Alle Menschen sind Philosophen (I)


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Neuester Beitrag: 30.11.02 12:18
Eröffnet am:30.11.02 08:15von: modAnzahl Beiträge:4
Neuester Beitrag:30.11.02 12:18von: SchnorrerLeser gesamt:1.672
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25196 Postings, 8557 Tage modAlle Menschen sind Philosophen (I)

 
  
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30.11.02 08:15
Alle Menschen sind Philosophen

Heide Bohnet und Klaus Stadler bieten einen gelungen Querschnitt der Gedankenwelt des liberalen Gesellschaftsphilosophen Karl Popper
von Christian Watrin  

Karl R. Popper (1902-1994) ist einer der großen Gelehrten des zwanzigsten Jahrhunderts.
Von 1945 an lehrte Popper an der angesehenen London School of Economics und baute dort seine Wissenschaftslehre zu einem umfassenden Entwurf aus, der sich von der Erkenntnistheorie über die Philosophie der Natur- und Geisteswissenschaften bis hin zu Fragen der Gesellschaftsordnung und der Ethik erstreckte.


Die Herausgeber von „Alle Menschen sind Philosophen“ haben sich das Ziel gesetzt, Poppers Denken durch Auszüge aus seinen Schriften allgemein interessierten Lesern näher zu bringen. Dies ist ihnen gelungen. Für Popper sind alle Menschen Philosophen, denn sie denken – wenn auch in höchst verschiedenen Kategorien – über Grundfragen der menschlichen Existenz nach.


Ausgangspunkte sind nach Popper die Ansichten über das Bewusstsein von Tier und Mensch und vor allem das dem Menschen eigene Selbstbewusstsein. Das führt zur Frage, welche Möglichkeiten uns zur Erkenntnis der uns umgebenden Welt zur Verfügung stehen. Popper vertritt hier einen realistischen Standpunkt. Die uns umgebende Welt ist kein Traumgebilde, sie existiert wirklich und unsere Ansichten über die Welt können durch harte Tatsachen widerlegt werden.


Poppers Überlegungen münden ein in die Erörterung jener Mittel und Wege, welche uns Menschen in die Lage versetzen, die Entfaltung gesellschaftlicher Ordnung nicht den Zufällen von Instinkten (auch Machtinstinkten) zu überlassen, sondern sie auf Grund vernünftiger Überlegungen zu gestalten. Hier schließt sich Popper allerdings nicht den Vorstellungen der Sozialplaner aller Art an, welche Gesellschaften more geometrico nach ihrem Willen formen wollen, sondern sein großes Thema ist die Spontaneität des Handelns, die geistige Kühnheit des Denkens und der menschliche Wille, neues zu schaffen. Basso continuo im Popperschen Denken ist die Überzeugung, dass unser Wissen – gemessen an dem, was wir wissen müssten, um unsere Ziele wirklich zu erreichen – äußerst gering ist. Auf die Spitze getrieben gilt das sokratische Wort: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Aus heutiger Sicht mag die Bescheidenheit des Sokrates übertrieben anmuten, erleben wir doch tagtägliche Wissenszunahmen in einem Maße, das selbst kleine Gebiete unüberschaubar werden. Aber nicht das Wachstum des Wissens, sondern seine Unsicherheit ist Poppers Problem. Denn wir müssen schon aus logischen Gründen davon ausgehen, dass das, was wir heute für zutreffend halten, morgen widerlegt sein kann und in glücklichen Fällen durch neue Erkenntnisse ersetzt wird. Versuch und Irrtum oder besser: Versuch, Überprüfung, Fehlerelimination, Verbesserung und erneuter Versuch, sind Schritte zur Mehrung unseres Wissens.


