EPO Selbstversuch, Erfahrungsbericht
An diesem Wochenende geht es bei der Tour de France ins Hochgebirge. Professor Jürgen Reul, Chefarzt der Neuro-Radiologie im Kreis-Klinikum Siegen und Hobbyradler, fuhr im Vorfeld zweimal die berühmten 21 Serpentinen ins 1850 Meter hohe Alpe d'Huez hinauf. Am 21. Juni "sauber", am 4. Juli nach einer zweiwöchigen Epo-Kur gedopt. Der 50- Jährige ist sportlich sehr aktiv, legt jährlich zwischen 6000 und 8000 Kilometer auf dem Rad zurück, läuft Marathon und nimmt regelmäßig am Roth-Triathlon teil.
Lance Armstrong wurde 2004 als Sieger des Zeitfahrens für die 13,9 km in 39:41 Minuten gestoppt. Und Sie?
Jürgen Reul: "Für die selbe Strecke habe ich ungedopt 70 Minuten gebraucht, gedopt 66 Minuten. Ein durchschnittlicher Hobbyfahrer braucht für diese Strecke rund 90 Minuten. Ich bin gut trainiert. Jemand, der das nicht ist, dem hilft auch Doping nichts. Ohne Training wäre diese Zeit für mich nicht möglich gewesen."
Sie haben sich also um gut fünf Prozent verbessert.
Jürgen Reul: "Das wird ja immer noch sehr kontrovers diskutiert. Manche sagen, es sind nur Steigerungen von einem Prozent möglich, andere gehen von sieben bis 15 Prozent aus. Bei mir wäre die Auswirkung bei gleichen Bedingungen wohl deutlich stärker gewesen."
Wieso?
Jürgen Reul: "Beim ersten Versuch hatte ich optimales Wetter. Es war 22 Grad warm, sonnig, wolkenlos und windstill. Beim zweiten Mal hatte es nur drei Grad, es war bitterkalt. Zum ekligen Regen und der nassen Straße kamen noch Böen und Gegenwind. Und trotzdem bin ich vier Minuten schneller unterwegs gewesen. Das lag eindeutig am höheren Hämatokritwert. Normal lag er bei 48, nach der Manipulation mit Epo bei 53."
Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Jürgen Reul: "Ich habe das auch gemacht, um die Gefühlslage bei solchen Manipulationen nachempfinden zu können. Man hat keinerlei Hemmschwellen mehr. Man hat ein Gefühl, als ob man unendlich und ununterbrochen Gas geben könnte und fühlt sich am Ziel noch nicht einmal völlig ausgepowert. Ich habe streckenweise nicht einmal verspürt, dass ich einen sehr steilen Berg hinauf fahre, das kam mir phasenweise eher wie eine Flachetappe vor. Man hat außerdem eine höhere Kampfmoral und unterschwellige Aggressionen."
Gedopt fährt es sich also leichter?
Jürgen Reul: "Richtig. Gerade deshalb sind diese Manipulationen höchst unsportlich. Das ist ungefähr so, als ob jemand bei einem Marathon zwischendurch zehn Kilometer lang die U-Bahn benutzt. Das hat nichts mehr mit dem Ethos des Sports zu tun. Es ist schon deswegen nicht fair, weil es sich nicht jeder Fahrer leisten kann, für zwei Wochen Epo-Doping 2500 Euro auszugeben. So viel hat mich diese 'Kur' gekostet."
War der Versuch medizinisch unbedenklich?
Jürgen Reul: "Überhaupt nicht, das war ein erheblicher gesundheitlicher Eingriff. Die Gefahren sind riesig: Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenembolie, das kann tödlich sein. Wer so etwas macht, der ist ein Kamikaze-Fahrer. Die Leute unterschätzen das Risiko."
Hatten Sie Angst?
Jürgen Reul: "Ja, mir war mulmig zumute. Ich kam mir außerdem mies vor, weil ich nicht das Gefühl hatte, eine eigene sportliche Leistung vollbracht zu haben. Man fühlt sich so, als wäre man nicht selber, sondern mit einem Hilfsmotor hoch gefahren. Nach dieser Erfahrung ist für mich klar: Wenn Mediziner Dopingmittel einsetzen, ist das kriminell. Ich kann keinen Kollegen verstehen, der sich auf so etwas einlässt."
"Haben Sie sich strafbar gemacht?"
Jürgen Reul: "Wenn ich einen anderen gedopt da hoch geschickt hätte, dann ja. Deshalb war der Selbstversuch die einzig legale Möglichkeit. Ich habe mir sogar das Epo-Rezept selber ausgestellt. Epo ist ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Wenn es sich jemand vom Schwarzmarkt oder anderweitig besorgt, dann ist das illegal und strafbar."
