Die Abzocker - aus dem Osten und dem Westen.
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Eröffnet am: | 05.08.03 00:09 | von: Karlchen_I | Anzahl Beiträge: | 1 |
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HOCHWASSER-PROFITEURE
Die Flut als Geldsegen
Von Steffen Winter, Dresden
Nach der Jahrhundertflut folgte die Geldschwemme. In Sachsen wurde ein Ortsteil, der gar nicht hätte gebaut werden dürfen, nach der Flut erst saniert und nun komplett umgesiedelt. 40 Millionen Euro werden so in den Elbauen versenkt. Profiteure sind vor allem Steuersparer aus dem Schwarzwald - und der Freistaat Sachsen.
DDP
Wo bitte geht's hier aus der Flutkrise? Sachsen hat einen Weg gefunden
Dresden - Tilo Braune ist ein Mann der Tat. Der Staatssekretär im Bundesbauministerium von Manfred Stolpe (SPD) weiß, dass kleckern manchmal eben nicht reicht. Vier Monate nach der großen Flut ostdeutscher Flüsse - die Bundestagswahl war dank des Wassers längst gewonnen - offenbarte der Spitzenbeamte in Dresden noch immer gern das klotzige Credo seines Hauses in Entschädigungsfragen: "Da feilschen wir jetzt nicht um jeden Euro."
Daran kann inzwischen kein Zweifel mehr bestehen: Mit einer bundesweit einmaligen Aktion hat der Bund mit Hilfe von Spendenorganisationen millionenschwere Klagen auf Amtshaftung gegen den Freistaat Sachsen abgewendet - und ohne Not mindestens 40 Millionen Euro in einer Elbaue nahe Riesa versenkt. Ein ganzer Ortsteil wird, komplett finanziert durch die honorigen Gönner, umgesiedelt, obwohl es ihn eigentlich gar nicht hätte geben dürften. Profiteure der teuren Aktion sind vor allem Steuersparer aus dem Schwarzwald - und der Freistaat Sachsen.
Subventionierter Gewerbepark im Flutgebiet
Die Causa beginnt in den wilden Aufbaujahren in Ostdeutschland, als auch die kleinste Gemeinde ihr eigenes Gewerbegebiet auswies. 1992 genehmigte das Regierungspräsidium Dresden der Gemeinde Röderau bei Riesa den Bebauungsplan für ein Gewerbe- und Wohngebiet in Elbnähe - 916.000 Euro Fördermittel spendierte das Wirtschaftsministerium für Kläranlage und Gewerbeansiedlung, 1,85 Millionen Euro investierte die Gemeinde für Grundstücke und Erschließung. Es sollte der Startschuss sein für eine goldene Zukunft inmitten der blühenden Landschaften.
AP
Hochwasser in Dresden: Warnungen gab es reichlich
Warnungen gab es reichlich. Schon 1977 hatte der Rat des Kreises Riesa die Fläche als Hochwasserüberflutungsgebiet bestätigt. Es sei, so die damalige Begründung, eins der gefährdetsten Gebiete im gesamten Bezirk Dresden, alle zwei bis drei Jahre trete Hochwasser auf. Noch 1992 warnten das Staatliche Umweltfachamt Radebeul, das Landratsamt Riesa und die Stadt Riesa aus gleichem Grund. Und das Kabinett Biedenkopf beschloss, Flussauen aus Gründen des Hochwasserschutzes "von jeglicher Be- und Verbauung freizuhalten".
Dass Röderau-Süd dennoch entstand, lag nicht zuletzt am sächsischen Umweltministerium: Das hatte festgelegt, der Baugrund von Röderau sei einfach nicht als Flussaue im Sinne des Kabinettsbeschlusses "zu betrachten". So entstand ein Wohngebiet mit wenig Gewerbe, die längste Straße im Ort nannten die Planer wahrheitsgemäß "An der Elbaue". Die 340 glücklichen Neusiedler fühlten sich wohl in Flussnähe und gingen selten in die Kirche von Alt-Röderau, wo Tafeln und Schriften von früheren Überschwemmungen künden. Am Tag des Bartholomäus, 24. August 1275 etwa, hätten sich die Flüsse "so heftig und schrecklich ergossen, dass eine große Menge Dörfer weggespült und unglaublich viel Menschen und Vieh ertränkt" worden seien. Ganze Berge seien in den Fluten versunken.
Das Wasser kam wieder, am 16. August 2002 brach der Deich bei Riesa, und die braunen Massen der Elbe holten sich die alte Aue zurück: In Röderau-Süd stand das Wasser mit 2,90 Meter teilweise bis zum Dachgiebel. "Der Bebauungsplan war fehlerhaft, die Baugenehmigung rechtswidrig", ist sich Siegfried de Witt, Berliner Rechtsanwalt und Spezialist in Sachen Amtshaftung, sicher. Die Fehler der Behörden lägen auf der Hand, auch die Architekten hätten belangt werden können. Amtshaftung kommt für den Experten dann in Frage, wenn Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen besteht. Eine Wasserwand von zwei Metern könnte von Gerichten durchaus als solche gesehen werden.
Hochwassergefahr wurde verschwiegen
Bei einem Rechtsstreit um Röderau, so der Anwalt, wäre "juristisch nichts ausgeschlossen" gewesen. Zumal selbst Sachsens Justizminister Thomas de Maiziere (CDU) glaubt, die öffentliche Hand habe "sich nicht mit Ruhm bekleckert" und seine Dresdner Staatsanwaltschaft inzwischen gegen den ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde wegen Betrugsverdachts ermittelt - er soll die Kaufverträge für die Grundstücke dadurch erschlichen haben, dass er die Hochwassergefahr verschwieg.
