Deutsche Politiker. Diesmal CDU, bald wieder SPD


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Neuester Beitrag: 26.09.04 19:58
Eröffnet am:26.09.04 19:58von: SenfAnzahl Beiträge:1
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26.09.04 19:58
Wir haben ja (leider) noch NRW ;)




In den Straßen von Neuruppin
Er war Unternehmer, Politiker, Wohltäter. Dann wurde Olaf Kamrath verhaftet. Er soll Kopf einer Mafia-Bande sein, die eine ganze Stadt beherrscht

Andreas Förster

NEURUPPIN, im September. Er ist ein sehr höflicher und freundlicher Mann, sagt der Neuruppiner Lokalreporter über Olaf Kamrath. Ein gewissenhaft arbeitender Stadtverordneter, urteilt ein Kommunalpolitiker. Er steht politisch auf der richtigen Seite und zeigt soziales Engagement, ergänzt der Parteifreund aus dem Ortsverband der CDU. Für mich war Herr Kamrath immer ein ehrbarer Geschäftsmann, erinnert sich der Unternehmerkollege.

Das Urteil über den 36-jährigen Selfmademan aus Neuruppin, der in seiner Stadt einer der bekanntesten Bürger ist, fällt einhellig aus. Ebenso einhellig aber bitten alle Gesprächspartner um Anonymität, kommt die Rede auf Olaf Kamrath. Ihre Stimmen werden leiser, wenn sie über den "Fall" sprechen, die Sätze kürzer, die Bewegungen fahriger. Einer schickt seine Mitarbeiterin aus dem Zimmer, als wir "das Thema" anschneiden, ein anderer schließt alle Fenster zur Straße, bevor er antwortet. Über Kamrath, mit dem fast jeder hier in Neuruppin irgendwie und irgendwann einmal zu tun hatte, dessen Aufstieg so typisch ist für den Nach-Wende-Aufschwung der einst so heruntergekommenen Stadt im Nordosten Brandenburgs - über diesen Mann spricht man nicht mehr gern.

Das ist so seit dem 18. August. Am Morgen dieses Tages riegelten Polizeiwagen die Schäferstraße, eine kleine Gasse an der Neuruppiner Stadtmauer, ab und und stürmten dort mehrere Häuser. Minuten später wurde Olaf Kamrath - Stadtverordneter, Unternehmer, Wohltäter - in Handschellen herausgeführt. Auch an anderen Orten der Stadt gab es Festnahmen und Hausdurchsuchungen. Seitdem sitzen Kamrath und sechs weitere Neuruppiner in der Justizvollzugsanstalt Cottbus in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe gegen sie lauten auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Drogenhandel, illegale Prostitution, Steuerhinterziehung, verbotenes Glücksspiel, Geldwäsche und Bestechung. Es ist das größte Ermittlungsverfahren, das vom Landeskriminalamt Brandenburg je im Bereich Organisierte Kriminalität geführt wurde: Die Ermittlungen richten sich gegen rund 60 Personen - darunter Kommunalpolitiker, Stadtbedienstete, Polizisten, Unternehmer und Angestellte von Spielotheken und Bordellen. Die meisten von ihnen leben in Neuruppin.

Der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg von Olaf Kamrath zum "Paten von Neuruppin", wie ihn die Boulevardpresse nennt, begann nach der Wende im Herbst 1989. In den letzten Monaten der DDR machte sich der damals 21-jährige Elektroinstallateur mit einem Imbisswagen selbstständig. "Kamrath war der erste in Neuruppin, der Pommes aus einem Wagen heraus verkaufte", erinnert sich ein Weggefährte. Schon bald kamen Glücksspielautomaten dazu, die der Aufsteiger in den Kneipen der Stadt und in der Umgebung aufstellte.

Das Geschäft mit den Automaten lief prächtig. Kamrath verließ die Imbissbude und steckte sein erwirtschaftetes Geld nun in eine Disco und eigene Spielotheken. Nach wenigen Jahren schon warfen die Geschäfte so viel Gewinn ab, dass der einstige Pommes-Verkäufer sich auch als Immobilienhändler versuchte - mit Erfolg. Ganze Straßenzüge mit verfallenen Altbauten kaufte Kamrath in Neuruppin auf. "Die Stadt war froh, dass sich einer um die Bruchbuden kümmerte", sagt ein CDU-Mitglied. "Kamrath ließ die Häuser instand setzen, hat mit den Bauarbeiten Firmen aus der Stadt beauftragt und pünktlich bezahlt. Was wollte man mehr?"