"Verfolgen Sie die Tour jetzt mit anderen Augen?"
Jürgen Reul: "Ich weiß jedenfalls, was in den Fahrern vorgeht und wie es in ihnen aussieht. Vielleicht kann meine Erfahrung zu noch mehr Aufklärung beitragen. Ich fände es gut, wenn dieses Jahr bei der Tour nur ein Schnitt von 35 km/h statt über 40 km/h gefahren würde. Das Faszinierende ist doch das Rennen an sich und nicht die Geschwindigkeit des Einzelnen oder des ganzen Feldes."
Das Interview führte Andreas Müller (sid)
Sportschau.de
© Felix Gmünder, Schwimmverein Limmat Zürich
Erythropoietin, abgekürzt Epo genannt, ist ein körpereigenes Hormon. Es wird in den Nieren produziert und gelangt von dort über dei Blutbahnen ins Knochenmark. Im roten Knochenmark werden die roten (und weissen) Blutkörperchen gebildet. EPO regt die Produktion roter Blutkörperchen an. Als Träger des Hämoglobins sind die roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport von den Lungenblächen (Alveolen) ins Gewebe verantwortlich. Je mehr rote Blutkörperchen vorhanden sind, desto mehr Sauerstoff gelangt beispielsweise in die Muskeln; daraus resultiert eine höhere Leistungsfähgigkeit im Ausdauerbereich (20 - 30 Minuten Dauer). EPO wird deshalb im Ausdauerbereich als Dopingmittel eingesetzt.
Bevor man EPO kannte, wurde die Zahl der roten Blutkörperchen durch sog. "Blutdoping", d.h. einer Bluttransfusion mit dem eigenen Blut, erhöht. Blutdoping wurde mit den Olympiasiegen des finnischen Langstrecklers Lasse Viren bekannt (1972). In der Höhe (ab ca. 1800 m) wird die Produktion von roten Blutkörperchen durch die körpereigene Bildung von EPO angeregt. Es resultieren ebenfalls erhöhte Erythrozyten-Konzentrationen. Die Zahl der roten Blutkörperchen wird mit dem Hämatokritwert auf einfache Weise bestimmt (Abzentrifugieren der Blutzellen und Bestimmung des Anteils der Blutkörperchen in %).
Ursprünglich wurde EPO eingesetzt, um Nierenkranken zu helfen. Vor allem Patienten, die an einer Dialyse hängen, profitieren von Epo. Wegen des Nierenversagens produziert der Körper kaum noch eigenes Erythropoietin mit zunehmender Blutarmut als Folge. Bevor man EPO als Medikament einsetzen konnte, erhielten diese Patienten immer wieder Bluttransfusionen, manchmal bis zu 100 pro Patient. Das Risiko, sich dabei mit Hepatitis- oder ähnlichen Viren zu infizieren, war gross.
Anfang der achtziger Jahre gelang es dann, Erythropoietin gentechnisch herzustellen (= rekombinantes EPO oder rEPO). Das heisst, das künstlich hergestellte EPO unterscheidet sich in praktisch keiner Weise vom natürlichen, körpereigenen. 1990 Jahren wurde das Medikament zugelassen. Für die Dialysepatienten bedeutete das neue Präparat einen enormen Zugewinn an Lebensqualität. Sie litten nicht mehr an Blutarmut, die Transfusionen wurden überflüssig.
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Wenn ich mir mal angeschaut hab,wie Armstrong die Pyrenäen hochjagte,mußte dem Letzten klar sein,daß das nicht einfach so geht.
Entweder die Tour,den Radsport nicht mehr sponsern oder mehr Ehrlichkeit im Sport.
Also legalisierung von Doping.
Das würde den Wettbewerb wieder fairer machen,Ärztliche Betreuung könnte optimal ablaufen,wie es sein sollte, Sportler müßten nicht auf immer neue noch unbekannte Tricks und Mittel zurück greifen,sondern sich bewährter Drogen bedienen,deren nebenwirkungen und Risiken besser einzuschätzen sind und somit akute Zwischenfälle wie langfristige negative Folgen reduzieren könnten.
Zum EPO,guter Artikel.
ASnfangs noch aus dem armen chinesischen Goldhamster gewonnen,gibt es längst mehrere synthetische Präparate,der Preiskampf in der Pharma Industrie ist längst ausgebrochen.
Zu diesem Umstand kommen in letzter Zeit besorgniserregende Meldungen hinzu,die gerade im Dialyse Bereich nicht gerade an die große Glocke gehängt werden.
