardliner im Kreml, der Wahl Michael Gorbatschows zum Generalsektretär der KPdSU, des 1987 geschlossenen Abkommens über die Reduzierung der Mittelstreckenwaffen, das auf Reagans oft belächelter "zero-option" von 1981 basierte, und alles dessen, was seit 1989 geschah, sollte man eigentlich erwarten, daß zumindest einige Gegner des Nato-Doppelbeschlusses von 1983 ihre alte Position überdacht und die Vorzüge der von den Vereinigten Staaten und ihren Nato-Verbündeten in den achtziger Jahren verfolgten harten Linie erkannt hätten. Doch in Deutschland und anderen europäischen Staaten schrieb man den Löwenanteil des Verdiensts an diesen wunderbaren Entwicklungen offenbar Michael Gorbatschow zu. Ohne die Nachrüstung aber wäre Deutschland heute höchstwahrscheinlich immer noch geteilt und die Sowjetunion wäre immer noch ein Problem. Nur wenige begreifen die Machtpolitik, die eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands und das Ende des Kalten Kriegs ermöglicht hat.

So sind wir denn heute an einem schrecklichen Punkt angelangt. Die Regierung Schröder lehnt einen Krieg gegen den Irak entschieden ab. Als erster Diktator seit Hitler vereint Saddam Hussein in seiner Politik Elemente des europäischen Faschismus und Stalinismus, blutigen Terror gegen die eigene Bevölkerung, Aggressivität gegenüber anderen Staaten, Antizionismus und Antisemitismus, den eindeutigen Wunsch, die Kontrolle über bedeutende Teile der weltweiten Ölversorgung zu erlangen, sowie eine unbeirrbare Entschlossenheit, sich chemische, biologische und nukleare Waffen zu beschaffen. Anders als einst die Sowjetunion hat er eindeutig bewiesen, daß er sich nicht durch eine verstärkte nukleare Abschreckung beirren läßt.

Angesichts dieses Regimes sollte man eigentlich hoffen, daß alle größeren Staaten der Erde und innerhalb des atlantischen Bündnisses eine harte Linie gegen den Irak befürworteten und daß gerade Deutschland zu den entschiedensten Verfechtern solch einer Linie gehörte. Das heißt, daß man einen Krieg mit dem Irak für das Frühjahr 2003 ins Auge faßt und nicht bis 2004 oder 2005 wartet, wenn Saddam Hussein sich noch mehr chemische, noch mehr biologische und vielleicht sogar nukleare Waffen beschafft hat. Es heißt, die Bedrohung durch das irakische Regime nicht mehr zu unterschätzen und nicht zu glauben, die UN-Resolutionen ließen sich ohne glaubwürdige Androhung von Gewalt durchsetzen. Doch leider ist deutlich geworden, daß die führenden deutschen Politiker und offenbar auch weite Teile der Öffentlichkeit sich nicht an Churchills Lehren erinnern wollen oder sie gar nicht erst zur Kenntnis genommen haben: daß es besser ist, falls nötig, einen kleineren, kürzeren Krieg gegen einen aggressiven Diktator zu führen als später einen viel längeren und schrecklicheren Krieg führen zu müssen.

Viele Menschen in Washington und New York haben in diesem Winter Kenneth Pollacks Buch "The Threatening Storm: The Case for Invading Iraq" gelesen. Bevor die Deutschen jedwede Parallele mit einem nicht länger überzeugenden europäischen Hochmut als gegenstandslos abtun, denken sie hoffentlich noch einmal intensiv über die Bedrohung nach, die der Irak für Deutschland darstellt. Kurzfristig betrachtet, ist jedoch bereits großer Schaden angerichtet worden, und wir hier in Amerika können nicht mehr auf das Urteilsvermögen und die historische Einsicht zumindest dieser deutschen Bundesregierung zählen.

Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff.


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Je länger der Streit zwischen der amerikanischen und der deutschen Regierung sich hinzieht, desto deutlicher tritt hervor, daß es kurzsichtig war, Schröders Irak-Politik dem Opportunismus einer wahlkämpfenden Spielernatur zuzuschreiben. Die Hartnäckigkeit des deutschen Widerspruchs läßt auf eine Art Glaubenskern schließen, ein grundsätzlich anderes Politikverständnis. Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf findet die Prinzipien, nach denen der Kanzler und sein Außenminister sich richten, in der Geschichte der achtziger Jahre wieder - und in der damaligen Weigerung der deutschen Linken, aus der Geschichte der dreißiger Jahre zu lernen. Herf, Professor an der University of Maryland, wurde bekannt durch seine Untersuchung des "reaktionären Modernismus" in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, der er Monographien zur Nachrüstungsdebatte und zur "Vergangenheitsbewältigung" folgen ließ.
 

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Gerd legt nach

 
  
    #111
11.02.03 10:21

Erst die UNO, jetzt die NATO - Dranbleiben Gerd?

Von Berthold Kohler


Es ist erst ein gutes halbes Jahr her, daß der Bundeskanzler den Deutschen in einem Wahlkampf versprach, unter ihm werde Deutschland sich nicht an einem Krieg gegen den Irak beteiligen. Dieses Wort zu halten war nicht schwer, denn ein militärischer Beitrag Berlins ist weder damals noch heute verlangt worden. Die Bundesregierung hätte auch weiterhin diese - diskussionswürdige - Haltung vertreten und die gerechtfertigten Zweifel am Nutzen einer militärischen Lösung äußern können: auf dem Wege der stillen Einflußnahme unter Verbündeten, wie sie etwa Großbritannien ausübt. Doch der Kanzler und seine Koalition wählten den Weg der öffentlichen, ehrabschneiderischen Konfrontation mit der Weltmacht Amerika und deren Präsidenten. Er, nicht Saddam Hussein, ist der Gegner, den sich Schröder in diesem Ringen nicht nur um Krieg und Frieden, sondern um die Weltordnung gewählt hat, und die Reaktionen der Amerikaner lassen keinen Zweifel daran, daß sie das wissen.

Es spricht einiges dafür, daß die Dekonstruktion des Ansehens und des Einflusses, die Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erwarb, nicht allein einem Wahlkampfkalkül geschuldet sein kann. Die Zerstörungsenergie, die in Berlin freigesetzt wird, ist kaum ohne ideologische Quellen denkbar. Seit der Kanzler seine Politik in dieser Sache auch zu einer Frage seiner eigenen Glaubwürdigkeit erklärte, ist darüber hinaus eine Selbstbindung eingetreten, die den Eskalationsprozeß vorantreibt. Die vorläufig letzte erklommene Stufe war Schröders Ankündigung gewesen, Deutschland werde auch im Sicherheitsrat keinesfalls einem Krieg gegen den Irak zustimmen, gleichgültig, was in Bagdad ans Licht kommt (oder eben nicht) und wie der Rest der Völkergemeinschaft urteilt. Für die radikale Konsequenz der "Ohne uns"-Politik nahm Schröder sogar einen Kollateralschaden an den Vereinten Nationen in Kauf: Er erklärte deren Beschlüsse, Untersuchungsaufträge und Einsichten schlicht für irrelevant - in einer Sache, in der es nicht um Umweltrichtlinien, sondern um den Weltfrieden geht.

