Für Europa, gegen die EU! (JF)
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Eröffnet am: | 17.06.04 22:19 | von: proxicomi | Anzahl Beiträge: | 57 |
Neuester Beitrag: | 01.06.05 21:55 | von: NoRiskNoFun | Leser gesamt: | 1.404 |
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„Für Europa, gegen die EU!“
Nigel Farage, Vorstandsmitglied und Mitbegründer der UK Independence Party, über den spektakulären Wahlerfolg seiner Partei
Moritz Schwarz
Herr Farage, die UK Independence Party (UKIP), die den Austritts Großbritanniens aus der EU fordert, hat mit 16,8 Prozent einen der spektakulärsten Wahlerfolge einer nonkonformen Partei bei dieser Europawahl zu verbuchen (siehe Bericht Seite 7). Sie gehören zur Parteiführung und zu den Mitbegründern der UKIP, dabei waren Sie ursprünglich Mitglied der Tories.
Farage: Bis 1993 gab es nur drei relevante Parteien in Großbritannien und alle drei haben nicht nur die Mitgliedschaft in der EU, sondern auch Maastricht befürwortet. Der einzige Unterschied war der Grad an Begeisterung, mit dem sie dies verfolgt haben. Es wurde Zeit für eine Alternative.
Warum?
Farage: Weil wir meinen, Großbritannien sollte nicht von einigen Büros in Brüssel, sondern vom Parlament in London regiert werden.
Gut, andersherum: Was stört die UKIP an der Europäischen Union?
Farage: Sie ist bürokratisch, undemokratisch, korrupt - ausgesprochen korrupt - und ineffizient, schließlich ist alles, was sie bisher angepackt hat, schiefgegangen.
Zum Beispiel?
Farage: Denken Sie an die verfehlte Fischerei-Politik, die völlig verfehlte Landwirtschaftspolitik oder den Euro und seinen Stabilitätspakt. Schauen Sie sich doch nur die wirtschaftlichen Probleme in Ihrem Land an!
Die sind, bei aller Kritik am Euro, in erster Linie hausgemacht.
Farage: Das stimmt, aber hausgemachte Probleme sollten zu Hause gelöst werden.
Wie wäre es mit einer Reform der EU, statt sie gleich abzuschaffen?
Farage: Oh, dieses Versprechen hören wir Briten seit dreißig Jahren! Verzeihen Sie, wenn wir leider inzwischen den Glauben daran verloren haben. Außerdem: Man kann nichts reformieren, wenn die Grundkonstruktion nicht stimmt. - Ich habe Ihnen aber noch gar nicht unser Hauptargument genannt: Wir sind gegen die EU, weil die Bürger sie eigentlich gar nicht wollen! Nicht nur in Großbritannien, auch in anderen Ländern wollen die Menschen die EU nicht. Ich frage Sie, warum haben wir sie trotzdem? Die Deutschen wollten weder die Abschaffung der D-Mark, noch deren Ersetzung durch den Euro. Ich frage Sie, warum haben sie trotzdem beides bekommen? - Sind das nicht Fragen, die sich in einer Demokratie eigentlich gar nicht stellen dürften?
Also sind Sie gegen Europa?
Farage: Wie bitte? Aber ganz und gar nicht! Wir sind für Europa! Wir sind dafür, Europa den Bürgern und den Nationen zurückzugeben. Wir sind für ein Europa des gemeinsamen Handels, der guten Nachbarschaft und der Kooperation.
Ein „Europa der Staaten“, wie es General de Gaulle vorschwebte?
Farage: Ganz genau. Wir sind unbedingt für europäische Zusammenarbeit, aber eben nicht für eine europäische Regierungsherrschaft. „Für Europa, gegen die EU“ ist ein Motto, daß sich wunderbar ergänzt.
„Unser Erfolg wird die Gewichte in der britischen Politik verschieben“
Bei den Unterhauswahlen gilt, anders als bei den Europawahlen, das Mehrheitswahlrecht. Wie wollen Sie da politischen Einfluß ausüben?
Farage: Der bisherige Erfolg der UKIP wird ganz zweifellos für eine Verschiebung der Gewichte in der britischen Politik sorgen. Und das wird sich nicht nur auf die Tories auswirken, sondern auch auf Tony Blair. Ich bin sicher, eines Tages wird Großbritannien die EU verlassen und etliche Staaten werden folgen.
Wann rechnen Sie damit?
Farage: Ich bin kein Hellseher. Aber je früher, desto besser. Noch heute, wäre doch sehr angenehm.
Bereits seit 1999 sitzen Sie mit drei weiteren Parteikollegen - künftig werden es zwölf sein - im Europäischen Parlament. Welche Politik betreiben Sie in Straßburg?
Farage: Wir kommen hierher, um gegen so viele Gesetze wie möglich zu stimmen. Lassen Sie es mich so formulieren: Wir benehmen uns im Parlament immer unbedingt anständig, und wir leisten dort immer unbedingt Obstruktion. Wir sind jederzeit freundlich zu den Leuten, die uns unser Land wegnehmen wollen, ja wir sind sogar jederzeit bereit, eine Tasse Tee mit ihnen zu trinken, aber wir geben ihnen nicht nach.
Wer sind Ihre Verbündeten in EU-Parlament?
Farage: Es gibt EU-kritische Gruppen aus allen Mitgliedsländern, mit denen wir kooperieren - außer aus Deutschland.
Wie steht es zum Beispiel mit dem französischen Front National?
Farage: Nein, wir schätzen deren rassistische Agenda nicht. Auch der Vlaams Block oder die Lega Nord sind uns unangenehm, ebenso wie zu Hause die British National Party.
Können Sie es sich denn leisten, alleine zu kämpfen, statt unter den europäischen Rechtsparteien Verbündete zu suchen?