Auch die Ermittler kommen in einem internen Bericht zu dem Schluss, Kamrath und seine Bande stellten "einen nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor in Neuruppin dar". Aus der "wirtschaftlicher Präsenz" der Gruppe und ihrem "zunehmend politischen Einfluss im Bereich der Stadt Neuruppin" sei bei vielen Einwohnern aber auch "der Anschein der Unangreifbarkeit" Kamraths entstanden.

Mit der Festnahme vor einem Monat ist dieser Anschein zumindest vorerst zerstört. Voraussichtlich Anfang 2005 soll Anklage gegen die Hauptbeschuldigten erhoben werden. Im Mittelpunkt dürfte dann die Organisation stehen, die Kamrath angeführt hat und die sich auffällig am Mafia-Vorbild orientierte. Das ging so weit, dass die Gruppe sich selbst - wie in Mafiaclans üblich - "Familie" nannte.

Nach Erkenntnissen der Ermittler hatte sich Kamraths "Familie" Mitte der neunziger Jahre in Neuruppin gebildet, um "planmäßig und arbeitsteilig Straftaten zu begehen". Dabei sei es vor allem um den Handel mit Kokain gegangen, das im deutsch-holländischen Grenzgebiet besorgt, nach Neuruppin geschafft und dort an Konsumenten und Zwischenhändler verkauft wurde. Geld habe die Bande auch mit Prostituierten verdient, die aus Polen, Russland und der Ukraine nach Deutschland geschleust wurden und in einem Bordell der "Familie" anschaffen mussten.

Nach Einschätzung der Ermittler habe die "Familie" sehr professionell gearbeitet und sich eine hierarchische Struktur gegeben. Neben dem Oberhaupt Kamrath hätten drei Personen zur unmittelbaren Führungsebene gehört. Sie waren es auch, die die Verbindung zu Polizei und Stadtverwaltung hielten, wo die Gruppe ihre eigenen "Vertrauensleute" führte und bezahlte.

Weitere drei Mitglieder der "Familie", die auf einer mittleren Führungsebene standen, waren für die Spielsalons und das Bordell zuständig. Eine Etage tiefer schließlich rangierten die Helfer - auch Knechte genannt. Sie verrichteten die eher groben Arbeiten, etwa das Verstecken von Rauschgift oder die Einschüchterung von Zeugen.

Geriet einer der Knechte mal in Haft, dann kümmerte sich die "Familie" rührend um ihn, so lange der Betreffende seinen Mund hielt. Der Anwalt wurde bezahlt, wöchentlich gab es Geld in den Knast, und war die Zeit herum, erhielt der Entlassene einen neuen Job bei einer befreundeten Firma. Zuvor wurde aber gefeiert: Am Entlassungstag holte man den Freund mit Stretchlimousine vom Gefängnistor ab und bereitete ihm eine große Willkommensparty mitten in Neuruppin.

Denn auch das war typisch für Kamraths "Familie": Bei aller Abschottung und Konspiration der illegalen Aktivitäten versteckte sich die Gruppe in Neuruppin nicht. Die Anführer wohnten in derselben kleinen Straße, man trat zusammen in der Öffentlichkeit auf und fuhr BMW oder Mercedes mit der Buchstabenkombination OPR-XY - was der Bande unter den Neuruppiner Einwohnern den Spitznamen XY-Mafia einbrachte. Auch eine eigene Bar hatte die "Familie", in der man regelmäßig feierte - das "Blue Banana" mitten in der Stadt. "Jeder wusste von der Bar als etwas Zwielichtigem, Halbseidenem", erzählt ein Neuruppiner. "Man ging daran vorbei, schaute neugierig, aber mit einer gewissen Scheu durch die Scheiben, so wie man auf einen Verkehrsunfall blickt. Doch reingetraut haben sich da nur wenige."