Ein Bündnis wie die Nato, in der es noch viel stärker auf Verläßlichkeit und Solidarität ankommt, hat von einem so grundsätzlichen Streit zweier seiner Mitglieder nicht verschont bleiben können. Formell haben Frankreich (das sich schon immer mit der Vormachtstellung Amerikas innerhalb und außerhalb des Bündnisses schwertat) und Belgien (das einst das Skifahren in Österreich ächtete) verhindert, daß mit den Planungen für die Verteidigung der Türkei im Falle eines Krieges im Irak begonnen wird. Doch auch in der Nato steht Deutschland als der Anführer der Rebellion gegen Amerika da. Bisher hatte Berlin versucht, eine klare Trennlinie zu ziehen zwischen seinem Streit mit den Vereinigten Staaten im bilateralen Verhältnis und seinen Verpflichtungen, die sich aus der Nato-Mitgliedschaft ergeben. Auch das ging nicht ohne Eiertänze, etwa um den Einsatz der Awacs-Flugzeuge. Im Fall der Türkei rührt Berlin aber am "heiligen" Grundsatz der Nato, dem wechselseitigen Beistand im Falle eines Angriffs, der sehr viel stärker politisch als rechtlich begründet ist.

Berlin macht die Nato damit ebenfalls zum Schauplatz seiner Auseinandersetzung mit Washington - in einer Zeit, in der die Amerikaner Nutzen und Kosten ihrer Bündnisse überprüfen. Zwar stimmt es, daß die Nato schon viele Krisen überstanden hat. Der Streit über die Irak-Politik ist jedoch die erste Zerreißprobe, seit die äußere Bedrohung durch die Sowjetunion, die das Bündnis wie eine eiserne Klammer zusammenhielt, wegfiel und, was noch wichtiger ist, verblaßte.

Das Interesse Deutschlands am Fortbestand der Nato hat das jedoch nur wenig schmälern können. Der Wert des Bündnisses liegt in der Stabilität, die es weit in den europäischen Osten projiziert. Auch diese politische Macht erwächst zu einem großen Teil aus dem Willen und der Fähigkeit Amerikas, sich in Europa zu engagieren, politisch und - wenn nötig, wie etwa im Kosovo - militärisch. Die Europäische Union wird diese Ordnungsfunktion noch lange nicht allein ausüben können. Umgekehrt eröffnet erst der Schulterschluß mit Amerika den Europäern Einfluß und Gestaltungsmöglichkeiten in der nichteuropäischen Welt. Der transnationale Terror, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bedrohen beide Seiten des Atlantiks. Ihr Bindeglied ist die Nato.

Schon deswegen war es unverantwortlich, den legitimen Meinungsgegensatz mit der Führungsmacht dieses Bündnisses in einen Glaubenskrieg zu verwandeln. Deutschland ist, ob es einem gefällt oder nicht, stärker auf Amerika angewiesen als umgekehrt. Was Berlin bisher erreichte - was eigentlich? -, steht in keinem Verhältnis zu dem, was es dafür opferte. Will Berlin künftig ganz und allein auf Paris bauen, das immer an erster Stelle seine eigenen Interessen verfolgen wird? Die "jungen" Europäer sind, nicht zuletzt getrieben von schlechten Erinnerungen an ein unberechenbares Deutschland auf Sonderwegen, mit fliegenden Fahnen zu den Amerikanern übergelaufen. Und glaubt jemand in Berlin, daß Rußland und China wegen des Iraks ihre guten Beziehungen zu Amerika opfern werden, nach deutschem Vorbild?

Unverkennbar versucht Berlin der Isolation zu entkommen, die es bestreitet. Die eingesetzten Mittel, wie der schon wieder dementierte "Geheimplan", sind jedoch untauglich; der dilettantische Umgang mit ihnen, am Wochenende in München zu besichtigen, vergrößert noch den Schaden. Am schlimmsten jedoch ist, daß die Bundesregierung nicht beherzigt, was sie von den Amerikanern fordert: an das "Danach", den Tag und die Jahre nach dem Krieg, zu denken. Während der zwar - auch wegen der von Deutschland unterminierten Drohkulisse - wahrscheinlicher geworden, aber noch nicht gewiß ist, liegen fünf Jahrzehnte deutscher Außenpolitik schon in Trümmern vor uns. Daß Schröder einen Plan für den Wiederaufbau hätte, ist nicht zu erkennen.  

3263 Postings, 9087 Tage DixieDie Rolle Deutschlands in der Nato

 
  
    #112
11.02.03 15:17
Leitartikel zur Rolle Deutschands in der Nato.




Seit Jahren macht unter Chronisten die Frage die Runde, ob die rot-grüne Koalition in Berlin etwas Historisches zu Stande bringen würde. Ungeahnte Reformen am Arbeitsmarkt? Aufbruch zu neuen Zeiten im Sozialwesen? Inzwischen weiß man: Gravierende Neuerungen, die eines Tages noch im Geschichtsbuch nachzulesen sind, gibt es wohl vor allem in der Außenpolitik.

Indem die Regierung Schröder nein sagt zu dem von der Türkei erbetenen Schutz vor Raketenangriffen aus dem Nachbarland Irak, hat sie die Verantwortung für eine Krise der Nato auf sich geladen. Rechtfertigend auf Paris zu verweisen hat wenig Sinn: Frankreich spielte stets eine Sonderrolle, es ist nicht in die Militärstrukturen des Bündnisses eingebunden. Auch das Nein Belgiens hat wenig Gewicht. Die Absage aus Deutschland dagegen ist eine weltpolitische Sensation – auch wenn Berlin betont, es gehe nur um Zeitpläne für militärische Planungen.

Gerhard Schröder betreibt eine neue deutsche Außenpolitik: eine Außenpolitik, die auf Diplomatie verzichtet, eine Außenpolitik, die allein im Kanzleramt fabriziert wird; eine Außenpolitik auch, bei der man es schon mal auf die Methode von Versuch und Irrtum ankommen lässt: Mal gucken, was passiert.

Muskelspiel in Zeiten der Schwäche

Wer nach den Motiven forscht, stößt nicht allein auf hehre Friedensliebe. Eher schon spielt eine Rolle, dass der deutsche Kanzler in Berlin es den Amerikanern mal richtig zeigen will – in verhängnisvoller Überschätzung seiner Macht und in verhängnisvoller Unterschätzung dessen, was dies im Ausland bewirkt. Beklemmend ist das zeitliche Zusammenfallen einer seit Schröders Amtsantritt nie dagewesenen Schwäche der SPD mit einem nie dagewesenem außenpolitischen Muskelspiel. Sollen über spektakuläre außenpolitische Manöver jene Massen wieder beeindruckt werden, die sich soeben von der SPD abgewandt haben?