Farage: Das ist das Argument Churchills, als er sich mit Stalin gegen Hitler verbündet hat. Ich glaube, wir können unsere Ziele auch erreichen ohne gegen unsere Prinzipien zu verstoßen, denn die Mehrheit der Bürger steht eigentlich hinter uns.
„Briten, Dänen, Iren, Holländer stimmen ab - die Deutschen nicht“
Wie erklären Sie sich, daß ausgerechnet nur aus Deutschland keinerlei EU-kritische Parlamentarier nach Straßburg kommen?
Farage: Die Deutschen tun mir wirklich leid. Sie werden von ihrer politische Klasse einfach in dieses Projekt geführt, das ihre Zukunft auf Generationen zutiefst verändern wird, und werden noch nicht einmal gefragt. Die Briten zum Beispiel werden über die EU-Verfassung abstimmen, ebenso die Dänen, die Iren und die Holländer - und ich bin sicher, diesem Druck wird die französische Regierung schließlich nicht mehr standhalten können. Allerdings weiß ich von meinen Besuchen in Deutschland - ich bin mit einer Deutschen verheiratet -, daß dort bei vielen tiefer Verdruß herrscht.
Aber warum werden die Deutschen nicht gefragt?
Farage: Das wissen Sie so gut wie ich: weil man in Deutschland Volksabstimmungen seit deren Mißbrauch durch einen ihrer früheren Führer ablehnt.
Die Vergangenheitsbewältigung verhindert also eine angemessene demokratische Beteiligung des deutschen Volkes bei Fragen von grundlegender Bedeutung?
Farage: Leider ja, dabei sollte Ihre Regierung endlich fair zu Ihnen sein!
Das wird sie auch künftig nicht, denn sie weiß, das Volk würde gegen ihre schönen Pläne stimmen.
Farage: Ich vermute, eines Tages wird die deutsche Regierung zu Hause noch einmal ganz erheblichen Ärger bekommen.
Nigel Farage: Der ehemalige Tory gründete 1993 zusammen mit enttäuschten Parteifreunden die UK Independence Party (UKIP). Der selbständige Handelsmakler ist Mitglied des Parteivorstandes und Europaabgeordneter. Von 1997 bis 2000 war er Parteivorsitzender. Geboren wurde er 1964 in Kent.
UK Independence Party (UKIP): Die „Unabhängigkeitspartei des Vereinigten Königreiches“ fordert den Austritt Großbritanniens aus der EU. Sie wurde 1993 von ehemaligen Mitgliedern der Labour-, der Liberalen und vor allem der Konservativen Partei gegründet. 1999 zog sie mit 7 Prozent ins EU-Parlament ein, bei den Unterhauswahlen 2001 erreichte sie nur 2 Prozent. Dem Vorwurf Ein-Punkt-Partei zu sein, begegnet sie mit einem liberal-konservativen Parteiprogramm ( www.ukip.org ).
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gruß
proxi
Ein fixes Geldmengenziel ist außerdem problematisch, da nun die Zinsen (aufgrund der schwankenden Geldnachfrage) hoch und runter gehen.
Inflation ist ein weites Thema, nur noch soviel...
Neben den Löhnen (Demand-Pull) kann es auch durch "Cost-Push" zur Inflation kommen, wenn sich z.B. Rohöl verteuert... Ist aber eigentlich kein Thema?!
Grüße,
JG
www.chart-me.de
Rolle spielt.
Wenn jetzt Inflation irgendwo herrscht und zu einem
Problem führen könnte, wäre sie ja wohl auch u.U.
nachfrageindutziert oder eine Folge steigender
administrierter Preise.
Haushaltsrisken entstehen doch wohl dann, wenn der
Haushaltsplan aufgrund effektiver Einnahmen und
Ausgaben davon abweicht.
Das ist jetzt bei uns der Fall.
Aber das mit der Geldmenge ist ein Fake - die kann auch verhaltensbdingt steigen - was sie bei uns gerade tut. oder besser: Das ist ein statistischer Effekt, etwa weil viele Leute nich in Aktien oder Bonds investieren. Die halten auf Vorrat mit Blick aus günstigre Anlagen.
Erinnern wir uns:
M1 besteht aus dem gesamten Bargeldumlauf ohne die Kassenbestände der Kreditinstitute und den Sichteinlagen inländischer Nichtbanken.
M2 Die weitergefaßte Geldmenge M2 besteht aus M1 und den sogenannten Quasigeldbeständen. Das sind alle Termineinlagen inländischer Nichtbanken mit einer Befristung unter vier Jahren.
M3 Die Geldmenge M2 unter Einbeziehung der Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist ergibt schließlich die Geldmenge M3. Sie wurde seit 1988 von der Bundesbank als Zielgröße bei der Geldmengensteuerung verwendet. Die Bundesbank legte im voraus einen ungefähren Wert (Zielkorridor) fest, um den die Geldmenge M3 wachsen sollte.
WIESBADEN – Der Euro ist besser als sein Ruf als Preistreiber: Seit Einführung der Gemeinschaftswährung ist die Teuerungsrate in Deutschland weniger stark gestiegen als zuvor in der Endzeit der D-Mark. Der Verbraucherpreisindex stieg in den zweieinhalb Jahren seit Ausgabe des Euro-Bargelds im Januar 2002 um 3,3 Prozent.
Seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG Mitte der 50er
Jahre befindet sich die Schweiz in einem Spannungsverhältnis zu diesem seither
über die EG zur EU gewandelten zwischenstaatlichen, überstaatlichen, bzw.
staatlichen Organismus.
