Die Angst der CDU vor dem Sieg


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Neuester Beitrag: 23.05.03 21:46
Eröffnet am:23.05.03 21:28von: NassieAnzahl Beiträge:2
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16074 Postings, 8203 Tage NassieDie Angst der CDU vor dem Sieg

 
  
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23.05.03 21:28
Am Sonntag wird in Bremen gewählt. Die Fortführung der großen Koalition hängt davon ab, ob die SPD stärkste Fraktion bleibt. Farbenspiele für die freie Hansestadt.

 
 
Von Reymer Klüver

Es ist schon eine kuriose Konstellation. Die beiden großen Parteien liegen in den Tagen vor der Bürgerschaftswahl in Bremen praktisch gleichauf, bei 36 und 38 Prozent. Eine seriöse Voraussage, wer schließlich vorne liegen wird, ist kaum möglich.

Die SPD will zwar offiziell siegen, aber eine nicht unbeträchtliche Minderheit in der Partei könnte auch mit einem zweiten Platz ganz gut leben, vielleicht sogar besser. Die CDU wiederum fürchtet nichts so sehr wie den eigenen Erfolg. Am Ende, könnte man sagen, geht es um die Frage, ob die Bremer über Gerhard Schröder oder doch über Henning Scherf abstimmen werden.

Der Spitzenmann der mit den Unionschristen in trauter Gemeinschaft regierenden Bremer Genossen versucht, diese Wahl zu einem Plebiszit über sich und die große Koalition zu machen. Bundespolitische Themen, besonders die leidige Reformdiskussion, hat Scherf gemieden wie der Teufel das Weihwasser.

Die SPD in Bremen, so das nüchterne wie wohl richtige Kalkül, hat nur eine Chance, stärkste Partei zu bleiben, wenn der Frust über Berlin nicht die ungeheure Popularität Scherfs in Bremen überlagert. 68 Prozent würden ihn bei einer Bürgermeisterwahl direkt wählen. Letztlich aber dürfte ein Erfolg Scherfs von der Wahlbeteiligung abhängen.

Eine Initiative „Bürger für Bremen“ macht in Zeitungsannoncen auf diesen Zusammenhang unmissverständlich aufmerksam: „Nicht wenige Sozialdemokraten wollen dem Kanzler einen Denkzettel verpassen und bei der Wahl zu Hause bleiben“, heißt es weiß auf rotem Grund: „Der Effekt könnte sein, dass auch Henning Scherf zu Hause bleiben muss – nach der Wahl.“



Ein Wahlkampf ohne Themen


Denn für den Fall, dass die CDU doch vorne liegt, hat Scherf seinen Rücktritt angekündigt. Dann wäre der Weg frei für Rot-Grün auch in Bremen. Den Junior in einer Koalition mit der CDU wird die SPD nie und nimmer abgeben. Und Schwarz-Grün ist nur ein Farbenspiel ohne realen Hintergrund. Deshalb hoffen die Christdemokraten inständig, dass sie die SPD ja nicht überflügeln. Das Resultat war ein Wahlkampf ohne Themen.

Die großen Parteien wollten sich einfach nicht streiten. Die Neuordnung des Schulsystems – immerhin belegte Bremen in der Pisa-Studie hintere Ränge – beispielsweise spielte keine Rolle. Der Erfolg der Sanierungspolitik war ein Tabu, und Grüne und FDP gerieten leicht in die Rolle trotziger Spielverderber, wenn sie das große rot-schwarze Gemeinschaftsprojekt in Frage stellten.

Daran änderte auch die briefliche Mahnung von Generalsekretärin Cornelia Pieper nichts, die CDU solle nun endlich schärferen Wahlkampf machen. Nur der frühere Bier-Manager und bisherige Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) störte zehn Tage vor der Wahl etwas die Ruhe. Er wagte es , das Sanierungsziel als unerreichbar zu bezeichnen – ein ausgeglichener Haushalt im Jahr 2005. Dafür wurde er von der eigenen Partei wie auch von Scherf mit Missachtung bestraft.



Eine bleierne Schwere über der Stadt


Die Spitzenkandidatin der Grünen, Karoline Linnert, sieht denn auch eine bleierne Schwere auf der Stadt lasten, die sich durch die große Koalition auf alles gelegt habe – auch auf den Wahlkampf. CDU und SPD wollten über strittige Themen einfach nicht reden.

Zum Beispiel über die Ausweisung neuer Gewerbegebiete zu Lasten der Grünflächen innerhalb der Stadtgrenzen. Den Verzicht auf prestigeheischende Großprojekte zugunsten solch unspektakulärer Vorhaben wie des Ausbaus von Kindergärten.

Oder über den Sinn einer Politik, sowohl das Container-Terminal in Bremerhaven auszubauen als sich auch an einem neuen Containerhafen in Wilhelmshaven zu beteiligen. Doch auch die Grünen haben ein Handicap. Weil sie, wenn überhaupt, nur auf ein Bündnis mit den Sozialdemokraten hoffen dürfen, fassen sie ihre potenziellen Partner mit Samtpfoten an.