Es gibt noch eine schlichtere, gleichfalls unansehnliche Deutung: Angst vor dem plötzlichen Machtverlust. Ein Einsatz deutscher Soldaten zur Bedienung des Patriot-Raketenabwehrsystems in der Türkei würde als Kriegseinsatz gewertet – und für den bräuchte Schröder einen Beschluss im Bundestag. Zu einem solchen Beschluss ist die rot-grüne Koalition nicht in der Lage, jedenfalls nicht mit der „eigenen“ Mehrheit. Schon beim Friedenseinsatz in Mazedonien musste Schröder die Vertrauensfrage stellen, um SPD und Grüne auf Linie zu bringen. Stünde die Regierung in der Türkei-Frage ohne eigene Mehrheit da, könnte der Rücktritt des Kanzlers die Folge sein. Also weicht Berlin lieber ganz aus und verabschiedet sich von Bündnispflichten. Das hat den Vorteil, dass Rot-Grün erstmal weiterregieren kann. Man sollte aber wenigstens aufhören, dies alles noch feierlich als Friedenspolitik zu bewimpeln.

Militärisch, das muss jedem klar sein, ändert das Berliner Manöver im Fall der Türkei herzlich wenig. Notfalls liefern die Amerikaner das Raketenabwehrsystem abseits der Nato, im Rahmen bilateraler Abmachungen. Die konkreten Folgen des neuen Berliner Kurses sind eher langfristiger Natur. Wie war das nochmal mit der besonderen Freundschaft zu den Türken? Hatten nicht viele Berliner Außenpolitiker von der zentralen Rolle der Türkei in einer wichtigen Weltregion gesprochen? Alles Pustekuchen.

Die Bedeutung von Bündnissen

Selbst Wohlmeinenden fällt es mittlerweile schwer, in der deutschen Außenpolitik noch nachvollziehbare Konturen zu finden. Bitter bestraft wurden jene, die sich am Sonntag freuten, weil es angeblich einen deutsch-französischen Friedensplan für den Irak gab. Schon am Montag mussten sie einsehen, dass dieser Plan nicht nur viele offene Fragen mit sich bringt, sondern vor allem den Nachteil hat, dass er gar nicht existiert. Skizzen, die sich eine Regierung nicht offiziell zu eigen macht, bleiben bloße Skizzen. Da ändert auch Freundlichkeiten von Wladimir Putin nichts.

Schröder sollte nicht noch mehr Gas geben in der Sackgasse. Der Kanzler soll aufhören, Joschka Fischer, seinen besten Minister, vor aller Welt lächerlich zu machen. Dazu gehört auch, dass Schröder die Bedeutung funktionierender Bündnisse eingesteht. Eben erst hat es in Kabul geknallt, nahe dem deutschen Lager gingen Raketen nieder, vermutlich abgeschossen von radikalen Moslems. Was will die Bundeswehr tun, wenn unsere rund 2000 Soldaten dort eines Tages eingekesselt werden von überlegenen Kräften der Islamisten? Wer soll die jungen Deutschen da rausholen? Die Amerikaner vielleicht? Mit Hilfe der Türken?




Matthias Koch

 

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Willy II?

 
  
    #113
11.02.03 20:56

Nur ein Spiel - Schröders größtes Solo

Von Markus Deggerich

Der Kanzler spielt Alles oder Nichts. Die SPD schwört er auf heiße Tage ein, die auch über sein politisches Schicksal entscheiden. Er hält sich nicht für isoliert, sondern für den Vorkämpfer einer weltweiten Friedensbewegung. Schon reden erste Fans vom Friedesnobelpreis für Schröder.

Berlin - Immer wenn die Krise am größten erscheint, sucht Gerhard Schröder die Flucht nach vorne. In unausgesprochener Konkurrenz zu Joschka Fischer preschte er mit der deutsch-französischen Friedensinitiative vor und brüskierte in den Augen vieler Grüner seinen Vizekanzler. In der SPD stilisiert er sich zum populären Vorreiter einer weltweiten Friedensbewegung und überdeckt damit die innerparteiliche Diskussion für den innenpolitischen Reformkurs.

In glänzender Form habe er sich der Fraktion am Montagabend präsentiert, berichten SPD-Abgeordnete. In einer Sondersitzung der Fraktion lieferte Schröder eine feurige Rede. 80 Prozent seiner Erklärungen widmete er der Irak-Krise. Der Kanzler sei von den Abgeordneten "auf Händen getragen" worden, schwärmte Fraktions-Vize Ludwig Stiegler.

Der Kanzler schwebt über den Dingen. Fast trotzig verteidigte er seinen Irak-Kurs und die nicht selten widersprüchliche deutsche Haltung. Die Trübsal nach den Desastern bei den Wahlen in Hessen und Niedersachsen wollte Schröder vertreiben und die SPD-Reihen schließen für die zu erwartenden schweren Konflikte. Für ihn geht es in den nächsten Tagen und Wochen um alles oder nichts: Die Opposition hält ihn jetzt schon für rücktrittsreif.

Während Schröder vor der Fraktion selbst in den Ring stieg, schickte die Regierung am Dienstag ihre Beamten in Berliner Hintergrundkreise, um die veritable Nato-Krise in Watte zu packen. In der Bundesregierung werden keine ernsthaften Konsequenzen für die Nato als Folge der Türkei-Abstimmung erwartet, bei der Frankreich und Belgien mit deutscher Billigung ihr Veto eingelegt hatten. Eine Zustimmung zu den militärischen Vorausplanungen für die Türkei wären aus deutscher Sicht ein "falsches Signal" gewesen, weil damit die Dynamik eines Krieges verstärkt worden wäre, ließ Schröder am Dienstag streuen. Ganz nebenbei lässt man dann einfließen, dass sich die deutsche Haltung zu dieser Frage in einer Woche oder ein, zwei Monaten vielleicht doch noch ändern könnte, falls der Irak durch mangelndes Entgegenkommen die Lage von sich aus wieder verschärft.


Kanzler streut Harmonie

Nicht völlig auszuschließen sei auch eine Situation, in der Deutschland nach einem Scheitern aller Friedensbemühungen wegen des Widerstands Bagdads oder aus anderen Gründen Zwangsmaßnahmen billigend in Kauf nehmen könnte, hieß es in Regierungskreise weiter. Unverzichtbare Voraussetzung dafür sei jedoch eine Billigung durch den Uno-Sicherheitsrat.

