Der TUI vergeht das Lächeln


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05.05.03 15:40
Der Touristikkonzern TUI steckt in seiner größten Krise - auch wegen einiger Fehler von Konzernchef Michael Frenzel. Er versucht nun, mit einer Discount-Strategie gegenzusteuern. Das ist riskant.

Was macht Berufstourist Michael Frenzel eigentlich in seinen Ferien? Er fährt nach Mallorca. Natürlich nicht in die bierdampfenden Betonbettenburgen am Ballermann, der TUI-Chef zieht sich in sein ruhiges Eigenheim bei Andraitx zurück. Ein Geheimtipp ist das nicht gerade. Mittlerweile weiß jeder Kegelverein, dass die Insel mehr zu bieten hat als schwappende Sangria-Eimer mit Strohhalm.

Und das ist Frenzels Problem: Die Deutschen sind Reiseprofis und nehmen ihre Buchungen immer mehr in die eigene Hand, sie ergattern sich selbst einen Flug, vielleicht sogar einen für 9,99 Euro, und dann loggen sie sich ins Internet und mieten sich eine Finca: günstig, nach dem eigenem Geschmack. Wozu brauchen sie TUI?

Aber TUI braucht sie. Das Unternehmen steckt in der Krise. Die Buchungen brechen ein, 2002 war ein schlechtes Jahr. Das operative Ergebnis in der Touristik ist nach vorläufigen Zahlen um mehr als ein Viertel auf unter 400 Mio. Euro abgestürzt. 2003 wird wahrscheinlich noch schlechter.

Schuld an der Misere ist vieles: der 11. September, Deutschlands Wirtschaftskrise, die Lungenseuche SARS. Sie haben der ganzen Branche, auch TUI, geschadet. Das ist Pech. Aber zum Pech kommt auch Unvermögen hinzu. Frenzel hat Fehler gemacht.

Er hat zu spät auf Trends reagiert, die sich schon lange abgezeichnet haben: die neue Lust an Schnäppchen, die wachsende Zahl älterer, anspruchsvoller Kunden; der Wunsch nach individuellen Baustein-Programmen statt Massenware.


Schnäppchen und Luxus als Geldbringer

Schnäppchen, Luxusreisen, Individualtouren, alles lang bekannte Geldbringer. Aber die TUI kann hier nur wenig bieten. Frenzel hatte eine andere Strategie. Er verließ sich auf die solide Qualität der Marke TUI, volumenstark, im mittleren Preissegment.

Frenzel förderte die Marke, so gut es ging: "TUI steht für Reisen im Segment der organisierten, qualitativ hochwertigen Reisen", sagte er und machte sie zum Konzernlogo. Seit einem Jahr ist der Name auch Dach für die rund 80 verschiedenen Reiseveranstalter des Hauses.

Doch nun schwächelt das Segment der organisierten, qualitativ hochwertigen Reisen. Die guten alten Zeiten sind vorbei, Zeiten, in denen der Großteil der Reisen schon im Januar verkauft war und es im Mai, Juni noch ein bisschen "Last Minute"-Geschäft gab. Es klafft ein riesiges Buchungsloch in den Reservierungssystemen der Veranstalter.

Ende April lag der Rückstand nach Angaben des führenden deutschen Buchungssystems Start Amadeus bei 16 Prozent gegenüber dem schon schwachen Vorjahr. Ende März war das Minus schon genauso groß. Damit hat sich kurz vor dem Beginn der Hauptreisesaison nichts mehr bewegt.


2003 droht das Desaster

In den vergangenen Wochen hat die Furcht vor dem Irak-Krieg die Buchungen für Massenziele wie die Türkei, Ägypten und Tunesien um 30 bis 40 Prozent wegbrechen lassen. Jetzt stoppt die Angst vor der Lungenepidemie SARS Urlaubs- und Geschäftsreisen nach Asien.

Das ganze Geschäftsjahr droht zum Desaster zu werden. Schon in vier Wochen beginnen in den ersten Bundesländern die Sommerferien. Und TUI sitzt auf einer Flotte von 90 eigenen Flugzeugen, auf 285 eigenen Hotels und weiteren Hunderttausenden Hotelbetten, reserviert bei Drittanbietern. Werden die nicht ausgelastet, verursacht das jeden Tag Kosten in Millionenhöhe.

Und so kehrt sich Frenzels ehrgeizige Strategie, die des integrierten Konzerns, gegen ihn. Die komplette Wertschöpfungskette des Geschäfts wollte er nutzen - mit eigenen Flugzeugen, Hotels, Veranstaltern und Reisebüros. Das werde die Rentabilität nachhaltig verbessern, versprach Frenzel.


Radikaler Strategiewechsel

Doch nun kommt der behäbige Feriendampfer TUI mit seinen rund 70.000 Mitarbeitern den Trends nicht mehr hinterher. Statt Wert abzuschöpfen, kämpft der Konzern verzweifelt gegen die Buchungsflaute und die Spätbucherfolgen, in der Hoffnung, noch möglichst viele Produkte loszuwerden. Das geht nur auf einem Weg: Es muss verramscht werden - ein radikaler Wechsel der Strategie.