Was den Wahlkampf nicht eben aufregender gestaltete. Nach den Umfragen werden die Bremer dennoch die Grünen belohnen. Seit acht Jahren sind sie die einzig ernst zu nehmende Oppositionspartei. 14 Prozent scheinen drin zu sein, und damit ein Resultat wie in den besten Zeiten 1995, als sie 13,1 Prozent erreichten – und die Elefantenhochzeit von SPD und CDU doch nicht verhindern konnten.


Keine Wechselstimmung in Bremen


Mit großem Einsatz versucht die FDP in Bremen das Kunststück zu wiederholen, was ihr bei den Wahlen in Niedersachsen und Hamburg bravourös gelungen war: Dort kam sie nach Jahren im politischen Aus nicht nur in die Parlamente zurück, sondern gleich wieder an die Regierung.

Doch im Unterschied zu Niedersachsen und Hamburg brandet der FDP in Bremen keine Wechselstimmung entgegen. Das liegt an der im Wahlvolk beliebten großen Koalition. 57 Prozent wollen ihre Fortsetzung. Das liegt aber auch an den Liberalen selbst. Sie haben einen Spitzenmann, der zum vierten Mal in Folge antritt und bereits Wirtschaftssenator war. Das war in der Ampel-Koalition, die in Bremen nur schlechte Assoziationen weckt.

Das Signal für einen Wechsel ist Kandidat Claus Jäger also nicht. Zum anderen nützt der FDP die Wahlarithmetik nicht wirklich: Selbst wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde meistern sollte (was nicht alle Demoskopen erwarten), würde es zu einer schwarz-gelben Mehrheit in der Bürgerschaft kaum langen.

Und so bleibt dem FDP-Spitzenmann Jäger nur eine Schlussfolgerung, die an den anarchischen Überlebensmut der Bremer Stadtmusikanten erinnert: „Für die Existenz des Landes“, sagte Jäger vor ein paar Tagen, „ist alles besser als die Fortsetzung der großen Koalition.“


 

 

16074 Postings, 8203 Tage NassieBremen arbeitet an der Wende

 
  
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23.05.03 21:46
Strukturwandel ist längst nicht beendet - Häfen sind erfolgreich
von Florian Hanauer

Bremen -  4,8 Mrd. Euro - das ist die immense Summe, die Bremen gegenwärtig in seine Wirtschaft investiert. Das Geld kommt vom Bund und fließt in das Investitions-Sonderprogramm (ISP), das von 1994 bis 2004 läuft. Eine kräftige Finanzspritze also für den Strukturwandel, der der Hansestadt selbst und vor allem Bremerhaven noch immer zu schaffen macht.


Mit dem Investitionsprogramm wurde die Infrastruktur verbessert, Gewerbegebiete hergerichtet und Großprojekte geplant- etwa die Verlagerung des Großmarktes, der Bau eines Musical-Theaters oder des Einkaufs- und Freizeitcenters "Space Parks". Allerdings haben groß angekündigten Projekte die Erwartungen lange nicht erfüllt: Das Theater steht de facto leer, und an das Konzept des Space Parks mag auch der Wirtschaftssenator nicht mehr glauben: Für den Einkaufskomplex fehlen noch immer Mieter und der Freizeitpark soll angeblich im Dezember öffnen. Geglückt ist hingegen die Ansiedlung des "Universums", eines Mitmachmuseums für Wissenschaft. Hier übertrifft der Besucheransturm die Erwartungen.


Insgesamt sind die Bremischen Rahmendaten so schlecht nicht: Das Wirtschaftswachstum lag in der Hansestadt in den vergangenen Jahren immer über dem Bundesdurchschnitt (2002 bei 0,9 Prozent). Die Häfen boomen, das Containerterminal in Bremerhaven wird erweitert. Die Gewerbegebiete füllen sich.


Die Stärke des Standortes Bremen liegt in den Bereichen Transport- und Logistik. Daneben gibt es die Automobilindustrie (das Daimler-Chrysler-Werk beschäftigt 15.000 Mitarbeiter), die Luft- und Raumfahrt mit einem Airbus-Standort und dem Raumfahrtunternehmen Astrium sowie die Nahrungs- und Genussmittelindustrie mit der Europazentrale von Kraft Foods. In den vergangenen Jahren versuchte der Senat vor allem die Rahmenbedingungen für Technologieunternehmen zu verbessern: Dazu zählt unter anderem ein Gründerzentrum für Biotechnologie in Bremerhaven, das sogar von der EU als Modellprojekt ausgezeichnet wurde.


All diese Bemühungen haben es allerdings nicht vermocht, die Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren wesentlich zu senken. Sie liegt immer noch bei 13,5 Prozent, in Bremerhaven sogar noch darüber. Viele Firmen produzieren zwar in der Hansestadt, aber die Firmenzentralen sind verlagert worden. Jüngstes und prominentes Beispiel ist der Verkauf der Brauerei Beck & Co. an den belgischen Konzern Interbrew. Eine der Folgen: Die Steuereinnahmen entwickeln sich nicht wie erhofft. Im Bremischen Haushalt klafft ein Finanzierungsdefizit von über 400 Mio. Euro. Und: Seit das Sanierungsprogramm ISP gefahren wird, hat Bremen eine Mrd. zusätzliche Schulden gemacht.


Trotz aller wirtschaftspolitischen Erfolge: Noch ist Bremen nicht aus dem Gröbsten raus.


 

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