Auch mit der Entscheidung der Regierung, den USA im Kriegsfall auf jeden Fall Überflugrechte einzuräumen, sei signalisiert worden, dass Zwangsmaßnahmen nicht auszuschließen seien. Ein Überfall des Irak auf einen Nachbarstaat, wie auf Kuweit als Auslöser des vorigen Golf-Krieges 1991, könnte beispielsweise dazu führen, dass die bisherige deutsche Haltung sich ändert.


Kanzler als Friedensfürst

In der SPD gab als einziger Hans-Ulrich Klose in der Fraktions-Aussprache eine kritische Sicht zur Schröderschen Irak-Politik zu Protokoll. Der SPD-Außenpolitiker stand damit jedoch allein.

Friedensfürst Schröder schwört seine Leute ein: Von schwerwiegenden "Weichenstellungen" für die nächsten 10 bis 15 Jahre sprach der Kanzler, von nicht weniger als einer "historischen Entscheidung". Im Kern gehe die Frage um Krieg und Frieden darum, ob nur noch eine einzige Macht auf der Welt das Sagen habe oder ob sie multipolar bleibe, also nicht nur von Gnaden der einzigen Supermacht USA abhängig ist. Nur der eigenen Bevölkerung fühle er sich mit seinem Nein zum Krieg verpflichtet, nicht anderen Ländern oder Regierungschefs, kehrte Schröder den Volkskanzler raus. Rot-Grün habe von den Menschen das Mandat erhalten, sich für den Frieden einzusetzen. Und dabei werde es bleiben. Basta.

Stolz verlas Schröder vor den Abgeordneten die gemeinsame Irak-Erklärung von Deutschland, Russland und Frankreich, um dann daraus die gewagte Ableitung zu formulieren: Berlin sei nicht isoliert, wie in Washington und anderswo ständig behauptet werde. Im Gegenteil: Immer mehr Länder stellten sich hinter die deutsche Position, dem Frieden doch noch eine Chance zu geben. Dies werde sich schon in den nächsten Tagen zeigen, hieß es am Dienstag im Kanzleramt. Schröders Freund Wladimir Putin, Russlands Präsident, werde nun auch noch in China für ein Nein im Sicherheitsrat werben.


Selbstbewusstsein zeigen

Zunehmend selbstbewusst analysiert das Kanzleramt die Ausgangslage: Von einer Mehrheit im Uno-Sicherheitsrat sei Washington weit entfernt. Großbritannien, Spanien und Bulgarien - nur auf diese Stimmen könnten die USA derzeit sicher bauen, wenn sofort über einen Krieg abgestimmt würde. "Der Rest trägt die deutsche Haltung mit", lauteten die Erkenntnisse, bevor der Kanzler am Mittag nach Lanzarote aufbrach. An zwei Tagen wird er dort mit Spaniens Regierungschef José María Aznar reden. Dass er Aznar, den nach dem britischen Premier Tony Blair und engsten Verbündeten von George W. Bush in der EU, vielleicht auch noch auf seine Seite ziehen kann, damit rechnete der Kanzler aber wohl selbst nicht. Aznar gehörte zu den Mitinitiatoren des Briefes europäischer Staaten, die den USA auf ihrem Kurs folgen wollen.

Schröder spielt mit vollem Einsatz: Ein Zurück gibt es für ihn gerade nach den klaren Aussagen vor der Fraktion kaum noch. Noch lassen sich die Abgeordneten mitreißen. Einige sehen ihren Chef sogar schon auf den Spuren Willy Brandts: Gelingt die friedliche Entwaffnung Iraks, wäre Schröder in ihren Augen wie "Willy selig" ein Kandidat für den Friedens-Nobelpreis. Scheitert er, wird er tief fallen.
 

59073 Postings, 8564 Tage zombi17Sich eine eigene Meinung ..

 
  
    #114
11.02.03 21:00
..zu bilden , ist wohl zu viel verlangt?  

95441 Postings, 8524 Tage Happy Endzombi, gib es auf!

 
  
    #115
11.02.03 21:07
bei anarch ist es doch so:

Wenn Schröder bei seinem Nein bzgl. dem Krieg bleibt, ist es falsch

...und wenn Schröder zustimmen würde, wäre es auch falsch - denn dann würde anarch mit noch mehr Vehemenz ihm Wahllüge vorwerfen...

 

19279 Postings, 8907 Tage ruhrpottzockerZwischendurch hatte der Thread echt Qualität -

 
  
    #116
11.02.03 21:16

gerade auch wegen der kontroversen Diskussion. Aber es war eine Diskussion.

Für meine Mitdiskutierer fürchte ich Schlimmes. Anscheinend sind die billigen Phrasendrescher eingedrungen.

Ich hab ja Glück. Alles graue Balken !    

805 Postings, 8250 Tage C.F.GaussWenn das Dein ganzes Glück ist... o. T.

 
  
    #117
11.02.03 21:38

3263 Postings, 9087 Tage Dixie.

 
  
    #118
12.02.03 08:15

3263 Postings, 9087 Tage DixieWilhelm der Zweite läßt grüßen

 
  
    #119
12.02.03 08:19
Wilhelm Zwo läßt ganz herzlich grüßen

Schröders Berlinale: Auftritt Wilhelm Zwo


Immer falsch beurteilt zu sein, zu sehen, wie meine wiederholten Freundschaftsangebote mit mißtrauensvollen Augen nachgeprüft werden, stellt meine Geduld auf eine harte Probe.

Wilhelm II. am 28. Oktober 1908 im "Daily Telegraph".

Jetzt hat er seine "Daily Telegraph"-Affäre. Jetzt hat er einen Grad an Verantwortungslosigkeit erreicht, der aus seiner Regierung ein Regiment und aus seinem Stil einen persönlichen macht. Edmund Stoiber sprach in dieser Zeitung von Fehlern in der deutschen Außenpolitik wie unter Wilhelm II., und das hat Widerspruch und Protest hervorgerufen. Ganz zu Unrecht, wie selbst dem oberflächlichen Betrachter klar sein müßte. Schröders linker Wilhelminismus ist umgekehrter Größenwahn. Da wir die Schlechtesten der Welt nicht mehr sind, wollen wir die Besten werden. Der Mann, der nach dem 11.September gedankenlos von "uneingeschränkter Solidarität" redete, redet jetzt genauso absolut von uneingeschränkter Nichtsolidarität. Wer zwang ihn zum einen wie zum anderen?

Er läßt seine Regierung in München, wo sich achtundzwanzig Außen- und Verteidigungsminister trafen, darunter die Vertreter Rußlands und Amerikas, vor aller Augen ins offene Messer laufen. Er läßt, wie der "Tagesspiegel" weiß, am Donnerstagabend im Bundeskanzleramt Rotwein auffahren. Er tafelt mit Redakteuren des "Spiegels". Ob er einfach nur redet oder ob ihm die "Spiegel"-Redakteure die Zunge lösen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Jedenfalls ist der Chef der Regierung die Hauptquelle jener Nachricht, die Carsten Voigt am Abend im Fernsehen "Indiskretion" nennen wird.