Ein Beitritt der Schweiz zur EU ist seit deren Gründung eine stete Konstante der
akademischen Diskussion und bisweilen der politischen Auseinandersetzung
gewesen. Nachdem die EU das gesamte westliche Europa umfasst, es bleiben nebst
den Kleinststaaten nur gerade vier westeuropäische Staaten ausserhalb der EU,
akzentuiert sich die Beitrittsfrage für die Schweiz in zunehmendem Masse, zumal die
EU vor einer weiteren Aufnahmerunde steht: diesmal sind es die mittel- und
osteuropäischen Staaten, welche aus der EU eine veritable gesamteuropäische
Union machen werden.
Die Beitrittsfrage muss aufgrund einer eingehenden Analyse unserer eigenen
Interessen beantwortet werden. Ich möchte kurz auf die historische Situation
eingehen: wie hat die Schweiz zwischen der Gründung der EU und bis zum Ende
des kalten Krieges ihre Interessen mit Bezug auf einen EU - Beitritt definiert, in einem
zweiten Punkte will ich die Interessenlage anderer europäischer Staaten, welche den
Beitritt vollzogen haben, streifen und diese Interessenlage der unseren
gegenüberstellen. In einem dritten Punkte will ich einige Aspekte der Analyse unserer
aktuellen Interessen hervorheben. Eine Schlussbemerkung wird die Darlegungen
beenden.
I. Die historische Interessendefinition
Historisch - aus der Sicht der 50er Jahre - gesehen, gab es eine Vielzahl von
Gründen, welche einen Keil zwischen die Schweiz und die Europäische
Gemeinschaft trieben; von diesen Gründen sollen hier die folgenden namhaft
gemacht werden:
1. Das Souveränitätsverständnis der Schweiz
Es war Mitte der 50er Jahre für die Schweiz undenkbar, einen Teil ihrer
Souveränität an einen überstaatlichen Organismus abzutreten.
2. Die Aussenhandelskonzeption der Schweiz
Eine Abtretung von staatlichen Kompetenzen an einen überstaatlichen
Organismus kam umso weniger in Frage, als es sich bei den abzutretenden
Kompetenzen wesentlich um die Kompetenz zur autonomen Führung der
Aussenhandelspolitik, der Zollpolitik gehandelt hätte. In diesem Bereiche setzte
KGV SG, Referat Spannungsverhältnis Schweiz - EU 2
2
die Schweiz auf den internationalen Freihandel und war damit auch überaus
erfolgreich. Es ist denn auch nichts als logisch, dass die Schweiz aus dieser Sicht
heraus die EFTA forcierte, die Europäische Freihandelsassoziation. Eine
Assoziation, die allerdings historisch den Kampf gegen die EU nicht gewinnen
sollte.
3. Die Agrarpolitik der Schweiz
Die Agrarpolitik der Schweiz war bis vor wenigen Jahren weniger ein Bestandteil
unserer Wirtschaftspolitik als vielmehr ein Bestandteil unserer Sicherheitspolitik.
Ziel unserer schweizerischen Agrarpolitik war es, einen relativ hohen
Selbstversorgungsgrad in einem dichtbevölkerten und geografisch ungünstig
gelegenen Land mit einem grossen Anteil an unproduktiver Fläche zu
gewährleisten, um damit auch eine Produktionsbereitschaft für Zeiten gestörter
Zufuhr zu erhalten. Diese Politik war mit einer gemeinschaftlichen Agrarpolitik der
EU nicht vereinbar, denn die Zielsetzungen der EWG und der Schweiz im
Agrarbereich deckten sich von Anfang an nicht: in der EU ging es von Anfang an
um die wirtschaftliche Erzeugung von Nahrungsmitteln, und nicht um die
Erhaltung eines gesunden Bauernstandes, als Knowhow - Träger und
Produktionsreserve für Krisenzeiten.
4. Die Neutralitätspolitik der Schweiz
Eine Teilnahme an der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wäre nach der
damaligen Auffassung der Schweiz über die Neutralität nicht
neutralitätsrechtswidrig gewesen, aber hätte neutralitätspolitische Bedenken
geweckt, weil sich die Schweiz damit wirtschaftlich, wirtschaftspolitisch und
aussenhandelspolitisch in einen Block von NATO - Staaten begeben hätte.
5. Die Sozialpolitik der Schweiz
Eine Teilnahme an der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wäre auch aus
sozialpolitischen Erwägungen nicht in Frage gekommen: die Uebernahme der
europäischen Sozialrechte, die Betonung der gewerkschaftlichen
Mitwirkungsrechte, das alles war Mitte der 50er Jahre undenkbar.
Die Ablehnung des Konzeptes der EU, einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik mit
gemeinsamen zentralen Institutionen war historisch breit abgestützt: sozusagen
alles, was die Schweiz an Erfahrungen gemacht hatte, sprach gegen die Konzeption
einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik
II. Die Interessenlage anderer europäischer Staaten
Die Entwicklung seit 1957 hat nun offenbar gezeigt, dass das wirtschaftliche Konzept
der EU für die meisten europäischen Staaten attraktiver war als jenes der EFTA. Mit
Ausnahme von Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz sind alle 3
westeuropäischen Länder in die EU abgewandert; und mit Ausnahme der Schweiz
sind auch die drei übrigen EFTA - Mitglieder auch Mitglieder des EWR.
Die Gründe dieser Entwicklung zeigen deutlich die Sonderstellung der Schweiz in
Europa und zeigen auch, dass ein wirtschaftspolitisches Spannungsverhältnis
zwischen der EU und der Schweiz besteht.
