Die Islamisierungsstrategie des Tariq Ramadan
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Eröffnet am: | 10.07.06 16:17 | von: betabeta | Anzahl Beiträge: | 3 |
Neuester Beitrag: | 11.07.06 17:33 | von: Karlchen_II | Leser gesamt: | 2.346 |
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Die Islamisierungsstrategie des Tariq Ramadan
Tariq Ramadan hält einen dauerhaften Spitzenplatz auf der Hitliste muslimischer Intellektueller Europas. Er ist gerngesehener Gast bei zivilgesellschaftlichen Institutionen ebenso wie den Kirchen, europäischen Kommissionen und vor allem den Globalisierungsgegnern. Was diesen seine im Sound von "attack" vorgetragene Kritik am "westlichen Konsumismus", sind jenen seine Reden über "einen europäischen Islam", für die ihn einige gar zum "Luther des Islam" küren wollen.
So erfreut er sich einer ungeheuren Medienpräsenz und nutzt diese zur Selbststilisierung als Reformer und Stifter eines europäischen Islam. Gleichzeitig gilt er aber auch als islamistisches U-Boot, als "Wolf im Schafspelz" oder gar " Haider der Moslems" (1), zumindest aber als "Doppelagent des modernen Islam" (2).
Mit Angriffen auf "jüdische Intellektuelle", denen er im Oktober 2003 einen "pro-israelischen Kommunitarismus" vorwarf, trug er sich den Vorwurf des Antisemitismus ein und sorgte im Vorfeld seines Auftritts beim Pariser Sozialforum für Wirbel (vgl. Unzufriedenheit mit der Oppositionsrolle (3)). Kurz darauf forderte er bei einer Fernsehdiskussion mit dem französischen Innenminister Sarkozy auch noch ein "Moratorium" für Steinigungen von Ehebrecherinnen, statt solche Praktiken bedingungslos zu verurteilen.
Die zahlreichen Skandale auf seinem Weg haben seiner Präsenz nichts anhaben können, im Gegenteil. So wie die Marktmechanismen der Kulturindustrie nun einmal funktionieren, halfen Prädikate wie "umstritten" oder "undurchsichtig", die fast jeden Artikel über Ramadan einleiten, eher noch seinen medialen Ruhm zu steigern. Und Ramadan erwies sich eins ums andere Mal als Meister im Umgang mit dem Medienhype.
Islamwissenschaftlich fragwürdiges Vorgehen
So ist neben den zahllosen eigenen Veröffentlichungen des Umtriebigen inzwischen ein ganzer Korpus von Ramadan-Sekundärliteratur entstanden. Einiges davon kommt eher apologetisch daher, etwa ein buchlanges Interview des Ramadan-Förderers und früheren Chefredakteurs von "Le monde diplomatique", Alain Gresh (L'islam en questions - Fragen an den Islam, Gespräch mit Alain Gresh. Paris: Actes Sud 2000), der nicht unwesentlich zu Tariq Ramadans Popularität in der globalisierungskritischen Bewegung beigetragen hat.
Dem stehen kritische Veröffentlichungen wie die Ramadan-Bücher von Caroline Fourest ("Frère Tariq", Grasset 2004 , taz-Interview mit ihr über das Buch (4), Lionel Favrot (Tariq Ramadan Dévoilé, Lyon Mag' Hors Série Hors-Série N° 2004 ) oder Paul Landau (Ein Kapitel daraus findet sich ins Englische übersetzt hier (5)) gegenüber. Diese sind jedoch alle bislang nicht ins Deutsche übersetzt worden. Daher lohnt sich ein näherer Blick auf die nun vorliegende kritische Studie des Islamwissenschaftlers und Politologen Ralph Ghadban über "Tariq Ramadan und die Islamisierung Europas" (6).
Anders als etwa Fourest hat sich Ghadban nicht investigativ durch sämtliche auch noch so entlegenen Kassetten mit Predigten Ramadans gearbeitet, um ihm einen islamistischen Diskurs im Geiste der von seinem Großvater Hassan al Banna begründeten Muslimbrüder nachzuweisen. Ghadban konzentriert sich vielmehr darauf, wie Ramadan seinen religiösen und politischen Diskurs aus der islamischen Ideengeschichte begründet. Während Ramadan seinen Kritikern aus dem Bereich des Investigativjournalismus gern Oberflächlichkeit und islamwissenschaftliche Unkenntnis vorwirft, dreht Ghadban den Spieß um und weist Ramadan ein islamwissenschaftlich ziemlich fragwürdiges Vorgehen nach.