Und man muß sich die Szene welthistorisch vor Augen führen, um sie wirklich zu genießen: In Berlin befinden sich keine achtundzwanzig Minister verbündeter Staaten. In Berlin trifft man zu dieser Stunde George Clooney, Heidi Klum, Dustin Hoffman, Roger Moore, Christopher Lee und Michael Douglas. Dazu: Glitzer, Film-, Gesellschafts-, Klatschjournalisten, Smokings. Vielleicht liegt es an der plötzlichen Eingemeindung Hollywoods, daß man sich in der Stadt wie unter einer Glaskuppel bewegt. Manchmal schüttelt der Bundeskanzler diese Glaskugel, und es schneit.

Als Schneeglaskugel nämlich, so scheint es, sieht Gerhard Schröder die Welt, als ein Spielzeug, das die Komplexität der Welt auf Teletubbies reduziert. "Wir haben die nachfolgende Mitteilung aus einer Quelle von so unzweifelhafter Autorität erhalten, daß wir ohne Zögern die deutliche Kundgebung, die sie enthält, der öffentlichen Aufmerksamkeit empfehlen". Mit diesen Worten begann jenes Interview, das der Oberst Stewart Worseley im Oktober 1908 mit Wilhelm II. führte und das unter dem Titel "Daily-Telegraph Affäre" Weltgeschichte wurde. "Diskretion ist die erste und letzte Eigenschaft, die man von einem Diplomaten verlangt. Dennoch gibt es in der Geschichte der Völker Augenblicke, wo eine berechnende Indisrektion einen außerordentlichen Dienst gegenüber der Öffentlichkeit bedeutet". Der "Spiegel" hätte die Einleitung des "Daily-Telegraph" zu seiner machen können. Und wenn auch die Redaktion in Hamburg darauf hinweist, viele verschiedene Quellen zu haben, und vom Ergebnis eigener Recherchen spricht, so weiß doch jeder in Berlin und anderswo, daß Schröder der Informant in eigener Sache war.

Eine Sache von der, wenn nicht alle Zeichen trügen, keiner der anderen Beteiligten irgendetwas wußte; weder der Außen-, noch der Verteidigungsminister, noch Frankreich; ein Plan, der nur ausgeheckt und weitergegeben worden zu sein scheint, weil und damit er nicht funktioniert - eine Form mutwilliger Nichtpolitik, die zwischen James Bond und Dracula, zwischen Roger Moore und Christopher Lee in der Tat besser aufgehoben zu sein scheint, als bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

Wäre der Vorgang nicht so unglamourös, so traurig, so rotweinverhangen, man würde von Operettenpolitik reden. Es fehlt nur die Tapetentür, durch die der Regierungschef nach Plazierung der journalistischen Bombe verschwindet. Er macht Politik nicht mit den Mitteln des Diskurses, des Kabinetts oder der Konferenz. Er macht Politik noch nicht einmal mit den Mitteln der Medien und des Journalismus`. Seine Art der Politik ist zunehmend fiktionale Politik, und sie ist darin dem Mummenschanz Wilhelms II. durchaus verwandt. Schröder produziert fiktionale Ereignisse - heißen sie nun Rürup oder Hartz (auch durch den "Spiegel" vorthematisiert) oder Gerster. Diese Fiktionalisierung von Entscheidungsprozessen, die es weder als Prozesse gibt, geschweige denn, daß sie überhaupt als Entscheidungen anstehen, hat bei der sogenannten Nato-Blauhelm-Initiative ihren weltpolitischen Höhepunkt gefunden. Es ist nichts anderes als die Hartz-Nummernoper mit anderen Mitteln. Wir reden von Drehbüchern, Skripten, von Fiktionen.

Wie lange wird die deutsche Öffentlichkeit auf diese Form von, sagen wir: romantisch zurückhaltend, Traumpolitik noch hereinfallen? Wann wird sie merken, daß Schröders Wirklichkeit eher Berlinale als Berlin ist? Zwar trägt er keine Kostüme wie Wilhelm II., aber rhetorisch hat er sich längst bedient. Nicht nur Oskar Lafontaine ist die Schwundrhetorik aufgefallen, mit der der Regierungschef vom Nein zum Krieg "gegen" den Irak bis zum Nein zum Krieg "im" Irak sprach. Was also meint er? Was meinte er, als er im niedersächsischen Wahlkampf mit Blick auf den Irak davon sprach, er werde nicht aufhören für "Frieden im nahen Osten (!)" zu kämpfen? Die Pazifisten hören aus alledem nur: Frieden, unconditional peace. Es könnte sein, daß sie noch nicht einmal zu ahnen begonnen haben, was Schröders Friede heißt.

FRANK SCHIRRMACHER

Was ist eigentlich über euch gekommen, daß ihr euch einem Argwohn überlassen habt, der einer großen Nation nicht würdig ist?

Wilhelm II., "Daily Telegraph", 1908

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.2003, Nr. 36 / Seite 33  

2728 Postings, 7913 Tage anarch."Und wir haben uns immer abgestimmt."

 
  
    #120
12.02.03 09:40






Schröder sichert „volle militärische Bewegungsfreiheit“ zu

12. Februar 2003 Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat den Verbündeten volle militärische Bewegungsfreiheit in Deutschland auch für den Fall zugesichert, dass sie einen Irak-Krieg ohne UN-Mandat beginnen sollten.

Damit stellt sich Schröder gegen Stimmen aus der Koalition, nach denen den USA bei einem militärischen Alleingang die Nutzung ihrer Militärbasen in Deutschland untersagt werden müsse. Der Vize-Fraktionschef der Grünen, Hans-Christian Ströbele, zum Beispiel hält einen Krieg ohne neue UN-Resolution für „völkerrechtswidrig“. Deswegen dürfe die Bundesregierung ein solches Vorgehen weder direkt noch indirekt unterstützen.


„Es geht nicht um Juristerei“

Der Bundeskanzler bekräftigt jedoch in einem Interview des „Stern“ auf die Frage, welche Konsequenzen ein Angriff ohne Ermächtigung der UN für die deutsche Unterstützung hätte: „Ich habe immer erklärt, dass wir die Bewegungsfreiheit unserer Verbündeten nicht einschränken werden. Das bezieht sich auf die USA ebenso wie auf Großbritannien." Es gehe in dieser Frage „nicht um Juristerei, sondern um eine politische Entscheidung".

Deutschland werde sich an einem Irak-Krieg nicht beteiligen. „Eine direkte oder indirekte Beteiligung an einem Krieg wird es nicht geben", bekräftigte Schröder frühere Aussagen.