1. Entwicklungspolitische Vorteile eines Beitritts
Im Falle der südlichen Erweiterungsländer, Portugal, Spanien und Griechenland
ist der EU - Beitritt leicht mit wirtschaftlichen, man kann sagen,
entwicklungspolitischen Vorteilen zu erklären. Die Oeffnung des europäischen
Arbeitsmarktes für ihre Staatsangehörigen, der vollständige Abbau der
Zollschranken für ihre Produkte, die finanziellen Unterstützungen aus Brüssel für
die wirtschaftliche Entwicklung dieser Staaten waren offensichtliche Vorteile für
diese Staaten, welche einen Betritt unter allen Titeln als wünschenswert
erscheinen liess, sobald die demokratischen Voraussetzungen in diesen alten
Diktaturen geschaffen worden waren.
2. Machtpolitische Vorteile eines Beitritts
Grossbritanniens Beitritt zur EG beruhte neben Ueberlegungen wirtschaftlicher
Natur vorallem auf machtpolitischen Ueberlegungen. Mit dem Zusammenbruch
seines Commonwealth, der Rückstufung zu einer zweitrangigen Macht und dem
Rückgang der wirtschaftlichen Bedeutung seiner alten Kolonien war seiner
traditionellen abseitsstehenden kontinentalen Gleichgewichtspolitik die Grundlage
entzogen. Die Teilnahme an der kontinentalen Wirtschaftsgemeinschaft versprach
sowohl mehr wirtschaftlichen als auch mehr machtpolitischen Einflussgewinn als
Abseitsstehen.
3. Sicherheitspolitische Vorteile eines Beitritts
Nebst wirtschaftlichen Ueberlegungen waren es bei den östlichen Randstaaten
der EU, bei Finnland und bei Oesterreich, insbesondere auch
sicherheitspolitische Erwägungen, welche eine Einbindung in die EU wünschbar
machten. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde für beide
Staaten, die beide faktisch oder staatsvertraglich in gewissem Umfange eine
Souveränitätsbeschränkung durch die ehemalige Sowjetunion erlitten hatten, eine
Hinwendung zur EU möglich und angesichts des der sicherheitspolitischen
Unsicherheiten, die sich aufgrund des russischen Machtvakuums anfangs der
90er Jahre ergeben hatte, auch wünschbar. In Oesterreich kam ein weiterer
Aspekt zum Tragen. Seit Königgräz trauerte Oesterreich seiner kontinentalen
Rolle nach. Oesterreich war ein halbes Jahrtausend eine der Vormächte in
Europa, hat Europa wesentlich mitgestaltet und hatte immer eine wichtige
Funktion auf diesem Kontinent, eine Funktion, an die es durch einen EU - Beitritt
wieder anzuschliessen trachtet.
4. Sicherheitspolitische und wirtschaftspolitische Vorteile eines Beitritts
Für die heute beitrittswilligen Staaten des ehemaligen Ostblocks die der EU -
Beitritt sowohl in wirtschaftlicher als auch in sicherheitspolitischer Hinsicht ein
Vorteil, der alle positiven Punkte der armen südeuropäischen EU - Staaten und
der reichen Ostrandstaaten der EU miteinander kombiniert.
Alle diese politischen Gründe haben für die Schweiz kaum Geltung. Weder sind wir
machtpolitisch aktiv, noch sind wir in einer besonders exponierten und daher
gefährdeten geografischen Lage. Sicherheitspolitische Argumente sprechen in
unserem Falle nicht für einen EU - Beitritt. Entwicklungspolitische Vorteile, wie sie die
südeuropäischen Staaten erhielten, brauchte die Schweiz nicht. Im Gegenteil: ein
Beitritt der Schweiz hätte umgekehrt erhebliche Beitragszahlungen an die EU zur
Folge gehabt.
III. Die aktuelle Interessenlage der Schweiz
Bei der Analyse der aktuellen Interessenlage der Schweiz liegt es nahe, bei den
wirtschaftlichen Interessen zu beginnen, um anschliessend die politischen Interessen
zu behandeln.
1. Mangelnde wirtschaftliche Beitrittsgründe für die Schweiz
Wirtschaftlich kommt auch die Schweiz an der EU nicht vorbei: die Bedeutung
der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU ist derart, dass
wir faktisch zum EU - Wirtschaftsraum gehören. Nun wäre es allerdings falsch,
von der faktisch weitgehenden Integration stracks auf die Notwendigkeit der
rechtlichen Integration zu schliessen. Denn gerade im wirtschaftlichen Bereich
gilt es, keine Ueberzeugungen zu vertreten, sondern die Interessen unserer
Bevölkerung sachlich wahrzunehmen. Im wirtschaftlichen Bereich gibt es viele
Bereiche, bei denen wir den Beitritt nicht brauchen, und andere, in denen wir den
Beitritt nicht wollen.
A. Mangelnde wirtschaftliche Notwendigkeit eines EU - Beitrittes
Ueberall dort, wo das Freihandelsabkommen von 1972 zwischen der
Schweiz und der EU einerseits und die bilateralen Abkommen zwischen der
Schweiz und der EU unsere gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen
regeln, besteht aus wirtschaftlichen Ueberlegungen keinerlei Beitrittsdruck
mehr. Das ist eine statische Aussage, die sich natürlich in einer dynamischen
Betrachtung der Entwicklung eines Tages ändern kann. Für heute aber dürfte
dies richtig sein, zumindest dann, wenn die bilateralen Verträge einmal in
Kraft treten.
B. Mangelnde wirtschaftliche Wünschbarkeit eines EU - Beitrittes
In verschiedenen anderen Bereichen unserer Wirtschaft ist ein EU - Beitritt
nicht wünschbar.
a. Landwirtschaftspolitik
Ich bin der festen Ueberzeugung, dass die gemeinsame Agrarpolitik der
EU keine für die Schweiz wünschbare Politik ist. Es ist eine Agrarpolitik,
welche wenig ökologisch ausgerichtet, tierschutzmässig völlig
unakzeptabel und seuchenpolizeilich mindestens im Ergebnis mit
verheerenden Auswirkungen ausgestattet ist. Die Ausrichtung auf
industrielle Agrarkomplexe hat sich gerade in den vergangenen Monaten
als desaströs erwiesen.
b. Steuerpolitik
Die Steuerpolitik der EU würde zu einem massiven Umbau unseres
gesamten Steuersystems führen, ein Umbau, der weder unter
staatspolitischen noch unter sozialen Aspekten wünschbar ist.
