Der Euro funktioniert nur wenn Staaten pleite gehe
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 12.10.11 07:43 | ||||
Eröffnet am: | 12.10.11 06:52 | von: Dancer | Anzahl Beiträge: | 6 |
Neuester Beitrag: | 12.10.11 07:43 | von: Kronios | Leser gesamt: | 2.206 |
Forum: | Talk | Leser heute: | 1 | |
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Herr Sulík, sind Sie der Totengräber Europas?
Auf gar keinen Fall. Warum sollte ich?
Wir werden geschlossen gegen die EFSF stimmen. Wir wollen aber nicht den Euro zu Fall bringen. Es geht um den Rettungsschirm. Man kann nicht die Schuldenkrise mit immer neuen Schulden lösen. Das ist so, als würden Sie Feuer mit einem Ventilator bekämpfen. Was die Eurozone und den Euro bedroht, ist der Rettungsschirm selbst.
Die anderen Regierungen der Eurozone behaupten das Gegenteil.
Das sind die Ansichten von Politikern - nicht von Fachleuten. Zwei sind sogar zurückgetreten, um gegen die Rettungspolitik zu protestieren: Axel Weber, der Chef der Bundesbank, und Jürgen Stark, der Chefvolkswirt der EZB. Sogar Berater der deutschen Regierung sind anderer Meinung.
Sie wollen, dass Griechenland pleitegeht?
Griechenland muss die Zahlungsunfähigkeit erklären. Und anschließend muss es zu einem wirklichen Schuldenschnitt kommen, wahrscheinlich von fünfzig Prozent. Was jetzt als Beteiligung des Privatsektors verkauft wird, nach den Beschlüssen des Europäischen Rats vom Juli, ist überhaupt keine Beteiligung der Banken. Die tauschen ihre Schuldscheine in neue um, die zwar niedriger verzinst werden, aber bestmöglich besichert sind. Am Ende verdienen die Banken daran noch.
Kann Griechenland nach einem radikalen Schuldenschnitt noch in der Eurozone bleiben?
Die Griechen können nicht ausgeschlossen werden. Deshalb müssen sie das selbst entscheiden, vielleicht in einem Referendum.
Was wäre ökonomisch richtig?
Es wäre besser, wenn Griechenland in der Eurozone bleibt. Dann ist der Druck viel größer, Strukturreformen zu machen. Griechenland hat ja noch viel zu tun: Sie müssen eine Steuerverwaltung aufbauen, in manchen Finanzämtern gibt es nicht einmal Computer. Die Frage ist nur, ob die Bevölkerung das mitmacht. Bis die ersten Früchte kommen, wird es noch Jahre dauern.
Ihr Land steckte vor einigen Jahren selbst in großen Schwierigkeiten: Sie mussten die Großbanken sanieren, viel Geld sparen, Sozialleistungen kürzen. Können die Griechen etwas lernen von den Slowaken?
Was uns am meisten geholfen hat, war die Steuerreform, an der ich mitgewirkt habe. Wir haben fast 200 Steuerausnahmen gestrichen und einen Einheitssatz von 19 Prozent für die Einkommensteuer eingeführt. Dadurch stieg die Steuermoral, und damit stiegen auch unsere Steuereinnahmen.
Das hochverschuldete Griechenland soll seine Einkommensteuer senken?
Die meisten Griechen zahlen doch sowieso keine Steuern. Wenn sie ihr Steuersystem wasserdicht bekommen, so dass niemand mehr vor der Steuer flüchtet, könnte der Einkommensteuersatz auf 15 Prozent gesenkt werden - für alle. Parallel dazu müssen die Staatsausgaben sinken. Nur ein Beispiel: In der griechischen Armee gibt es 1300 Panzer und 134 000 Soldaten. Unser Land ist halb so groß, hat aber nur ein Zehntel so viele Soldaten. Es wird zwar immer auf den Konflikt zwischen Athen und Ankara verwiesen. Aber sind nicht beide Länder in der Nato?
Wenn Griechenland pleite ist, gehen Banken bankrott, die griechische Staatsanleihen halten. Haben Sie keine Angst vor einer gefährlichen Dynamik wie nach der Lehman-Pleite 2008?
