Mallorca: Sozialfall statt angen. Lebensabend
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 25.06.03 17:18 | ||||
Eröffnet am: | 16.06.03 08:30 | von: Slater | Anzahl Beiträge: | 12 |
Neuester Beitrag: | 25.06.03 17:18 | von: Slater | Leser gesamt: | 1.511 |
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Immer mehr Deutsche, die von einem angenehmen Lebensabend an Spaniens Sonnenstränden träumen, enden als Sozialfall.
Viele Deutsche träumen immer noch von einem ruhigen Leben unter Palmen, ohne Leistungsdruck und mit Sonne das ganze Jahr. Spanien schien über Jahrzehnte ideal, diesen Traum zu verwirklichen. Hier sprach man deutsch und konnte für wenig Geld gut leben. Eine hohe Inflation, ein Tourismus- und Immobilienboom sowie die Euro-Einführung haben die Preise jedoch inzwischen auf deutsches Niveau getrieben.
Damit haben die meisten Aussteiger nicht gerechnet, als sie vor dreißig Jahren ihren sicheren Arbeitsplatz in Deutschland aufgaben, ihr Haus verkauften, um in Spanien als Saisonarbeiter im Tourismus zu arbeiten, einen Handwerksbetrieb aufzumachen oder die Frührente zu genießen.
Nach Schätzungen haben 25 000 der zirka 600 000 deutschen Residenten in Spanien inzwischen akute finanzielle Probleme. Die deutschen Kirchen vor Ort, die Konsulate und Sozialvereine an der Costa Blanca, auf den Kanaren und den Balearen sprechen von einer tickenden Zeitbombe. Sie haben wie die 45jährige Ute Schellin häufig zu wenig in die jeweiligen Sozialversicherungssysteme eingezahlt, um eine Rente zu erhalten, die ihnen das Überleben im stetig reicher werden Spanien möglich macht. Weil sie meist nicht zurück nach Deutschland wollen, haben sie auch keinen Anspruch auf die dortigen Sozialleistungen, von ihrer Wahlheimat können sie auch keine Unterstützung erwarten und von den eigenen Landsleuten noch weniger.
Viele Deutsche träumen immer noch von einem ruhigen Leben unter Palmen, ohne Leistungsdruck und mit Sonne das ganze Jahr.
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Irmgard und Helmut Vogel, 83 und 85Jahre alt, hatten sich ihren Lebensabend im Süden etwas anders vorgestellt, als sie vor 30 Jahren Haus und Fabrik in Wuppertal verkauften, um auf Mallorca ihren Ruhestand zu genießen. Statt auf der Terrasse ihrer Finca zu sitzen und im lauen Sommerwind mit einem Glas Rioja die Abendsonne zu betrachten, leben die beiden im Pflegeheim Llar in Calvía, rund 15 Kilometer westlich der Inselhauptstadt Palma.
>>>Bildergalerie: Elend unter Palmen
Das bettlägerige Ehepaar ist aber nicht nur dauerhaft pflegebedürftig – es hat nicht einmal genug Geld, um die monatlichen Heim- und Pflegekosten von zusammen 3000 Euro aus eigener Tasche zahlen zu können. Nur 1400 Euro haben die beiden zur Verfügung: 1000 Euro stammen aus den Rentenansprüchen in Deutschland, der Rest aus einer Leibrente für die verkaufte Wohnung auf Mallorca. Angehörige, die sie unterstützen könnten, haben die beiden nicht mehr – der einzige Sohn ist verstorben. Aus der deutschen Pflegeversicherung besteht nach dem Umzug ins Ausland lediglich Anspruch auf den häuslichen Pflegesatz – und den bekommen die Eheleute Vogel nicht, weil sie im Heim leben.
Eine Rückkehr nach Deutschland wäre zwar möglich, „aber das überstehen die beiden nicht, dafür sind sie zu zerbrechlich“, sagt Gerhard Pfitsch. Der 70 Jahre alte Rentner betreut die beiden und hilft ihnen bei Behördengängen: Durch seine Intervention bekommen sie jetzt wenigstens Sozialhilfe von der Gemeinde Calvía, mit der die restlichen Heimkosten bezahlt werden können.
Kein Einzelfall
Das traurige Schicksal der Vogels ist kein Einzelfall: Rund 25 000 der 61 000 offiziell in Spanien lebenden und schätzungsweise 500 000 nicht gemeldeten deutschen Residenten haben nicht genug Geld zum Leben, schätzen Kirchen und Sozialvereine – und die Zahl steigt. Zudem sind die Rentner im Ausland schlechter gestellt.
Wer in Spanien gemeldet ist und deutsche Rente bezieht, verliert die sonst anrechenbaren Ersatzzeiten für Studium oder Wehrdienst. Auch Zusatzrenten, wie sie etwa den vertriebenen Sudetendeutschen zustehen, gehen beim Umzug ins Ausland verloren. „Da wird es für viele ganz schön knapp“, sagt Walter Zöller, Sozialreferent der Deutschen Botschaft in Madrid. Zöller war in den vergangenen Wochen häufig mit solchen Problemen deutscher Rentner konfrontiert.
„Da tickt eine Zeitbombe“, glaubt Günther Röttgen, Präsident der Assistencia Mallorca, einem der zahlreichen Sozialvereine für Not leidende Deutsche in Spanien. Röttgen, 61, war bis zu seiner Pensionierung Vertriebsleiter bei Osram in München. Der Grund für seine pessimistische Einschätzung: Jahr für Jahr kommen immer noch tausende von Deutschen – wegen des angenehmen Klimas oder um Stress und Leistungsdruck in der alten Heimat zu entfliehen.
