"Code Orange" auf dem Parkett


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30.09.02 09:37


Von Carsten Volkery, New York

Verglichen mit der deutschen Wirtschaft ist die US-Konjunktur ein Hochgeschwindigkeitszug. Trotzdem zittern die Börsianer an der Wall Street vor den September-Daten.



Gedrückte Stimmung: Händler an der Wall Street


New York - Das National Bureau of Economic Research (NBER) hat eine einflussreiche Aufgabe in den USA. So wie US-Präsident George W. Bush de facto Krieg erklären darf, fällt es der Ökonomen-Runde zu, Beginn und Ende einer Rezession zu deklarieren.
Den Beginn der Rezession hatten die NBER-Experten seinerzeit auf März 2001 datiert. Doch das Ende haben sie in den eineinhalb Jahren seither noch nicht erklärt, und sie weigern sich bis heute. "Wir sind noch nicht bereit", sagte der Chef des Wirtschaftsrates am Sonntag. Es sei schließlich durchaus möglich, dass die US-Wirtschaft noch mal in die Rezession zurückfalle.

Das Zögern erscheint albern angesichts eines Wirtschaftswachstums, das im dritten Quartal locker 3,5 Prozent erreicht haben könnte. In Deutschland wäre sofort von einem Wirtschaftswunder die Rede.

Doch die Abwartehaltung der NBER-Ökonomen spricht Bände. Denn die Stimmung im Land ist längst auf Rezessionsniveau, von Aufschwungsoptimismus keine Spur. Die Anleger verkaufen, die Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück und entlassen Mitarbeiter, die Unsicherheit der Verbraucher steigt von Monat zu Monat. "Die Leute könnten kaum pessimistischer sein", sagte Andrew Brooks, Chef-Händler bei T. Rowe Price, gegenüber der "Washington Post".

Der Dow Jones schloss im Wochenverlauf zum fünften Mal in Folge niedriger (minus 3,6 Prozent). Damit hat der Leitindex im dritten Quartal bisher 16 Prozent verloren. Die vergangenen drei Monate drohen zum schwächsten dritten Quartal seit 1949 zu werden.

Diese Woche dürfte der Abwärtstrend weiter anhalten. Zwei einflussreiche Konjunkturberichte sorgen für "Code Orange" (höchste Alarmstufe) an der Wall Street. Am Dienstagmorgen wird der EInkaufsmanager-Index ISM veröffentlicht. Nicht wenige Ökonomen befürchten, dass er zum ersten Mal seit Februar unter die entscheidende 50-Punkte-Marke fallen könnte. Ein Wert unter 50 bedeutet, dass die nationale Produktion schrumpft, nicht wächst. Eine solche Nachricht wäre der denkbar schlechteste Beginn für den Börsenmonat Oktober.

Ebenso folgenschwer ist der Arbeitsmarktbericht am Freitagmorgen. Die Arbeitslosenrate soll von 5,7 Prozent im August auf 5,9 Prozent im September gestiegen sein. 15.000 neue Jobs soll die Wirtschaft im September geschaffen haben - deutlich weniger als im August (40.000). Einzelne Prognosen gehen sogar von einem Verlust von bis zu 50.000 Arbeitsplätzen aus. Der Arbeitsmarkt-Joker dürfte die Märkte die ganze Woche über beunruhigen, sagt Paul Cherney, Analyst bei Standard and Poors.

Cherney gehört zu den wenigen, die sich nach fünf Wochen Talfahrt noch mit Spekulationen über den baldigen Beginn eines Bullenmarkts hervorwagen. Der Oktober sei traditionell ein "Bärenkiller", sagt der Analyst. Es sei deshalb durchaus möglich, dass in der zweiten Oktoberhälfte der lang erwartete Bullenmarkt endlich beginne. Ob ein drittes Bärenmarktjahr allerdings noch verhindert werden kann, erscheint fraglich. Seit Jahresanfang hat der Dow 23 Prozent verloren.

Die Hoffnung, dass im nächsten Quartal alles besser wird, hat schon zu häufig getrogen. Erschwerend kommt die Unsicherheit auf Grund des drohenden Irak-Krieg hinzu. "Die Leute wollen im Moment einfach keine Aktien besitzen", sagte James McGlynn, ein Fondsmanager von Summit Everest Funds, gegenüber "CBS Marketwatch".

Diese Woche beginnt auch die Quartalszahlensaison. Am Freitag gibt der Aluminium-Hersteller Alcoa traditionell als erstes Dow-Unternehmen seinen Bericht ab. Analysten erwarten einen Gewinn von 28 Cent je Aktie. Beobachter rechnen auch mit weiteren Gewinnwarnungen, die die Märkte erschüttern könnten.

Anleger sollten sich also einmal mehr an den Rat Mark Twains halten. "Oktober ist einer der gefährlichsten Monate zum Spekulieren", hatte der Humorist einst geschrieben. "Die anderen sind Juli, Januar, April, November, Mai, September, März, Juni, Dezember, August und Februar."

 

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