Da die USA mit fast das einzige Land sind,daß Aussagekräftige große Studien durchführen kann,ist es von dort zuletzt zu hören gewesen,daß Erythopoetin /NeoRecormon / Aranesp usw. möglicherweise eine cancerogene Wirkung auf den Organismus haben könnte.
Sprich eine noch sehr allgmein gehaltene Befürchtung,daß EPO das Risiko erhöhen könnte, an einem Tumorleiden zu erkranken.
Leichtfertig,auch wegen der Pharma Macht,wird man derlei Warnungen nicht publik machen...
Das sollten wenigstens Hobby / Amateur Radler im Hinterkopf behalten,neben den aktuellen Risiken eines EPO induzierten Herzinfarkts/Schlaganfalls/Lungenembolie aufgrund des prozentual zu hohen Anteils an roten Blutkörpern in Relation zur Gesamt Blutmenge.
Statt mit EPO und Wachstumshormonen,wäre die Tour besser beraten,die Fahrer kontrolliert mit Amphetamin zu dopen,wie es in den 50ern üblich war.
Das ist zwar utopisch,aber es wäre ein neuanfang ohne Heuchelei,so hat sich die Tour de France doch eigentlich erübrigt....
Wir haben vor noch ein paar Jahre unsere bisherigen Ergebnisse zu verifizieren und dann unseren Erlebnisbericht zu veröffentlichen.Das wird ein Hammer,eine Sternstunde von investegativem Journalismus.
Bevor es Butter bei die Fische gibt wird erstmal noch einiges an Stimulanzien und horizont-sowie leistungserweiternden Mitteln in die Dickdärme gepresst..............eins nach dem anderen.Spektakulär sage ich Euch...........aber ok nassie,als Kostprobe und sozusagen Vorabdruck mal ein Beispiel: Big l. hat bei einem unserer letzten gemeinsamen Konzertbesuche vorher Viagra genommen,weil es der Kategorie HARD-Rock zuzuordnen war und er sich dadurch ein intensiveres Hör-Erlebnis versprochen hat....das Ergebnis war das er ständig gegen den Hintern einer vor ihm stehenden Zuhörerin gestossen ist und sich eine gefangen hat.
Beim nächsten Mal habe ich versucht vor der Bühne alles parallel zu konsumieren was Neil Young auf selbiger eingeworfen und -geschüttet hat......keine Chance,der Dude musste mich nachher rausschleppen weil ich den Weg zum Auto alleine nicht mehr gefunden hätte.Man erkennt sofort ,wir schonen uns nicht im Dienste der Wissenschaft......hoffentlich gehen wir nicht mal zu den Babyshambles.......
:-)))
"Wow! Mehr davon"
Die österreichische Triathletin und Kronzeugin Lisa Hütthaler, 25, über Epo im Kühlschrank, die Auswirkungen von Testosteron und die Angst, verrückt zu werden durch das Leben in einer Parallelwelt.
SPIEGEL: Frau Hütthaler, Sie haben durch Ihr Geständnis und die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft ein ganzes Dopingnetzwerk auffliegen lassen. Es folgten Razzien und Festnahmen, wie die des Sportmanagers Stefan Matschiner. Fühlen Sie sich befreit?
Hütthaler: In diesem Moment fühle ich mich einsam und irgendwie leer. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Ich habe ausgesagt, weil ich einfach nicht mehr konnte. Matschiner hat eine Familie, ein kleines Kind, aber er hat sich, wie viele andere, strafbar gemacht. Auch ich habe eine Familie, ich habe Eltern und Verwandte, die mit den Konsequenzen leben müssen.
SPIEGEL: Nach dem Geständnis hat die Nationale Anti-Doping-Agentur Ihre Sperre von sechs Jahren auf 18 Monate verkürzt.
Hütthaler: Das ist nett, war mir aber egal. Als ich mich im Dezember entschieden habe, aus diesem Lügengebäude auszubrechen, stand für mich fest, dass ich meine Karriere danach beenden werde.
SPIEGEL: Warum?
Hütthaler: Weil das der einzige Weg ist, wieder halbwegs gesund zu werden.
SPIEGEL: Woran leiden Sie?
Hütthaler: Mein Körper und meine Psyche sind kaputt. Ich habe während der letzten drei Jahre ohne Gnade gelogen. Fängt man einmal damit an, kommt man da nicht mehr raus. Zum Schluss wusste ich nicht mehr, wem ich was erzählt habe. Das endete im psychischen Totalstress. Davon abgesehen wird sich mein Körper wahrscheinlich nie mehr erholen.