Diese Menschen können im Alter keinen Cent vom spanischen Staat erwarten – die generöse Entscheidung der Gemeinde Calvía, die Vogels zu unterstützen ist da eine seltene Ausnahme. „Solcher Leichtsinn wird zu einem echten Problem“, sagt Röttgen, „wenn das so weitergeht, brauchen wir bald einen privaten Sozialarbeiter.“ Sein Verein weiß von 200 Deutschen auf Mallorca, die in akuter Not leben.
Weitere 5000, so schätzt er, stecken in finanziellen Schwierigkeiten, weil sie – meist bei Immobilienkäufen – über den Tisch gezogen wurden, als Unternehmer gescheitert sind oder weil plötzlich der Partner stirbt und der Hinterbliebene mit nur noch einem Gehalt oder einer Rente auskommen muss. Assistencia Mallorca sammelt für solche Fälle Geld bei deutschen Unternehmen und Institutionen. Doch weil viele Bedürftige durch eigenes Verschulden in Not geraten sind, „ist das ein mühsames Geschäft“, sagt Röttgen.
Schlechte Integration
José Rodriguez versucht, den Not Leidenden direkt zu helfen. Der Pensionär und frühere Ingenieur lebt auf Mallorca und ist mit einer Deutschen verheiratet. Tag für Tag begleitet er allein Stehende und Pflegebedürftige zum Arzt, besucht Kranke oder geht mit ihnen zu den Behörden. Nicht selten spielt er dabei auch den Sprach- und Kultur-Übersetzer: „Viele Deutsche haben sich so wenig integriert, dass sie auch nach Jahrzehnten auf der Insel immer noch kein Spanisch sprechen.“
Das Problem ist nicht auf Mallorca beschränkt. Rainer Straubel, Herausgeber mehrerer deutschsprachiger Zeitungen in dem Costa-Blanca-Örtchen Calpe, wo circa 3000 Deutschen gemeldet sind, sieht auch in dem Egoismus unter den Deutschen eine der Ursachen: „Bei den Briten oder Belgiern, die hier ebenfalls stark vertreten sind, gibt es noch Nachbarschaftshilfe.“ Für die Deutschen bleiben in letzter Instanz häufig nur die Konsulate: „Und wir können diesen Menschen nur helfen, indem wird den Rückflug nach Deutschland bezahlen – mehr verbietet uns der Gesetzgeber“, so die offizielle Stellungnahme des deutschen Konsulats in Las Palmas auf Gran Canaria, wo immer mehr Hilfeanfragen eingehen.
Am drängendsten ist das Problem auf Mallorca – rund 50 000 Deutsche leben auf der Insel, viele hatten große Illusionen und stürzten dann in mindestens ebenso große Enttäuschungen. „Bei manchen hat die Sonne offenbar den Verstand ausgeschaltet“, glaubt Andreas Ahnert, evangelischer Pfarrer auf Mallorca. Auch er leistet aktive Unterstützung, wenn eines seiner Schäfchen in finanzielle Not geraten ist. Zumal Geldsorgen häufig einen Rattenschwanz anderer Probleme nach sich ziehen: Flucht in den Alkohol, Ehescheidungen, Depressionen, „manche rutschen sogar in die Kriminalität ab“, sagt Ahnert. „Das Gefängnis der Insel ist voll von Deutschen“, bestätigt sein katholischer Amtsbruder Robert Kramer.
Frag mal die 5 Mio Arbeitslosen und die Millionen Sozialhilfeempfänger in Deutschland
ob sie Mitleid mit diesen "Wohlstandsaussteigern" haben.
Mallorcas Urlauber stöhnen: Bei 40 Grad Celsius im Schatten ist es zu heiß, sich auch nur einen Schritt von der Klimaanlage wegzubewegen. Der heißeste Juni in Spanien seit 30 Jahren führt zu einem Rekordstromverbrauch auf der Ferieninsel.
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Vielen Urlaubern auf Mallorca ist es bei solchen Temperaturen einfach zu heiß zum Baden. Wie die Zeitung "Diario de Mallorca" am Mittwoch berichtete, bleibt ein großer Teil der Touristen wegen der Hitzewelle lieber in den Hotelzimmern, wo Klimaanlagen für Kühlung sorgen. Am Dienstag waren in der Stadt Sóller 40 Grad Celsius gemessen worden, und das Meer ist an den Stränden bereits 24,2 Grad warm. Das ist mehr als drei Grad über dem normalen Juni-Wert.
Auf den Balearen und an der Mittelmeerküste des spanischen Festlands löste die seit Wochen anhaltende Hitze einen solchen Run auf Klimaanlagen und Ventilatoren aus, dass die Geräte in vielen Geschäften rasch ausverkauft waren. Die Inseln Mallorca und Menorca registrierten mit 817 Megawatt einen Rekord beim Stromverbrauch. Bisher gab es Höchstwerte nur in den Heizperioden im Winter.
In weiten Teilen Spaniens ließ die seit Wochen anhaltende Hitze am Mittwoch etwas nach. Auf dem spanischen Festland brachten Hagel- und Gewitterschauer eine gewisse Abkühlung, auf Mallorca gingen die Temperaturen allerdings nur um etwa zwei Grad zurück. Auf Grund der langen Dauer der Hitzewelle, die fast seit Anfang des Monats anhält, dürfte der Juni als der heißeste seit über 30 Jahren in die Annalen eingehen.