"Es geht nicht um die Integration der Muslime, sondern der Europäer"
Was hat es nun mit der Doppelzüngigkeit und Ungreifbarkeit seiner Position auf sich, die Ramadan immer wieder attestiert wird und ihm zurecht den Ruf eines demagogischen Verführers eingebracht hat? Gerade diese Widersprüchlichkeit wird Ramadan aber auch als Eigenschaft zugute gehalten, die ihn zumindest von hartgesottenen islamistischen Predigern unterscheide. Man wird wohl mit ihm im Gespräch bleiben müssen, lautet oft die Schlussfolgerung.
Ghadban zeigt dagegen an verschiedenen Beispielen, wie es Ramadan vordergründig allen recht zu machen versucht, während er gleichzeitig an Scharia-Grundsätzen festhält, die für ihn überhistorische Gültigkeit besitzen. Er spricht von einer Strategie der "semantischen Verschiebung", mittels derer Ramadan eine islamistische Agenda als integrativen Reformislam für europäische Muslime verkaufen will, der schließlich sogar auf die islamischen Länder zurückwirken soll.
Doch das Gegenteil sei der Fall:
"Es geht nicht um die Integration der Muslime, sondern der Europäer.
Was zuerst als emanzipatorisch und integrativ erscheint, entpuppt sich als Multikulturalismus kommunitaristischer Prägung." Bereits im ersten Kapitel des Buches porträtiert Ghadban Ramadan als islamistischen Kulturkämpfer im Geiste Huntingtons (das Kapitel ist als eigene Broschüre verfügbar (7)).Klares Feindbild eines dekadenten, vom religiösen Glauben abgefallenen materialistischen Westens
Deutlich wird dabei, dass Ramadan entgegen all seiner gegenteiligen Behauptungen das klare Feindbild eines dekadenten, vom religiösen Glauben abgefallenen materialistischen Westens pflegt. Wesentliche Ursache des westlichen Übels ist nach seinen eigenen Worten "die laizistische Moral, die sich auf das Vernunftsprinzip stützt."
Ghadban stellt daher mit gutem Grund Ramadans Verhältnis zu den rationalen Strömungen des Islam in den Mittelpunkt seiner Argumentation. Um zu zeigen, dass Ramadan diese ablehnt und einen gegenaufklärerischen Kulturkampf um die Islamisierung Europas im Sinne des politischen Programms der Muslimbrüder führt, begibt er sich immer wieder auf sehr umfangreich und detaillierte Ausflüge durch die Ideengeschichte des Islam.
Für religionsgeschichtlich weniger interessierte Leser ist das sicher manchmal ermüdend, zumal die Gedankengänge des Autors oft sehr elliptisch um ihren Gegenstand kreisen. Es lohnt sich aber dennoch. Denn was Ghadban hier über die islamische Geschichte und deren ideologischen Gebrauch durch moderne islamistische Bewegungen vermittelt, trägt weit über die bei aller Prominenz doch begrenzte Bedeutung Tariq Ramadans hinaus zum Verständnis islamistischer Strategien bei.
"Dialog der Kulturen" - Missverständnisse
Dabei werden einige begriffliche Missverständnisse aufgeklärt, denen wohlmeinende Zivilgesellschaftler im "Dialog der Kulturen" immer wieder aufsitzen. Das betrifft etwa den von Ramadan beanspruchten Reformbegriff. Der bezieht sich keineswegs auf aufgeklärte Reformer wie jene Vertreter der Nahda, die im 19. Jahrhundert auf die europäische Expansion reagierten, indem sie eine islamische Erneuerung durch den Gebrauch der kritischen Vernunft propagierten und den Islam mit einer säkularisierten Moderne versöhnen wollten.
Vielmehr bezieht sich Ramadan durchweg auf die sogenannten Salafi-Reformer, für die Reform die Rückkehr zu den "guten Vorgängern" (al-Salaf) und der buchstabengetreuen, "literalistischen" Koranauslegung bedeutet. Damit befindet er sich für Ghadban auf der Linie, die von widersprüchlichen modernistischen Reformern wie Al-Afghani und dessen Schüler Mohammed Abdu zum modernen Islamismus, zu Tariq Ramadans Großvater Hassan Al-Banna und der Muslimbruderschaft führt.