SPIEGEL: Wovon?
Hütthaler: Ich habe mir zwei Jahre lang Testosteron und Wachstumshormon gespritzt. Meine Periode setzte aus, meine Schultern wurden breiter. Männliche Hormone verändern einen Frauenkörper extrem. Damit habe ich sehr zu kämpfen.
SPIEGEL: Wann hat das alles begonnen?
Hütthaler: Eigentlich bin ich, als ich meinen Ex-Freund kennengelernt habe, falsch abgebogen. Ich hatte gerade mit 17 Jahren meine Matura auf dem Sportgymnasium gemacht und begonnen, Informationstechnologie und Management zu studieren. Um ein bisschen Geld nebenbei zu verdienen, habe ich eine Fortbildung zur Spinning-Lehrerin im Fitnessstudio gemacht. Mein Ex-Freund besuchte denselben Kurs, er war schon damals ein erfolgreicher Hobbytriathlet. Eines Morgens stellte er mir ein Rad hin und sagte: Schatz, auf geht's! Die erste Fahrt war gleich 100 Kilometer lang. Am nächsten Tag liefen wir 18 Kilometer. Ich war überrascht, wie gut ich mithalten konnte. Nach drei Monaten setzte die Müdigkeit ein. Erst wurde ich schlapp vom Radfahren, erhöhte deshalb mein Laufpensum, und als ich davon müde wurde, steigerte ich mein Schwimmtraining. Als meine Schulter zu schmerzen begann, musste ich pausieren.
SPIEGEL: Das klingt nach übertriebenem Ehrgeiz. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Doping?
Hütthaler: Damals habe ich noch nicht an Wettkämpfen teilgenommen, Sport war mein wichtigstes Hobby. Die Clique meines Ex-Freundes bereitete sich im Sommer 2001 auf den Ironman auf Hawaii vor. Beim gemeinsamen Training lernte ich schnell, dass es fünf entscheidende Faktoren im Sport gibt: Training, Ernährung, Umfeld, Regeneration - und Doping.
SPIEGEL: Doping war ganz selbstverständlich ein Thema?
Hütthaler: Ja. Das war ein Gesprächsthema wie jedes andere. Meine neuen Freunde setzten sich die Spritzen locker in den Po.
SPIEGEL: Sie sprechen von Hobbysportlern?
Hütthaler: Vergessen Sie das Märchen, es werde nur unter Profis gedopt. Das beginnt schon bei ambitionierten Hobbysportlern.
SPIEGEL: Hatten Sie keine Zweifel?
Hütthaler: Am Anfang habe ich noch gefragt, womit die Spritzen gefüllt seien. Vitamin C oder so, sagten sie. Mit der Zeit habe ich kapiert, dass man nur gedopt Erfolg haben kann. Mein Ex-Freund lagerte die Spritzen im Kühlschrank, sie waren unsere ständige Begleitung.
SPIEGEL: Womit waren sie gefüllt?
Hütthaler: Das habe ich nicht gefragt. Vielleicht hätte er es mir sogar gesagt, aber in Wahrheit wollte ich es gar nicht wissen. Ich war naiv, für mich bedeutete diese Art des Lebens die große weite Welt. Ich war die einzige Frau in einer Männertrainingsgruppe. Ich dachte: Hey, wow, cool! Lauter Männer, und ich hielt mit.
SPIEGEL: Wann haben Sie sich die erste Spritze aus dem Kühlschrank genommen?
Hütthaler: So einfach geht das nicht. Gratis gibt dir in der Szene keiner was ab. Das erste Mal darüber nachgedacht habe ich im Herbst 2005. Ich wurde 22, hatte gerade mein Kollegstudium abgeschlossen und sehr hart trainiert. Bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften im Juni 2005 wurde ich im Kurztriathlon Dritte. Das klingt zwar nett, ist aber Kleinkram. Damit wird man nicht reich. Ich wollte den eingebauten Epo-Motor spüren, von dem die anderen erzählten. Außerdem hatte ich immer Gewichtsprobleme.
SPIEGEL: Sie wollten dopen, um abzunehmen?
Hütthaler: Ich habe beobachtet, dass die anderen abnahmen, sobald sie ihre Spritzen setzten. Ich dachte, hey, das will ich auch. Endlich nicht mehr ständig gegen den Hunger ankämpfen müssen. Für mich stand fest: Dünner bedeutet schneller.
SPIEGEL: Wer hat Ihnen geholfen, die Dopingsubstanzen zu besorgen?