Vor allem bei Olaf Kamrath glauben die Ermittler neben der Gier nach Profit auch ein "Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung" ausgemacht zu haben. Um in der Neuruppiner Gesellschaft nicht nur als neureicher Betreiber von Spielhöllen und Bordellen wahrgenommen zu werden, richtete Kamrath Veranstaltungen in der Stadt aus, spendete an soziale Einrichtungen und übernahm den Vorsitz eines Neuruppiner Fußballvereins. Er stattete die Justizvollzugsanstalt im nahen Wulkow - wo einige Mitglieder seiner "Familie" sich ab und zu aufhalten mussten - mit Sportgeräten aus und organisierte Fußballspiele zwischen den Häftlingen und seinem Klub. Dem Sozialprojekt "Fischbüchse" in Neuruppin, das bedürftige Kinder mit kostenlosen Schulbroten versorgt, schenkte er Marmelade und Nutella.

Im vergangenen Jahr schließlich wagte Kamrath den Schritt in die Kommunalpolitik. Im Spätsommer 2003 stellte er den Antrag zur Aufnahme in die CDU, Mitte Oktober wurde er auf einer Stadtverbandssitzung in die Partei aufgenommen.

Nein, Fragen habe damals niemand gestellt, erinnert sich ein CDU-Mitglied. "Kamrath stellte sich vor, sagte, was er macht, und fertig." Ein anderer erinnert sich, dass der CDU-Fraktionschef in der Stadtverordnetenversammlung ihn als "dynamischen Unternehmer" vorgestellt und seine Aufnahme in die Partei empfohlen habe. "Da hatten wir dann auch nichts dagegen."

Hinzu kam, dass Kamrath ein für Neuruppin wichtiges Projekt plante. Am Seeufer wollte er auf dem von Investoren seit Jahren verschmähten Ruinengelände des ehemaligen Feuerlöschgerätewerkes einen Yachthafen errichten. Eine Firma für das Zehn-Millionen-Euro-Projekt war schon in Gründung, der Neuruppiner CDU-Chef sollte dort als Prokurist angestellt werden. "Auch daran kann man sehen, wie wichtig Kamrath für die Stadt war", sagt ein Unternehmer.

Nur wenige Tage nach seiner Aufnahme in die CDU wurde Kamrath bei den Kommunalwahlen in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Dort nominierte ihn die CDU für den Haupt- und Finanzausschuss - das Herzstück des Stadtparlaments, in dem alle wichtigen Entscheidungen gefällt werden. Keiner der 32 Stadtverordneten stimmte dagegen.

Natürlich habe man auch schon damals dies und das über Kamraths angeblich krumme Geschäfte gehört, sagt ein Kommunalpolitiker. "Aber in so einer Kleinstadt wird eben auch viel geredet. Und weil dem Mann nie was passiert ist, habe ich auch nicht so viel auf das Gerede gegeben." Ein CDU-Mitglied aus dem Stadtverband sagt, er habe Kamrath damals bei Seite genommen und auf die Gerüchte angesprochen. "Er sagte, wenn man ihm etwas vorwerfen wolle, dann solle man ihm das offen ins Gesicht sagen. Aber das hat niemand getan."

Auch der scheidende Bürgermeister Otto Theel, der für die PDS künftig im Potsdamer Landtag sitzen wird, kannte immer nur Gerüchte. "Doch als Bürgermeister kann ich nichts auf Gerüchte geben", sagt er. Außerdem habe ja die CDU Kamrath als Stadtverordneten aufgestellt. "Dann kann ich ja wohl davon ausgehen, dass dies ein ehrbarer Mann ist", sagt Theel.

Unmittelbar nach seiner Festnahme am 18. August ist Olaf Kamrath von der CDU Neuruppin als Parteimitglied und Stadtverordneter suspendiert worden. In einem Brief hat die Partei ihn aufgefordert, sein Mandat zurückzugeben und den Austritt aus dem Hauptausschuss zu erklären. Eine Antwort aus der Cottbuser Haftanstalt gibt es bislang nicht.




Tja, die SPD bevorzugt arbeitslose Lehrer als Kandidaten.
Und 15 Jahre nach dem Ende der DDR "sehen die Ossis immer noch ganz feste nichts."


Senf
 

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