Gegenwärtig gilt in der Schweiz ein Mehrwertsteuersatz von 7,6%. Nach
einem EU - Beitritt muss dieser Satz auf mindestens 15% erhöht werden.
Das ist eine Verdoppelung des Mehrwertsteuersatzes auf einen Schlag.
Die Bundesfiskalquote würde um knapp 50% in eine Höhe schnellen.
Das wäre für die Wirtschaft, für die Bürgerinnen und Bürger nicht tragbar.
Man müsste nach Kompensationen suchen.
Eine solche Kompensation würde durch die vollständige Abschaffung der
direkten Bundessteuer nicht erreicht. Nicht einmal die zusätzliche
Abschaffung der Verrechnungssteuer würde hinreichen, die
Gesamtsteuerbelastung auf den Stand vor dem EU - Beitritt
herabzudrücken. Es bliebe noch eine Zusatzbelastung, für deren
Eliminierung z.B. die Stempelabgabe halbiert werden müsste. Allerdings
stellt sich die Frage, ob nach den Absetzbewegungen der Schweizer
Börse hier überhaupt noch eine Manövriermasse vorhanden ist.
Die Aufhebung der direkten Bundessteuer, der Verrechnungssteuer und
die Halbierung der Stempelsteuer würde die Bundesfiskalquote
ausgleichen, den Nettomittelzufluss für den Bund aber um 3,8 Milliarden
Franken vergrössern, da in diesem Umfange die Kantonsanteile an den
aufgehobenen Steuern entfallen würden. Die Kantone müssten auf diese
Mittel entweder endgültig verzichten oder aber durch Steuererhöhungen
kompensieren, in welchem Falle die Gesamtfiskalquote (Bund, Kantone
und Gemeinden) noch nicht auf den Stand vor dem EU - Beitritt
ausgeglichen worden wäre.
Es gäbe aber noch soziale Konsequenzen eines solchen Umbaus. Ist es
z.B. richtig, eine Verbrauchssteuer wie die Mehrwertsteuer, welche die
Konsumenten mit niedrigeren Einkommen unverhältnismässig stärker
trifft als einen, durch die Abschaffung der direkten Bundessteuer zu
kompensieren, einer Steuer, von der die unteren Einkommensschichten
erheblich weniger belastet werden als die oberen
Einkommensschichten? Erstere erfahren durch eine solche
Veranstaltung eine effektive und spürbare Zusatzbelastung über die
Mehrwertsteuer und profitieren anderseits nur marginal von der
Entlastung bei der direkten Bundessteuer, die sie ohnehin kaum drückt.
Die fiskalischen Konsequenzen eines EU - Beitrittes haben
Konsequenzen, über die noch kaum gesprochen worden ist.
c. Währungspolitik
Die Schweiz müsste nach einem EU - Beitritt den Franken aufgeben und
den Euro als Landeswährung übernehmen.
Haben wir alle Konsequenzen eines solchen Schrittes überlegt? Ist
dieser Schritt wirklich notwendig oder umgekehrt: ist dieser Schritt
wirklich unausweichlich? Beide Behauptungen stehen im Raum. Die
Aufgabe einer sicheren, stabilen und international als eine der Welt -
Hauptwährungen anerkannten Währung ist in der
Beitrittsgesamtrechnung, die zugegebenermassen sicher nicht nur
negative Aspekte aufweist, ein überaus schwerer Nachteil.
Mit dem EU - Beitritt verbunden ist auch der Verzicht auf jede eigene
Geld- und Währungspolitik der Schweiz. Der Bundesrat räumt in einem
offiziellen Bericht über die Integration der Schweiz in Europa selbst ein,
dass die Schweizerische Nationalbank ihre geldpolitischen Kompetenzen
an die Europäische Zentralbank abtreten müsste. Ist dies wünschbar?
Wäre das Recht der Schweiz, im Rahmen des Europäischen Systems
der Zentralbanken an der Gestaltung der europäischen Geld- und
Währungspolitik gleichberechtigt teilzunehmen, ein hinreichender Ersatz
für diesen Autonomieverlust? Ob die Eliminierung der Zinsdifferenz
zwischen der Schweiz und jenen EU - Ländern, welche in der
Währungsunion mitmachen, auf lange Frist ein Vorteil oder ein Nachteil
wäre, kann aus dem heutigen Stand nicht vorausgesagt werden. Auf alle
Fälle hätte die Nationalbank keine Möglichkeit mehr, die Zinsen selbst zu
steuern. Trauen wir der Europäischen Zentralbank besser als der
eigenen Nationalbank?
Dieser Europäischen Zentralbank müsste die Nationalbank auch einen
Teil unserer schweizerischen Währungsreserven abtreten und zwar in
der Grössenordnung von 3,5 Milliarden Schweizerfranken. Und zwar
zusätzlich zu den jährlichen Mitgliedschaftsbeiträgen an Brüssel in der
Grössenordnung von über 4 Milliarden Franken.