Hütthaler: Andreas Zoubek, der ehemalige stellvertretende Leiter des St. Anna Kinderspitals in Wien. Das erste Mal habe ich ihn 2003 auf Hawaii getroffen. Zoubek ist einer, der gern im Mittelpunkt steht und einem bei Wettkämpfen auf die Schultern klopft. Manchmal gingen wir gemeinsam joggen. Mit der Zeit vertraute ich ihm. Ich hatte gehört, dass er sich mit Doping sehr gut auskennt. Anfang 2006 war ich mir dann sicher, selber dopen zu wollen. Ich fragte ihn, ob er mir helfen könne. Ich konnte den Einstieg ja nicht ohne professionelle Hilfe durchziehen. Er hat mir in seinem Büro im Krankenhaus erklärt, dass ich für die Blutdopingeinnahme bestimmte Dinge beachten müsse.
SPIEGEL: Was?
Hütthaler: Man braucht einen erhöhten Eisenwert. Das Eisen ist für die Bildung der roten Blutkörperchen notwendig. Zoubek hat mir Eisen gespritzt, um meinen Körper auf das Epo vorzubereiten.
SPIEGEL: Hatten Sie ein schlechtes Gewissen?
Hütthaler: Nein, ich dachte, jetzt geht's endlich los. Da war auch keine Angst. Ich wusste ja, wann man sich wie was spritzt.
SPIEGEL: Hat Zoubek Ihnen auch Epo verabreicht?
Hütthaler: Ja, aber nach einigen Monaten sagte er, ich sei nun in einer Liga, in der ich aufpassen müsse, nicht erwischt zu werden. Er kenne sich da nicht gut genug aus, könne mich aber an jemanden vermitteln.
SPIEGEL: Zoubek hat bisher alle Anschuldigungen abgestritten.
Hütthaler: Davon habe ich gehört. Dabei war er derjenige, der mein erstes Treffen mit dem Sportmanager Matschiner im Mai 2007 organisierte. Damals war ich schon im Elite-Kader des Österreichischen Triathlonverbandes.
"Ich fühlte mich wie eine Darstellerin in einem Spionagefilm"
SPIEGEL: Wo haben Sie Matschiner getroffen?
Hütthaler: In einem Hotel in einer kleinen Seitengasse neben dem Casino in Linz.
SPIEGEL: Sie hatten wieder keine Bedenken?
Hütthaler: Nein, es kribbelte richtig in mir. Ich fühlte mich wie eine Darstellerin in einem Spionagefilm. Ein geiles Gefühl, vergleichbar mit dem Moment, in dem man sich die Spritze setzt. Kurz kommen Zweifel auf, du denkst: Puh, ist das heftig, was du da gerade machst, und in der nächsten Sekunde hast du den Gedanken schon wieder verdrängt. Darin war ich perfekt.
SPIEGEL: Wie verlief der erste Deal?
Hütthaler: Matschiner kam an meinen Tisch und bat mich, ihm ins Hotel zu folgen. Draußen saßen ihm zu viele Gäste. Er hat mir dann die Tüte mit den Epo-Spritzen gegeben. Ich zahlte in bar.
SPIEGEL: Wie viel haben Sie für die Dopingmittel ausgegeben?
Hütthaler: Insgesamt rund 20.000 Euro innerhalb von zwei Jahren.
SPIEGEL: Woher hatten Sie das Geld?
Hütthaler: Es hat gerade so gereicht. Ich habe 2006 schon ein bisschen als Sportlerin verdient. Ein gewisses Niveau musst du schon erreicht haben.
SPIEGEL: Wann haben Sie den Epo-Motor, wie Sie es nennen, zum ersten Mal gespürt?
Hütthaler: Etwa zwei Wochen nach der ersten Injektion konnte ich Intervalle rennen, ohne einen Funken Müdigkeit zu spüren. Ich hängte meine Kumpel am Berg ab und dachte: Wow! Mehr davon. An den Staatsmeisterschaften 2006 nahm ich gedopt teil und wurde Zweite.
SPIEGEL: Hatten Sie keine Angst, erwischt zu werden?
Hütthaler: Nein. Ich dachte, wenn es jemanden erwischt, bestimmt nicht mich, sondern die Profis. Matschiner erstellte mir einen Dopingplan. Notierte, wann ich was nehmen muss, um beim Wettkampf fit zu sein, ohne überführt zu werden. Er sagte, dass man die Form von Epo, ich bekam Dynepo, noch nicht nachweisen könne. Trotzdem wusste ich, dass Blutdoping generell nicht so lange nachweisbar ist, wenn ich es mir intravenös spritze. Das war nicht so einfach, weil ich als Triathletin ja im Badeanzug antrat und man die Einstichstellen am Arm sehen würde. Deshalb habe ich manchmal eine Vene am Fuß genommen.