Zwar reklamiert Ramadan auch den Gebrauch des Ijtihad, der "geistigen Anstrengung" mittels der menschlichen Vernunft, um sich von den hartgesotteneren Islamisten der Salafiten abzugrenzen. Ghadban kann allerdings überzeugend nachweisen, dass damit gerade nicht ein rationaler Zugang zu den islamischen Quellen als immer wieder neu zu interpretierender, menschengeschaffener Text gemeint ist.
Ganz im Gegenteil ginge es um die doktrinäre Bestätigung eines ewig gültigen "islamischen Universums der Referenzen." Als einzig legitimes Mittel der Vernunftanwendung bei dessen Anpassung an die Moderne lässt Ramadan den Analogieschluss zu, was aber die dogmatische Fixierung der "Absolutheit des Sinns" islamischer Rechtstradition verbürge. Salafi-Reformer und Salafiten seien zudem "feindliche Brüder", die über lange Jahrzehnte enge politische Bündnisse pflegten.
"Glorifizierung der Innenansicht"
Ramadan liegt damit methodisch auf gleicher Linie mit islamistischen Rechtsgelehrten wie Yussuf Al-Qaradawi, der als ein geistiger Mentor von Ramadan gilt und trotz seiner Rechtfertigungen von Selbstmordattentaten in Israel und Irak (8), der "Züchtigung" (9) von "ungehorsamen" Ehefrauen und Homosexuellenverfolgung (10) ebenfalls oft als moderater Modernisierer statt als islamistischer Ideologe bezeichnet wird.
Der Gebrauch der freien Vernunft und eines historisch-kritischen Textzuganges durch säkular und menschenrechtlich orientierte "Liberal-Reformer" wird von Ramadan dagegen als westliches Teufelszeug verdammt.
Er stempelt sie als Agenten des Westens ab, politisch als eine Art fünfte Kolonne und ideologisch als der islamischen Kultur fremd.
Ralph Ghadban
Man fragt sich, wie Ramadan es dennoch schafft, sein Programm immer wieder erfolgreich als integrativen Euro-Islam zu verkaufen. Ghadban legt in immer neuen Anläufen dar, wie Ramadan sich zu diesem Zweck geschickt einer höchst selektiven und manipulativen Darstellung der islamischen Geistesgeschichte bedient, welche deren philosophisch-rationalistischen Strömungen weitgehend ausblendet und die "klassische" Periode erst mit Rechtsgelehrten wie Al-Ghazzali und Ibn Taimiya beginnen lässt, die aber zu den frühen Vorläufern der heutigen Islamisten zählen.
Dass er damit selbst bei zahlreichen Islamwissenschaftlern ebenso wie bei Theologen und Anthropologen immer noch durchkommt, muss wohl mit tieferliegenden Verdrängungsmechanismen zu tun haben. Ghadban verweist auf die vor allem unter Multikulturalisten verbreitete kulturrelativistische "Glorifizierung der Innenansicht", der "magische Heilkräfte" bei der interkulturellen Verständigung zugeschrieben würden. Er liegt sicher nicht falsch, wenn er das genaue Gegenteil konstatiert: durch die Hofierung von geschickten Euro-Islamisten wie Ramadan feiert eher die von den Muslimbrüdern entwickelte Strategie der "Islamisierung von unten" in Europa "magische" Erfolge.
Scheu vor der "Exkommunikation"
Doch muss man sich wirklich durch alle diese islamkundlichen Feinheiten der Unterschiede zwischen Liberal-Reformern, Salafi-Reformern und Salafisten und deren religionsgeschichtliche Hintergründe durchkämpfen, um die Gefährlichkeit von Ramadans islamistischer Gemeinschaftsideologie zu erkennen? Genügt es nicht, ihm seine Nähe zu den Muslimbrüdern anhand politischer Aussagen nachzuweisen? Dass solche Sachkunde dennoch bitter nötig ist, zeigt sich nicht zuletzt an einem etwa gleichzeitig mit Ghadbans Buch erschienen Sammelband (11) von Katajun Amirpur und Ludwig Amann in dem nicht nur Ramadan unkritisch dafür gefeiert wird "die Mehrheit der Muslime da abzuholen, wo sie steht".