Umschwenken Frankreichs ausgeschlossen

Schröder schloss zugleich ein Umschwenken Frankreichs im Irak-Konflikt aus. „Frankreich und Deutschland haben im Weltsicherheitsrat eine gemeinsame Haltung eingenommen, und das wird so bleiben.“ Die Regierungen in Paris und Berlin haben sich dafür ausgesprochen, das Mandat der UN-Waffeninspektoren zu verlängern und auszuweiten, um einen Irak-Krieg zu vermeiden.

Außerdem sollen die Inspektoren durch UN-Blauhelmsoldaten geschützt werden. Er hoffe und erwarte, „dass der Konflikt über Kontrollen und die Vernichtung von Massenvernichtungswaffen ohne Krieg lösbar ist", sagte der Kanzler. Die Frage nach „Blauhelmen“ gehe jedoch „weiter, als die Tatsachen reichen". Die Frage nach der Legitimation dieser Soldaten stelle sich nicht, weil des darum gehe, dass Irak vollständig zu kooperieren habe. Die Beteiligung deutscher Soldaten an einer Blauhelm-Mission bezeichnete Schröder als theoretische Frage, auf die zu antworten sich nicht empfehle.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) ist nach Darstellung Schröders nicht von der Veröffentlichung des angeblichen deutsch-französischen Friedensplans überrascht worden sei. Er sagte dazu: „Es gibt gemeinsame Überlegungen, und wir haben uns immer abgestimmt.“  

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Wenn der Kanzler mit dem Spiegel ...

 
  
    #121
13.02.03 07:33

Regierung räumt Indiskretion des Kanzlers ein

Aktuelle Stunde zu „Spiegel“-Kontakten Schröders

 
Berlin  -  Einen Tag vor der für Donnerstag angekündigten Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zur Irak-Politik hat die Bundesregierung eingeräumt, dass Schröder am vergangenen Donnerstag Kontakt mit Journalisten des „Spiegel“ hatte. Der Staatsminister im Kanzleramt, Rolf Schwanitz (SPD), bestätigte dies gestern im Bundestag auf Nachfragen der Union. Sie hatte wissen wollen, ob ein „Spiegel“-Bericht über einen angeblichen deutsch-französischen Alternativplan zur friedlichen Entwaffnung des Irak mit Blauhelm-Soldaten auf Informationen aus der Bundesregierung zurückgeht.

In der daraufhin beantragten Aktuellen Stunde warf die Opposition dem Bundeskanzler eine „Geisterfahrt“ in der Außen- und Sicherheitspolitik vor. Wegen Schröders schwerer Fehler sei Rot-Grün jetzt mit dem Latein am Ende, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden. Der bisherige „Höhepunkt“ dabei sei der vom Kanzler in die Welt gesetzte „Geheimplan“ mit Frankreich für eine Friedenslösung gewesen. Nach Ansicht von Werner Hoyer (FDP) hat Schröder „auf dem Altar des innenpolitischen Taktierens“ die deutsche Bündnisfähigkeit aufs Spiel gesetzt.

 

3263 Postings, 9087 Tage DixieDie Wahrheit , Herr Schröder!

 
  
    #122
13.02.03 08:08
Die Wahrheit, Herr Schröder!
von Ulrich Clauss

Die aktuelle Fragestunde gestern im Bundestag hat bestätigt, was bislang nur als gesichert angenommen werden konnte: Bundeskanzler Gerhard Schröder hat tatsächlich letzte Woche Journalisten eines Hamburger Nachrichtenmagazins in einer höchsten Staatsangelegenheit eine Zeitungsente verkauft – ohne Absprache mit Außen- und Verteidigungsminister. Wer Peter Struck in den ersten Interviews nach den Vorab-Meldungen des „Spiegel“ über die angebliche deutsch-französische Blauhelm-Initiative am Wochenende im Fernsehen zuschaute, wurde Zeuge seines bemitleidenswerten Lavierens. Nicht viel besser war der Eindruck, den die Reihe von SPD-Abgeordneten abgab, die gestern im Parlament antreten musste, um ihren Kanzler am Vorabend seiner Regierungserklärung aus der Sache wieder herauszulügen.


Erstaunlich ist dabei zweierlei: Zum einen wundert der Gefolgschaftswille in der SPD-Fraktion, die es Schröder ermöglicht mit weiterer Legendenbildung seine reichlich spontaneistische Außenpolitik in Nebel zu hüllen. „Augen zu und durch“ ist offenkundig die Devise. Dabei nimmt Schröder – wie in der Wirtschaftspolitik während des letzten Bundestagswahlkampf – Partei und Fraktion in Mithaftung für eine Politik der kurzen Beine.


Zum zweiten sind diese Rettungsmanöver offenkundig ebenso flüchtig organisiert wie ihr Anlass am letzten Wochenende. Während der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler gestern noch Minuten vor der aktuellen Stunde in Fernsehinterviews den Spiegel-Journalisten sorgfältige Arbeit bescheinigte, zieh die SPD-Abgeordnete Zapf die selben Journalisten vom Rednerpult des Bundestages der Nachrichtenmanipulation. Die Frage muss erlaubt sein: Wer sagt hier eigentlich die Wahrheit?


Heute hat Bundeskanzler Schröder bei seiner Regierungserklärung ausreichend Gelegenheit, das zu tun, wozu in der Summe die SPD-


Abgeordneten gestern offenbar nicht fähig oder willlens waren: Die ganze Wahrheit zu sagen über den Stand seiner diplomatischen Bemühungen im Zusammenhang mit der Irak-Krise.


Fehler können passieren – die schlimmsten Fehler aber sind diejenigen, die gemacht werden um andere zu vertuschen. Sonst wird nicht nur die deutsche Außenpolitik sondern auch noch der Deutsche Bundestag diskreditiert.


Artikel erschienen am 13. Feb 2003
 

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Genossen über Genossen

 
  
    #123
14.02.03 09:01

Klose (SPD): Schröders Irak-Politik ist "folgenlose Rhetorik"

Schröder manövriert Deutschland aus / Von Hans-Ulrich Klose (SPD)


Wahrscheinlich ist es der alte Konflikt zwischen Außen- und Innenpolitik. Der Innenpolitiker muß, bevor er eine Entscheidung trifft, die innen- und parteipolitischen Konsequenzen seines Tuns und Redens bedenken. Der Außenpolitiker kann nur dann vernünftig entscheiden, wenn er die Probleme, die eigenen und die der Welt, mit den Augen der anderen betrachtet.

Der deutsche Kanzler hat in der Irak-Frage ausschließlich als Innen- und Parteipolitiker agiert. Als er sich auf das Nein gegen jede, auch UN-gestützte Militäraktion festlegte, bestand keinerlei außenpolitische Notwendigkeit, sich zu dieser Frage abschließend zu äußern. Anlaß, sich zu äußern, gaben allein die Umfragewerte für die eigene Partei kurz vor dem Wahlkampfauftakt. Sie waren schlecht und reflektierten die innenpolitische Lage.