SPIEGEL: Matschiner hat bisher nur zugegeben, an Bluttransfers für den Radprofi Bernhard Kohl beteiligt gewesen zu sein, aber nicht, dass er mit Dopingmitteln wie Epo gedealt hat.
Hütthaler: Ich erinnere mich genau, dass er mich noch etwa fünfmal in Wien besucht hat, das konnte er mit seinen Reisen in den Osten verbinden. Dort ist er immer hingefahren, ich weiß auch nicht, warum.
SPIEGEL: Meinen Sie, er hat dort Dopingmittel gekauft?
Hütthaler: Ich weiß es wirklich nicht.
SPIEGEL: Wissen Sie von anderen Sportlern, die er mit Doping versorgt haben soll?
Hütthaler: Dazu kann ich nichts sagen. Mir übergab er in Wien Epo, Testosteron und Wachstumshormon und listete auf, wann ich wie viele Einheiten in welcher Kombination spritzen muss. Wachstumshormon in die Fettspalte am Bauch, das Testosteron in die Pomuskulatur.
SPIEGEL: Wie hat ihr Körper reagiert?
Hütthaler: Die Veränderungen durch die männlichen Hormone habe ich schnell bemerkt. Trotzdem habe ich versucht, mir die Bestätigung von meinem Freund zu holen, dass alles okay ist. Er sagte, ich solle mir keinen Kopf machen. Außerdem war ich glücklich, tatsächlich abzunehmen. Wenn ich mit dem Zeug aussetzte, nahm ich nach nur wenigen Tagen sofort zu. Schauen Sie sich manche Ausdauersportler an, die sind im Winter immer viel dicker als im Sommer. Die Leute glauben, die Sportler legen zu, weil sie im Winter zu viel Süßes essen. Das ist Quatsch. Man ernährt sich genauso wie im Sommer, trainiert sogar noch härter im Trainingslager. Aber durch die Dopingpause nimmt man trotzdem zu.
SPIEGEL: Haben Sie andere Nebenwirkungen gespürt?
Hütthaler: Ich weiß bis heute nicht, ob es im Zusammenhang mit den Dopingsubstanzen stand, aber Ende 2006 begann mein Herz auf einmal wie verrückt zu pochen. In einem wahnsinnig hektischen Rhythmus. Die Ärzte stellten mit Hilfe eines EKG eine Tachykardie fest, eine Form von Herzrhythmusstörungen. Ich musste sogar operiert werden. Mittels einer Herzkatheteruntersuchung wurde Gewebe verödet, das die Rhythmusstörungen verursachte.
SPIEGEL: Wussten die Ärzte von den Medikamenten, die Sie spritzten?
Hütthaler: Das konnte ich ihnen unmöglich erzählen.
SPIEGEL: Wie hat Ihre Familie auf die Operation reagiert?
Hütthaler: Natürlich hat sich meine Mutter gesorgt. Aber ich habe immer weitergelogen. Die Familie hält man aus diesem Netzwerk raus.
"Der dopende Sportler begeht Fehler"
SPIEGEL: Haben Sie auch Bluttransfusionen erhalten?
Hütthaler: Ja, zweimal hat mir Matschiner in einem Haus in Steyrermühl, in Oberösterreich, Blut abgenommen. Einmal hat er es zurückgeführt. Im Keller dieses Hauses stand die Blutzentrifuge, die die roten Blutkörperchen vom Plasma trennt. Auf meinem Blutbeutel stand "Cindy". Er sagte, du bist meine Cinderella.
SPIEGEL: Sie waren Matschiners Aschenputtel?
Hütthaler: Er sagte, Fuentes bezeichne seine Kunden mit Tiernamen, er dagegen benutze Märchenfiguren. Bei mir passte beides - der Hund meiner Mama heißt auch Cindy. Ich habe mich ehrlich gesagt ziemlich geekelt. Normalerweise wird mir schon übel, wenn ich mir meinen Zeh anstoße und es blutet. Eine Steigerung des Hämatokritwerts um vier bis sechs Prozentpunkte sollte das bringen, also dickeres Blut mit mehr roten Blutkörperchen, das mehr Sauerstoff transportiert - gespürt habe ich im Wettkampf nichts.
SPIEGEL: Wann wurden Sie zum ersten Mal kontrolliert?
Hütthaler: Im Winter 2004. Und danach immer im Dezember oder Januar, wenn ich eine Dopingpause einlegte. Perfekt wäre die Phase im Frühjahr gewesen, in der ich mich auf die Wettkämpfe vorbereitete.