Auch ein Yussuf Al-Qaradawi und selbst der geistliche Mentor der libanesischen Hisbullah, Scheich Hussain Fadlallah, werden dort weitgehend apologetisch als "Reformer einer Weltreligion" vorgestellt. Die Herausgeber rechtfertigen dies in ihrem Vorwort damit, "konservative Wortführer" wie Ramadan nicht als Islamisten "brandmarken" zu wollen und statt dessen "liberale und konservative Standpunkte einander gegenüber" zu stellen.
Der Unterschied der Ramadans und Qaradawis zu den im Buch ebenfalls porträtierten säkularen und an den Menschenrechten orientierten "liberalen" Reformern wie Soheib Bencheik oder Nasr Hamid Abu Said, der in diesem Fall einer ums Ganze ist, wird so eingeebnet. Was dabei herauskommt, ließe sich im Sinne Ghadbans als eine "Glorifizierung der Innenansicht" beschreiben, die sich jede kritische Auseinandersetzung mit politischen Islamisierungsstrategien erspart, weil man ja keine "Exkommunikation" aus der Perspektive einer "weltlichen Diskursgemeinschaft" betreiben wolle.
Schlimmer noch, Ludwig Amman treibt in seinem Text über Ramadan die Symbiose mit dem Porträtierten soweit, selbst gehässige Bemerkungen über die von Ramadan bekämpften Liberal-Reformer als "laizistisch weichgespülter (...) Reformislam, wie ihn sich hierzulande viele wünschen" einzustreuen.
Literatur:
Ralph Ghadban, Tariq Ramadan und die Islamisierung Europas, Hans Schiler Verlag, Berlin 2006, 170 Seiten
Katajun Amirpur/Ludwig Ammann (Hg.), Der Islam am Wendepunkt. Liberale und konservative Reformer einer Weltreligion, Herder spektrum 2006, 192 Seiten
Links
(1) http://kulturweltspiegel, http://www.wdr.de/tv/kulturweltspiegel/20041128/4.html
(2) http://www.zeit.de/2004/37/Prediger
(3) http://www.telepolis.de/r4/artikel/16/16102/1.html
(4) http://www.taz.de/pt/2005/03/02/a0191.1/textdruck
(5) http://www.trans-int.com/quarterly/...-jihad-on-the-discourse-of.html
(6) http://www.verlag-hans-schiler.de
(7) http://www.fes-online-akademie.de
(8) http://observer.guardian.co.uk/print/0,,5272639-102279,00.html
(9) http://www.alkhaleej.ae/articles/show_article.cfm?val=233458
(10) http://www.outrage.org.uk/pressrelease.asp?ID=304
(11) (http://www.herder.de/HerderKatalog/Suche/details/...a_html?k_tnr=5665
Telepolis Artikel-URL: http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22944/1.html
http://www.wadinet.de/news/iraq/newsarticle.php?id=2275
Geistlicher will Nicht-Beten mit dem Tod bestrafen
veröffentlicht: 06.07.06 - 18:10
Mogadischu (rpo). In Somalia fordert ein islamischer Geistlicher die Todesstrafe für Nicht-Beter. "Wer seine Gebete nicht spricht, wird als Ungläubiger betrachtet und muss nach dem Gesetz der Scharia getötet werden", sagte Scheich Abdalla Ali, Gründungsmitglied des Islamischen Gerichtshofs.
Abdalla Ali sprach am Mittwochabend bei der Einweihung eines neuen Gerichtsgebäudes im südlichen Stadtteil Gubta der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Alle Somalier sollten die Regeln des Koran respektieren, damit "alle in Frieden und Wohlstand miteinander leben können". Laut Koran sollen Moslems fünf Mal am Tag beten.
Die Milizen der Islamischen Gerichte kontrollieren seit Anfang Juni die Hauptstadt Mogadischu und drei der 18 Regionen des Landes. Die Islamisten genießen in der Bevölkerung wachsenden Zuspruch, weil sie rivalisierende Kriegsherren entmachteten und mehr Sicherheit versprachen. Somalia war nach dem Sturz des Diktators Mohamed Siad Barre 1991 in Chaos und Gewalt versunken. Die Übergangsregierung in Baidoa verfügt kaum über Einfluss.
http://www.rp-online.de/public/article/...hten/politik/ausland/339178