Bushs Gönner von der Wall Street
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Eröffnet am: | 16.01.04 17:58 | von: Poseidon | Anzahl Beiträge: | 2 |
Neuester Beitrag: | 16.01.04 18:16 | von: calexa | Leser gesamt: | 1.861 |
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Von Marc Pitzke, New York
Die Hochfinanz spendet neuerdings mehr Geld in die Wahlkampfkasse von US-Präsident George W. Bush als sonst eine Berufsgruppe. Dahinter stecken egoistische Motive: Die Banker und Broker hoffen auf weitere Steuergeschenke - und Nachsicht bei den Wall-Street-Skandalen.
New York - Stanley O'Neal ist überzeugt, den Schlüssel zum Erfolg zu kennen. "Es ist alles wirklich nur eine Sache des Timings", sagte der Chef des Investmenthauses Merrill Lynch seinen Großkunden neulich auf einer Konferenz in New York. "Sie müssen den Marktzyklus früh erwischen, auf dem Weg nach oben. Deshalb führen wir unsere Geschäfte heute stärker denn je mit dem Blick nach vorne."
Ein Prinzip, mit dem es O'Neal, 52, in seiner gerade mal einjährigen Amtszeit geschafft hat, die behäbige "Mother Merrill" aus schwerer Krise zu neuen Milliardengewinnen zu führen. (Wobei es auch half, 23.000 Stellen zu streichen und 19 Top-Manager zu feuern.)
Doch O'Neals "Blick nach vorne" zielt nicht nur auf die Wall Street und deren Dollar. Ebenso unbemerkt wie unaufhaltsam hat sich der weltgrößte Finanzriese Merrill Lynch, dessen Zentrale am New Yorker Ground Zero im Inferno des 11. September 2001 fast mit zerstört worden wäre, in den letzten Monaten auch zu einem der einflussreichsten Akteure auf der Polit-Bühne Washingtons gemausert.
Mehr Geld als je zuvor
Es ist ein stiller, klandestiner Einfluss, ohne öffentliche Zurschaustellung und geölt vom seit jeher zuverlässigsten Gleitmittel in der US-Hauptstadt: Spendengelder. Mehr als 368.000 Dollar hat Merrill Lynch über seine Angestellten und deren Familienmitglieder im laufenden Wahlkampf bereits in die Kasse von Präsident George W. Bush geleitet - und sich so erstmals an die Spitze aller Bush-Finanziers gesetzt.
Zeichen der Zeit: Wo früher noch Ölbarone, Anwälte und Lobbyisten die Karriere Bushs finanzierten, sind es heute an erster Stelle die Börsenbullen der Wall Street: ausgerechnet jene Ostküsten-Elite, die der Texaner Bush anfangs so offen verachtete. Sie sorgt dafür, dass Bush inzwischen mit 84,6 Millionen Dollar über dreimal so viel in der Kasse hat wie sein reichster Rivale, der Demokrat Howard Dean (25,4 Millionen Dollar) - und mehr als je ein Präsidentschaftskandidat zuvor in der Geschichte der USA. Ermuntert wird diese Großzügigkeit vom neuen Wahlfinanzgesetz, das die zulässige Spenden-Höchstsumme für Individuen auf 2000 Dollar verdoppelt hat.
Kein Wunder, dass Merrill Lynch da mit seiner Spendierfreude kaum mehr alleine steht. 15,2 Millionen Dollar - mehr als sonst eine Berufsgruppe - hat die gesamte Finanzbranche bisher in den US-Wahlkampf gesteckt. Fast zwei Drittel davon gingen an die Republikaner und Bush. Die vormaligen Spitzenspender, Anwälte und Lobbyisten, folgen heute mit 6,3 Millionen abgeschlagen auf dem zweiten Platz. "Die Wall Street hat die K Street überrundet", sagt Craig McDonald, der Exekutivdirektor der Interessengruppe Texans for Public Justice, in Anspielung an die beliebte Washingtoner Adresse von Großkanzleien und Lobbyfirmen.
Grillfest auf der Ranch in Texas
DPA
US-Präsident Bush mit Ehefrau Laura auf der Familienranch in Crawford: Grillfest für die Krösusse
Acht der zehn spendabelsten Bush-Gönner sind in diesem Wahljahr entweder Großbanken oder Investmenthäuser. Darunter, neben Merrill Lynch: UBS Americas, die US-Dependance der Schweizer UBS (269.000 Dollar); Credit Suisse First Boston, ebenfalls eidgenössisch (212.050 Dollar); Lehman Brothers (199.500 Dollar), Goldman Sachs (198.725 Dollar) und Bear Stearns (165.000 Dollar).