SPIEGEL: Im Juni 2007 wurden Sie österreichische Triathlon-Staatsmeisterin. Konnten Sie Ihren Triumph mit ruhigem Gewissen feiern?
Hütthaler: Für mich war das eine Frage der Gleichberechtigung. Du weißt, dass es die anderen machen und willst die gleiche Erfolgschance haben. Ich entwickelte einen Blick dafür, welche meiner Konkurrentinnen welches Mittel genommen hat.
SPIEGEL: Woran können Sie das erkennen?
Hütthaler: An der Konsistenz der Haut. Nach der Einnahme von Wachstumshormon wird die Haut dünner, das Testosteron macht sie unrein. Man weiß also Bescheid, man findet alles normal. Trotzdem bekam ich mit der Zeit Angst vor den Kontrollen. Jedes Mal, wenn ich vor dem Training mein Haus verließ, stellte ich mir vor, dass ein Dopingkontrolleur im Wagen vor meiner Tür sitzen könnte, der mich überrascht.
SPIEGEL: Sie mussten ja bei Ihrer Nationalen Anti-Doping-Agentur angeben, wo Sie sich befinden.
Hütthaler: Ja, Trainingsort und -zeit musste ich mitteilen. Auf dem Weg zur Schwimmhalle bekam ich oft weiche Knie. Ich erinnere mich noch genau, dass mir beim Radfahren einmal ein Mann und eine Frau entgegenkamen, normale Spaziergänger. Ich hielt sie für Kontrolleure, und es schauerte mir über den ganzen Körper. Heute weiß ich, dass dieses System, bei dem man am Computer angeben muss, wo man sich wann befindet, ein richtiger Schritt ist, um den Sport zu retten.
SPIEGEL: Warum?
Hütthaler: Wer nicht dopt, also nichts zu verbergen hat, der akzeptiert das Kontrollsystem. Sogar Hobbysportler notieren sich täglich Abläufe, Zeiten, Einheiten, Orte. Da kommt es auf ein Formular mehr auch nicht an. Außerdem geraten die Informationen ja nicht in die Öffentlichkeit. Informiert ist nur die Anti-Doping-Agentur. Den dopenden Sportler machen jedoch der Druck und die ständigen Kontrollen nervös, und er begeht Fehler.
SPIEGEL: Nur einmal wurden Sie zum richtigen Zeitpunkt getestet.
Hütthaler: Ja, am 22. März 2008. Das war perfektes Timing. Fünf Tage später bin ich nach Australien geflogen, acht Tage später habe ich an einem Triathlon teilgenommen. Ich war randvoll mit Epo.
SPIEGEL: Sie wussten, es ist aus?
Hütthaler: Nein, ich war total entspannt. Ich dachte, dass man mir diese Epo-Form nicht nachweisen könne und dopte weiter.
SPIEGEL: Als Sie erfuhren, dass die A-Probe positiv war ...
Hütthaler: ... habe ich trotzdem die Öffnung der B-Probe beantragt.
SPIEGEL: Aber Sie waren doch überführt.
Hütthaler: Schon zu Beginn meiner Dopingkarriere ist mir vermittelt worden, dass immer irgendetwas geht, um aus einer positiven eine negative Probe zu machen. Ich hatte in der Vergangenheit von so vielen Sportlern aus der ganzen Welt gehört, die zwar positiv getestet wurden, bei denen aber nie eine positive B-Probe herauskam.
SPIEGEL: Bei der Öffnung der B-Probe sollen Sie versucht haben, eine Laborantin mit 20.000 Euro zu bestechen.
Hütthaler: Ehrlich gesagt, es waren 50.000 Euro. Es erschien mir der einfachste Weg zu sein, heil aus der Nummer rauszukommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon so viel gelogen, dass ich kein Unrechtsbewusstsein mehr hatte. Ich stand also vor meiner Probe in diesem Labor in Seibersdorf und habe in einer Kurzschlussreaktion die Laborantin gefragt, ob sie mir helfen kann.
SPIEGEL: Wie hat sie reagiert?
Hütthaler: Es traf genau das ein, worüber sie mich vor der Öffnung belehrt hatte: Jeder Versuch der Manipulation werde sofort gemeldet.
SPIEGEL: Sie hätten also wissen müssen, dass in diesem Moment alles zu Ende war.
Hütthaler: Manchmal frage ich mich immer noch, warum bei mir eine positive Probe herausgekommen ist und bei anderen, von denen ich definitiv weiß, dass sie gedopt haben, nicht.