Deshalb wurde mit der Wahlkampf-Auftaktveranstaltung in Hannover die Friedensfrage gestellt und von Veranstaltung zu Veranstaltung zunehmend mehr in den Mittelpunkt der Wahlauseinandersetzung gerückt.

Das innenpolitische Kalkül, daß die Deutschen wegen ihrer traumatischen Kriegserfahrungen in dieser Frage mit Mehrheit gegen einen Krieg und damit gegen die Vereinigten Staaten beziehungsweise deren Regierung Stellung beziehen würden, war wahltaktisch gut begründet und im Ergebnis erfolgreich. Der außenpolitische Schaden jedoch war und ist enorm, weil nicht bedacht wurde, wie unsere Partner reagieren würden, und weil die amerikanische Interessen- und Gefühlslage entweder nicht gesehen oder bewußt mißachtet wurde.

Wer Amerika verstehen will, muß sich immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen, daß dieses Land durch Einwanderung vor allem aus Europa entstanden ist. Die da kamen, flohen aus Europa, weil sie ohne Hoffnung waren, hungerten, unterdrückt und verfolgt wurden. Sie flohen in eine neue, wie sie hofften, bessere Welt, in den "safe haven", die sichere Zufluchtstätte Amerika. Emma Lazarus hat es in dem berühmten Vers, der seit 1903 die Freiheitsstatue schmückt, so ausgedrückt:

Give me your tired, your poor,

Your huddled masses yearning to breathe

free,

The wretched refuse of your teeming shore.

Send these, the hopeless, tempest-tost to me,

I lift my lamp beside the golden door!

Wer die Safe-haven-Philosophie der Amerikaner nicht kennt, kann nicht wirklich einschätzen, was der 11. September 2001 für Amerika bedeutet. Die sichere Zufluchtstätte Amerika war, das zeigte sich, nicht mehr sicher. Sie wurde attackiert von einem mordsüchtigen und unberechenbaren Gegner. Die Gefahr kam von außen und mußte bekämpft werden. Der Krieg gegen den Terror ist für Amerikaner wirklich ein Krieg, in dem sich Amerika in der Verteidigerposition sieht. Dies jedenfalls ist die gemeinsame Auffassung aller Amerikaner, auch jener, die in der aktuellen Debatte gegen einen Irak-Krieg votieren.

In Europa ist die Betrachtung anders. Die Menschen hier sehen sich nicht im Krieg, weil sie - Folge zweier Weltkriege - andere Vorstellungen vom Krieg haben. Und weil sie andere Vorstellungen haben, begreifen sie nicht, daß die Politik der amerikanischen Regierung aus deren Sicht defensiv ist, während sie in Europa als aggressiv empfunden wird.

Wie paßt das alles zum Thema Irak? Es paßt, weil in den Vereinigten Staaten unmittelbar nach den Anschlägen von New York und Washington eine Frage mit besonderer Intensität debattiert wurde: Was wäre geschehen, wenn die Terroristen nicht nur Flugzeuge als Waffen benutzt, sondern zudem Massenvernichtungsmittel besessen und eingesetzt hätten? Die Antwort auf diese Frage war einfach und schockierend: Dann wären nicht 3000, sondern hundertmal 3000 Menschen gestorben. Die reale Bedrohung, der sich Amerika - nicht nur Amerika, auch Europa - künftig ausgesetzt sieht, kommt von ideologisch auf Mord programmierten Terroristen, die über Massenvernichtungsmittel verfügen.

Daß Al Qaida jedenfalls versucht hat, sich solche Mittel zu verschaffen, ist bekannt. Daß dieser Versuch bisher mißlungen ist, auch. Die Amerikaner befürchten aber, daß künftige Versuche gelingen könnten, vor allem, wenn sogenannte Schurkenstaaten (kein sehr glücklicher Begriff) über solche Massenvernichtungsmittel verfügen. Es ist in der Tat eine schreckliche Vorstellung, daß solche Waffen weitergereicht werden oder außer Kontrolle geraten könnten.

Hier genau kommt der Irak ins Spiel, der Massenvernichtungswaffen besitzt und sie schon zweimal eingesetzt hat, einmal gegen seine eigene Bevölkerung im Norden, das andere mal im Krieg gegen Iran. Die Schwäche der amerikanischen Position ist, daß bisher eine Verbindung zwischen Saddam Hussein und Al Qaida nicht sicher nachgewiesen ist. Die Schwäche der europäischen und deutschen Politik liegt darin, daß sie die potentielle Gefahr, die von Saddam Hussein ausgeht beziehungsweise in Zukunft ausgehen könnte, unterschätzt und keine Antwort geben kann auf die höchst aktuelle Frage, wie denn der Irak anders als durch militärischen Druck zur Abrüstung gezwungen werden kann. Wenn der Kanzler sagt, er "kämpfe" für eine friedliche Lösung, dann klingt das gut, ist aber in Wahrheit folgenlose Rhetorik, die mehr auf die Stimmungslage der deutschen Bevölkerung reagiert als auf die tatsächliche Bedrohungslage. Und es ist eben diese Rhetorik, die Verantwortung (für den Frieden) beansprucht, aber nicht wirklich Verantwortung übernimmt, die uns ins Abseits manövriert hat. Auch in Europa.

Dazu haben vor allem zwei Fehler beigetragen: Zum einen hat der Kanzler seine Rede zum Wahlkampfauftakt, den innen- und den außenpolitischen Teil, unter die Überschrift vom "deutschen Weg" gestellt. Hätte er nicht wissen müssen, daß das kollektive Gedächtnis unserer europäischen Nachbarn deutsche Wege in der Außenpolitik mit äußerstem Mißtrauen begleitet? Zum anderen hat der Kanzler sein ungefragtes Nein zu jeder militärischen Option unilateral verkündet, ohne die europäischen Partner, Frankreich vor allem, und die Vereinigten Staaten zu konsultieren. Er hat damit genau das getan, was er den Amerikanern vorwirft: ihre Neigung, unilateral zu handeln. Er hat damit zugleich gegen Grundprinzipien deutscher Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg verstoßen. Nie wieder deutsche Sonderwege beschreiten, die unweigerlich ins Abseits führen, immer multilateral im Verbund mit Partnern agieren - das war (ist?) die gemeinsame außenpolitische Philosophie, die uns am Ende auch die deutsche Einheit gebracht hat, mit Zustimmung aller unserer Nachbarn und mit besonderer Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Ob es sinnvoll und zutreffend ist, den Kanzler mit Wilhelm II. zu vergleichen, weiß ich nicht. Der Kaiser war ungeübt im Umgang mit Medien, was man von Schröder nicht behaupten kann. Die Rhetorik ist zudem verschieden, die Folgen sind unvergleichlich. Allenfalls dies läßt sich sagen: daß die Folgenabschätzung - falls sie überhaupt stattgefunden hat - bei jenem und bei diesem fehlerhaft war und ist.