Ich würde die Banken pleitegehen lassen. Das heißt doch nicht, dass von heute auf morgen der Zahlungsverkehr eingestellt wird. Eine Bank, die pleite ist, bekommt einen Insolvenzverwalter, der die vitalen Funktionen aufrechterhält. Was die Staaten garantieren müssen, sind die Spareinlagen. Das ist billiger, als ganze Banken zu retten.
Ein erweiterter Rettungsschirm könnte Staaten wie Spanien vor Angriffen von Spekulanten schützen, wenn Griechenland insolvent ist. Überzeugt Sie das nicht?
Nein, Spanien kann und muss seine Probleme selbst lösen. Vielleicht werden die Zinsen steigen, aber das erhöht doch nur die Motivation, ordentlich zu wirtschaften.
Ist Ihnen das Schicksal der Eurozone egal? Am ersten Hilfspaket für Griechenland hat sich Ihr Land auch nicht beteiligt.
Wir haben die niedrigsten Löhne in der Eurozone. Warum sollten wir da Griechenland retten? Damit Griechenland 1200 Euro Rente zahlen kann, dreimal mehr als wir? Und jetzt sollen wir aufstocken, um Spanien oder Italien zu helfen? Norditalien ist die reichste Region in Europa! Artikel 125 des Lissabonner Vertrages sagt eindeutig: Jedes Land haftet für seine Schulden selbst.
Ist die Eurozone nicht trotzdem eine Solidargemeinschaft?
Es ist eine perverse Solidarität, über die wir hier sprechen. Das ist der Weg zum Sozialismus: Am Ende werden alle gleich schlecht dran sein, auch die Slowakei. Wenn eine deutsche Firma insolvent wird, helfen ihr die anderen Firmen doch auch nicht. Das Leben bringt Insolvenzen mit sich, das müssen wir akzeptieren. Die Eurozone wird nur funktionieren, wenn Staaten pleite gehen können und alle Investoren das wissen
Deutschland und Frankreich haben sich für eine Wirtschaftsregierung ausgesprochen. Geht die Slowakei diesen Weg mit?
Darüber können nicht Politiker entscheiden und schon gar nicht fünfzig oder hundert Leute in Brüssel. Man muss die Bürger fragen in Referenden oder bei Wahlen.
Wofür würden Sie werben?
Ich bin gegen eine Wirtschaftsregierung. Man kann nicht alles steuern. Europa lebt aus seiner Vielfalt, aus seinen unterschiedlichen Kulturen, Ideen und Lösungen. Das darf man nicht nivellieren.
Soll Europa enger zusammenwachsen?
Es wird enger zusammenwachsen. Ich sehe das bei uns in Bratislava. Wir liegen an den Grenzen zu Österreich, Ungarn und zur Tschechischen Republik. Ich sehe seit unserem Beitritt zum Schengen-Vertrag, wie die Unterschiede verwischen und immer mehr Slowaken in Österreich wohnen. Natürliche Entwicklungen darf man nicht stoppen, aber man sollte sie auch nicht künstlich beschleunigen.
Wenn das slowakische Parlament die Erweiterung des Rettungsschirms ablehnt, bindet es allen anderen Staaten die Hände. Ist das gerecht?
Als die EFSF aufgelegt wurde, reichte es, dass 90 Prozent der finanziellen Zusagen vorlagen. Jetzt muss über die Erweiterung einstimmig entschieden werden. Wir haben uns das nicht ausgedacht.
Sehen Sie einen Ausweg?
Wenn sich alle einig sind, kann die Slowakei ganz ausscheiden aus der EFSF. Das wäre eine Option für uns, sogar eine sehr gute. Ich will nicht die anderen Länder daran hindern, dass sie das Steuergeld ihrer Bürger für die Rettung anderer Länder ausgeben. Das geht mich doch gar nichts an.
Sind Sie auch dafür, dass die Slowakei die Eurozone verlässt, wenn diese in den Sozialismus marschiert?
Es ist viel zu früh, darüber zu urteilen. Ich halte den Euro immer noch für ein sehr gutes Projekt, und ich war mächtig dafür. Als bei uns darüber entschieden wurde, habe ich den Finanzminister beraten. Es war gut, dass wir Mitglied der Eurozone geworden sind. Aber das gilt nur unter einer Voraussetzung: dass die Regeln eingehalten werden.