Diese Einstellung zeichnet wie keine andere die westliche Zivilisation seit der Renaissance aus. In dieser Feststellung liegt keine Anmaßung, wohl aber die nüchterne Protokollierung eines Tatbestandes. Über dessen Wertung lässt sich streiten. Es stehen allerdings hohe Güter auf dem Spiel. Historisch gesehen ist das Aufkommen einer kritischen Haltung als Lebensstil keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis Jahrhunderte langen Ringens um philosophische Theorien aber auch der Auseinandersetzung mit Kräften der Beharrung im Hinblick auf überkommene oder dogmatisierte Weltbilder. Frühe Ansätze einer wissenschaftlichen Sicht unserer Welt finden sich bei den Vorsokratikern. Deren Überzeugungen gerieten jedoch durch die aristotelische Lehre, dass es möglich sei, sicheres Wissen zu erlangen, wieder in Vergessenheit. Erst Galileo Galilei und seine Zeitgenossen öffneten erneut die Wege zum systematischen disziplinierten kritischen Denken.
http://www.welt.de/data/2002/11/30/20246.html

 

473 Postings, 7858 Tage kantSir Popper

 
  
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30.11.02 09:48
der obige Kommentar über Popper ist so weichgespult, dass man kaum versteht, worin er sich nun von anderen Philosophen, wie z.B. dem vor wenigen TAgen verstorbenen John Rawls unterscheidet.
Der springende Punkt ist der, dass unser Wissen als äußerst gering zu veranschlagen ist. Das was oben als täglicher Wissenszuwachs beschrieben wird, findet in Wirklichkeit überhaupt nicht statt, da alles, was an "Tatsachen" behauptet wird, Hypothesen sind, die allesamt "falsifiziert" (so der Name der Erfindung Poppers) werden können. So geht es in den Naturwissenschaften, Ingenieurswissenschaften und (selbstverständlich!) an der Börse ständig zu. Mit der resignativen Haltung des Sokrates hat diese Bestandsaufnahme nichts gemein.
Ein Beispiel für das Verfahren Poppers sei die obige Überschrift: "Alle Menschen sind Philosophen". Vorausgesetzt man vereinbart, was unter dem BEgriff "Philosoph" denn eigentlich zu verstehen ist, dann genügt bereits der Nachweis eines einzigen Menschen, der nicht an dieser Philosophie interessiert ist, um die universalistische Behauptung zu kippen, zu falsifizieren.
"Wissen" ist dünn gesäht, bezieht sich streng genommen auf gültige Deduktionen, d.h. auf formale Sätze.
Man sieht, ohne Fachausdrücke läuft nichts, wenn man einen Kommentar zur Philosophie abliefert.
 

25196 Postings, 8557 Tage modAlle Menschen sind Philosophen (2)

 
  
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30.11.02 12:11
Alle Menschen sind Philosophen (2)

Dass dieser Umschwung eintreten konnte, ist nicht nur einigen Geistesheroen zu verdanken. Vielmehr bedurfte es des gleichzeitigen Aufkommens von Institutionen, welche die Freiheit des Denkens, der Religion und des Handelns sicherten und dauerhaft schützten. Totalitaristische Regime des zwanzigsten Jahrhundert unterwarfen die in den vorangegangenen Jahrhunderten entwickelten Freiheitsgebote erneut dem Herrschaftswillen kleiner politischer Gruppierungen. Auch Demokratien heutigen Zuschnitts sind keineswegs gegen Rückfälle in neue Formen der Unterdrückung der Freiheit des Denkens gefeit. Gleichwohl waren den menschlichen Bestrebungen zur Verbesserungen der Umstände einige Fortschritte beschieden. Sie schufen nicht nur Freiheiten des Denkens sondern auch große Erfolge in der Bekämpfung sozialer Übel. Der über Jahrtausende bestehende Zustand, dass nur kleine herrschende Schichten ein menschenwürdiges Leben führten und dass für die meisten Armut ein Normalzustand war, ist heute in Teilen der Welt überwunden. Das bedeutet jedoch noch längst nicht, dass weitere Fortschritte überflüssig wären, noch dass wir uns mit dem Erreichten zufrieden geben könnten.


Professor Dr. Christian Watrin ist emeritierter Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik der Universität zu Köln und Präsident der Mont Pèlerin Society. Die Vereinigung liberaler Wissenschaftler und Praktiker wurde 1947 von Friedrich August von Hayek gegründet.


Heide Bohnet, Klaus Stadler (Hrsg.): Karl R. Popper: Alle Menschen sind Philosophen. Piper, München Zürich 2002, 281 Seiten, 19,90 Euro


 

6537 Postings, 8117 Tage SchnorrerAlle Menschen sind Lügner.

 
  
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30.11.02 12:18
Und am meisten belügen sie sich selbst.

Zitat: schnorrer, einer, der  die Welt von ganz unten kennt. Anzutreffen in Fußgängerzonen und überdachten Passagen.  

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