Daß der deutsche Bundeskanzler unser Land bewußt in eine Konfrontation mit den Vereinigten Staaten und ins europäische Abseits führen wollte, wird niemand behaupten wollen. Daß dies aber das Ergebnis seiner innenpolitisch motivierten Rhetorik ist, das freilich kann nicht geleugnet werden. Leider.  

2728 Postings, 7913 Tage anarch.Nicht wahlkampftaugliche Pockenerreger

 
  
    #124
16.02.03 23:32

Das Spiel mit dem Wähler

Sieben Monate Schweigen/Von Berthold Kohler


Millionen demonstrierten am Samstag in aller Welt gegen einen Krieg, den sie für falsch und vermeidbar halten. Auch viele Deutsche gaben dieser Überzeugung Ausdruck, die, das liegt in der Natur der Sache, mehr auf Glauben und Gesinnung als auf faktischem Wissen gründet. Sie taten es auch im Vertrauen auf ihre Regierung, die ihnen bei jeder Gelegenheit versichert, daß vom Irak und von einer möglichen Verbindung zum transnationalen Terrorismus keine akute Gefahr ausgehe, jedenfalls keine, die ein baldiges militärisches Eingreifen erforderte und nicht durch ein Inspektionsregime beherrschbar wäre. Das ist von Anfang an tragender Teil der durchaus erfolgreichen Argumentationslinie des Bundeskanzlers und seines Außenministers gegen den Krieg gewesen, im Bundestag wie im UN-Sicherheitsrat. Doch stimmt auch, was sie behaupten?


Die Bundesregierung weiß, daß der Irak über einen der schlimmsten biologischen Kampfstoffe, über Pockenerreger, verfügt und daß Deutschland der Gefahr ausgesetzt ist, Opfer eines Angriffs mit diesen Viren zu werden. Das ergibt sich aus einem Papier aus dem Gesundheitsministerium, das diese Zeitung heute veröffentlicht. Sein Inhalt ist alarmierend: Es lägen "dokumentierte Erkenntnisse" vor, daß Pockenerreger in Rußland, dem Irak und Nordkorea gelagert würden. Es sei zu befürchten, daß der Irak im Falle eines amerikanischen Angriffs mit Biowaffen, auch diesen Erregern, zurückschlage; Deutschland sei ein "besonders attraktives" Ziel für einen solchen Angriff.


Das Papier, das vom 9. August des vergangenen Jahres stammt, bestätigt, was Oppositionspolitiker wie Pflüger und Westerwelle schon seit einiger Zeit behaupten: daß die Bundesregierung die Öffentlichkeit im unklaren lasse über das Ausmaß der Bedrohungen, die vom Irak, dem transnationalen Terrorismus und vor allem von der Kombination beider ausgehen. Nun ist es nicht Aufgabe einer Regierung, für Unruhe zu sorgen. Doch den Eindruck zu verbreiten, Deutschland sei eine Insel des Friedens - weil sein Kanzler sich nicht an einem Krieg gegen den Irak beteiligen will und für alle Welt vernehmbar auf Konfrontationskurs zu den Amerikanern geht -, während in einem Bundesministerium mit 25 Millionen Toten bei einem Pockenangriff kalkuliert wird, ist unehrlich und unverantwortlich. Wie höhnte der Kanzler noch vor ein paar Wochen? Er "wage zu bezweifeln", daß Westerwelle Kenntnisse in dieser Sache habe. Schröders Regierung hatte sie - schon vor dem Wahltag, an dem er das Mandat bekam, mit dem er im Bundestag seinen "Mut zum Frieden" begründete. Auch in der Regierungserklärung, in der Schröder vom "Recht der Bürger" sprach, "von uns klare Antworten zu erhalten", kam die Pocken-Bedrohung jedoch nicht vor.


Nun mag die Regierung behaupten, die apokalyptische Gefahr, die in dem Papier beschrieben wird, entstehe erst an dem Tag, an dem die Amerikaner Bomben auf Bagdad würfen; auch das Papier folgt der Regierungslinie, daß das Übel immer beim Aggressor, also den Amerikanern, beginne. Wie kann Berlin aber sicher sein, daß Saddam Hussein sich diesem Kalkül anschließt? Und daß er die vollständige Kontrolle über seine Vorräte des Schreckens behält? Fischer sagte in New York, die Inspektionen hätten schon die vom Irak ausgehenden Gefahren verringert. Die Pockenerreger, von denen die deutschen Dienste und Ministerien wissen, sind offenkundig nicht gefunden worden.


Fragen, die Zweifel am Schröderschen Sonderweg aufkommen lassen, werden in Berlin jedoch ignoriert. Auch der Umgang mit den Bedrohungsanalysen zeigt, daß der Kanzler nicht gewillt ist, die These zu ändern, mit der er die Bundestagswahl gewann: Es gebe zwar eine unmittelbare Gefahr für den Frieden, aber die gehe nicht vom Irak aus. Die innenpolitische Festlegung eines vereinsamten Kanzlers, der plötzlich wieder spürt, wie warm es inmitten des Volkes sein kann, ist zur Leitlinie einer Außenpolitik geworden, die unliebsame Fakten verdrängt, nachgerade verdrängen muß.


Seit Schröder seine Sorge um die von einem Hegemon bedrohte multipolare Weltordnung entdeckte und Gefallen am Schließen von Allianzen gegen die Führungsmacht fand, ist es für ihn jedoch noch schwieriger geworden, zu einer sachgerechten Gefahrenanalyse zurückzukehren und zu der Erörterung, wie und mit wem die Gefahren am besten abzuwehren seien. Auch Fischer, der die Erhaltung der Allianz gegen den Terror zu seinen obersten Zielen zählt, vergißt dabei regelmäßig zu erwähnen, wer im Zentrum dieser Allianz steht. Verschwiegen hat die rot-grüne Regierung auch, daß das, wofür sie Amerika geißelt - die Bereitschaft, notfalls einen Krieg zu führen -, Voraussetzung für den Erfolg der von Berlin gewählten Eindämmungsstrategie ist. Zögen die Amerikaner ihre Flugzeugträger und Divisionen ab, flögen über kurz oder lang auch die Inspekteure aus dem Irak. Soll dann Schröder Saddam Hussein mit einem Militärschlag drohen? Mit Spekulationen befasse man sich nicht, heißt es oft in Berlin. Die Pockenerreger in irakischer Hand jedoch sind eine Tatsache, von der die Regierung Schröder wenigstens schon seit sieben Monaten weiß.
 

51345 Postings, 8724 Tage eckiSchlecht recherchiert?

 
  
    #125
16.02.03 23:39
Jedenfalls wurde der Dienstherr der Geheimdienste wohl nicht befragt, denn der weiß nichts von gesicherten Erkenntnissen....

Grüße
ecki  

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