Dass von einem solchen geld- und währungspolitischen Schritt das
Bankenwesen direkt negativ betroffen wäre, ist offenkundig und braucht
nicht weiter dargelegt zu werden. Man darf ruhig davon ausgehen, dass
ein EU - Beitritt aus verschiedenen Gründen, nicht zuletzt aber auch
wegen des Verlustes der eigenen Währung, eine schwere
Beeinträchtigung des Finanzplatzes Schweiz bedeuten würde. Es gibt
Leute, die dies nicht bedauern würden und meinen, diese Entwicklung
sei ohnehin nicht aufzuhalten. Ist dies richtig und vorallem, wäre dies
wünschenswert, denn wir sollten nicht vergessen: Ein erheblicher Teil
unseres Volkseinkommens und unserer Steuereinnahmen stammt aus
dem Finanzplatz Schweiz.
d. Verkehrspolitik
Wie sollten auch nicht vergessen, dass mit einem EU - Beitritt der
Schweiz die autonome Verkehrspolitik der Schweiz am Ende wäre. die
Verkehrsverlagerungspolitik nach schweizerischem Muster könnten wir
nicht in die EU überführen. Auch aus meiner Sicht ist die Verlagerung
des Güterverkehrs auf weite Distanzen von der Strasse auf die Schiene
durchaus sinnvoll. Die Strassen sollen für den Binnenverkehr und die
Versorgung unserer Landesteile mit den für die Wirtschaft notwendigen
Güter offen und nicht durch den kontinentalen Transitverkehr verstopft
werden. Solche binnenwirtschaftliche Ueberlegungen sind innerhalb der
EU einzelstaatlich nicht mehr erlaubt. Oesterreich bietet den besten
Beleg dafür: das Oekopunktesystem, welches den Brennerverkehr
kontingentiert, ist ein Uebergangsregime, das in drei Jahren aufhört und
damit Oesterreich der uneingeschränkten freien Wahl des
Verkehrsmittels unterstellt. Ich nicht, dass dies im Interesse eines
Landes wie der Schweiz sein kann.
Ich will keineswegs verhehlen, dass ein EU - Beitritt auch wirtschaftlich positive
Auswirkungen haben würde. Aber allein die Darlegungen zur Landwirtschaftspolitik,
zur Steuerpolitik, zur Währungspolitik und zur Verkehrspolitik zeigen, dass auch
wirtschaftlich durchaus Vorbehalte gegenüber einem EU - Beitritt gerechtfertigt sind
und noch sehr viel Gedankenarbeit geleistet werden muss, um alle Konsequenzen
eines solchen Schrittes auf die Schweiz zu erkennen.
2. Mangelnde politische Beitrittsgründe für die Schweiz
Bei diesem wirtschaftlich unentschiedenen Spannungsverhältnis darf nicht
vernachlässigt werden, dass auch die politischen Konzeptionen der Schweiz und
der EU nicht kompatibel sind.
Der Bundesrat verweist allerdings stets darauf, dass wir gerade mit Blick auf die
vielfältigen Verflechtungen mit der EU faktisch dazu verdammt sind, in vielfältiger
Weise EU - Recht zu übernehmen, ohne allerdings darauf Einfluss nehmen zu
können. Hier ist der Grund für den Wunsch des Bundesrates zu sehen, der EU
beitreten zu können: die Mitgestaltung und die Mitsprache der Schweiz im
europäischen Rechtssetzungs- und Politikgestaltungssystem. Dies ist ein echtes
Argument, das ein überaus grosses Gewicht hat.
Die Frage ist allerdings, wie weit ein kleines Land wie die Schweiz in diesem
grossen Europa tatsächlich einen massgebenden Einfluss auf die
Rechtssetzung, auf die Politikgestaltung in die Waagschale werfen kann.
Darüber gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. Eine klare Antwort in
dieser oder in jener Hinsicht gibt es nicht.
Aber selbst wenn die kleine Schweiz im grossen Europa einen substantiellen
Einfluss erlangen könnte, stünde dieses Mitspracherecht der Schweiz in Europa
in einem erheblichen Spannungsfeld zum innerstaatlichen Recht des Volkes und
der Kantone, die Haltung der Schweiz zu definieren. Es geht mit anderen Worten
um die Frage der direkten Demokratie und um die Frage des Föderalismus.
Wie viel uns die direkte Demokratie und der Föderalismus wert sind, ist eine
andere Frage. Ich kann mir durchaus Situationen vorstellen, in denen diese
Fragen in den Hintergrund treten, z.B. dann, wenn die wirtschaftliche Prosperität
der Schweiz ausserhalb der EU nicht mehr gewährleistet werden könnte.
Bevor wir aber leichthin direkte Demokratie und Föderalismus über Bord werfen,
wäre es durchaus sinnvoll, darüber nachzudenken, was wir verlieren, wenn wir
diese beiden politischen Institutionen nicht mehr hätten.
a. Verlust an direkter Demokratie
Die EU – Befürworter vertreten die Ansicht, dass die direkte Demokratie
in der Schweiz durch einen EU – Beitritt nicht abgeschafft würde. Sie
verweisen darauf, dass wir die direktdemokratischen Volksrechte der
Volksinitiative, des Referendums und der Volksabstimmung weiterhin
behalten könnten und dass diese Volksrechte bei einem EU – Beitritt
nicht aufgehoben würden.
Dem ist zuzustimmen.
Nur: was nützen uns die Volksrechte, wenn es immer weniger Bereiche
gibt, in denen wir sie anwenden können?
Was nützen uns die Volksrechte im Bereich des gemeinschaftlichen EU
– Landwirtschaftsrechts, des Steuerrechts, des Währungsrechts und des
Verkehrsrechts, für welche nur die EU – Organe, nicht aber die Organe
der Mitgliedstaaten zuständig sind?
Was handelt sich das Volk für diesen Verlust ein? Doch nur die
Möglichkeit des Bundesrates, wohlverstanden nur des Bundesrates,
nicht des Volkes und auch nicht der Kantone, in Brüssel ”gleichberechtigt
mitzubestimmen”, wie sich der Bundesrat stets auszudrücken beliebt. Wir
tauschen das Selbstbestimmungsrecht des Volkes ein gegen das
Mitspracherecht des Bundesrates in einem internationalen Gremium, das
auch über unser Schicksal befindet.