SPIEGEL: Wie lautet die Antwort?
Hütthaler: Ich weiß es nicht. Vielleicht spielte ich noch nicht in der wahren Profiklasse mit. Aber das ist Spekulation.
SPIEGEL: Wie ging es weiter?
Hütthaler: Zehn Tage später erfuhr ich, dass die Probe positiv ist. Es war wie ein Riesenknall. Alles brach zusammen. Meine Beziehung hatte sich schon vorher aufgelöst. Der Freundeskreis fiel auch auseinander.
SPIEGEL: Warum?
Hütthaler: Ich konnte mit all diesen Menschen nichts mehr anfangen. Ich wollte niemanden bis auf meine Eltern sehen und verlor die Freude am Leben.
SPIEGEL: Wie hat Ihre Familie reagiert?
Hütthaler: Meine Eltern haben mich in den Arm genommen und mich festgehalten. Ich habe sie skrupellos angelogen, und sie haben mir verziehen.
SPIEGEL: Haben Sie mehr Unterstützung erwartet?
Hütthaler: Ich hätte mich darüber gefreut. Ich habe schwere Fehler gemacht. Aber wir Sportler sind auch Kinder eines kranken Systems. Ohne die richtigen Leute im Hintergrund, die Ärzte und Manager, würde das Netzwerk nicht funktionieren. Ich habe alles gestanden. Aber Hilfe bekomme ich keine. Niemand sagt mir, was ich tun soll, wie es weitergeht. Doper werden geächtet, packen wir aus, stehen wir alleine im Regen. Ich habe Fehler gemacht, aber ich bin keine Verbrecherin.
SPIEGEL: Glauben Sie, Dopingnetzwerke sind ein österreichisches Problem?
Hütthaler: Nein. In allen Ländern und allen Sportarten wird gedopt. Bist du in dem System drin, ist es das Normalste der Welt.
SPIEGEL: Was hat denn dazu geführt, dass Sie im Dezember 2008 vor der Staatsanwaltschaft ausgepackt haben?
Hütthaler: Nachdem mich die Nationale Anti-Doping-Agentur im Oktober 2008 sperrte, war ich mir zuerst sicher, weiter für meinen Traum, die Olympia-Teilnahme, zu trainieren. Natürlich gedopt, nur vorsichtiger als vorher. Aber ich spürte immer mehr, dass ich langsam verrückt werde in dieser Parallelwelt. Ich musste meine Eltern ja wieder anlügen. Mir wurde immer klarer, wie wahnsinnig das alles ist, und brach psychisch unter diesem Druck zusammen. Als einzigen Ausweg sah ich das Geständnis und den kompletten Ausstieg aus dem Profisport. Deshalb habe ich nach meinem Geständnis meine Karriere öffentlich beendet.
SPIEGEL: Sie wollen mit Ihrem Geständnis andere Sportler animieren auszupacken. Glauben Sie wirklich, dass sich dadurch etwas ändern wird?
Hütthaler: Auf längere Sicht vielleicht. Wer lebt schon gern immer in der Angst, erwischt zu werden? Wer will sein ganzes Geld in den Mist investieren?
SPIEGEL: Haben Sie bereits zurück in Ihr altes Leben gefunden?
Hütthaler: Nein. Dafür werde ich noch zu oft an das letzte Kapitel erinnert. Ich kann mich zum Beispiel so gesund ernähren, wie ich will, und trotzdem zeigt meine Kilokurve ohne Doping nach oben. Ich mache jetzt eine Ausbildung zum Ernährungsvorsorge-Coach und will später Kindern helfen, die richtige Einstellung zu ihrem Körper zu entwickeln, damit sie nie in eine solche Abhängigkeit geraten wie ich.
SPIEGEL: Frau Hütthaler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Das Gespräch führte Cathrin Gilbert
URL:
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,621732,00.html
RadsportArmstrong verliert wegen Dopingaffäre weitere Sponsoren
Berlin (dpa) - Immer mehr Sponsoren wenden sich von Ex-Radprofi Lance Armstrong ab: Nach dem Sportartikel-Konzern Nike und der Brauerei Anheuser-Busch haben auch der Fahrradbauer Trek sowie die Fitnessstudio-Kette 24 Hour Fitness ihre Verträge mit dem früheren Superstar beendet. Der Amerikaner hat laut einem umfangreichen Bericht der US-Anti-Doping-Agentur USADA jahrelang systematisches Doping betrieben, mit verbotenen Substanzen gehandelt und seine Teamkollegen zum Dopen gezwungen. Armstrong bestreitet die Vorwürfe.
Quelle: n-tv.de, dpa