Freier mit Maus
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 14.02.05 09:46 | ||||
Eröffnet am: | 14.02.05 08:47 | von: bammie | Anzahl Beiträge: | 3 |
Neuester Beitrag: | 14.02.05 09:46 | von: lassmichrein | Leser gesamt: | 2.551 |
Forum: | Talk | Leser heute: | 2 | |
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Der Tester, der unter dem Pseudonym "Einsamer" seinen Erfahrungsbericht ins Internet-Portal stellte, war vom Erscheinungsbild der Prostituierten ("schwarzer BH und Slip, darüber ein schwarzes Fischernetz, halterlose Strümpfe") durchaus angetan. Doch am Ende der Geschäftsbeziehung mit Alexandra aus dem Hamburger Stadtteil Ohlsdorf war vom Enthusiasmus nichts geblieben.
"Für 80 Tacken", so der Mann, habe die Dame nicht viel geboten: französisch ohne "überbordenden Einsatz", danach "Aufsitzen, kurzes Beckenkreisen: Das war's". Offenbar nicht wirklich befriedigt, warnte der Einsame im Gästebuch der Internet-Seite potentielle Kunden vor der Schönheit: "Absolute Profihure, nicht billig, kennt alle notwendigen Kniffe."
Die Angst vor derartigen Hobbytestern sorgte lange Zeit mit dafür, dass sich das älteste Gewerbe der Welt mit der modernen Medienlandschaft schwer tat. Während der virtuelle Sex für Voyeure schon seit Jahren boomt, konnte sich der harte Kern der Rotlichtbranche bislang nicht so richtig mit dem World Wide Web anfreunden.
Doch in jüngster Zeit explodiert auch das Geschäft mit der käuflichen Liebe im Internet. Seiten wie Modelle-Hamburg.de, wo laut Eigenwerbung die "Schärfsten im Norden" zu finden sind, verzeichnen rasante Zuwachsraten. Im vergangenen Monat klickten sich Männer über 408.000-mal in das Erotik-Portal ein - ein gigantischer virtueller Strich.
Und mit der Maussuche der Freier beginnt sich die Szene zu ändern: Auf der einen Seite haben vor allem Frauen, die in Privatwohnungen ihrem Geschäft nachgehen, das Internet als Marketinginstrument entdeckt. Mit aufregenden Fotos erreichen Huren wie "Lulu, das heiße Luder" oder "Sarah, das freche Früchtchen" Kunden, die sie mit Kontaktanzeigen in Zeitungen nicht in Wallung zu bringen vermochten.
Auf der anderen Seite sehen sich auch die Freier als Gewinner: Sie nutzen das Netz zu selbstorganisiertem Verbraucherschutz und haben so eine Art Stiftung Hurentest geschaffen: Männer tauschen sich über die vielversprechendsten Adressen aus. Sie berichten Intimes über Abzocke, Gesundheitsgefahren und Schmuddelbetten.
Die Geschäftsidee hatten nicht einschlägig bekannte Größen aus dem Milieu, sondern etwa bei Modelle-Hamburg junge Leute aus der Computerbranche. "Für Anzeigen in den Tageszeitungen müssen die Frauen viel Geld bezahlen und bekommen dafür wenig geboten", sagt Peter Pfeiffer von der Agentur Charly GmbH & Co. KG, "bei uns können sie mit vielen Infos und Fotos werben." Für ein Drei-Monats-Abo bei Charly zahlen die Frauen 180 Euro. Über 500 Frauen hat die Firma in ihrer Kundenkartei, dazu Sexclubs und Pornokinos. Und weil täglich über 12 000 Besucher auf die Seite gehen, wird der Kundenstamm immer größer.
Die inserierenden Damen, Herren, Transvestiten und Paare lassen ihre virtuellen Besucher durchs Schlüsselloch schauen: Die bisweilen professionellen Aufnahmen, die biografischen und physiognomischen Daten der Frauen sowie Informationen über das erotische Angebot vermitteln meist einen sinnlicheren Eindruck, als ihn die Koberfenster von Bordellen bieten.
Puffgänger reizt aber auch das Gästebuch des Portals. Dort gibt es Freier wie "Lollipopp", der kurz und direkt über die "Mörderhupen" von Natascha schwärmt. Pragmatiker geben eher nützliche Tipps ("Am Abend ist sie meist erschöpft"). Autoren wie "Laichzeit" haben sogar noch Augen für scheinbar Nebensächliches: "Ihr Zimmer war ein wenig klein und karg mit weißen Wänden und Jalousien vor den Fenstern."
Die Freier warnen auch vor Häusern, in denen Frauen ohne Schutz arbeiten, oder sie diskutieren die Höhe des Honorars: "War eben bei Michelle", so ein Mann, "sie gehört zu denen, die glauben, unsere Kohle wächst auf den Bäumen. Bin sofort wieder gegangen."
Als etliche Freier daraufhin zum Boykott der vermeintlichen Preistreiberinnen aufriefen, klärte Eva, eine brünette Halbspanierin "mit kleinem Apfelpo", die Geizkragen im Forum auf: "Ihr erwartet eine Frau, die einen super Service bietet und nicht auf die Uhr sieht. Dann finde ich 100 Euro angemessen. Wir sind immer noch Menschen aus Fleisch und Blut." Das sei richtig, assistierte Detlef, "für einen Mercedes muss ich auch mehr ausgeben als für einen Seat".
Selbst Ausbeutung und Abhängigkeiten der Huren sowie der Missbrauch osteuropäischer Frauen werden debattiert. "Meine Bitte an alle Mitstreiter", schrieb jemand politisch korrekt, "solltet ihr das ungute Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt, so bitte ich euch, die Frauen auf die in Deutschland existierenden Hilfsorganisationen hinzuweisen." Wenig später erklärte ein Frauenheld namens Olaf die Debatte freilich für überflüssig: "Können wir dieses sozialtherapeutische Gelaber einmal beenden? Wir Konsumenten sind nun wirklich die Falschen, die hier als barmherzige Samariter schlaue Reden halten sollten."
Und dann widmen sich die Herrschaften wieder den wahren Problemen des Freiers: Weil er "noch keine Erfahrung habe", wandte sich ein Chris jüngst nachts um kurz vor halb eins hilfesuchend an seine Geschlechtsgenossen: "Mal angenommen, ich buche eine Stunde, bin aber zu Anfang schon so aufgeregt, dass er mir losgeht. Ist dann der Spaß vorbei?"
Na, soweit ist das schon, nun kann man sich mittlerweile, wer sich irgendwo nach Geschäftsabschluss amüsieren will, im Internet über Qualitäten informieren.