Denn Frenzel hat immer Distanz gewahrt zu allem, was durch den Ruch des Billigen den ganzen Konzern abwerten könnte. So ist die Discountmarke des Hauses, 1-2-Fly, bei der großen Umbenennung in TUI draußen geblieben, sie wurde nicht einmal mit einem so genanntem Co-Branding in die Nähe des Konzerns gerückt. Auch die im vergangenen Jahr noch eilig gegründete Billigfluggesellschaft Hapag-Lloyd Express lässt sich von außen dem Konzern nicht zuordnen.

Diese Strategie erweist sich nun als schmerzhaft, das weiß auch Frenzel: "Der Geiz-ist-geil-Trend in der Reisebranche lässt sich leider nicht umkehren."


Discount bei TUI

Er hat nun umgedacht, seine Strategie geändert, und er hat die Änderungen über das Knie gebrochen. Der überraschende Einstieg in das Billigfluggeschäft mit Hapag-Lloyd Express war eine dieser Aktionen. Eine neue Billigmarke die nächste. Am Montag präsentiert TUI ihre neue Budget-Marke, die voraussichtlich "Discount Travel" heißen wird.

Das bringt auch Widerstand in der Branche. So musste Frenzel vom einflussreichen Präsidenten des Reiseverbandes DRV, Klaus Laepple, einen Rüffel einstecken: "Wir müssen aufpassen, dass die Pauschalreise im Bewusstsein der Bevölkerung nicht zum Wühltischprodukt verkommt", adressierte Laepple an Frenzel.


Reisen vom Wühltisch

Doch dafür ist es schon längst zu spät. Die Wühltischzeit ist eröffnet. Natürlich wehrt sich die Konkurrenz gegen den neuen Discounter namens TUI, die Wettbewerber Thomas Cook und Rewe haben ihre etablierten Billigableger Bucher und Tjaereborg für diese Saison noch einmal ordentlich gestärkt.

Sie betrachten den Start des Neuankömmlings mit Sorge: "Wir glauben, dass wir keine weitere Preiswert-Marke brauchen. Noch preiswerter als preiswert geht nicht", sagt Rewe-Touristikmanager Dietmar Kastner.

Das wird sich noch zeigen. In den kommenden Tagen werden die Anbieter den ganz großen Ausverkauf ausrufen, da sind sich Branchenexperten einig. "Wir werden Preise erleben, die man ganz lange nicht gesehen hat", sagt Karlheinz Kögel, Chef des deutschen Marktführers für Last-Minute-Angebote L’Tur. "Es knallt im ganz billigen Segment."


Neue Kosten für neue Marken

Ob Frenzels verspäteter Einstieg im Billigsegment TUI wirklich etwas bringt, ist zweifelhaft. Denn der Konzern muss nun mitten in der Krise noch Zusatzkosten für die Einführung einer neuen Marke tragen.

Ein zweites, schwerwiegendes Problem kommt hinzu: Um im wettbewerbsintensiven Budget-Segment das Ertragsniveau zu halten, muss die TUI auch ein sehr viel höheres Volumen absetzen, und das ist unsicher. Außerdem ist die Kostenstruktur aller Touristikkonzerne trotz ihrer Einkaufsmacht bislang viel zu hoch, um in diesem Geschäft anständige Margen zu erzielen. Dies wird das wahrscheinlich schwache Ergebnis in diesem Jahr nochmals belasten.

Diese schlechten Aussichten treffen Frenzel in Zeiten, die eh schon hart genug sind. In nur fünf Jahren hat er den traditionsreichen Mischkonzern Preussag von der Schwerindustrie weggeführt und zu einem Reisedienstleister umgekrempelt.


Millionen-Sparprogramm gegen Milliarden-Schulden

Der Umbau ist noch lange nicht abgeschlossen. Frenzel will das Kerngeschäft, die Touristik, weiter stärken. Und er muss weiter fleißig sanieren, das Unternehmen hat 5,5 Mrd. Euro Schulden. Linderung soll ein Sparprogramm von rund 500 Mio. Euro bringen, es wird von 2002 bis 2004 umgesetzt und mindestens 2000 Stellen kosten.

HypoVereinsbank-Analyst Christian Obst ist von der einstmals umjubelten Ferienaktie enttäuscht: "Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Renditen TUI als integrierter Touristikkonzern mittelfristig erreichen kann." Die TUI werde den Ertragsdruck von allen Seiten zu spüren bekommen - von Billigfluglinien, Discountveranstaltern und Online-Reiseanbietern.

Und was ist, wenn diese populären Eindringlinge der TUI das Geschäft abjagen? Obst hält das nicht für unwahrscheinlich. "Dann können auch die Margen der integrierten Konzerne infolge des anhaltenden Preiswettbewerbes schwach bleiben", so sein negatives Resümee.
(Quelle: ftd.de)

So long,
Calexa
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