Dieses Mitspracherecht des Bundesrates ist unbeschränkt und absolut.
Er kann während seiner 4 – jährigen Amtsdauer in Brüssel tun und
lassen, was er will, ohne dass er - wie es gut schweizerische
direktdemokratische Regel wäre - durch Initiative, Referendum oder
Volksrechte wirksam kontrolliert werden könnte. Und ohne dass er - wie
es in den repräsentativen Demokratien in Europa der Fall ist - während
dieser 4 Jahre für seine Europapolitik zur Rechenschaft gezogen, sprich:
abgewählt werden könnte. Während vier Jahren schaut das
Schweizervolk ohnmächtig zu, wie mit Hilfe des Schweizerischen
Bundesrates in Brüssel auch über die Schweiz regiert wird.
Meines Erachtens müsste daher bei einem EU - Beitritt die direkte
Demokratie durch die repräsentative parlamentarische Demokratie
abgelöst werden.
Denn wenn der Bundesrat im europäischen Rahmen Entscheidungen
über wesentliche, auch die Schweiz betreffende Aspekte der Politik
mitgestalten kann, ohne in seiner Sachpolitik durch direktdemokratische
Instrumente vom Volk kontrolliert zu werden, muss eine Methode
gefunden werden, die es dem Volke anderweitig erlaubt, eine politische
Linie durchzusetzen, die ihm zusagt. Offenkundig ist eine der einfachsten
Möglichkeiten hiezu das parlamentarische System.
Die politischen Parteien haben sich vor den Gesamterneuerungswahlen
zu den wesentlichen Fragen der die Schweiz betreffenden europäischen
Politik verbindlich - im Sinne eines Regierungsprogrammes - zu äussern,
damit das Volk gestützt auf dieses Programm seine Wahl treffen und
damit jenen Parteien an die Macht verhelfen kann, deren Programm
seine Zustimmung findet.
Sollte sich der aus den siegreichen Parteien zusammengesetzte
Bundesrat im Laufe der Legislatur über die Versprechungen der Parteien
hinwegsetzen und auf europäischer Ebene Entscheide mittragen, welche
dem Wählerwillen widersprechen, müsste ein Mechanismus greifen, der
es ihnen erlauben würde, den wortbrüchigen Bundesrat abzuberufen und
durch programmtreue Vertreter zu ersetzen, widrigenfalls diese Parteien
die Quittung für ihren Wortbruch anlässlich der nächsten Wahlen
erwarten müssten.
Die Konsequenzen eines EU – Beitrittes auf unsere direkte Demokratie,
auf unsere Volksrechte können nicht mit der trivialen Bemerkung
verharmlost werden, Initiative, Referendum und Volksabstimmung
würden durch einen EU – Beitritt nicht abgeschafft. Sie werden zwar
nicht abgeschafft, aber ihrer Funktion beraubt, ihres Sinnes entleert und
wandern nach einigen Jahren der Nutzlosigkeit ins Museum der
Rechtsaltertümer.
Bevor wir mit der EU Beitrittsverhandlungen aufnehmen, sollten wir uns
doch noch einige Gedanken machen, was uns die Selbstbestimmung,
was uns die direkte Demokratie wert ist. Wir sollten uns Rechenschaft
darüber abgeben, dass ein EU - Beitritt im staatspolitischen Bereich
derart fundamentale Aenderungen nach sich ziehen wird, dass die
Schweiz, ihre politischen Institutionen und Verfahren nach einem EU -
Beitritt nicht mehr mit jenen verglichen werden können, wie wir sie heute
vor einem EU - Betritt kennen.
Ich wage die Behauptung: die Schweizerischen politischen Institutionen
sind nicht eurokompatibel. Europa würde uns zu tiefgreifenden
politischen Aenderungen zwingen, zu Gunsten einer rascheren
Entscheidfindung, zulasten der als schwerfällig empfundenen Volksrechte,
zu Gunsten einer starken Exekutive und auch zulasten der
Legislative.
b. Verlust an Föderalismus
Auch die Stellung der Kantone ist fraglich. Ob es den schweizerischen
Föderalismus nach einem EU - Beitritt noch geben wird, ist zu
bezweifeln. Zwei Stichworte:
•Gefährdete Finanzhoheit der Kantone
Zu befürchten ist die Gefährdung der Finanzhoheit der Kantone im Zuge
der Mehrwertsteuererhöhung. Will man die Verdoppelung der Mehrwertsteuer,
welche bei einem EU - Beitritt unabwendbar ist, kompensieren,
so kommt unter anderem auch die Abschaffung der direkten Steuern der
Kantone in Frage und deren Ersatz durch einen Anteil an der
Mehrwertsteuer des Bundes. Damit ist dann aber mit der Finanzhoheit
der Kantone vorbei, die Kantone hätten keine eigene Steuerhoheit mehr,
sie würden ausschliesslich am Geldhahn des Bundes hängen und wären
davon abhängig, in welchem Ausmasse der Bund ihnen Geld zur
Verfügung stellt. Die Finanzhoheit und die Steuerhoheit, d.h. das Recht,
Steuern zu erheben, ohne irgend jemanden fragen zu müssen, ist eine
der fundamentalsten Grundlagen eines selbständigen Staatswesens, zu
denen bei uns vorab die Kantone zählen. Wird diese Basis zerschlagen,
ist die Selbständigkeit der Kantone dahin.
• Reduzierung der kantonalen Regelungskompetenzen
Bereits heute macht sich eine schleichende Entföderalisierung breit:
allenthalben werden Kantonskompetenzen abgebaut mit Blick auf eine
möglichst grosse Harmonisierung des schweizerischen Rechts mit dem
europäischen Recht.