Doch die Pannen von Amts wegen gingen nach der Flut munter weiter. Mit dem Wasser kam die große Politik ins Dorf, sie staunte und machte Mut. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) schwante zwar, dass "hier nie hätte gebaut werden dürfen", doch forderte er die Menschen auf, rasch zu sanieren. Wirtschaftsminister und Innenminister im Schlepptau pflichteten dem Regierungschef bei - nur nicht aufgeben, so die interministerielle Devise. Die Sächsische Aufbaubank zahlte prompt 320.000 Euro Soforthilfe aus, weitere 361.000 Euro an Aufbauhilfe. Häuser wurden saniert, einzelne Bauherren investierten bis zu 80.000 Euro.
Dann kam der 19. November 2002. Kein Hochwasser diesmal - ein Kabinettsbeschluss. Röderau-Süd werde möglichst komplett umgesiedelt, der Ort abgerissen, verkündete der Regierungssprecher. Auch die gerade sanierten Häuser müssen weg.
AP
Hochwasserkatastrophe 2002: Umsiedlung ganzer Ortsteile
Weil die Umsiedlung nur freiwillig funktioniert, kann einzig Geld die Flutopfer locken, und das ist inzwischen reichlich vorhanden. Im Dezember unterschreiben der Freistaat Sachsen und der Bund eine Verwaltungsvereinbarung "zur Absiedlung und Rückentwicklung von Röderau-Süd". Versprochen werden 100-prozentige Förderung für die Röderauer; selbst Maklergebühren, Gutachterrechnungen und Notarkosten werden großzügig übernommen. Im restlichen Katastrophengebiet Deutschlands werden maximal 80 Prozent übernommen. Zahlmeister ist der Bund, der das Geld aus dem mit 7,1 Milliarden Euro prall gefüllten Fonds "Aufbauhilfe" entnimmt, für dessen Schaffung einst die Steuerreform verschoben wurde.
Die Verteilung der Steuergroschen zum Wohle des Freistaats feiert der Staatssekretär im Bundesbauministerium - ein gebürtiger Sachse - als "deutschlandweit einmalig". Die sächsischen Juristen achten derweil vor allem auf einen Passus in den Verträgen: Die Röderauer müssen bei Unterzeichnung versichern, auf spätere Schadenersatzansprüche zu verzichten. Schließlich hatten sie den Amtshaftungsexperten de Witt als Regierungsberater in der heiklen Angelegenheit engagiert.
Nutznießer sind Investoren aus dem Schwarzwald
Alle Einwohner haben inzwischen unterschrieben, geschätzte 36,3 Millionen Euro wird die Umsiedlungsaktion kosten - die Abrisskosten nicht mitgerechnet. Der größte Teil der Summe, 29,5 Millionen Euro, geht an die 151 Eigentümer der gefluteten Häuser. Mehr als 80 davon sind Investoren aus den alten Bundesländern, vorwiegend aus dem Schwarzwald.
Sie hatten über Jahre hinweg die begehrte steuerliche Sonderabschreibung für Ost-Immobilien genutzt. Die Steuer-Pioniere kassieren jetzt cash, was erst in Jahrzehnten abgezahlt sein sollte: 87 wollen mit der Entschädigung keine neuen Häuser im Osten bauen. Die Steuerabschreibungen werden sie wohl als zusätzlichen Bonus behalten dürfen. Zuständig für Rückforderungen wären die heimatlichen Finanzämter, denen das sächsische Finanzministerium keine Weisungen erteilen kann.
Doch die wundersame Rettung des Freistaates aus der Malaise war nur möglich, weil neben dem Bund noch andere Organisationen auf vollen Geldtöpfen sitzen. Da einige Flutopfer schnell wieder aufgebaut und Fördermittel kassiert hatten, wären diese nun leer ausgegangen: Doppelförderung, erkannten die spendablen Beamten, gehe dann wohl doch nicht.
Doch, frohlockt das Bundesbauministerium wenig später, "wann immer staatlichen Stellen Grenzen gezogen waren", habe sich "das DRK mit den von der Bevölkerung so großzügig bereitgestellten Spenden als Helfer in der Not erwiesen". Zwei Millionen Euro schob der Arbeitsstab Hochwasser der Hilfsorganisation flugs in das Projekt Röderau. Kein Wunder: Schließlich wurden von den gespendeten 144 Millionen Euro bisher erst 105 Millionen ausgezahlt. Nun übernimmt das DRK Beihilfen für Instandsetzung und Umzug, auch Überbrückungsgeld wurde gewährt. Vor allem aber, räumt selbst das Dresdner Innenministerium ein, wird der späte Abrissbeschluss des Freistaates mit Spendengeldern ausgebügelt.
"Es gibt keine Sondergeschichten in Röderau", versichert indes Hans-Peter Beyer vom Arbeitsstab Hochwasser im DRK Generalsekretariat. Alles entspreche den Kriterien.
Nur die Gewerbetreibenden im Ort blieben renitent. Ihnen konnte das DRK wegen seiner Richtlinien nicht recht helfen, doch auch sie hatten nach der Flut mit Rückendeckung der sächsischen Staatsregierung wieder investiert. Erneut fand sich ein Samariter. Das Diakonische Werk Sachsen will die Kosten übernehmen.
In der sächsischen Staatskanzlei ist man über Röderau längst hinweg. Amtschef Stanislaw Tillich (CDU) warnte nun aufgeregt, dass die Antragswelle auf Fluthilfe die ursprünglichen Planungen um 1,6 Milliarden Euro übersteige. Es sei ein erstes Zeichen, dass der Fonds "Aufbauhilfe" des
PS: Noch was LKW-Maut.