Auch indirekt lassen sich die Finanzhaie nicht lumpen. Unter den Top-Fundraisern Bushs - jenen bisher 550 Getreuen, die als freiwillige Spendensammler mehr als 100.000 ("Pioneers") oder 200.000 Dollar ("Rangers") aus der Tasche anderer für den Präsidenten "bündeln" und damit den Großteil der Bush-Wahlkasse füllen - stellt die Wall Street ebenfalls die stärkste Fraktion.
Unter den "Pioneers" und "Rangers" finden sich die größten Namen der New Yorker Hochfinanz: Patrick Durkin und John Mack (Credit Suisse First Boston), James MacGilvray und Joseph Grano (UBS), James Cayne (Bear Stearns), Henry Paulson (Goldman Sachs), Stephen Lessing (Lehman Brothers), William Strong (Morgan Stanley) - und Stanley O'Neal. Zum Dank bat Bush seine Krösusse zum Grillfest auf seine Ranch nach Texas.
"Für Anregungen sehr empfänglich"
Der Schwarze O'Neal gehörte auch zu den Organisatoren eines Fundraising-Dinners für Bush im vorigen Juni, bei dem über vier Millionen Dollar zusammenkamen. Ein paar hundert Top-Mitarbeiter schnorrte O'Neill außerdem in persönlichen Bittbriefen um Bush-Spenden an. (Er selbst hat aber noch keinen Penny an Bush überwiesen.) Und als die Uno Bush auf ihrer Vollversammlung im September eiskalt abfahren ließen, konnte sich der tags darauf bei einem Plausch mit O'Neal & Co. im Waldorf-Astoria erholen. Dabei erörterte die Runde auch die Pläne für den republikanischen Wahlparteitag im kommenden August in Manhattan, den die Wall Street großzügig sponsert, unter Leitung von Goldmans Paulson.
AP
Bulle an der Wall Street: Jede Spende ein Investition
"Unser Chairman unterstützt die Bush-Regierung", gibt Merrill-Sprecherin Selena Morris lakonisch zu. Ein rein ideologisches Engagement aber: Konkrete, politische Gegenleistungen verspreche sich Merrill Lynch davon nicht. Ein Spitzenmanager einer anderen Börsenfirma beschreibt seine Spendenfreude als schlichten Patriotismus und Honorar für Bushs Reaktion auf den 11. September 2001, der ja vor allem das Finanzherz der USA traf.
So ganz selbstlos ist der Geldsegen an Washington aber natürlich nicht. "Dies ist reine Firmenpolitik", weiß Marc Lackritz, der Präsident der Branchenvereinigung Securities Industry Association (SIA). Jede Spende sei "eine Investition", da Bush sich bekanntlich "für Anregungen sehr empfänglich" zeige.
Langer Wunschzettel an Bush
Zum Beispiel in der Finanzpolitik. Die kürzliche, drastische Kürzung der Steuern auf Dividenden und Kapitalerträge kommt nicht nur reichen Investoren zu Gute, sondern in erster Linie auch den Wall-Street-Bossen, die so auf ihren Anlagekonten Abermillionen mehr anhäufen können. Ihre Hoffnung für die nahe Zukunft: dass dies nur der erste Schritt zu einer kompletten Steuerfreiheit für Investitionen ist.
Für die Finanzbranche ist es in diesen Skandalzeiten sowieso existenzieller denn je, Washington bei Laune zu halten. Seit Monaten ermitteln die US-Börsenaufsicht SEC und der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer wegen Mauscheleien und Anlegerbetrug gegen die Wall Street. Die zehn größten Firmen, darunter Merrill Lynch, mussten voriges Jahr eine astronomische Schadenszahlung von 1,4 Milliarden Dollar leisten. Prompt schmeicheln sich die CEOs von sieben dieser Firmen seither bei Bush als "Rangers" und "Pioneers" ein.
Ferner auf deren Wunschzettel: Deregulierung der malträtierten Fondsbranche, gesetzliche Eindämmung von Sammelklagen gegen Konzerne und eine Privatisierung des Pensionssystems, bei der die Altersversorgung rein über die Börse finanziert werden möge. Die Chancen stehen gut: "Bush behauptet, er diene dem Volk", schimpft Joan Claybrook, die Präsidentin der Bürgerorganisation Public Citizen. "In Wahrheit dient er dem Business."
16.000 Dollar an Dean
Dass das auch so bleibt, dafür scheint eine Wiederwahl Bushs die einzige Garantie. Denn seine demokratische Rivalen - Howard Dean, Wesley Clark und John Kerry an der Spitze - haben der Geldbranche den Kampf angesagt. Vor allem Deans Popularität nährt sich aus dem Protest der entrechteten Bürger: "Die großen Konzerne", sagt Dean, "haben dem normalen Amerikaner den Rücken gekehrt."
Klar, dass die Wall Street da um Dean einen großen Bogen macht. Nicht mal eine Million Dollar haben ihm die Investmenthäuser bisher zukommen lassen. Am meisten hat sich noch Goldman Sachs abgekniffen: 16.000 Dollar.
So long,
Calexa
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