Nur ein Beispiel aus der Vergangenheit: die kantonale Hoheit im
Heilmittelwesen ist aufgehoben und durch die Bundeshoheit ersetzt
worden, um eurokompatibel zu sein. Als ob es unter der kantonalen
Heilmittelhoheit zu untragbaren Verhältnissen gekommen wäre.
Nur ein Beispiel mit Blick auf die Zukunft: Ob wir in den Kantonen
weiterhin selbst bestimmen können, ob wir unsere Kantonalbanken mit
Staatseigentümerschaft und Staatsgarantie beibehalten wollen, ist
angesichts der Verfahren, welche die EU - Kommission gegen die
deutschen Landesbanken anstrengt mit der Begründung, solche Banken
würden dem EU - Wettbewerbsrecht zuwiderlaufen, höchst unsicher.
Und mit einem Blick über das ganze Gesetzgebungsprogramm des
Bundes ist festzustellen, dass die stete Anpassung des schweizerischen
Rechts an das europäische Recht von der Sache her in weiten Teilen
unnötig, allein integrationspolitisch bedingt ist und zu einer
schleichenden Entwertung der Kantone führt.
Schlussbemerkungen
Mir ging es darum aufzuzeigen, dass die Frage des EU - Beitrittes keine einfache
Frage ist.
Es ging mir darum zu zeigen, dass viele Motive, welche andere Staaten zu einem EU
- Beitritt bewogen haben, für die Schweiz keine Geltung beanspruchen können und
dass daher der Verweis auf andere Staaten für uns keine hilfreiche Entscheidungsgrundlage
darstellen kann.
Es ging mir darum zu zeigen, dass auch eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise
keineswegs eindeutig dazu führen kann, einem EU - Beitritt vorbehaltlos zuzustimmen.
Und es ging mir darum aufzuzeigen, dass die politischen Konsequenzen eines EU -
Beitrittes derart weittragend sind, dass wir am Ende eine Schweiz haben werden,
welche eine vollkommen andere sein wird als jene, die wir heute kennen. Die
politischen Auswirkungen eines EU - Beitrittes werden in der Schweiz grösser sein,
als in irgend einem anderen europäischen Land.
Es ging mir darum aufzuzeigen, dass wir gut daran tun, von ideologisch besetzten
Pro- und Kontra - Positionen Abstand zu nehmen, gründlich zu untersuchen, welche
Konsequenzen ein EU - Beitritt auf alle Belange dieses Staates hätte. Diese offenen
Fragen müssen wir beantworten, diese Hausaufgabe müssen wir erledigen, bevor wir
politische Entscheide fällen, die praktisch irreversibel sind.
Carlo Schmid - Sutter, Ständerat
Zählt jedes deutsche Exportgut voll ins deutsche BIP? Oder wird hier was rausgerechnet?
Was passiert, wenn man in Russland Stahl einkauft und in Deutschland daraus ein Auto baut und es nach Frankreich exportiert. Hat man da Importe + 5000 Euro Stahl und Exporte +20.000 Euro Auto!? Stahl ist ja nur Vorprodukt fürs Auto, eigentlich sollte man hier nicht doppelt zählen, oder?!
Grüße,
JG
www.chart-me.de
Deutschland fertigt zusätzlich Baugruppen im Wert von 200 und setzt diese zu einem Auto zusammen, welches 300 Wert ist. Das Auto wird exportiert. Baugruppe ist Vorprodukt und zählt somit nicht.
BIP ist jetzt:
Deutschland 1000 + 300 (Export)
Polen 1000
--> zusammen 2300
Die dt. Firma entschließt sich nun aber die Baugruppen in Polen zu fertigen. In Polen werden die Baugruppen für 200 erstellt, importiert und zum Auto weiterverbaut.
BIP ist jetzt:
Deutschland 1000 + (300 Exporte - 200 Importe) = 1100
Polen 1000 + 200 (Exporte) = 1200
--> zusammen jetzt 2300
Richtig? Hat mich lediglich irritiert, dass Vorprodukte ins BIP eingehen, passt aber zur aktuellen Entwicklung... Danke Karlchen.
Grüße,
JG
www.chart-me.de
30.07.2004 - 19:56 Uhr, Lausitzer Rundschau [Pressemappe]
Cottbus (ots) - Das historische Werk umfasst 300 Seiten. Selbst
ausgemachte Experten haben ihre liebe Not, Europas künftige
Verfassung zu durchschauen und zu begreifen. Wie also soll so ein
komplexes Gebilde dem Wähler verständlich nahe gebracht werden, damit
er dann ein fundiertes Ja oder Nein in die Urne werfen kann? Das geht
nicht. Es sei denn, man greift auf populistische Schlagworte zurück,
die man aus jedem billigen Wahlkampf kennt. Aber ist das angemessen
angesichts der historischen Dimension eines Verfassungsentwurfes? Ist
es nicht. Ein europäisches Grundgesetz kann man nicht auf schnöde
Werbebotschaften reduzieren. Und man darf sich auch nicht der Gefahr
aussetzen, dass ein Referendum missbraucht wird von politischen
Trittbrettfahrern, denen Europa doch nur ein Dorn im Auge ist. Solche
Leute wären schnell zur Stelle - und nein zu sagen ist eben einfacher
als ja. Wer daher jetzt nach der Volksbefragung ruft, macht es sich
leicht, denn eigentlich will er nur von Volkesstimme profitieren.
Klar ist unsere Demokratie stark genug für eine stärkere Beteiligung
der Bürger. Aber sie ist ebenso stark genug, die bedeutende EU-
Verfassung nicht den Populisten zu überlassen. Deswegen sollte die
Institution entscheiden, die zuständig ist: Das Parlament.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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gruß
proxi
http://www.destatis.de/presse/deutsch/abisz/bip.htm